Beiträge von Lucius Aelius Claudianus Marcellus

    Behutsam drängte er seine Tochter wieder von sich, so dass er ihr in die Augen sehen konnte. Seine Gesicht hatte strenge Züge angenommen und in seiner Stimme war ein Hauch von Verärgerung wahrzunehmen.


    "So! Findest du also? Du bist noch nicht einmal volljährig Dolabella! Ich wage es gar nicht, daran zu denken, was dir auf deiner Reise alles passieren hätte können. Ein jungen adeliges Mädchen, das alleine von Achaia nach Roma reißt. Und was bitte heißt, dass du in Mantua warst?"

    Wieder einmal hielt die Sänfte des Patrizier vor dem Anwesen der Gens Vinicia und auch dieses Mal führten ihm Staatsgeschäfte zum Haus des derzeitigen Consuls. Während einer der Sklaven voraus eilte um von der Ankunft des Quaestors zu berichten, half ein anderer seinen Herren aus der Sänfte. Mit einer ruckartigen Bewegung hievte Marcellus sich aus seiner angenehmen Liege und streckte seine Glieder von sich. Er war heute schon länger auf den Beinen und der Besuch beim Consul stand für den heutigen Tag als letztes an. Als er zum Eingang kam, hatte der Sklave bereits geklopft.

    Im ersten Moment wusste Marcellus nicht, wie ihm gerade geschah, als seine Tochter plötzlich vor ihm stand. Er hatte sie doch in Obhut ihrer Lehrer und der Hausangestellten in Achaia gelassen und wollte sie zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Und was bedeutete vor allem, dass SIE ihm nachgereist war? Das Mädchen war hoffentlich nicht allein nach Italia gekommen. Völlig perplex öffnete er seine Arme, als sie auf ihm zulief und um den Hals viel.


    "Aber Dolabella? Was machst du hier….. und wie bist du….. Du bist doch nicht allein nach Italia gereist oder etwa…… Kind!"

    Diese Sklavin war es schon wieder. Wem gehörte sie eigentlich? Der Patrizier wollte sich gerade wieder über diese Störung aufregen, als er vernahm, dass ein Besuch aus Achaia hier sei. Langsam und mit kreidebleichem Gesicht erhob er sich, seinen Blick nicht von der Sklavin abwendend.


    "Wer ist es? Ist etwas mit meiner Tochter passiert? Sprich Sklavin!"

    Nach dem merkwürdigen Besuch des Pompeier hatte sich Marcellus wieder in sein Zimmer zurück gezogen und erneut an seinen Schreibtisch gesetzt. Er nahm die Schriftrollen von vorhin zur Hand und begann erneut mit dem lesen. Es dauerte nicht lange, da klopfte es an der Türe und er ließ die Schriftrollen genervt auf den Tisch fallen.


    "Was ist denn jetzt schon wieder?!"

    "Gut! Ich werde warten. Lasst euch aber nicht zu lange Zeit mit der Entscheidung – ich könnte es mir sonst noch anders überlegen. Wir werden in den nächsten Tagen bestimmt von einander hören Pompeius Antipater."


    Marcellus richtete noch ein letztes Mal einen kurzen und verstohlenen Blick auf die Sklavin, die nun länger als erwartet, Thema der beiden Männer war.

    Als er die empörten Worte des Plebejers hörte, lachte Marcellus auf. Natürlich lag es in der Natur der Menschen und vor allem in der eines Römers, dass er seine Herkunft und die Ehre seiner Familie verteidigte. Dennoch war Antipater nur ein Plebejer und sollte sich nicht all zu viel auf diese Tatsache einbilden. Die rumreichen Zeiten der Pompeier war längst vorbei und selbst auf einen ihrer berühmtesten Vorfahren, den Consul und Triumphator Pompeius Magnus, konnten sie sich nach über einem Jahrhundert nicht mehr berufen. Marcellus wollte es jedoch dabei belassen und seinen Gast nicht noch mehr in Verlegenheit bringen.


    "2000 Sz. also……… Gut! So sei es!"

    Den Patrizier ließ die genannte Summe zwar unbeeindruckt, aber dennoch war sie für ein Stück Land durchaus zu hoch. Er schüttelte also verständnislos den Kopf, um die letzten Worte des Consuls zu unterstreichen.


    "Auch ich würde mich zu so einem Kauf nicht hinreißen lassen, so verführerisch dieses Stück Land auch sein mag. Andererseits kann ich einen solchen Landbesitzer durchaus verstehen. Es ist in der heutigen Zeit nicht wirklich einfach an Geld zu kommen oder sogar durch legale Geschäfte ein kleines Vermögen anzuhäufen. Wenn man nicht das Glück hat, eine finanzkräftige oder traditionsreiche Familie im Hintergrund zu haben, dann bleibt man meistens auf der Strecke."

    Die Worte von Antipater beeindruckten den Patrizier wenig. Für ihn handelte es sich hier um ein Geschäft zwischen zwei römischen Bürgern – nicht mehr und nicht weniger. Wie er über die Sklavin, ihre Herkunft und ihre Zukunft dachte, ließ er sich dabei nicht anmerken.


    "Ihr Glaube interessiert mich nicht – von mir aus kann sie ihn auch in Zukunft ausüben. Jedoch ist sie für mich nicht mehr als eine einfache Sklavin, die sich wie jeder andere Sklave auch, dem Willen ihres Herrn zu beugen hat. Ob sie in Zukunft an euren Gebeten im Tempel teilnehmen darf, kann ich dir noch nicht sagen. Ich bin ein sehr beschäftigter Mann und auch sehr oft auf Reisen, bei denen sie mich durchaus hin und wieder begleiten wird. Als Hierodule wird sie euch bei einem Verkauf an mich jedenfalls nicht mehr zur Verfügung stehen. Über alles andere werde ich mir erst danach Gedanken machen."


    Sein Blick glitt wieder für einen kurzen Moment auf die Sklavin und dann wieder zurück zu ihren Herren. Seine Stimme war ab diesem Zeitpunkt von Skepsis geprägt, jedoch weiterhin ruhig und geschäftlich.


    "Nun sollten wir über den Preis sprechen. 1700 Sz. sagst du? Ein stolzer Preis für eine Sklavin, aber in der heutigen Zeit durchaus nicht ungewöhnlich. Was mich aber Sehrwohl wundert, ist die Tatsache, wie du dir eine solche Summe leisten konntest? Du siehst nicht gerade wie ein hoher Beamter aus, der eine solche Summe mit Leichtigkeit aufbringen kann."

    Der Patrizier hatte sich zwar etwas mehr von diesem Gespräch erhofft und wusste, dass auch der Consul beträchtliche Länderein besaß, aber er verstand auch, dass es wohl so gut wie unmöglich war, mit ihm ins Geschäft zu kommen. Er ließ es also dabei und nickte nur Zustimmend.


    "Da hast du bestimmt Recht Consul. Ich mache mir da auch wenig Hoffnungen. Das nächste Mal wenn ich die Gastfreundschaft eueres Hauses genieße, werde ich ihn jedoch darauf ansprechen, sofern er zu Hause ist."

    Der Patrizier wandte sich in diesen Moment mit einer raschen Kopfbewegung zurück an Antipater und versuchte den leichten und kurzen Anflug von Entsetzen zu verbergen, den diese Antwort bei ihm ausgelöst hatte. Dennoch blieb er weitestgehend ruhig und verfolgte weiter seinen Wunsch dieses Mädchen zu kaufen.


    "Eine Hierodule sagst du? Nun ich wusste nicht, dass die Rituale deines Glaubens auch den Umgang mit Tempeldirnen vorsehen. Dennoch hoffe ich, dass dieses Mädchen auch zu etwas anderem taugt, außer die und deinen Glaubensbrüdern als rituelles Lustobjekt zu dienen. Ich würde sie hier im Haus als Cubicularia anstellen. Also nenne mir einen Preis."

    Gekonnt überging Marcellus den letzten Satz des Consuls und blieb bei dem Thema, dass ihm im Moment wesentlich mehr interessierte.


    "Dein Bruder sagst du? Weißt du zufällig auch, ob er am Verkauf ein oder zwei seiner Grundstücke interessiert wäre? Ich bin auf der Suche nach zwei Grundstücken, die in der Provinz Italia liegen. Ich selbst besitze nur eines und dieses liegt in Achaia. Es wäre bestimmt ein großer Vorteil auch hier in der Nähe ein kleines Stück Land sein Eigen nennen zu können."

    "Das ist mir durchaus so Recht."


    Der Blick des Patriziers richtete sich nun auf die Sklavin, in deren Begleitung der Pompeier war und die sich bisher sehr dezent im Hintergrund gehalten hatte. Marcellus wäre sie auch kaum aufgefallen, hätte er seinen Blick in diesem Moment nicht durch den Raum schweifen lassen und sie dabei erneut entdeckt. Er musterte sie mit einem eindringlichen und neugierigen Blick, der durchaus von Interesse zeugte. Ohne sie dabei aus den Augen zu verlieren, sprach er ihren Herrn wieder an.


    "Was willst du für diese Sklavin? Ich würde sie dir abkaufen, wenn der Preis stimmt."

    Nun schmunzelte der Patrizier – jedoch keinesfalls so gequält wie eben der Consul und auch nur für einen kurzen und kaum wahrzunehmenden Moment. Man konnte dieses kurze Lächeln durchaus als hämisch bezeichnen, auch wenn Marcellus selbst, dies nie vor seinem Vorgesetzten zugegeben hätte. In diesem Moment fühlte er sich aufgrund seiner Herkunft weit überlegen und verstand nicht, wie Lucianus überhaupt auf die Idee kommen konnte, diese Frage zu stellen. Marcellus war der letzte, der eine eheliche Verbindung zwischen Patriziern und Plebejern dulden würde. Er wurde sofort wieder ernst und schüttelte den Kopf.


    "Es tut mir sehr Leid Consul, aber ich verkehre nicht sehr oft in plebejischen Kreisen und kann dir in diesem Fall nicht wirklich weiterhelfen. Auch wenn ich durchaus denke, dass du eine sehr gute Partie wärst. Soweit ich gehört habe, zählen die Vinicier zu den größten Grundbesitzern im ganzen Imperium."

    "Dafür habe ich durchaus Verständnis Consul. Auf deinen Schultern lastet ein durchaus unvergleichbar schwerere Würde, als jene, die ich als einfacher Quaestor zu tragen habe. Obwohl wir uns natürlich eingestehen müssen, dass dein Amt nicht mehr mit dem zu vergleichen ist, was es noch während der Republik war. Aber lassen wir das. Die Zeiten verändern sich und die Menschen haben sich anzupassen."


    Der Patrizier stellte seine Beinübungen ein und lehnte sich wieder etwas zurück. Das warme Wasser tat seinem Körper gut, der zwar einigermaßen geschont geblieben war, aber auch schon einige Jahrzehnte auf den Buckel hatte. Interessiert sah er Lucianus an.


    "Du suchst also nach einer Frau. Ich denke es ist nicht einfach, etwas Angemessenes zu finden. Immerhin bist du nach dieser Amtszeit ein ehemaliger Consular und Mitglied der Nobilitas. Hast du bereits jemanden in Aussicht?"

    Für seine Verhältnisse, ließ sich der Patrizier ungewöhnlich lange Zeit, bis er seinen Entschluss mitteilte. Grundsätzlich war nichts Verwerfliches daran, einen Tempel dieses Kultes zu besichtigen. Als Quaestor konnte man ja sogar glauben, dass er dienstlich dort wäre, um ihn im Auftrag des Consuls zu kontrollieren. Schon bevor er etwas sagte, gab er seine Zustimmung durch ein Kopfnicken zu erkennen.


    "Einverstanden. Ich werde euren Tempel offiziell besichtigen und mich danach entscheiden, ob ich als Schiedsrichter an euren Gedichtswettbewerb teilnehme. Da fällt mir ein.... wie kommst du überhaupt auf mich?"

    "Ich verstehe Consul. Das heißt also, dass du für eine weitere Amtsperiode nicht mehr zur Verfügung stehen wirst. Mein Interesse daran kommt nicht von ungefähr. Ich habe mir überlegt für eine weitere Amtszeit als Quaestor zu kandidieren und es wäre daher sowohl für mich, als auch im Falle einer erneuten Kandidatur, für dich ein Vorteil, wenn wir gemeinsam für eine erneute Runde im Cursus Honorum kanditieren würden."

    Marcellus überlegte kurz und hob nachdenklich eine Augenbraue. Die Neugierde war durch aus da, aber er war sich unsicher, ob es wirklich klug war, sich auf diese Einladung einzulassen. Vielleicht sollte er die ganze Sache zunächst etwas mehr Hinterfragen.


    "Eure heiligen Hallen? Wo befinden sich diese?"

    Aus dem angenehmen und eigentlich erholsamen Thermengang wurde nun ein richtiger Arbeitsaufwand. Wenn Marcellus das bereits im Vorhinein geahnt hätte, dann wäre er wohl mit einem Scriba gekommen, der ihm die Arbeitsanweisungen des Consuls notierte. Aber da er nun weder einen Scriba, noch etwas zu schreiben hatte, musste er sich die Punkte merken.


    "Ein Termin für die nächsten CH-Wahlen……. selbstverständlich. Darf ich dich in diesem Zusammenhang fragen, welche Pläne du nach deiner Amtszeit verfolgst?"

    Ein babylonisch-assyrischer Kult?! Nicht gerade das, was der Patrizier sich erwartet hätte und auch zweifellos nicht der richtige Umgang für den patrizischen Adel. Auch wenn Marcellus immer wieder davon hörte, dass andere Adelige fremden Kulten oder Religionen verfielen, so war er in diesen Dingen etwas zurückhaltender, wenn nicht sogar vorsichtiger. Natürlich hatte ihm die Neugierde etwas gepackt und es bestand durchaus Interesse sich diesen Kultus anzusehen, aber er war ein Mann der in erster Linie an sein öffentliches Ansehen und das seiner Familie dachte.


    "Tut mir Leid Pompeus, aber ich fürchte du wirst bei den Claudiern kein Glück auf deiner Suche haben. Wir haben nicht sehr viel übrig für fremde Kulte oder Religionen und ich muss dir daher auch eine Absage erteilen."