Die Tage strichen ins Land, die Sommerhitze lag schwer auf dem Lager der Chatten. Auch Marcus litt unter jener Hitze. Sie durchdrang ihn und ließ ihn viele Tage fiebern. Es stand schlecht um ihn, die Pfeilwunde eiterte sogar. Die Fieberträume warfen Marcus hin und her. Immer wieder murmelte er unverständliche Worte, wobei der Name seiner Mutter oft fiel. Gytha kümmerte sich all die Tage fast ständig um den Patrizier.
-4 Tage später-
Es war spät am Abend. Die Nacht zeigte sich mit vielen funkelnden Sternen, dem abnehmenden Mond und einer leicht schwülen Luft. Es hatte sich kaum vom Tag abgekühlt. Gytha war wieder mal im Zelt. Ihre Haare hingen ihr nass und schwer über der Schulter. Leise summend trat sie an die Feuerschale und wrang ihre Strähnen über dem Feuer aus. Das Wasser tropfte in die Flammen und zischte leise als sie verdampften. Gythas Summen wurde zu einem leisen Singen.
Marcus war immer noch in der tiefen Dunkelheit seines Fiebers gefangen. Ab und an schwebten Visionen und Traumfetzen vor seinen Augen vorbei. Und dann erschien wieder die Sirene, die er schon vor einiger Zeit gehört hatte. Der Gesang, der ihn aus den Abgründen hervorgeholt hatte und ihn daran hinderte, die Flüsse der Unterwelt zu überschreiten. Und auch jetzt stieg er wieder nach oben. Morpheus Klauen versuchten ihn noch zu halten, doch dann schwebt er empor. Langsam erschien Licht vor seinen Augen, blinzelnd sah er in das kleine Feuer in der Mitte des Zeltes.
Seine Augen wanderten hoch und zu der Germanin, die mit ihren Fingern ihre Haare kämmte. Verblüfft musterte er die Frau. Kannte er sie?
"Wer bist Du?"
Seine Stimme klang leise, fast wie ein Krächzen. Gytha wandte sich zu ihm um und musterte Marcus. Ohne ihn weiter zu beachten, ging sie zu einer kleinen Holzkiste und öffnete diese. Aus dem Inneren holte sie einen kleinen Hornkamm hervor und fing in aller Seelenruhe an ihre Haare zu kämmen. Stumm betrachtete Marcus sie. Leicht ächzend versucht er sich aus den Fellen, die ihn umgaben zu befreien. Doch der Schmerz zuckte durch seinen Körper und damit kamen heiß und brennend die Erinnerungen des Kampfes wieder.
"Wo bin ich?"
Ob es vielleicht doch eine Sirene war? Wenn, dann war es aber eine ausgesprochen hübsche Sirene. Oder eine Nymphe, die ihn vor dem Germanen gerettet hatte? Kühlen Blickes sah Gytha zu Marcus.
„Du bist unser Gefangener, Römer!“
Marcus Seifenblase zerplatzte und er musterte sie etwas ernüchterter. Sie sah aber kaum wie eine Germanin aus. Ja, sie war ziemlich groß und hellhaarig, aber nicht so grobknochig und kantig, wie er das bei manchen der Germaninnen gesehen hatte. Geschmeidig stand Gytha auf und griff nach einem ledernen Schlauch. Damit trat sie an das Lager und kniete sich neben Marcus nieder.
„Trink, Römer!“
Sie hielt den Schlauch an seine trockenen Lippen. Durstig trank Marcus. Dabei hob er seine Hand und berührte sanft Gythas Hand. Die zog erschrocken ihre Hand und auch den Schlauch zurück.
„Lass das!“
Sie fauchte wie eine Wildkatze. Wütend stand sie auf und ging aus dem Zelt. Leicht lächelnd und dann vor Schmerz stöhnend, sank Marcus zurück und schloß erschöpft die Augen. Es dauert nicht lange und er schlief ein.
-14 Tage später-
Inzwischen ging es Marcus sehr viel besser. Das Fieber war verschwunden und langsam kehrte die Kraft wieder zu ihm zurück. Inzwischen hatte Marcus herausgefunden, daß er in einem Lager der Germanen, die sich Chatten nannte, gefangen war. Einige der Männer hatten zwischendrin mal versucht, ihn zu befragen. Doch war das schon wieder einige Tage her. Und Marcus ging es schon so weit besser, daß er mit Gytha flirtete, wenn diese das eher kalt aufnahm. Auch plante er schon seine Flucht. Ob sie in der Legion besorgt waren? Ob sie überhaupt seine Abwesenheit bemerkt hatten?
Marcus überlegte schon, wie er sich an der Wache rausschleichen konnte, die seit einiger Zeit vor dem Zelt stand. Immerhin hatte er schon einen Dolch erbeuten können, den er unter den Fellen versteckt hielt. In dem Moment kam wieder Gytha hinein. Sie trug ein kleines Bündel unter dem Arm und sah Marcus kurz stumm an. Dann trat sie neben die Kiste und legte das Bündel dorthinein.
„Die schöne Gytha! Bekommt der römische Gefangene wieder ihre wundervolle Gesellschaft!“
Marcus schmunzelte und richtete sich etwas auf. Gytha wandte den Kopf und seufzte leise.
“Lass das, Römer! Du bist unser Gefangener und ich kann Römer nicht ausstehen.“
Mit einem verächtlichen Schnauben nahm Gytha einen Topf und stellte ihn auf die Feuerstelle. Marcus sah sie unverwandt dabei an, während sie anfing Wasser hinein zu füllen und einige Körner hinein zu streuen. Nachdem sie fertig mit dem Kochen war, füllte sie etwas von dem Gerstenbrei in eine Schüssel und reichte sie Marcus.
“Komm, Gytha, leiste mir etwas Gesellschaft.“
Hin- und hergerissen blieb Gytha stehen. Nach einigen Sekunden nickte sie langsam und setzte sich. Während Marcus einige Bissen aß, musterte sie den Patrizier. Dieser wandte auch seine Augen nicht von ihr ab. Zwischen zwei Bissen, ließ er den Löffel sinken. Seine Augen wanderten an ihrem schönen Gesicht entlang und an ihrem schlanken Hals. Dabei fiel ihm was auf. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
“Gytha, Du erstaunst mich...“
Marcus lachte leise, wobei er über Gythas erstaunten Gesichtsausdruck sich noch mehr amüsierte. Langsam beugte er sich vor und schob den Gerstenbrei zur Seite. Er hob seine Hand und zog an einer Kordel, die um Gythas Hals hing.
“Eine Bulla! Du bist doch selber eine Römerin!“
Wie erstarrt sah Gytha Marcus an. Sie öffnete ihre Lippen und sah Marcus groß an. Langsam schüttelte sie den Kopf als ob sie sich seiner Behauptung erwehren wollte. Marcus beugte sich langsam nach vorne.
„Und was für eine Römerin...!“
Seine Stimme klang leiser und er legte ihr eine Hand auf den Nacken. Seine Lippen näherten sich ihren und dann küßte er sie, wobei seine Hand die Bulla umschloßen hielt.