Abschätzend betrachtete Marcus den bloß gelegten Rücken der Sklavin, und selbst wenn das Licht in dieser Sklavenunterkunft mehr dürftig, und die Schatten zahlreicher als die Lichtpunkte auf der Schneeweißen Haut der Sklavin waren – in denen die Peitschenhiebe umso grober und wie eine blutige Bresche in strahlendem Schnee wirkte – so konnte er doch immerhin einigermaßen die Verletzungen abschätzen und er überlegte, ob er nicht doch den medicus des Hauses rufen sollte, damit dieser sich um den Rücken von Asny kümmerte, denn schließlich hatte sie ihn wirklich einiges an Sesterzen gekostet, selbst wenn Marcus die genaue Summe nicht kannte; aber erstmal würde sich dadurch auch ganz gut zeigen, aus was für einem Holz Asny wirklich geschnitzt war, auch wenn er keine große Hoffnung hegte, daß sie die Lehre aus dem Schmerz zog, die Marcus beabsichtigt hatte, seine normalen Disziplinarmaßnahmen schienen an Asny nicht nur zu scheitern, sondern in die völlige Gegenteiligkeit zu führen. Marcus rieb sich die Hände an einem Leinentuch trocken, hinterließ dabei auch rosafarbene Flecken von dem verdünnten Blut, das beim Waschen an seine Finger gelangt war, und wölbte seine Augenbrauen in die Höhe; Beharrlichkeit hatte Asny, und ganz unrecht hatte sie mit ihrer Argumentation ja auch wieder nicht, ein kopfloser Sklave war natürlich auch eher von geringerem Nutzen und nur für die plumpen Dinge des Alltags tauglich, also war Marcus auch bereit, ihre Antwort mit einem marginalem Neigen seines Kopfes zu quittieren und beschloß, damit die Disputatio über die Natur einer perfekten Sklavin zu beenden, er hatte seinen Standpunkt auch lang und breit ausgeweitet – sehr entgegen seines üblichen Redeverhaltens – und alles andere würde er der Zukunft überlaßen, und dann eben sehen, ob Asnys Vorstelllungen und die Seinigen konvergieren würden, oder ob es nicht eher vergebene Liebesmühe war und keine Zukunft hatte, doch das würden erst die nächsten Wochen, vielleicht sogar erst die Zukunft beweisen. Außerdem war es auch für Marcus offensichtlich, daß es Asny immer schlechter zu gehen schien, gleichwohl ihre Worte er von einer leichten Unbekümmertheit deuten sollten – sollten sie? - und wenig davon, daß sie gerade erst am Nachmittag ausgepeitscht worden war und danach Stunde um Stunde in dem Loch verbracht hatte, ein Ort, an dem schon viele Sklaven – insbesondere in der Zeit seines Bruders – verzweifelt und durchgedreht waren, aber nicht Asny, was Marcus sich merken würde und ihm viel über die junge Sklavin verraten hatte.
Hinwieder runzelte er etwas verärgert die Stirn auf die letzten Worte der Sklavin hin, ein wenig fühlte er sich ertappt, aber nicht gänzlich schuldig, denn er hatte das noch nie so betrachtet oder derartige Intentionen gehabt, dennoch fühlte er, wie die Wärme sich an seinem Nacken ausbreitete, weil ihn eine gewiße Verlegenheit überkam, aber sie - die Verlegenheit - sollte sich nicht über seine Ohren auf das Gesicht ausbreiten, zumal er tief durchatmete und beschloß auch darauf hin keinen weiteren Disput anzufangen, er würde sowieso nur in der Argumentation unterlegen sein, da er durchaus das Diskussionspotential der Asny kennen gelernt hatte. Nur einen abschließenden Kommentar konnte er sich dazu nicht verkneifen:
„Weißt Du, Asny, es wäre mir egal, ob Nummer vier, acht oder zwölf, Jungfrauen war noch nie mein Fall gewesen! Aber egal, Du hast wahrscheinlich Recht...“
Womit er meinte, daß sie nicht in sein Beuteschema paßte, dafür wog sie einfach gut zwanzig Kilo zu wenig, war zu hellhäutig und die blonden Haare reizten Marcus auch nicht sonderlich; mit den Worten erhob er sich und betrachtete sie skeptisch, denn er glaubte nicht, daß sie es noch auf ihren eigenen Beinen aus dieser Unterkunft, geschweige denn in einen anderen Sklavenschlafraum schaffen würde, sie sah aus wie ein leibhaftiger Geist, der aus dem Tartaros gekrochen war, und die ätherische Essenz mit jedem Windhauch schon zerstört werden konnte. Marcus sah sich in dem Raum um, den er ursprünglich für ihre Unterkunft gehalten hatte, aber er kannte sich im Sklaventrakt doch einfach reichlich wenig aus und wußte kaum einen Raum von dem Anderen zu unterscheiden, er bemerkte eine Bewegung am Rande des Raumes, ein Schatten, der über die weniger schwarze Wand glitt, und sich zu ducken schien, um unerkannt zu bleiben, Marcus war er dennoch für einen Herzschlag aufgefallen, lange genug, um die Silhouette eines anderen Sklavens in und von der Dunkelheit diskriminieren zu können.
„Natürlich kannst Du in Deine Unterkunft zurück kehren, aber laß Dir von dem Sklaven dort helfen; zudem muß Dein Rücken noch versorgt werden und Du bekommst die nächsten Tage Zeit, Deinen Rücken auszukurieren, eine defekte Sklavin nützt mir herzlich wenig!“
Ob sie sich nun wirklich vom Sklaven helfen laßen wollte oder sich doch eisen und verbißen – derart vermutete Marcus – sich bis zu ihrem Schlafplatz zurück kämpfen würde, das überließ er freilich Asny, obwohl er einige Herzschläge lang überlegte, ob er sie nicht eigenhändig hochheben und einfach dorthin tragen sollte, wo sie ihn dann hin dirigierte und ihm weisen würde, wo sie eigentlich nächtigte, aber Marcus befand, daß das doch zuviel des Guten gewesen wäre, insbesondere nach ihrer doch sehr langen und sehr intensiven Auseinandersetzung, die Marcus einen gehörigen Schädel verpaßt hatte, noch mehr als das viele Bechern vorher, er hatte nur noch das Bedürfnis, sich in sein Bett zu legen und wie ein Toter bis zum nächsten Morgen zu schlafen. Er betrachtete Asny noch mal nachdenklich, nickte ihr schließlich zu und drehte sich dann um; mit wenigen Schritten hatte er die Tür erreicht, die er öffnete und in zwei neugierig spähende Sklavengesichter guckte; grimmig starrte er auf die Sklaven – die er höchstens vom Sehen her kannte – und die darauf hin eingeschüchtert zurück traten, selbst wenn sich der Eine ein breites und hämisches Grinsen verkneifen mußte; Marcus wußte dabei nicht, ob er über die Strafe von Asny sich freute oder ob sie genug gelauscht hatten, damit sie wußten, daß Asny ihn ziemlich vorgeführt hatte, immer und immer wieder; das kalte Starren von Marcus' Augen vermochte immerhin das Grinsen auf dem Gesicht – selbst wenn es nur ein Anflug war – zu vertreiben. Es war auch der Ingrimm, der Marcus deutlich ins Gesicht geschrieben stand, der den Sklaven jedwedige Lust vertrieb, sich hier noch ihrer Neugier wegen herum zu tummeln, sie machten einen Katzbuckel und verschwanden schnell im Gang wieder, Marcus sah ihnen kurz hinter her und drehte sich dann wieder in Richtung von Asny um, sie taxierend, ob sie überhaupt Transportfähig war oder ob er doch notfalls eingreifen mußte und sie doch in Richtung der Sklavenunterkunft tragen würde.