Marcus musterte Rutger mit einem genüsslichen Grinsen im Gesicht. Wie schnell Fortuna doch ihre Launen ändern konnte. Innerlich lachte Marcus schon darüber. War er doch nur vor wenigen Stunden noch Rutgers Gefangener, so war nun Rutger selber in Marcus Hand. Ihm ausgeliefert auf Gedeih und Verderben.
„Kleiner, ich lass Dich am Leben. Darüber kannst Du schon glücklich sein. Aber Du wirst wohl lernen müssen, daß man sich einem Römer gegenüber nicht so verhält.“
Marcus beugte sich etwas nach vorne und taxierte Rutger mit leicht verengten Augen. Sein Grinsen war mit einem Schlag verschwunden.
„Und besonders was es heißt, wenn man einen Flavier angreift. Du hast Dir den falschen Römer dafür ausgesucht, Germane!“
Zufrieden über diese, seiner Meinung nach genug überheblicher Rede, lehnte sich Marcus zurück. Ja, so benahm man sich doch standesgemäß. Die Tatsache, daß er eher wie ein erbärmlicher Bettler, mit all dem Schlamm und den Verletzungen aussah, übersah er dabei hochmütig. Die Tür öffnete sich in jenem Moment wieder und der Junge der Taberna trat in den Schankraum. Im Schlepptau hatte er einen Mann, mehr eine Gestalt.
Der Mann war eher von Zwergengestalt. Sein Gesicht war rund wie der Vollmond und eine lange, spitze Nase zierte den Apfelkopf. Dabei zeigte die obere Rundung kein Härchen, nur eine etwas fettige, schmierige Schichte, die von seltenem Waschen zeugte. Auch seine Kleidung hätte durchaus auf dem Boden alleine stehen können, so sehr strotzte sie von Dreck und Körperfett. Der Junge deutete dem Mann, dessen Gesicht von einigen unschönen Pusteln bedeckt war, zu Marcus zu gehen. Der Mann nickte eifrig und huschte tapsend an den Tisch. Der Mann blieb stehen und sah unschlüßig von Marcus zu Rutger und wußte wohl nicht, wen er ansprechen sollte. Erst nach einigem Überlegen, was sich lebhaft auf dessen Gesicht wiederspiegelte, wandte er sich an Marcus. Seine Stimme klang nasal und sein Latein von einem vulgären Unterton geprägt. Welchem Volk oder gar Gattung er angehörte, war schwerlich daran zu erkennen.
„Salve! Mir wurde ausgerichtet, daß ihr einen Sklaven hättet, der nach Rom soll? Ist das so richtig?“
Marcus wandte sich ganz langsam an den Mann und musterte ihn von oben bis unten. Angewidert verzog Marcus sein Gesicht. Unschlüssig schwieg Marcus. Der Mann, Händler, Sklave, was auch immer er war, er war ihm zumindest sehr suspekt. Aber gut, eine andere Wahl hatte Marcus nicht wirklich.
„Richtig! Dieser dort soll nach Rom gebracht werden. Mein Name ist Marcus Flavius Aristides. Du kennst sicherlich die Gens Flavia?“
Der Mann schien bei Marcus Worten selber etwas skeptisch zu sein und musterte ebenfalls Marcus prüfend, der kaum wie ein erhabener Patrizier wirkte. Schließlich nickte dieser langsam. Dabei rieb er sich die Hände und seine Nase zuckte ein wenig. Er schien wohl ein gutes Geschäft zu wittern.
“Ja, natürlich kenne ich die großen Flavier. Welcher Sklaven- und Gladiatorenhändler kennt sie nicht? Aber verzeiht mein Herr, ich bin nur der Mittelsmann. Mein Herr ist der eigentliche Sklavenhändler. Er ist jedoch gerade noch in Verhandlungen. Nun gut, wir werden in einigen Tagen aufbrechen um die germanischen Sklaven nach Italia zu bringen. Dann könnten wir den Sklaven mitnehmen. Das ist aber nicht ganz billig, mein Herr! Besonders wenn die Ware unbeschädigt sein soll. Ist das Ding denn gefügsam?“
Marcus lachte leise bei den Worten und schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist das Ding wahrlich nicht. Er müßte in Ketten dorthin gebracht werden. Und ich möchte sichergehen, daß er auch wirklich in der Villa Flavia ankommt. Was willst Du für den bockigen Sklaven dort?“
Marcus deutete grinsend auf Rutger. Langsam fing es an ihm Spaß zu machen. Sollte doch Rutger lernen, daß er von nun an nicht mehr als eine Sache war, nur ein Sklave unter vielen, vielen tausend Anderen! Der Händler nickte und sah prüfend auf Rutger.
“Hmmm! Rebellisch sieht er aus...dieser fanatischer Haß! Das wird schwierig, sehr schwierig! Und dann muss er auch noch gefüttert werden. Und wer weiß? Vielleicht beißt das Ding noch einem meiner Sklaven den Finger ab. Und eine Wache brauch ich auch ständig für ihn. 600 Sesterzen. Darunter geht es nicht!“
Marcus sah den Händler verblüfft an. Schließlich lachte Marcus und schüttelte den Kopf.
„600? Du bist verrückt, Mann! Soviel würde ich für einen wilden Germanen noch nicht mal bezahlen, wenn ich ihn bei Dir kaufen würde. Auch in Roma nicht. Aber gut, Du bekommst jetzt 200 Sesterzen und in Rom bekommst Du von meinem Vetter noch mal so viel. Solltest Du den Sklaven jedoch verlieren oder woanders hin verkaufen, dann solltest Du um den Beistand der Götter beten. Denn dann wirst Du im Theater der Flavier den Löwen vorgeworfen werden! Verstanden?“
Der Händler, völlig unbeeindruckt von der Drohung, nickte eifrig. Ja, seine Nase zuckte noch ein wenig mehr. Es wirkte fast schon wie bei einem Kaninchen oder bei einem Schwein, was gerade im Schlamm suhlte.
„Aber sicher doch, Herr, vierhundert Sesterzen? Nun gut, das ist akzeptabel! Wann bekomme ich das Geld?“
Marcus nahm den Becher und trank den letzten Schluck aus und stellte den Becher achtlos wieder auf den Tisch. Dabei stand er auf.
“Ich lasse Dir das Geld vorbeibringen! Bis dahin kannst Du ihn ja als Unterpfand behalten. Wenn Du Dein Geld nicht bekommst, verkauf ihn meinetwegen an irgendjemanden. Aber weit, weit weg von Germania! Aber ich schick es Dir morgen früh vorbei! Und bring ihn zur Villa Flavia nach Rom. Ich werde Dir noch einen Brief für seinen neuen Besitzer mitschicken!“
Der Händler nickte wieder und trat etwas zur Seite als Marcus vom Tisch aufstand.
“Aber natürlich, mein Herr! Bringt das Geld zu Lucianus, dem Keltenhändler!“
Marcus sah kurz zu dem Mittelsmann, wandte sich dann jedoch an an Rutger. Kalt und arrogant sah er zu dem Germanen.
„Nun, Kleiner, das wird Dein Schicksal sein. Du wirst lernen müssen, Dich uns Römern zu unterwerfen. Denn von nun an, wirst Du ein Sklave der Flavier sein. Nicht mehr wert als der Dreck unter meinem Schuh, gezwungen jeden Dienst zu vollführen, denn wir haben nicht nur Dein Leben in unserer Hand, sondern auch die Macht Dir zu zeigen, wozu ein Patrizier in der Lage ist.“