Beiträge von Hannibal

    „Drei Sesterzen auf den Unbekannten! rief einer der Zuschauer gut gelaunt. „Wer setzt dagegen?“ „Ich, drei auf den Cohortesmann da oben! Zwei Männer spuckten sich in die Hand und schlugen ein, sahen dann jedoch gleich darauf gebannt nach oben. „Also, ob es nicht doch die Krokodile waren, steht noch gar nicht fest…Du kannst noch nicht kassieren.“ Protestierte ein Mann dünn, als der erste Wettanbieter schon gut gelaunt die Münzen einsammelte. „Haltet den Dieb!“ keifte eine Frau auf. Ein kleiner Junge schob sich hastig zwischen zwei dicken Männern entlang und rannte eilends in eine schmale Gasse. Das Treiben bei der Sensation gaffenden Menge hatte schon eine kleinere Jahrmarktstimmung angenommen, während oben das Poltern des Kampfes zu vernehmen war.


    Der Ruf tönte in dem Moment nach oben als die unbekannte Gestalt nach vorne stürzte und das Sica in den Bauch von Metellus bohren wollte. Doch seine Dolchspitze verfehlte und er taumelte an dem Princeps Prior vorbei, spürte den Schlag auf den Hinterkopf. Schon im Fallen stieß die Gestalt mit dem Dolch noch einmal, mehr unkoordiniert, in Richtung von Metellus Wade, ehe sie mit einem lauten Krachen gegen das kleine Fenster schlug. Holz splitterte und die Fensterleisten brachen. Die Hand der Gestalt streckte sich ins Innere, versuchte sich noch weiter zu ziehen und fiel mit einem Mal hinein. Ein dumpfer Aufprall war zu hören und eine Staub- und Dreckwolke quoll aus dem Fenster.

    Düstere Schleierwolken schoben sich vor den klaren Vollmond und beraubten der nächtlichen Stadt das Meiste des silberweißen Lichtes. Die Gestalt am Dach rappelte sich in dem Moment vollends auf als Caecilius Metellus das flache Dach des kleinen Gebäudes, es war wohl der Lagerschuppen des Handwerkers davor, erreichte. Die Kapuze seines Mantels war über seinen Kopf gezogen und vor seinem Gesicht trug er ein schwarzes Dreiecktuch. Seine Augen lagen in tiefen Schattenhöhlen verborgen. Sein Gesicht sah in Richtung von Metellus und hastig riss die Gestalt einen ellbogenlangen Sica unter seinem Mantel hervor. Die Waffe blitzte im wenigen Mondlicht auf. Doch statt anzugreifen wich die Gestalt einen Schritt zurück, ein leises schmerzhaftes Stöhnen war von der Gestalt zu vernehmen und sie, die Gestalt, knickte mit einem Bein ein und hielt sich mühsam an dem Sims des flachen Daches fest, wäre beinahe noch tiefer gefallen.


    Hektisch suchte er sich nach einem weiteren Fluchtweg um, doch unter ihm waren schon die ersten Stadtwachen zu sehen, außerdem die gaffende und sensationslüsterne Meute. Sein heftiger Atem war noch einige Schritte zu vernehmen und die Gestalt wandte sich wieder Metellus zu. Die Gestalt zögerte kurz und konnte ein hölzernes Fenster hinter dem Princeps Prior ausmachen, so näherte er sich ihm mit erhobenen Sica, warf immer mal wieder ein Blick auf das Fenster, was seine einzige Flucht noch bedeuten könnte. Ein Lichtstrahl traf auf sein Gesicht und beleuchtete einen Moment die dunklen Augen der Gestalt und den weißen Augapfel, der sich, durch die aufgerissenen und schon panischen Augen, deutlich hervorhob. Die Gestalt sprang auf Metellus zu und stieß mit dem Sica nach vorne, knickte abermals mit dem Fuß im letzten Moment ein, was den Schwung seines Angriffes deutlich abminderte.



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    Mühsam beherrschte Hannibal den abermals aufsteigenden Zorn in sich, der Widerworte der Sklavin betreffend. Das Leder der Peitsche in seiner Hand knarrte unter seinen Fingern als er seine Hände fester darum herum schloss und langsam hin und her drehte. Aus den Augenwinkeln musterte Hannibal Sciurus und den neuen Sklaven. Es war Hannibal gar nicht recht, dass all die anderen Sklaven Zeugen dieser ganzen Angelegenheit wurden, die im Grunde sie nichts anging. Einen Augenblick erwog Hannibal die ganze Sache seinem Herren zu überlassen, es ihm zu berichten und ihn die Strafe verhängen zu lassen. Doch bis dahin würden noch einige Tage verstreichen und Nortruna würde vielleicht noch einmal fliehen versuchen. Dennoch befand Hannibal, dass es nicht vor der ganzen Sklavenbagage sein musste und er das Nortruna durchaus ersparen konnte. Sein Blick ruhte einen Augenblick auf ihren verklärten Augen.


    Als sich Hannibals Gemüt durch dieses Eingeständnis beruhigte, grübelte er schon über diese ganze verzwickte Situation. Er war ein Sklave, Nortruna eine Sklavin. Er hatte das Vertrauen seines Herrn, doch hatte er von seinem Herrn nicht den Auftrag erhalten, die Sklavin zu disziplinieren. Aber dann wiederum war er auch für sie verantwortlich. „Fürwahr, die Peitsche hast Du nun gespürt. Vielleicht weißt Du auch einfach nicht die Freiheit zu schätzen, die Du doch auch als Sklavin besitzt, alleine, dass Du dich hier mit einem gewissen großzügigen Rahmen bewegen darfst? Komm mit, Du wirst die Nacht nicht hier sondern im Keller verbringen!“ Hannibal packte Nortruna und zog sie auf die Beine. Sciurus beachtete Hannibal nicht mehr, genauso wenig den Eunuchen oder Salambo. Stattdessen verließ er mit Nortruna im Schlepptau die Sklavenunterkunft und strebte dem Keller entgegen.

    Düster umschattet lag der Kellergang, ein Luxus der Reichen, unter der Villa Flavia. Schritte näherten sich. Zielstrebig lenkte Hannibal seine Schritte durch den düsteren Gang und zog Nortruna immer noch am Arm hinter sich her. Sein Griff um sie war stählern und duldete keine weiteren Fluchtversuche. Immer wieder warf er ihr kalte Blicke zu, ärgerte sich maßlos über die Sklavin, dass er zu all dem genötigt wurde von ihr. Doch sie in die vollkommen dunkle Kammer sperren wollte Hannibal auch nicht, ebenso wenig sie weiter mit der Peitsche malträtieren. Darum ging er an dem Carcer mit Rutger vorbei, sah nur kurz durch das vergitterte Fenster und ging zur benachbarten Tür. Mit einer Hand schob er den Riegel auf und zog Nortruna in den dunklen Raum hinein.


    Eine alte Decke lag am Rande des nicht allzu großen Kellerraumes, mit dem kalten und etwas rauhen Steinboden. Hannibal schob Nortruna vor sich und behielt sie aufmerksam im Auge als er nach einer Öllampe vom Sims vor dem Keller ergriff und diese anzündete. Schweigend stellte er die Öllampe in den Keller und auf ein kleines hölzernes Fass. Ansonsten war der Raum völlig leer, besaß auch kein Fenster nach draußen. Aber, was Hannibal in dem Moment auch nicht erkannte, ein kleines Loch, zwei Faust groß, zu dem benachbarten Carcer mit dem anderen germanischen Sklaven- Rutger.


    Hannibal richtete sich auf und sah Nortruna weiterhin kühl an. „Du bleibst die Nacht hier. Morgen früh hol ich Dich wieder ab.“ Mit einer Hand deutete er auf die Decke. „Und damit wirst Du vielleicht den Komfort“ sprach er leicht ironisch. „ der Sklavenunterkunft zu schätzen lernen.“ Als sich Hannibal umdrehte und aus dem Raum gehen wollte, verharrte er kurz, sah zurück und fügte an: „Essen gibt es auch erst morgen. Reaktion, Gegenreaktion!“ Mit einem lauten Zuschlagen ging die Tür zu und der Riegel wurde vorgeschoben. Nortruna scheinbar alleine gelassen. Doch so ganz einsam und verlassen war sie dann dennoch nicht. Eine Ratte huschte durch ein Loch, wieselte über den ganzen Raum und zu einem anderen Loch, wo sie verschwand. Und durch die Verbindung in der Wand zum Nachbarraum war das leise Fiepen der Ratte zu hören, die dort weiter lief.

    Geduldig und einer Statue in dem Garten gleichend wartete Hannibal auf die Antwort der jungen Frau vor sich. Obwohl er die Augen halb gesenkt hatte, war er durchaus in der Lage sie dabei diskret zu mustern, so etwas lernte man in den Jahren als Sklave im flavischen Haushalt durchaus und insbesondere wenn man dort geboren worden war. Schließlich musste ein guter Sklave schon im Voraus erahnen können, was sein Herr oder seine Herrin sich wünschte, so dass die Herrschaft ihr Verlangen nicht aussprechen musste. Und selbst wenn in den letzten Monaten der Keim der Rebellion in Hannibal erwachsen war und er sich immer mehr die Freiheit wünschte, so lag das Dienen ihm im Fleisch und Blut. Und dennoch war Hannibal um die Antwort der Patrizierin froh, denn er hätte so lange harren müssen, bis sie sich dazu erweichen ließ, seinem Herrn die Zeit zu schenken.


    Und ein derartiges Kompliment missfiel Hannibal durchaus ebenso nicht. Gerade in letzter Zeit, wo sein Herr doch ständig mit ihm unzufrieden schien, ihn wohl mehr in seinen kleinen Freiheiten als Leibsklaven beschneiden wollte und scheinbar die Germanin anfing ihm vorzuziehen. Aber es war durchaus ein, unbewusster, Plan von Hannibal, dass sein Herr zu dem Schluss kam, ihn nicht mehr so dringend zu brauchen und ihn endlich, wie schon seit mehr als zehn Jahren versprochen, in die Freiheit zu entlassen. Solange Aristides jedoch seiner Dienste bedurfte, würde wohl nichts daraus werden. Doch mittlerweile sehnte sich Hannibal immer mehr danach, war doch schon die Mehrheit seines Lebens in dem Dasein als Sklave dahingehend vergangen.


    Mithin verneigte er mit einem Lächeln, was hauchzart seine Lippen umspielte, vor der Claudierin."Ich danke Dir sehr, gnädige Domina. Mein Herr wird ob diesem Kompliment sehr erfreut sein." Und Hannibal natürlich auch, aber einem Sklaven stand es nun mal nicht gut zu Gesicht, sein eigenes Gefühlsleben vor einer fremden Herrin auszubreiten. „Verehrte Domina, wie es Dir beliebt, warten wir solange, bis Du Dich für den Aufbruch bereit fühlst. Selbst wenn es Stunden oder Tage dauern würde, werte Domina.“ Erneut richtete er sich ein wenig wieder auf. „Die Sänfte wird vor der Porta Deiner noblen Villa auf Dich warten, so lange Du benötigst, geehrte Domina.“ Noch einmal und zum dritten Mal in diesem kurzen Intermezzo verbeugte sich Hannibal demütigst, wartete noch einen Moment, ehe er einen Schritt zurück ging, sich abwandte und dann die junge Frau zurück ließ, damit diese sich in Ruhe und ungestört von Fremden ihren persönlichen Angelegenheiten widmen konnte.

    Goldenthronend göttliche Aphrodite, Kind des Zeus, listspinnendes, hör mein Flehen! Nicht durch Schmach und bitteres Leid, oh Hohe, Beuge den Stolz mir!


    Unerwartet kamen Hannibal der erste Vers eines Gedichtes von Sappho in den Geist, deren griechischen Verse zu der schönsten Poesie der Welt der Hellenen, seiner Meinung nach, gehörte. Doch einen Augenblick erschien ihm die junge Patriziern wahrlich goldenthronend an ihrem Webstuhl, als die milden Sonnenstrahlen des Frühling ihr Haupt umkränzten und ihr Haar von einer zarten Blüte durchwoben war. Hannibal blieb einen Moment am Rande des Gartens stehen, befand es kurz als sehr bedauerlich, dass sein Herr diese junge Frau vielleicht nie in dieser Schönheit zu schätzen wusste und brachte dann doch noch die letzten Schritte hinter sich. Vor Epicharis angekommen, blieb Hannibal stehen und verbeugte sich tief vor ihr. So verharrte er, um den Respekt seines Herrn vor ihr zu verdeutlichen. „Salve, hochgeehrte Domina!“, sprach Hannibal. Erst nach dem Gruß und noch einer unerheblichen Pause erhob sich Hannibal aus der demütigen Haltung. Nur kurz streifte sein Blick ihr Gesicht, dann senkte er seine Augen wieder, wie es von einem Sklaven, gar einem Fremden, verlangt wurde.


    „Werte Domina, verehrte Claudia Epicharis. Mein Herr, Marcus Flavius Aristides, hat mich gesandt in der bescheidenen Hoffnung, Du würdest ihm die Gunst und die Ehre erweisen, ihm einige Deiner kostbaren Stunden dieses Tages zu opfern.“ Hannibal pausierte einen Moment, sammelte in seinem Geist schon die nächsten Worte. „Er möchte Dich gerne zu einem kleinen Mahl in einem Garten am Aventin einladen. Möglicherweise mag es Dir nicht genehm zum jetzigen Zeitpunkt sein, so werden ich und die Sänfte, die Dich bis dorthin tragen würde, so lange harren, sollte es selbst Tage währen, bis es Dir gefällig sein sollte. Doch werte Claudia, mein Herr hofft inständig darauf, dass Du seiner Bitte möglicherweise, mit all der Begleitung, die Du Dir dafür erwünscht, gnädig sein wirst.“ Hannibal wusste, so hätte Aristides die ganze Einladung niemals formuliert oder gar so aussprechen wollen. Und insgeheim hoffte Hannibal zudem, nicht wirklich Tage warten zu müssen, wenngleich ihm keine andere Wahl von seinem Herrn gelassen wurde.

    Auch Hannibal, nicht unverfänglich für den Charme schöner Frauen, subtil oder offensichtlich, lächelte auf ihre Worte hin. Im Gegenteil, es gefiel Hannibal durchaus wie eifrig die junge Frau die Kunde aufnahm und somit sein Anliegen unter einem nicht zu schlechten Stern wohl stand. „Ich danke Dir.“, sprach er. Ohne zu Zögern trat Hannibal in die Villa hinein, sah unverwandt Dhara an und interessierte sich, beim Anblick einer schönen Frau vor ihm, nicht im Geringsten für die luxeriöse Pracht um ihn herum. Natürlich würde Hannibal nie mehr als seine Blicke einer anderen Frau als Nadia schenken, Treue und Loyalität in der Liebe zählten für ihn als eine höchste Tugend. Scheinbar hatte Dhara eine gute Herrin in Claudia Epicharis gefunden, dass sie derart dankbar ob des Eingreifen seinerseits, im Namen seines Herrn, war. Erst als Dhara sich umwandte und seinem Blick entschwunden war, sah sich Hannibal im Eingangsbereich um, trat einige Schritte durch den Gang in das Atrium hinein und betrachtete die edle und prachtvolle Halle.


    Lange zum Umsehen kam Hannibal nicht, es war auch nicht notwendig, er kannte die Villa Claudia bereits. So sah Hannibal Dhara aufmerksam entgegen, schwieg um ihr die Zeit zu lassen, die richtigen Worte zu finden, lächelte dabei milde und befand die Sklavin, gleichermaßen wie ihre Herrin es tat, als drollig. Sollte sich alles zu den Gunsten seines Herrn erweisen, der sich dieser Gunst immer noch nicht bewusst war, würde vielleicht die junge Frau in die Villa Flavia kommen. Ob das so gut war? Hannibal bezweifelte das, sein Lächeln taten diese Befürchtungen jedoch keinen Abbruch. „Im Garten? Ich danke Dir abermals. Wie war noch Dein Name, damit ich ihn mir ebenso gut merken kann?“ fragte Hannibal.


    „Du scheinst mir durchaus eine sehr gewissenhafte und fleißige Dienerin der werten Domina Claudia zu sein. Sehr löblich. Mein Herr wird sicherlich erfreut sein darüber.“ Hannibal lächelte, wusste dass Aristides noch nicht mal den Kauf der Sklavin für Epicharis in seinen Geist festgehalten hatte und nur Hannibal sich an den Namen der Sklavin erinnern würde, doch erwähnen wollte Hannibal sie allemal. „Der Garten war dort vone, nicht wahr? Ich glaube, ich kenne den Weg noch." Bei der Feierlichkeit zu Flavius Gracchus Hochzeit hatte Hannibal einige Räumlichkeiten der Villa erkunden können und schritt schon aus in Richtung des Gartens.

    Eine milde Brise, sie trug schon den Duft des Frühlings in sich, leicht würzig nach frisch duftender Erde gemischt mit einer leicht feuchten Frische, wehte eine dunkle Haarsträhne in Hannibals Gesicht. Abwesend blies er sie sich aus der Stirn und sah auf die sich öffnende Tür. Eine derartige holde Weiblichkeit würde man an der Porta der Villa Flavia sicherlich niemals zu Gesicht bekommen, zumindest nicht solange Flavius Felix die Villa gehörte. Und die freundliche Begrüßung entlockte Hannibal, selbst wenn es wider Willen war, ein feines Lächeln auf seinen Lippen. Eingekleidet und zurecht gemacht gefiel Hannibal die junge Sklavin sehr viel besser als noch auf dem Sklavenmarkt. Seine Augen streiften ihre weiblichen Rundungen ehe er ein wenig den Kopf zum Gruße neigte. „Salve, mein Name ist Hannibal. Ich bin im Namen meines Herrn, Flavius Aristides, hier, um der werten Domina Claudia Epicharis eine Einladung zu überbringen. Ist die Dame möglicherweise disponiert?“

    Die Sonne war schon am Vormittag durch die letzten Wolken gebrochen, die in den letzten Tagen immer mal wieder Regen über die Stadt gebracht hatten. Doch nun schien die Sonne in warmen Strahlen auf die Urbs Aeternae hinab, trieb die Menschen, von Reich bis Arm, nach draußen. Nur dass die Reichen die Zeit an der frischen Luft mehr aus der Lust an der Freude daran genossen und nicht ihr tägliches Brot hart erarbeiten mussten. Eine Sänfte aus dunklem Ebenholz näherte sich, das flavische Emblem tragend, die dunkelhäutigen Sklaven der Sänfte waren allesamt kahl geschoren, eingeölt und trugen elfenbeinfarbene Lendenschurze. Die goldblauen Vorhänge der Sänfte bewegten sich sanft bei jedem Schritt der sechs Sklaven als sie die Strasse vor dem Villenviertel entlang kamen. Vor der Villa Claudia verharrten sie, doch niemand entstieg der Sänfte, jedoch trat Hannibal um die Sänfte, der er schon seit der Villa Flavia folgte, herum. Hannibal zögerte nur kurz, prüfte den Sitz seiner tiefroten Tunika und schritt von der Strasse auf die Porta der Villa Claudia zu. Ohne noch mal zu Zögern klopfte Hannibal.

    Auf der Strasse polterte ein Handkarren vorbei, einige Frauen stritten sich laut keifend, was bis zum Fenster der Wohnung hinauf drang, ebenso zog der Duft von gebackenem Brot intensiv in die Räume, wurde nur von einer sachten Brise von draußen durchmischt, der das Odeur der Stadt, nicht nur in der angenehmster Note, hineintrug. Sanft bauschten sich die beigen Vorhänge auf als der Lufthauch durch die offenen Fensterläden strich und mal das Licht raubten oder wieder in den Raum hinein ließen. Leise lachend rollte sich Hannibal halb über Nadia, schlang seine Arme um ihre Taille und bedeckte ihr Gesicht mit liebevollen Küssen. „Du weißt es nicht?“ Zärtlich strich Hannibal mit seinen Lippen über Nadias Wange und küsste sie ausgiebig. „Du bist ein wunderbarer Mensch, strahlst hell in die Welt. Da werden sogar Menschen wie ich, die vieles Schlechtes in ihrem Leben getan haben, für einen Moment von diesem Licht erfüllt, was Du stets in Dir trägst.“ Hannibal sah Nadia ernst in die Augen, schüttelte aber gleich, im Angesicht nicht die passenden Worte zu finden, den Kopf. „Ach, das klingt jetzt vielleicht ein wenig kitschig. Ich meine das nicht als eine abgedroschene Phrase, meine wundervolle Nadia.“


    Seufzend lehnte sich Hannibal abermals zurück und drehte langsam eine blonde Haarsträhne von Nadia um seinen Finger. Eigentlich wollte er lieber nicht über die Situation in der Sklavenunterkunft nachdenken. Denn stolz auf das, was dort passiert war, das war er gewiss nicht. Aber als Sklave bei den Flaviern musste man gewisse Dinge tun, die einem auch zuwider waren. Doch die Worte von Nadia, ihre Bitte, trafen durchaus auf fruchtbaren Boden. Langsam nickte er und atmete tief ein. „Du hast Recht. Es ist wohl sehr schwierig für sie. Aber sie ist ganz anders als Du. Mir scheint, sie schlägt eher nach Rutger…aber den kennst Du ja nicht.“ Hannibal presste seine Lippen aufeinander. „Ein anderer Sklave aus Germanien. Er hat die Tochter meines Herrn entführt, sie wäre fast dabei umgekommen und leidet immer noch unter dieser Schandtat des Sklaven. Und nun harrt der Germane sehr wahrscheinlich dem Kreuz entgegen. Nortruna, die neue Sklavin, sollte schnell einsehen, wohin so ein Verhalten führt. Aber…ach…es tut mir leid. Das ist jetzt alles völlig unwichtig.“


    Sinnend betrachtete Hannibal Nadia, bedachte sie mit allerlei Liebkosungen und roch an ihrem Haar und an ihrem Hals. Ihre Worte hatten ihm ein breites Schmunzeln ins Gesicht getrieben. „Natürlich pass ich auf mich auf. Gänzlich eigennützig. Aber auf Dich müssen wir Beide viel mehr achten. Gute Menschen ziehen die Schlechten nämlich leider an. Und wegen Deinem Herrn…“ Hannibal sah sie an und dachte einen Augenblick über die ganze verzwickte Situation nach und auch über ihre Frage bezüglich Aristides. „Im Garten? Bist Du Dir sicher? Er hat mir davon aber nicht erzählt. Er dient in der Legio in Mantua. Ich werde in einigen Tagen zu ihm reisen müssen und vielleicht kann ich ihn dazu überreden, Dich von Furianus abzukaufen. Wenn Furianus noch darauf beharren sollte, Dir nicht die Freiheit gegeben zu haben. Was meinst Du? Sollen wir das versuchen?“ Hannibal lächelte, fuhr dabei mit seinen Fingerspitzen an ihrem Kinn entlang.

    Manch ein geneigter Leser wird vielleicht jetzt erst die Geschichte verfolgen wollen. Darum noch einige kurze Worte am Anfang.
    Mord im Lupanar, zwei Tote und das während einer Aedilskontrolle. Beherzt haben die Soldaten die Untersuchung dieses Falles aufgenommen, gleich die Jagd nach dem Übeltäter begonnen und die Spur führte sie bis zu diesem Dach. Vollmond, die Dächer der ewigen Stadt zeichneten sich scharf vor dem dunklen Nachthimmel ab. Die Polizisten…oh Verzeihung, die Wachen der Cohortis Urbanae, suchten in einer wilden Flucht weit oben der Stadt und in Schwindel erregender Höhe den Mörder zweier Römer zu fassen. Ebenso auf den Strassen wurde die Verfolgung dieser einzelnen Gestalt aufgenommen. Und hier weiter im Geschehen…


    Der Umhang der fliehenden Gestalt flatterte wild als sie von einem Dach zum Nächsten sprang. Nur knapp verfehlte auch sie den Abgrund zu einer schäbigen Seitengasse, hielt sich gerade noch rechtzeitig an einer Regenrinne fest und zog sich nach oben. Einer der Soldaten, die ebenfalls Q. Caecilius Metellus folgten- nennen wir diesen einen Soldaten der Einfachheit halber mal Vulpius- nickte eifrig. „Ja, dort hinten, Princeps. Da läuft er schon!“ Doch etwas bedächtiger kletterte er seinem Vorgesetzten hinter her und nahm auch die Hilfe dankbar an, es ging schon ein gutes Stück nach unten und das wollte Vulpius nicht in voller Rüstung herunter fallen.


    Aber dann schien Fortuna mit den Soldaten hold zu sein, denn ebendies und im selbigen Moment ertönte ein heller Schrei. Die Gestalt, die gerade ein Dach hinabsteigen wollte, um auf ein flacheres Nebendach zu springen, rutschte aus, glitt über das ganze Dach hinab und konnte sich gerade im letzten Augenblick an dem Dachsims festhalten. Die Beine des Unbekannten baumelten in mehreren Metern Höhe und eine Hand rutschte vom Sims. Mühsam ergriff die Gestalt das Dach, versuchte sich hoch zu ziehen, doch dann verlor er den Halt und stürzte auf das bestimmt mehrere Schritt tiefere Dach, nicht jedoch auf die noch tiefere Strasse. Regungslos blieb die Gestalt dort liegen, erst nach einigen Herzschlägen begann sie sich zu rühren, um abermals auf die Beine zu kommen.


    Unten quittierte Lupus und die ihm folgenden Soldaten ärgerlich Ausrufe wie: „Au, das tut weh!“ oder „Hee, ich will auch sehen!“ bis hin zu Schimpfworten wie: „Stultissimus!“ oder „Stolidus!“ Doch die Menge machte den Soldaten Platz, damit sie auch ihre Verfolgung aufnehmen konnte. Der nicht unerhebliche Tross Schaulustiger folgte den Soldaten jedoch dicht auf dem Fuß, starrten gebannt nach oben auf die Dächer und gaben allerlei Kommentare dazu ab. Eine Frau schrie erschrocken auf als Q. C. Metellus fast vom Dach gestürzt wäre, ein Mann lachte höhnisch als es dem Verdächtigen passierte.

    Es war einige Zeit später, die Sonne war am Himmel eine Handbreit weiter gewandert, als Hannibal dann doch das Zimmer des jungen Herrn erreichte. Seine Gesichtszügen waren ob der morgendlichen Ereignisse ein wenig verkniffen und seine Laune hatte einen Tiefpunkt erreicht. Trotzdem blieb er vor der Tür des Sohnes seines Herrn stehen und atmete tief ein und aus, glättete seine Miene und betrat nach dem leisen und dezenten Anklopfen das Cubiculum. Seine Augenbrauen hoben sich in stummer Verwunderung, wie schnell ein Junge und seine Sklavin es schafften innerhalb weniger Stunden so viel Chaos in einem Zimmer anzurichten. Ausdruckslos sah Hannibal über das kleine Miniaturmodell (immer noch so groß wie ein ganzer Tisch) von einem Circus mit all den kleinen Rennwägen, Pferden und sogar die Zuschauer mit ihren Factionesfarben waren deutlich hervorgehoben, rot dominierte in diesem kleinen Circus eindeutig. Seine Augen streiften auch die junge Dido, er musterte sie einen Moment länger und prüfend und wandte sich dann Serenus zu, verbeugte sich andeutungsweise vor ihm. „Salve, Dominus. Du hast nach mir gerufen? Was kann ich für Dich tun?“

    Düsterschwarze Wolkenschleier krochen über den Nachthimmel, gierten ab und an danach den fast vollen Mond zu verschlingen, doch immer wieder strahlte Luna in ganzer Pracht mit den silbrig leuchtenden Strahlen über die Dächer Roms hinweg, enttarnte schonungslos jeden, der zu fliehen gedachte.


    Das Stöhnen von dem verletzten jungen Mann drang noch bis zum Fenster. Einer der Soldaten stellte sein Schild neben das Fenster und schwang sich auch nach draußen, spähte auf die Strasse hinab und schluckte leicht ob der Höhe, wo man sich zumindest einige Knochen brechen konnte. So ergriff er dankbar die Hand seines Vorgesetzten und kletterte auf das Dach hinauf, richtete sich auf und spähte durch die dunkle Nacht, in die Richtung, die der PP gedeutet hatte. Die Gestalt kletterte langsam und bedachtsam am Dach entlang, spähte immer mal wieder auf die Strasse hinunter, aber nicht zurück. „Da ist der Bastard ja!“, stieß der Miles leise hervor und setzte den ersten Schritt, um die Verfolgung aufzunehmen.


    Ein lockerer Ziegel löste sich unter dem Fuß des Miles. Lautlos flog der gebrannte Ton durch die Luft und gen Strasse hinunter und zerplatzte dort mit einem lauten Scheppern. Einige der Schaulustigen unten drehten sich erschrocken um und starrten auf das Dach hoch. „Da, schaut mal!“ rief eine Frau. Gleich wurde die gesammelte Aufmerksamkeit von dem Eingang auf das Dach gelenkt.


    Die Gestalt auf dem Nachbardach erstarrte in der Flucht und drehte sich langsam um. Das Mondlicht strahlte seine Konturen mit einer sanften mondweißen Corona an und tauchte sein Gesicht in dunkle Schatten. Einige Atemzüge verharrte die Gestalt, wirbelte dann blitzschnell herum und rannte das Dach entlang, rutschte dabei jedoch immer wieder aus. Noch mehr Ziegel wurden durch die fremde Gestalt von den Dächern gelöst und landeten laut klirrend auf der Strasse. Die Schaulustigen gafften nach oben, manche liefen sogar die Strasse entlang, um das Ganze besser verfolgen zu können, wichen immer wieder den herunter fallenden Ziegeln aus.

    Der nächste Windhauch, der aus der Tür entwich, löschte zwei der Öllampen im Gang, schlagartig wurde es düsterer, die Schatten schienen gierig nach den Soldaten zu greifen, um sie mit Haut und Haar zu verschlingen, doch die Dunkelheit strich natürlich harmlos über die Schilde und Rüstungen. Erschrocken seufzte Licilla auf und hielt sich nun am Arm des Soldaten, lächelte schüchtern und verängstigt, wenn sie auch nicht im Geringsten besorgt war. „Oh, das ist schlimm. Und der Mörder ist noch im Haus? Oder ist die Gefahr sicher gebannt?“ fragte sie, mehr neugierig. Ein Mädchen mehr oder weniger im Haus interessierte Licilla nicht sonderlich, im Gegenteil, dann würden mehr Kunden für sie abfallen, somit mehr Geld. Und den Türsteher hatte sie auch nie sonderlich gemocht.


    Gespannt verfolgte sie einen Miles, der in der Dunkelheit der leicht geöffneten Tür verschwand. Aber schon einen Atemzug später verlor sie das Interesse und musterte stattdessen lächelnd den Soldaten, schließlich war er der Mann, der hier das sagen hatte. „Mein Name ist Licilla. Wie heißt…“ wollte Licilla bereits mit dem Mann ins Gespräch kommen, wenigstens den kurzen Augenblick nutzend. Aber weiter kam sie nicht. Von innen ertönte die kräftige Stimme eines Soldaten. „Princeps Prior, hier ist ein junger Mann, verletzt und ein Fenster steht auch offen.“

    Vollkommen klaren Geistes, nüchtern, aber auch mit vollem Magen kehrte Hannibal in das Triclinum zurück, für den Fall, dass sein Herr ihn brauchen könnte oder mehr, um ihn vor einer Dummheit zu bewahren oder einer zu flapsigen Wortwahl. Anhand der lässigen Haltung seines Herren, der letzten Frage, die er noch aufschwappte, eruierte Hannibal recht schnell, dass sein Herr schon sehr in den Gefilden der weinseligen Heiterkeit schwebte. Schwer in sich hineinseufzend, während kein Laut über seine Lippen trat, ging Hannibal, einem Schatten gleichend an den hohen Herrschaften vorbei. Geübt darin niemanden aufzufallen, was man als geborener Sklave auch mit in die Wiege gelegt bekommen hatte, trat er hinter seinen Herren, warf dem Tiberius einen unauffälligen Seitenblick zu und machte sich bereit, seinen Herren auf diskrete Weise und ohne dass es sowohl ihm, als auch den anderen Gästen auffiel, von dem Schauplatzes des Festes zu bringen, damit dieser sich nicht allzu sehr an diesem Abend blamierte. So schnell wie die Becher von seinem Herren geleert wurden, würde es wohl nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Im Geiste ging Hannibal das durch, was er in wenigen Wortfetzen der anderen Sklaven erfahren konnte und was seinem Bericht an die Domina in Baiae wohl durchaus behilflich sein konnte.

    Der Knall der Peitsche ließ ein kaltes Schaudern über Hannibals Rücken laufen. Es war ein paar Mal schon vorgekommen, dass er die Peitsche selber auf seinem Rücken gespürt hatte, aber auch, dass er sie geschwungen hatte. Die Herrin des Hauses in Baiae war nicht zimperlich umgegangen mit solchen Strafen, hatte aber niemals selber die Peitsche in die Hand genommen. Aber er meinte immer wieder ein genüssliches Aufblitzen in den Augen der Patrizierin erkannt zu haben, wenn sie solchen Bestrafungen beigewohnt hatte, was sie nur bei den erlesenen Haussklaven getan hatte, alle anderen waren ihrer Aufmerksamkeit nicht wert gewesen. Hannibal war auch aus dem Grund nicht unfroh gewesen, die Villa mitsamt der Herrin verlassen zu haben, erst nach Ägypten gereist und dann nach Rom gekommen zu sein. Denn wenn auch sein Herr seine Mutter abgöttisch liebte, so hatte dieser niemals die Abgründe jener Frau erkannt. Und es wäre sinnlos gewesen, ihn auf diese hinzuweisen, gar lebensgefährlich.


    Und wie Hannibal es voraus geahnt hatte, blieb das Erscheinen von der Ratte, wie Hannibal ihn in seinem Geist gerne nannte, nicht aus. Kalt sah Hannibal zu Sciurus, erwiderte doch erstmal nichts auf seine Worte. Den anderen Sklaven, der ihm die Botschaft von Serenus überbrachte, nickte Hannibal nur andeutungsweise zu und drehte sich um, ging zu Salambo und nahm ihr die Peitsche im nächsten Schwung weg. „Das reicht. Ein Hieb für sie, weil sie Dich geschlagen hat. Um den Rest kümmere ich mich selber. Außerdem sind die Fußsohlen sehr schlecht. Sie soll nämlich noch laufen können, Schwesterlein!“ Nur kurz sah Hannibal zu Daphnus hinüber, der recht abgebrüht ob der ganzen Dinge in der Unterkunft erschien und auch sonst keine Anstalten machte, Salambos Anweisungen nachzukommen. Subtiler Widersinn, aber auch dieser war nicht gerne bei den Flaviern gesehen. Aber das würde der blonde Eunuch wohl selber noch erfahren.


    Mit der Peitsche in der Hand wandte sich Hannibal Sciurus zu und ging bis auf zwei Schritt an ihn heran. „Und zu Dir. Nur weil Du wie ein Schatten oder Hündchen Sica folgst, heißt das noch lange nicht, daß Du mir oder sonst jemanden hier etwas zu sagen hast, Sciurus.“ Ein verächtliches Lächeln umspielte Hannibals Lippen. Sica gegenüber hatte Hannibal großen Respekt, nicht wegen seiner Machtposition, sondern weil er die Würde eines Patriziers auszustrahlen vermochte, wenn er nicht hinter seinem Herren stand. Sciurus brachte Hannibal nur Verachtung entgegen, hielt er ihn doch für einen Speichellecker, der nach oben buckelte und nach unten trat. „Das ist die Sklavin meines Herren und sie fällt somit nicht in deine Belange. Geh lieber und such Dir selber Arbeit. Der Nachttopf Deines Herren muss doch sicherlich noch ausgeleert werden.“ Hannibal taxierte ihn durchdringen und wandte sich um, trat wieder zu Nortruna. „Reaktion, Gegenreaktion, Germanin. Du schlägst Salambo, sie schlägt Dich. Sciurus fängt an große Töne zu spucken, er bekommt gleiches zu hören. Du fliehst, Du wirst bestraft. So einfach ist das hier. Also, da Du deinen Part an der Abmachung nicht eingehalten hast, wirst Du nun die Schläge bekommen. Zieh Deine Tunica aus.“

    Der Mund unter Nadias Finger wölbten sich zu einem sanften Lächeln, das sich bis zu dem besorgten und schuldbewussten Ausdruck in Hannibals Augen ausbreitete und diesen vertrieb, ersetzt durch einen warmen Glanz. Zärtlich umschloss Hannibal mit seinen Lippen den Finger von Nadia und spielte zärtlich an ihm, knabberte daran und entließ ihn erst einige Momente später. Während Hannibal ihr mit seinen Fingerspitzen über die bloße Schulter strich und sanft am Schlüsselbein verharren ließ, war er doch arg im Zweifeln, ob er wahrlich nicht doch ein schlechter Mensch war. Ein Guter war er mit Sicherheit nicht. Aber all diese lästigen Zweifel wollte er lieber zur Seite schieben und so vergrub er seine Nase in Nadias goldenen Haaren, sog ihren delikaten Duft in sich ein. „Du bist so wunderschön, Nadia. Ein goldener Schatz, der mir von den Göttern gesandt wurde. Aber vielleicht hat das auch einen tiefen Sinn. Ich glaube, Du machst mich zu einem besseren Menschen als ich es sonst jemals sein könnte.“


    Der Erinnerung von vor wenigen Stunden, in der Sklavenunterkunft, zog vor seinen Augen hinweg. Beinahe hätte Hannibal wohl selbiges getan, wie Sica oder Sciurus. Es passierte all zu schnell, wenn man Sklave bei den Flaviern war und Hannibal hätte früher mit Sicherheit noch gezögert gehabt, seiner Wut freien Lauf zu lassen. Doch dann kam ihm in der Unterkunft Nadia in den Sinn und er konnte nicht mehr so handeln, wie er wollte. „Weißt Du, ich habe für meinen Herren eine Sklavin gekauft. Sie hätte mich fast dazu getrieben, sie wollte schon am ersten Tag fliehen, sie einzusperren. Aber ich konnte nicht…wegen Dir.“ Langsam küsste Hannibal Nadia am Scheitel und an den Schläfen entlang, suchte mit seinen Lippen nach den Ihren und küsste sie liebevoll. Seufzend strich er ihr eine Strähne aus der Stirn. „Ich werde immer an Dich denken, wenn die Wut mich überkommt und dann ist sie verflogen. Wie in der Sklavenunterkunft!“


    In dem Moment bildete sich Hannibal ein, dass das tatsächlich möglich war. Dass er dauerhaft ein Anderer werden könnte und negierte vollends, dass die meisten aus seiner Linie früher oder später ganz dem Wahn verfallen war. Bei seinem Vater war das nicht anders als bei seinen älterem Bruder oder seinem Onkel. Auch bei Salambo würde sich das mit Sicherheit noch zeigen. Trotzdem lächelte Hannibal und schwelgte sich in dieser doch schönen Vorstellung. „Ich werde Dich nicht wegschicken, Liebste. Aber es ist gut, dass Du nicht mehr bei den Flaviern bist. Aber, Nadia, hat Dich Furianus eigentlich frei gelassen? Oder kam es nicht mehr dazu…“ Hannibal war durchaus gehörig verwirrt durch die Lage um Nadia. "Ansonsten könnte ich meinen Herren darum bitten, dass er da etwas tut..."

    „Scintilla!“ grüßte Hannibal die Tänzerin mit einem halb wehmütigen, aber doch sehr freundlichem Lächeln. Neben ihm stand der junge Fabus, sah Scintilla völlig verzweifelt und voller Liebesglühen an. Vielleicht möchte der geneigte Leser noch erfahren, was sich Hannibal auf dem Weg bis zum Stadttor alles hat anhören müssen. Von selbstmitleidigen Aussprüchen wie: „Was mache ich nur ohne sie?“ über vorwurfsvollen Anklagen: „Ich hätte sie auf Händen getragen, Hannibal, wirklich. Und was macht sie? Sie geht zu diesem Fiesling zurück, der sie wie ein Stück Dreck behandelt.“ bis hin zu selbst aufgebenden Feststellungen: „Ich kann ohne sie nicht leben. Ich stürze mich in den Fluss, wenn sie geht.“ Immer mal wieder hatte Hannibal genickt, das ein oder andere tröstende Wort gesprochen, aber en détail wollen wir darauf gar nicht erst eingehen. Aber nun, steht der arme und verlassene Fabus vor seiner Angebeteten und wusste nicht, was er sagen sollte. Wie er sie hätte umstimmen können.


    Auch Hannibal trat einen Schritt auf Scintilla zu und schloss sie in seine Arme. Immerhin hatte sie einiges in letzter Zeit zusammengeschweißt, von gemeinschaftlichen Abenden in dreckigen Spelunken bis hin zu einem Mordversuch an dem Ex-Ex-Ex-Aedil und einer rauschenden Feier ob ihrer Orgie der Zerstörung. „Schade, dass Du gehst, schöne Felicia. Wir werden Dich alle vermissen.“ Hannibal löste sich wieder von Scintilla und lächelte schief. „Wenn ihr in Baiae vorbeikommt, solltet ihr wirklich bei der Villa Flavia vorbeisehen. Die Hausherrin, Flavia Agrippina, stellt immer wieder gerne Künstler ein und ist in dieser Hinsicht durchaus generös. Aber lasst euch nicht mit dem ersten Angebot abspeisen.“, sagte Hannibal mit einem Augenzwinkern. „Decius richtet Dir auch ganz herzliche Grüsse aus, sagt Du sollst etwas mehr essen, um mehr Rundungen zu bekommen. Er kann aber nicht kommen…Du weißt schon…seine Frau.“, fügte Hannibal an. Fabus hob nun doch seinen hängenden Kopf. Völlig verzweifelt sah er Scintilla an. „Geh nicht. Liebste, ich würde alles für Dich tun, das weißt Du doch. Alles!“ schwor er ihr und sank vor ihr auf die Knie, umschlang mit seinen Armen ihre Beine und presste sein Gesicht fest an ihre Beine.

    Mit verschränkten Armen blieb Hannibal vor Nortruna stehen und betrachtete sie eingehend. Nur mit halbem Ohr vernahm er die rüden Worte an den neuen Sklaven. Scheinbar schien Salambo nicht sonderlich auf den Neuen gut zu sprechen zu sein, aus welchen Gründen auch immer. Doch ein Blick auf ihn genügte Hannibal, um sich einzubilden, dass jener Sklave mehr zu der ruhigeren Sorte gehörte. Aber deren Aufsässigkeit kam wahrscheinlich subtiler und war weniger leicht einzuschätzen wie der Widerwille der jungen Frau vor sich. Seine Lippen kräuselten sich zu einem feinen Lächeln, verschwand jedoch sofort als er die Frage von Anaxandra vernahm. Langsam drehte er seinen Kopf zu dem Mädchen, so jung sie ihm erschien, und seine Augenbrauen wanderten hoch. „Kleines, ich bin mir sicher, Du verstehst das hier nicht. Die Sklavin…“ erklärte Hannibal dann doch nach einigen Sekunden. „…hat schon am ersten Tag versucht zu fliehen. Lexana wollte ihr, aus dem einen oder anderen Grund, behilflich sein. Das hier sind Präventionsmaßnahmen. Flieht sie wirklich, muss sie sterben. Da ist die Strafe hier doch vergleichsweise harmlos. Meinst Du nicht, Anaxandra?“, fragte er mit leicht ironischem Unterton.


    Sein rechter Mundwinkel hob sich ein wenig, doch dann wandte er seinen Blick wieder der germanischen Sklavin zu und nickte einigermaßen zufrieden, da er für einen Moment getäuscht war, darüber was sie als nächstes vor hatte, glaubte er doch gar, dass sie sich endlich anpassen würde.. „Wie Du gehört hast, Salambo, heißt sie nicht Alekto. Aber ich nenne sie so aus Ermangelung dessen, dass sie mir ihren wahren Namen genannt hat.“ Hannibal schüttelte vage mit dem Kopf. „Schnell mit dem Messer, ich bitte Dich, Salambo. Das wäre doch als ob ich Dich fragen würde, ob Du immer noch kleine Giftschlangen unter Deinem Kleid trägst.“ Hannibal lächelte andeutungsweise. Doch das verging genauso schnell wie zuvor. Die lederne Peitsche klatschte auf die dunkle Haut seiner Halbschwester. Vielleicht hätte Hannibal ein Versehen darin erkennen können, vielleicht, wenn nicht auch noch die geziert betonte Entschuldigung kam. Blitzschnell packte Hannibal die Peitsche und schlug mit der flachen Hand, er wollte sie immer noch nicht verletzen, Nortruna ins Gesicht. „Du treibst es zu weit, Germanin.“ Kalter Zorn stieg in Hannibal auf, in seine Augen trat ein verdächtiges Glitzern. Seine Nasenflügel erbebten unerheblich und er trat einen Schritt auf Nortruna hinzu.


    In ihm zuckte der Impuls auf, Nortruna zu packen und in die Kammer zu sperren, sie dort zumindest einige Stunden in der schwarzen Enge zu halten und ihr zu zeigen, was es hieß in der Villa Flavia die bockige Sklavin zu spielen. Doch im selben Moment huschte ihm die Erinnerung durch den Kopf, dass Furianus auch Nadia dort eingesperrt hatte für Tage. Und wie sehr sie darunter gelitten hatte. Das Glitzern, was in seinen wahnhaften Momenten auftrat, verschwand bei dem Gedanken an Nadia völlig. Langsam wandte Hannibal erst sein Gesicht von Notruna ab und drehte sich dann von ihr weg. Seine Wangenknochen mahlten fest und er sah Anaxandra an, glaubte in ihrem Blick noch mehr Vorwurf zu erkennen und abwehrend presste Hannibal die Lippen fester aufeinander. Er wollte kein zweiter Sica oder Sciurus werden, wenn er auch nicht dulden würde, dass die Sklavin mit ihrem Benehmen das Ansehen seines Herren schaden würde. Doch bis dahin…Hannibal zuckte mit der Schulter. „Mach es mit ihr aus, Salambo.“, gab er von sich, wandte den beiden Frauen den Rücken zu, und trat auf Lexana zu. „Ich habe Dir gesagt Du sollst mich rufen…“ grollte er leise. Lexana sah ihn nur verächtlich an und wandte sich ab. „Pah…Schwächling.“, murmelte Lexana und verließ die Sklavenunterkunft. Ärgerlich sah Hannibal der alten Sklavin hinter her und knetete die Lederpeitsche in seiner Hand. Sie würde bestimmt alles brühwarm diesem elenden Sciurus berichten.

    [Blockierte Grafik: http://img248.imageshack.us/img248/1854/licillaxt2.jpg]
    Licilla- eine weitere Lupa


    Ein Windhauch stieß durch den Flur und ließ die Flammen auf den Öllampen wild hin und her zucken. Die Schatten tanzten im düsteren Gang und verschmolzen mit einigen Mustern an den Wänden zu düsteren Fratzen, spielten auf den tiefroten Haaren der Lupae, die erschrocken die Augen aufriss. Sie hob die Hand an ihren Mund und gab ein Seufzen von sich. Genau genommen war Licilla nicht so wirklich über den Tod von ihren Mitmenschen erschrocken, schließlich lebte sie in der Subura. Aber die Tatsache, dass es hier im Lupanar geschehen war, das nahm sie doch ein wenig mit. „Waren es Freier oder zwei von den Mädchen?“ fragte sie mit dem Hauch von Neugier, aber auch leichtem Erzittern in der Stimme.


    Eine Tür klackte gegen den Türrahmen und jedes Mal erzitterten die Flammen heftig, spielten ihr groteskes Schattentheater. „Vor nicht allzu langer Zeit habe ich Männerschritte gehört. Ich dachte, es wäre Besuch für einen der Mädchen.“ Abermals wurde die Tür am Ende des Ganges durch einen Windhauch geöffnet und schlug gegen den Rahmen. Licilla presste sich plötzlich an Quintus Caecilius Metellus heran. „Wenn er noch da ist, dann müsst ihr mich beschützen, bitte!“ hauchte sie, mehr die Gunst der Stunde nutzend. Einen Verbündeten bei der Garde zu haben war immer von Vorteil für eine Lupa.