Geisterhaft löste sich eine Silhouette aus einem der vielen düsteren Schatten des verkommenen Tempels. Eine schmutzige kleine Gestalt, ein Junge mit blassem Gesicht, aber vielen Sommersprossen um die Nase, trat auf Serapio zu, musterte ihn mit unverhohlenem Misstrauen. Mit seinem mageren Arm deutete er ins Innere. „Dort drinnen…komm!“ Mit einer Hand spielte der Junge mit einem Messer unter einem groben, mehr löchrigen Tuch, was er sich zur Tarnung über die Schulter geworfen hatte und wandte sich um, ging voraus in den Tempel hinein. Bei jedem Schritt humpelte der Junge, zog dabei sein rechtes Bein hinter sich her, dessen Fuß seltsam deformiert wirkte.
Wenig Licht fiel hinein und beleuchtete die plump wirkenden dicken Säulen am Rande des großen dämmergrauen Tempelsaal, unter den Füßen von dem Jungen zerbrachen alte Tonscherben, Dreck und Staub wurden aufgewirbelt. Die wenigen Sonnenstrahlen glitten wenig schmeichelhaft über die rissigen Wände als sich aus der Schwärze eine riesige Gestalt heraus schälte. Mit drohender Faust ragte sie über einen steinernen Altar, der in der Mitte zersprungen war und tiefrot verfärbt. Das Gesicht der Statue war von dem Regen, der durch das löchrige Dach in den Tempel drang, zerfressen und nur noch eine Maske des Nichts. Dennoch trug er den Ausdruck eines zornigen Gottes, der sich jeden Augenblick auf die Gläubigen oder Frevler dieses Templers stürzen wollte. Ein schwerer Geruch nach Feuchtigkeit und Moder lag in dem Tempel, eine bedrückende Stille, die von der Gröbe der Urtümlichkeit noch untermalt wurde. Der Regen hatte auch auf dem Boden tiefe Spuren hinterlassen, wenn auch die tiefe Rinne in der Mitte, rostrot verfärbt, mehr wie ein stummes Zeugnis vieler Füße von früher wirkte und die Spuren alter, unaussprechlicher Kulte zu bekräftigen schien.
Ebenso versteinert, wie es schien, stand noch eine zweite, kleinere Gestalt neben der alten Götterstatue, dessen Namen schon vor vielen Generationen vergessen wurde und nur noch von den, des Nachts herumstreifenden, Lemuren bezeugt werden konnten. Halb im Schatten stand Hannibal, die Hände neben den alten roten, womöglich blutigen, Spuren auf dem grauen Altarstein abgestützt. Das wenige Licht beschien seine dunkelblaue Tunica und den fast taubengrauen Überwurf, unter dem sein Caestus und sein Sica, wie oft, gut verborgen lagen.
Hannibal sah nicht auf als er die schlürfenden Schritte des Jungen vernahm, war jedoch bis zur letzten Faser seiner Körpers angespannt, schließlich war das Treffen hier im Tempel nichts, was er mit freudiger Erwartung entgegensah. So waren seine Hand nicht weit von seinem Dolch entfernt als er der Beiden gewahr wurde. „Besuch!“, gab der Junge von sich. Hannibal sah mit düster umschatteten Augen auf, war schon bereit seinen Dolch zu ziehen, doch schon einen Atemzug entspannten sich seine Gesichtszüge abermals, mehr noch, ein wenig Überraschung war ihm anzusehen. „Flosculus?“ Hannibal löste seine Hände von dem Stein neben dem Riss, wo einiges trockenes Moos sich nach oben rankte. Für einen Atemzug überlegte Hannibal, ob Flosculus von Nerva geschickt worden war, verwarf dies jedoch, da er Flosculus für nicht so einen abgebrühten Attentäter hielt. Hannibal trat einen Schritt auf ihn zu und legte eine Hand auf dessen Schulter, strich mit einem Daumen über seinen Nacken. Mit einer Hand deutete er dem Jungen, sich wieder zum Eingang zurück zu ziehen, was dieser, leise Schlürfend auch tat. „Hast Du nach mir gesucht?“