Beiträge von Iulia Helena

    "Er hat sich entschieden, dem Ruf seines Blutes zu folgen," erwiederte sie sinnierend und hob dann leicht die Schultern an. "Immerhin war seine Mutter eine Claudierin, wenn ich mich nicht irre - aber für mich gehört er immernoch zur Familie, zumindest als geachteter und willkommener Gast. Derzeit hat er recht viele Sorgen, und ich wage zu bezweifeln, dass eine so von sich eingenommene Familie wie die Claudier imstande ist, sich um diese Sorgen angemessen zu kümmern." Sie klatschte zweimal in die Hände und wieder es eine Sklavin, die abwartend am Durchgang in das Innere der Casa stehen blieb und sie anblickte. Mit knappen Worten wies Helena jene an, für den Onkel ein angemessenes Zimmer vorzubereiten, was die Frau mittleren Alters mit einem "Ja, Herrin!" quittierte und eilends entschwand, um sich der Arbeit zu widmen.


    "Zu den Prätorianern? Ich bin mir sicher, Du wirst Dich mit dem praefectus praetorio gut verstehen, er scheint mir ein verständiger und kluger Mann zu sein," meinte sie dann nach einer Weile und lächelte etwas, damit andeutend, dass sie seinen Vorgesetzten besser kannte als nur vom Sehen her. "Ich hoffe natürlich, dass Dein Dienstplan es Dir erlauben wird, hier am Familienleben teilzunehmen - Constantius muss sich seine freien Abende auch immer erkämpfen, aber es gelingt ihm doch immer wieder, zu meiner Freude. Du weisst sicher, dass er bei den Cohortes Urbanae ist? Ich hoffe ja, dass er bald befördert wird, nichts heizt den Eifer besser an als eine kleine Beförderung." Damit legte sie die Hände sachte ineinander und hielt den Blick zu ihm aufrecht. "Wenn Du mir sagst, welche Wünsche Du für Deinen Aufenthalt hier im Haus hast, werde ich mich darum kümmern, dass sie erfüllt werden - ich muss damit nur planen müssen." Bisher war sie es gewesen, deren Gehalt den Haushalt finanziert hatte, und so gedachte sie es auch vorerst beizubehalten.

    Sie musste eine Hand auf dem Tisch ablegen, auf welchem die einzelnen Waren des Händlers ausgebreitet lagen, damit die Finger nicht zu sehr zitterten, denn je länger er schwieg, desto nervöser und unsicherer wurde sie. Hatte sie ihn nun beleidigt? Oder dachte er darüber nach, was er sagen sollte? War das nun der Endpunkt einer sich anbahnenden Freundschaft, die sie zu schätzen gelernt hatte, oder würde er verstehen, dass sie auf Abstand gegangen war, um nicht weiter verletzt zu werden?


    Sie fühlte den weichen Stoff, mit dem die Auslage ausgepolstert worden war, unter ihren Fingerkuppen, als könnte sie sich durch die Berührung die Struktur dieses Stoffs bis tief ins Innerste einprägen, aber eigentlich stellte diese bewusste Wahrnehmung des Stoffs nur eine Flucht dar, eine Flucht vor ihren Zweifeln, Sorgen und Ängsten. Denn einer Sache war sie sich nun überdeutlich bewusst: Als Menschen in ihrem Leben, als Freund, wollte sie ihn nicht verlieren, selbst wenn er sie als Frau zurückwies. Sie schätzte seine Ansichten, seine zurückhaltende, aber nicht unsichere Art inzwischen zu sehr. Aber sollte sie sich so sehr getäuscht haben in ihm, in seinen Reaktionen?


    Dann entstand Bewegung am Eingang, aber sie wandte sich nicht um, sie wollte nicht sehen, wer da kam, vermutete sie doch die Nähe des stetigen Schattens des Tribuns, doch wortlos wurde jener wieder fortgeschickt, worüber sie nicht unglücklich war. Auch der Händler, dessen Nähe durch das Rascheln der Vorhänge angekündigt wurde, schien nicht allzu lange verweilen zu wollen. Umso besser, dachte die Iulierin, dann musste sie in ihrer Schmach wenigstens nicht von jedem angestarrt werden. Sie fühlte sich, als könnte ihr der Makel der zweimaligen Zurückweisung überdeutlich angesehen werden, und lenkte darob den Blick gezwungenermaßen wieder auf die Schmuckstücke. Viel zu schön, um wahr zu sein, dachte sie still und atmete tief ein. Die Handwerkskunst dieses Händlers suchte wirklich ihresgleichen, hätte sie mehr Geld zur Verfügung gehabt, hätte sie es sicherlich erwogen, hier etwas zu kaufen. Aber vor seinen Worten retteten sie diese Gedanken nicht. Er sprach, und jedes Wort brannte sich tief in ihr ein.


    Es schien, als würde jedes dieser Worte ihre wohlgeordnete kleine Welt einmal mehr in sich zusammenstürzen lassen - er wollte sie heiraten? Sie zu seiner Frau machen, er, der Patrizier, der traditionsbewusste Offizier, der zum Wohl seiner Familie unter den anderen Patriziern eher eine Frau hätte suchen sollen als unter Plebejern? Jähes Erstaunen, fast Entsetzen über diesen so ungewohnten Gedanken machte sich in ihr breit, aber auch eine andere Empfindung, die viel eher zu ihr passte als die Überraschung über seine Idee, viel besser als die eben erlebte Unsicherheit, der eben abflauende Schmerz, eine Reaktion, die es bereits einmal gegeben hatte, als ein Mann mit dem Gedanken gespielt hatte, um sie zu werben, ohne sie zuvor wenigstens zu fragen, ob sie heiraten wollte: Zorn. Nackter, blanker Zorn. Wie konnte er es wagen! Sie so im Ungewissen zu lassen! Wie lange hatte er diese Sache wohl schon geplant, ausgeführt?


    Ihren Onkel selbst darauf angesetzt, den Vermittler bei ihrem Vater zu spielen, wie konnte er nur? Ein Brief nach Germania brauchte seine Zeit, wann musste er diese Entscheidung getroffen haben - noch vor der Abendesseneinladung zu den Tiberiern? Und in all der Zeit, keine Andeutung, kein Wort, nichts, nicht der geringste Hinweis, kein Deuten. Was glaubte er eigentlich, mit wem er es zu tun hatte?


    "WAMM!" Klatschend landete ihre Rechte auf seiner Wange, und höchstwahrscheinlich war ihr die schallende Ohrfeige nur deswegen gelungen, weil er damit nicht hatte rechnen können - für eine Frau hatte Iulia Helena eine ausgesprochen kräftige Hand, die blauen Augen glommen wütend, während sie ihm die Worte entgegen spie: "Und all die Tage hast Du geschwiegen? Bin ich Dir denn kein einziges Wort, keine Andeutung wert, keine einzige Frage? Weisst Du, was ich wirklich hasse? Wenn sich Männer hinter diesen idiotischen Traditionen verstecken. Vielleicht will ich gar nicht mehr heiraten, ist Dir diese Idee schon einmal gekommen? Vielleicht will ich gar nicht mit einem Mann leben, der mich behandelt wie eine käufliche Ware! Hättest Du nicht einfach zuerst mich und dann meinen Vater fragen können? Bei allem, was uns bisher verbunden hat, hast Du so wenig Mut gehabt?!" Ihre Stimme war lauter geworden, und der Händler mochte sicherlich an diesem Nachmittag die erhoffte Unterhaltung bekommen - aber wer hätte auch damit rechnen können, dass ein Heiratsantrag mit einer Ohrfeige beantwortet würde?

    "Es ist Deine Vermählung, Annaeus Florus, nicht die meine," scherzte sie mit einem vergnügten Lächeln auf den Lippen, während eine Sklavin herum ging und kontrollierte, ob alle Gäste noch genug zu trinken hatten - auch eine Schale mit Obststücken als kleine Ablenkung, sollten die Gespräche zu langweilig werden, wurde auf einem Beistelltisch drapiert. "So bin ich gespannt auf Deine Ideen und werde, wenn es Dir recht ist, etwas beisteuern, sollte mir noch etwas dazu einfallen. Einverstanden?"

    Sie runzelte leicht die Stirn, um dann betroffen zu Boden zu blicken, war diese Nachricht doch erschreckend und bewies wieder einmal, wie schnell der Tod zu einem Menschen kommen konnte, wenn man am wenigsten damit rechnete.
    "Sergius Epulo, nimm auch mein tief empfundenes Beileid zum Verlust Deines Verwandten an, dessen Absenz in die Mitte dieser Curia ein Loch reißen wird, welches wir nicht zu füllen vermögen. Wir sollten seiner in einer Erklärung gedenken, setzte er sich doch stets mit aller Kraft und gutem Willen für die Belange Misenums und der Provincia Italia ein."

    "Stimmt, Hypathia ist ja schwanger ... wann ist es denn so weit? Immerhin muss ich ja noch das ein oder andere für das Kleine nähen," sagte die Duumvir mit einem leisen Anflug eines Lächelns auf den Lippen. Es war lange her, dass sie Kleidung für ein Kind genäht hatte, und damals waren es ihre eigenen Söhne gewesen .. für einen kurzen Moment flog ein Schatten über ihre Miene, erlosch jedoch schnell wieder, als sie zu ihm blickte.
    "Meine Erlaubnis und Billigung sollst Du haben, Artorius Corvinus, und ich denke, Deine Talente können Misenum nur zugute kommen. Epulo ist sicher kein schlechter Mensch, aber noch sehr jung und dementsprechend denkt er, glaube ich, nicht unbedingt über die Konsequenzen seiner Handlungen immer so gut nach, wie er sollte. Was Dio angeht, werden wir uns sicher irgendwie arrangieren, mach Dir darum nicht zu viele Gedanken. Ich vermute sehr stark, dass seine Ziele auf Dauer nicht in Ostia liegen werden."

    Auch Iulia Helena applaudierte mit einem Lächeln auf den Lippen - ihrer Ansicht nach war die Auszeichnung verdient und absolut gerechtfertigt.
    "Ich gratuliere Dir, Octavius Detritus! Deine Arbeit für die Curia und die Provincia soll unvergessen bleiben."


    :app:

    Hmm ... gute Frage. Die Original-res gestae des Augustus sind erst nach seinem Tod, dh. nach der Beendigung seiner 'Amtszeit' als Kaiser veröffentlicht worden, weil er dies so testamentarisch verfügt hat. Geht man von diesem Modell als bindend aus, dann würde ich sagen, die res gestae eines Magistraten haben erst dann zu erfolgen, wenn er sein Amt nicht mehr bekleidet - also nach der Amtszeit. Die Römer sind traditionsbewusst genug, sich von so einer Überlegung leiten zu lassen - wundern würde es mich jedenfalls nicht.

    Ich denke mal, wir müssen hier nicht über den Zeitaufwand eines Schülers, Studenten und Arbeitnehmers diskutieren, weil's eh zu nichts führt. In der 11. Klasse hatte ich auch ein Stundenkontingent abzuarbeiten, das jenseits von gut und böse war, in der 13. Klasse lief es alles locker und easy. Genauso kann ein Studienfach stressen und viel Zeit erfordern, andere Studienfächer weniger .. also lassen wir diese Diskussion doch einfach, hm?


    Tatsache ist jedoch, dass Leute, die selbst in ihren Ämtern gebummelt haben, sich tunlichst davor hüten sollten, mit dem Finger auf andere zu zeigen - sowas wirkt eher lächerlich.

    "Sergius Glabrio ist verstorben? Das nenne ich traurige Nachrichten - weisst Du denn, wie er ums Leben kam? Er war einer jener, deren Mitarbeit in der curia ich sehr zu schätzen wusste, auch wenn er bisweilen ein wenig ungestüm voranpreschte," sagte sie langsam, den Umstand verbergend, dass seine Worte sie überrascht hatten, wenn nicht gar erschreckt. Dass Corvinus Ambitionen hatte, war ihr nicht entgangen, niemand suchte sich eine Arbeit, ohne irgendwann aufsteigen zu wollen, aber dass diese sich so schnell manifestieren würden, war dann doch ein schnellerer Schritt, als sie gedacht hatte. Wenngleich die Gelegenheit günstig war, ein Gegengewicht zu Epulo zu installieren - ein vernünftiges Gegengewicht.
    "Warum sollte ich Deinem Wunsch entgegenstehen, Artorius Corvinus? Du weisst, dass ich Deine Arbeit schätze, und ich kann verstehen, dass es Dich nach einem Posten verlangt, der Dir mehr Freiraum gewährt, als Du ihn hier haben wirst und kannst."

    Seine Worte sollten wohl ihre Verwirrung ein wenig aufklären, aber in ihrer kleinen, unsicheren Realität verstärkten sie ihre Fragen eher noch mehr, als dass sie diese beruhigt hätten. Sie fühlte seine Arme, seine Berührungen überdeutlich an ihrem Körper, als müsste sie in seiner Umarmung brennen, fast verbrennen, und im Inneren ihres Kopfes war gleichzeitig alles kalt wie Eis, frisch von den Gipfeln der Alpen herabgeglitten, um die elefantösen Ausmaße ihrer Überlegungen zu erfrieren und zu ersticken, wie es einst die Kälte bei Hannibals Truppen gelungen war. Aber was wollte er ihr damit sagen, dass er Traditionen einhalten musste?


    Die Tradition, dass sich zwei ungebundene Menschen miteinander der Leidenschaft hingaben, konnte es wohl kaum sein - viel mehr als eine Zurückweisung konnte sie in diesen Worten nicht entdecken, denn er war einer direkten Antwort ausgewichen, hinterließ nichts als verschwommene Andeutungen, mit denen sie nicht viel anfangen konnte. Hätte es sie in diesem Moment nicht geschmerzt, hätte sie vielleicht besser reagieren können, doch so ließ sie sich einfach von ihm halten und nickte schließlich, ohne das Lächeln ersterben zu lassen.


    Der zweite Mann, für den sie sich interessiert hatte, der sie zurückwies - es wurde langsam zu einer Gewohnheit, einer Gewohnheit, die sie bei weitem nicht schätzen konnte und wollte. War sie denn so wenig anziehend für die richtigen Männer? Ein Gedanke, der ihr noch weniger schmeckte als die Zurückweisung in seinen Worten, die sie nicht in Frage stellte - er hatte sich entschieden, und sie ahnte, dass kein Wort, keine Geste an dieser Entscheidung zu rütteln vermochte. Jetzt hieß es nur, die Sache in Würde zu ertragen und sich sämtliche Gedanken aus dem Kopf zu schlagen, die in diese Richtung abdriften mochten. Eine Iulierin durfte nicht weichen, nicht straucheln, und wenn man schon unterging, dann wenigstens mit stolz gehobenem Kinn.


    "So ist es wohl," sagte sie leise und tat, was zu tun war - behutsam löste sie sich aus seinem Arm, auch wenn es schwer fiel, auch wenn ihr jeder kleine Teil dieser Geste einen dumpfen Schmerz im Inneren versetzte, aber es musste getan werden. Den Kopf wendend, betrachtete sie ihr Antlitz im hochpolierten Spiegel und hätte am liebsten geweint. So alt war sie noch nicht, was sie sah, fand sie nicht hässlich, nicht abstoßend und doch ... langsam hob sie eine Hand zu ihrem Ohr und nahm den Ohrring vorsichtig aus dem durchstochenen Ohrläppchen heraus, betrachtete das Schmuckstück sinnierend einige Momente lang.


    "Ich bin mir sicher, Dein Mündel wird hier so manches finden können, was ihr gefällt, falls Du das Risiko eingehen willst, ihr diesen Händler zu erlauben," kehrte sie dann ohne Umschweife zum vorherigen Thema zurück und legte den Ohrhänger zu seinem Gegenstück zurück, so sorgsam, als bestünde dieser aus einem so dünnen Glas, das bei der geringsten falschen Bewegung zu splittern vermochte. So, wie sie sich gerade selbst fühlte, und sie hoffte nur, dass er ihrer Bewegung folgen und das deutlich harmlosere Thema aufgreifen würde, alles andere negierend, was gesprochen worden war.

    Welcher Satyr sie auch immer geritten haben mochte, mit einem Mal wusste die Iulierin, wen sie zum Weinkönig vorschlagen musste, allein, um ein erstauntes Gesicht zu sehen, vielleicht auch eines, das erst einmal mit der Überraschung der Nominierung zurecht kommen musste. Sie räusperte sich also und verschaffte sich dann mit ihrer klaren, ruhigen Stimme Gehör:
    "Ich hätte noch jemanden als Weinkönig vorzuschlagen, denn ich kenne niemanden, der den Wein in seiner reinen Form lieber genießen würde als er." Einige Blicke mochten sich wohl auf sie richten, allein schon deswegen, weil sie einen weiteren Kandidaten zu benennen kund getan hatte, und sie wartete kurz, bis das Stimmengemurmel auf ein Maß herabgesunken war, bei dem man den Namen gut verstehen würde, bevor sie fortfuhr:
    "Ich möchte Quintus Tiberius Vitamalacus zum Weinkönig nominieren." Und schon richtete sich ihr Blick auf den Genannten, amüsiert seiner Reaktion harrend - denn dass er reagieren würde, stand außer Frage. Er würde auch wissen, wieviel Neckerei in diesem Vorschlag lag, daran zweifelte sie nicht.

    "Ich könnte mir vorstellen, dass die Familie der Flavierin von dieser Verbindung wenig erfreut sein dürfte," warf die Iulierin sinnierend ein und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen, nicht ganz ohne Zufall verweilte dieser Blick ein wenig länger auf dem Gesicht des Tiberius Vitamalacus.
    "Die meisten patrizischen Familien achten doch sehr darauf, sich nicht mit plebejischen gentes zu verbinden, egal wie ehrwürdig diese auch sein mögen, egal, wie hoch die Verdienste der einzelnen Männer und Frauen auch sein mögen. Dein Freund wird sich sicherlich einigen unangenehmen Fragen ausgesetzt sehen, wenn nicht dem Missvergnügen der gesamten gens Flavia." Sie lächelte etwas, aber der Klang der Stimme verriet zumindest jenen, die sie gut kannten, ein gewisses Abdriften ihrer Gedanken, in welche Richtung allerdings verriet ihr Gesicht nicht.

    "Bitte bloß kein Bier," sagte die Iulierin scheinbar entsetzt und schüttelte dann schmunzelnd den Kopf, wenn sie daran dachte, das schäumende Wahlgetränk der Germanen zu verkosten. Es ging doch nichts über einen guten Wein. Die schnelle Entschlossenheit des Lucianus, mit dem er das Bestellproblem gehandhabt hatte, gefiel ihr, und sie begann langsam aber sicher, sich diesem Ausflug in eine Taverne gedanklich anzunähern.
    "Was die Kandidaten angeht, gibt es nun einige, bei denen ich mir sicher bin, sie nicht wählen zu wollen, dafür war der Ausflug auf das forum allemal gut."

    "Hmm ..." machte sie sinnierend und lehnte sich etwas zurück, die Worte des praefectus praetorio durch den Kopf gehen lassend. Neue Standards, das klang fast, als hätte sie einen verhinderten Revolutionär hier vor sich. Aber vielleicht machte das die Unterhaltung auch so interessant und vielseitig? Gäste, die immer und überall dieselbe Meinung vertraten wie man selbst, waren nach kurzer Zeit einfach nur langweilig und wenig unterhaltsam.
    "Die Frage ist, welche Werte und Traditionen die unserer Ahnen ersetzen oder verbessern könnten - ich erinnere mich nur an die derzeitige immer wieder aufgewärmte politische Diskussion über die Arbeit von Frauen in Ämtern, die bisher Männern vorbehalten waren. Unsere Gesellschaft hat sich immer wieder gewandelt, um zu überleben, als das Konzept der Republik nicht mehr funktioniert hat, gab es einen blutigen Wandel, und nun könnte es einen in die Richtung geben, dass man sich in eine Richtung wendet, die den Ämtern erlaubt, aus mehr personellen Ressourcen zu schöpfen als zuvor - oder hast Du ein passenderes Beispiel für sich verändernde Werte?" Eine ihrer Brauen hob sich interessiert an, und auf die Antwort des Caeciliers war sie wirklich gespannt.


    "Ich denke jedenfalls, Du bist für eine Ehe ganz gut gerüstet," fügte sie nach einer Weile mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen an, bevor sie der Sklavin dabei zusah, wie sie mit einem Tablett mit mehreren Schalen darauf das Triclinium betrat und diese auf dem Tisch zwischen den Klinen servierte - kleingeschnittene Fleischstückchen in handlicher Fingergröße waren ebenso zu entdecken wie die unvermeidlichen gedünsteten Meeresfrüchte, dazu auch Gemüsestückchen in appetitanregenden bunten Farben, eine Schale mit Brot, um die Finger beim Aufnehmen der einzelnen Dinge nicht zu beschmutzen, war ebenso hinzugefügt.


    Als er die Frage nach der Herkunft seiner Informationen stellte, musste sie ein wenig breiter lächeln, und schüttelte dann fast sofort den Kopf. "Ich würde Dich niemals nach verborgenen Informationen fragen, die Du mir nicht weitergeben dürftest - mir geht es eher um einen allgemeinen Eindruck dieses Mannes, denn man hört so manches, wenn man den Gerüchten hier in Rom ein offenes Ohr schenkt, doch das wenigste lässt sich gut mit beiden Händen fassen. Du lebst hier nun eine ganze Weile, und ich schätze Dein Urteil als recht präzise ein, was die Motivationen der Menschen hier betrifft. Ich möchte nur wissen, wie ich mit diesem Mann umzugehen habe, denn Grund, ihm nicht freundlich gegenüber zu stehen, habe ich zweifachen." Es klang recht bestimmt, denn er sollte nicht den Eindruck erhalten, sie hätte ihn eingeladen, nur um sich über Strabo zu informieren - sicher, sie hatte dies als einen der Gründe gesehen, aber nicht als den entscheidenden.

    "Auf eine Person mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht an, da gebe ich Dir Recht - allerdings müssen die Einladungen dann recht schnell herausgeschickt werden, damit Meridius und Severa auch Zeit genug haben, die Reise zu planen - der Weg von Germania hierher ist schließlich keiner von zwei Tagen Reisezeit," überlegte sie schon weiter und war bei der Liste zumindest darüber beruhigt, dass viele der Gäste ihr eigenes Domizil in Roma hatten und man sie deswegen nicht beherbergen musste.

    Lächelnd umarmte sie den Onkel und stellte fest, dass er noch immer so roch, wie sie ihn in Erinnerung gehabt hatte - immer irgendwie soldatisch, mit einem vagen Beigeschmack von Stahl und Stärke, auch wenn sich eine solche Duftnote selten aus besonderen Ölen erschloss, sondern aus dem Auftreten und der Wirkung eines Menschen.
    "Junge Dame? Onkel, Du schmeichelst mir, ich gehe bald auf das dreissigste Jahr zu," scherzte sie und zwinkerte ihm leicht zu. "Nun, was die Familie angeht - Numerianuns' Tochter Livilla lebt hier, ebenso mein Bruder Constantius, und beiden geht es den Göttern sei Dank, gut. Neulich hat uns auch Imperiosus besucht, Du kennst ihn sicher, er ließ sich von den Claudiern adoptieren und ist nun Pontifex in Germania - ansonsten ist es hier sehr ruhig und durchaus friedlich. Es überrascht mich wirklich, Dich zu sehen, vor allem so unerwartet - aber ich freue mich, dass uns ein Wiedersehen nach so langer Zeit beschieden war. Wie lange wirst Du denn bleiben? Ein Zimmer ist gewiss schnell für Dich hergerichtet, dann hat Dein Gepäck auch Platz - und brauchen Deine Begleiter eine Unterkunft hier?" Wie stets wandte sie sich zuerst den praktischen Fragen zu, wie es eine jede Hausfrau wohl tat.

    Langsam erhob sie sich, trat an den Seitentisch und schenkte ihrem Gast eigenhändig einen Becher mit Wasser voll, bevor sie ihm diesen überreichte - natürlich hätte sie dies auch durch einen Sklaven erledigen können, aber sie schätzte es, sich in einer persönlicheren Umgebung mit ihm unterhalten zu können, wie bei allen Besuchern in ihrem Officium.
    "Das bedeutet, die Legio wird uns in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen? Was wird dort gebaut, ein zweites Collosseum oder wie soll ich das langsam verstehen?" Ein gewisser Ärger über die ewigen Verzögerungen hatte sich in den Klang ihrer Stimme gemischt, und sie schüttelte einfach nur frustriert den Kopf.

    Wie immer über irgendwelchen Akten sitzend, blickte die Iulierin auf und lächelte etwas, als die vertraute Gestalt ihres Magistraten im Türrahmen erschien.
    "Natürlich, komm nur herein. Worüber möchtest Du mit mir sprechen? Gibt es irgendein Problem?" Immerhin geschah es nicht so sehr oft, dass die Magistrate tagsüber bei ihr erschienen, ohne dass es einen triftigen Grund gab, und insgeheim hoffte sie, dass es ein angenehmer Grund sein würde, keine weitere Sorge.