Beiträge von Iulia Helena

    Dass sie sich Crassus genähert hatte, war mehr oder minder ein recht alter Reflex gewesen, und erst als sie seinen kurz erstaunt wirkenden Blick bemerkte, wurde ihr klar, wie falsch man ihren Schritt auch verstehen konnte - sie wünschte sich fast, sie könnte es rückgängig machen, aber irgendwo in ihrem Inneren hatte es eine stumme Entscheidung gegeben, die in die Richtung ging, Schutz bei einem bewaffneten Mann gegen eine Menge zu suchen - wie sie es früher oft genug bei ihrem Gemahl getan hatte, wenn sie an Markt- oder Festtagen gemeinsam unterwegs gewesen waren. Er immer in Uniform, die Toga hatte er höchst ungern und selten getragen, und er hatte auch nur zu gut gewusst, dass sie es nicht mochte, in einer allzu großen Menge unterwegs sein zu müssen und keinen Platz für sich zu haben. Der Anführer der kleinen Trinkertruppe schien zwar ziemlich angeheitert, aber er war anscheinend kein lebensmüder Säufer, denn die Gesten der Leibwächter und des Crassus selbst waren recht eindeutig gewesen - und angeheitert gegen kampfbereite Bewaffnete vorzugehen, wünschte sich im Grunde seines Herzens wohl keiner der 'Tiber so blau' Sänger.


    "Eh, bleib mal locker!" raunzte der Anführer in Crassus' Richtung, aber viel näher kamen die Trinker nicht, einer der sehr heftig schwankenden Männer wurde nun von einem seiner Kumpane gestützt und es sah alles nach einem vorsichtigen, schwankenden Rückzug aus. Helena nutzte die Tatsache, dass nun wieder mehr Platz war, sofort aus und nahm den gebührenden Abstand ein, das Kinn etwas anhebend. Irgendwie war es auch peinlich, so instinktiv eine gewisse Angst gezeigt zu haben und sie hoffte inständig, dass er darauf nicht eingehen würde. Man musste es ja nicht noch weiter austreten. Unter dem wachsamen Blick der Vigiles entfernte sich die Trinkerschar nun doch etwas schneller, als sie gekommen war, und im Sicherheitsabstand zu Crassus und seinen Männern erklang auch das Sauflied wieder. "TIBER so BLAU so BLAU wie WIR!" Die Iulierin nahm Zuflucht zu der letzten Option, die ihr im Moment blieb, um ein gewisses Gesicht zu wahren: Moralische Entrüstung. "Man sollte doch meinen, dass um diese helle Tageszeit noch nicht die halbe Stadt dem Wein gehuldigt hat," bemerkte sie und rückte ihre Palla mit einer energischen Handbewegung zurecht.

    "Ich werde Dich zu finden wissen, da bin ich mir sicher - ob es hier ist oder irgendwo sonst," sagte sie leise, den Blick direkt auf ihn gerichtet, denn die Doppeldeutigkeit seiner Worte war ihr nicht entgangen. Wie hätte sie diese auch überhören können? Die Sinne gereizt bis zum höchsten, schien fast jede Handbewegung, jeder Atemzug bedeutungsschwanger, jede Geste etwas Besonderes auszudrücken. Wie gerne wäre sie geblieben, hätte am liebsten den Schreibtisch umrundet und sich in seine Arme gestürzt, ihn berührt, und diesmal den Kuss erlebt, der sich angedeutet hatte, aber nicht geschehen war. Und dann ... die Iulierin schluckte langsam und atmete tief ein, bevor sie die Palla so vor ihr Gesicht zog, dass sie die Haut fast gänzlich verdeckte.
    "Ich danke Dir für Deine Zeit und Geduld ... und wünsche Dir einen Tag ohne Sorgen, Valerius Victor," fügte sie schnell an und trat zur Türe, öffnete sie eilig und trat dann hindurch, bevor sie es sich noch anders überlegen konnte.


    Bloss weg hier, und doch schrie eine nicht zu überhörende Stimme in ihrem Inneren, was sie doch für eine dumme Gans war. Einerseits, weil sie die günstigste aller Gelegenheiten verstreichen ließ, andererseits, weil sie es überhaupt wagte, die Tugend eines verheirateten Mannes in Versuchung zu führen.
    Was willst Du eigentlich, Iulia Helena? dachte sie und schritt eilig den Korridor entlang, sich von dem Officium des Septemvir so schnell wie möglich entfernend. Wenn sie darauf nur eine Antwort gewusst hätte! Ein zufällig vorbeikommender Scriba blickte ihr kurz irritiert hinterher, als sie ihn fast umgerannt hätte, um dann deutlich langsamer um die nächste Ecke zu biegen. Es kam schließlich nicht allzu oft vor, dass es jemand in diesem Gebäude wirklich eilig hatte ...

    ~* Samira *~


    "Ich heisse Samira," flüsterte sie mehr, als sie sprach, im Klang der Stimme tausend Versprechungen, die alle in dieser Nacht wahr werden konnten, wenn er es nur wollte. Sanft legte sie einen Arm um die Hüfte des jungen Manns und schmiegte sich der Länge nach an seinen fast stocksteif wirkenden Körper, ließ sich davon aber weder stören noch beirren. Ihre Auftraggeberin hatte ihr nicht umsonst gesagt, dass sie es mit einem schüchternen Mann zu tun haben würde, und einen schüchternen Mann verführte man zumeist am leichtesten, wenn man ihn so schnell nicht mehr aus der einmal hergestellten Nähe entließ.


    "Und ich werde Dir jeden Deiner Wünsche erfüllen, die stillen wie die, die Du aussprichst," fügte sie leise an, ihn anblinzelnd, um die vollen Lippen ein vollkommenes Lächeln formen zu lassen. "Ich möchte Dir heute Nacht guttun, mein starker miles, Dir all jene Freuden schenken, die Du Dir nur vorstellen kannst, und von denen Deine Kameraden nur träumen ... Du wirst sie erleben ... was hältst Du davon?" wisperte sie leise, sich auf die Zehenspitzen erhebend, um zumindest andeutungsweise sein Ohr zu erreichen. Dass sich dabei ihr Leib duftig und warm an den seinen drängelte, schien ihr ebenso wenig bewusst wie wichtig, die betörende Gegenwart ihres schlanken Körpers war und blieb vorhanden, während ihre Finger genießend über seine Brust strichen. Er schien stark zu sein, ein kräftiger Mann ... sie war sich sicher, in dieser Nacht ebenso genießen zu können.

    "Das Problem liegt nicht in der Vernachlässigung oder einer mangelnden Finanzierung, ich habe mich schon als Scriba davon überzeugen lassen, dass die Finanzierung abgeschlossen ist, letztendlich alles bereit steht. Das Problem liegt darin, dass die Legion, die beim Wiederaufbau gebraucht wird, derzeit ein Bauprojekt in Misenum erfüllt, wenn ich mich nicht irre - oder war es Mantua? Jedenfalls ist die in Frage kommende Legio I noch nicht abkömmlich, und erst wenn das dortige Projekt abgeschlossen ist, kann der Bau hier in Angriff genommen werden. Das bedeutet, wir werden warten müssen und auch ohne Tempel versuchen, Merkur zu huldigen, damit er nicht allzu zornig über die Absenz einer angemessenen Kultstätte wird. Um der Legio ihre Arbeit zu erleichtern, möchte ich einen Architekten einbestellen, der die vorhandenen Trümmer auf ihre Tauglichkeit der Wiederverwendung prüft - jede Ausgabe, die wir sparen können, kommt der Stadtkasse nur zugute," erklärte sie und unterstrich ihre Worte mit einer sanften, beredten Geste. Sie schien jetzt in ihrem Element, die Augen leuchteten lebendig, und sie wirkte, als würde sie sein Interesse durchaus als angenehm empfinden.

    Der Vergleich mit Caligula ließ sie kurz schmunzeln, zumindest schien er kein verstockter Konservativer zu sein. Mit vorsichtigem Konservativismus konnte sie sich schon deutlich eher anfreunden - aber auch hier erhob die Iulierin die Stimme, um den ihr fremden Kandidaten etwas zu fragen - immerhin musste man von einem Bewerber für ein Amt auch eine gewisse Kenntnis der Tagespolitik in Rom erwarten können.


    "Sage uns, Tiberius Vitamalacus, welchen Blick für die politischen Realitäten Roms dürfen wir von einem gestandenen Mann und kriegsgewohnten Kämpfer wie Dir erwarten? Derzeitig erheben sich Stimmen, die sich darüber beklagen, dass ein Senator das Volk und Ansehen Roms durch seine unbedachten Worte über unsere Vorfahren empfindlich beleidigt hat! Traditionen müssen geschützt werden, wie willst Du die Traditionen schützen? Bist Du bereit, mit Deinem Wort gegen solche Reden einzutreten?"

    Sie lauschte dem ihr unbekannten Kandidaten interessiert - ein konservativer Bewerber war ja so schlecht nicht, und er klang weder überheblich noch allzu weltfremd. Zudem stammte er aus Tarraco, dem Stammsitz der gens Iulia - alles keine schlechten Punkte, die ihm zum Vorteil gereichen mochten.


    "Sage uns, Petronius Varus, denn es ist sehr wohl in Rom ein wichtiges Thema: Wie ist Deine Position die Rechte der Frauen betreffend? Wie stehst Du zu weiblichen Amtsträgern in der Politik und der Verwaltung?"

    Sie hatte der Rede des Aureliers gelauscht, ebenso den Zwischenfragen, wenngleich ein vages Stirnrunzeln andeuten mochte, dass sie nicht mit allen seinen Äusserungen einverstanden war. So erhob auch die Iulierin schließlich das Wort mit ihren Fragen:


    "Sage mir, Aurelius Antoninus, warum trittst Du dafür ein, die Rechte der Frauen, die vom Kaiser selbst gegeben sind, zu beschneiden? Ich spreche dies als Magistrata von Ostia, die weiss, dass Deine eigene Tochter eine ihrer Amtsvorgängerinnen war, und wie ich hörte, hat sie auch in Misenum denselben Posten bekleidet. Welchen Sinn macht es, etwas zu fordern, das bedeutet, die Verdienste Deines Kindes zu schmälern? Wenn ein Mensch die Geistesgaben besitzt, ein Amt zu erfüllen und gut zu erfüllen, warum willst Du auf Grund des Geschlechts entscheiden, dass eine Person für ein Amt nicht in Frage kommt? Ich wiederhole es noch einmal - der Kaiser selbst heißt Frauen in wichtigen Ämtern gut, und es gibt keine, die sich ihren Rang nicht verdient hätte wie jeder Mann auch."

    "Nun, beginnen wir doch erst einmal mit dem Finanziellen," meinte sie schmunzelnd und nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Wasserbecher, ihn nicht aus dem Blick entlassend. Das Geld war natürlich auch interessant, und zumindest in Ostia war die Stelle eines Scriba ausgesprochen gut dotiert, wenn man es mit dem Rest des Reiches verglich - für sie war das Geld auch nicht uninteressant gewesen und zumindest war die Bezahlung ein Anfang. "Du wirst vierzig Sesterzen in der Woche verdienen, was überdurchschnittlich ist im Vergleich zu anderen Scribastellen im Reich, in sofern ist der Dienst hier in Ostia eigentlich ein sehr angenehmer. Wenn Du es wünscht, kann die Curia auch einen Schlafplatz für dich in der Nähe organisieren, was vor allem für Abende mit viel Arbeit sicher nicht verkehrt ist - mit Nahrung versorgen musst Du Dich hier allerdings selbst, es gibt keine allgemeine cena für die Angestellten. Aber da der Hafen so nahe ist, bekommt man sehr viele frische Sachen ziemlich billig, die meisten Waren werden beim Weg nach Rom erst richtig teuer." Sie zwinkerte ihm zu und überlegte, was sie heute essen würde. Frische geröstete Meeresfrüchte standen bei ihr immer hoch im Kurs.


    "Deine Arbeit hier in Ostia lässt sich recht kurz zusammenfassen. Du wirst die eingehende Post bearbeiten, Besucher empfangen und zu mir bringen - oder abwimmeln, wenn sie nichts wichtiges zu sagen haben - und ansonsten wird es mir obliegen, Dich angemessen zu beschäftigen. Ich denke, ich werde Dich auf meine Rundgänge durch die Stadt mitnehmen, damit Du alles kennenlernst und dergleichen mehr - immer nur im Officium sitzen ist ja auch kein Dauerzustand. Bisher war es hier sehr ruhig, was mich erstaunt, denn der letzte Duumvir hat seinen Posten verlassen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, anscheinend hält es hier niemand lange aus - ich hoffe aber, dass diese Tradition ihr Ende gefunden hat. Letztendlich denke ich, dass wir das Gespräch mit den Bürgern suchen müssen, aber auch, bestehende Mängel auszugleichen haben. Der Merkurtempel hier liegt in Schutt und Asche, und diesen wieder aufzubauen, wird eine Sache sein, die mir sehr am Herzen liegt, profitiert Ostia doch direkt von einem Wohlwollen des Gottes." Ruhig blickte sie ihn an, wohl auf weitere Fragen oder auch einen Kommentar wartend.

    ~* Samira *~


    Fast tat der junge Mann Samira leid - so schüchtern war er, dass er sie nicht einmal anblicken wollte. Eine seltene Tugend in einer so von Reizen übersättigten Stadt wie Rom, dass sie kurz fast mütterlich lächeln musste. Verlegene Kunden war sie nun wirklich nicht gewöhnt, aber es störte sie auch nicht. Zumindest sah er nicht grob aus, er schien gepflegt und wirkte gut gebaut und trainiert - nein, schwer fallen würde ihr ihre Aufgabe heute wirklich nicht. "Ich danke Dir für Deine freundlichen Worte," sagte sie sanft und trat einige Schritte vor, bis sie fast direkt vor ihm stand. Sie war nicht so groß gewachsen wie er, musste zu ihm aufblicken, aber auch das gefiel ihr. "Heute Nacht bin ich Dein Geschenk," fügte sie mit einem leisen, sanften Flüstern an und legte behutsam eine Hand auf seine Brust, ließ sie dort ruhen.


    "Deine Schwester hat mir gesagt, dass Du eine schwere Zeit hattest, und das möchte ich Dich gern vergessen lassen." Bei dieser Bewegung floss ihr offenes, tiefschwarzes Haar wie ein Umhang um ihre Schultern, umrahmte die nahezu perfekte Figur wie teuerster Seidenstoff. Ein süsser, aber nicht aufdringlicher Geruch stieg aus ihrem Haar empor und mischte sich mit dem Blütenduft im Zimmer. Fast wirkte die Szenerie so fremd wie in einem Traum, doch ihre Berührung war ausgesprochen real. "Darf ich denn Dein Geschenk sein, Constantius?" Die rehbraunen, großen Augen blickten zu ihm auf, schimmernd, unergründlich tief wirkend im flackernden Halbdunkel des Kerzenscheins.

    Während seine Stimme erklang, griff sie nach dem Wasserbecher und nahm einige Schlucke daraus, um zurückgelehnt und entspannt, wie es schien, seiner Geschichte zu lauschen. Der wache, interessierte Blick ihrer Augen blieb dabei auf ihm liegen, als gelte ihm ihre volle Aufmerksamkeit, während ihr Kopf die genannten Dinge registrierte, sie über seine Worte gleichsam nachsann. Ein Reisender, wie auch sie viel gereist war, eigentlich ein sehr amüsanter Zufall, dass gerade sie beide aufeinander getroffen waren. Dass sie sich ausgerechnet hier im Officium des Magistraten zu Ostia begegneten und nicht in Syria, was irgendwie deutlich wahrscheinlicher gewesen wäre, bedachte man seine Erzählung. Und so schmunzelte sie etwas, als er sie direkt ansprach, und meinte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen: "Nachdem Du schon Deine Geschichte für mich ausgebreitet hast, will ich Dir nicht die meine schuldig bleiben, wenngleich sie wahrscheinlich weit weniger spannend sein dürfte als die Deine. Aber ich habe festgestellt, dass unsere Erzählungen sich gleichen werden, zumindest, was das Reisen angeht." Mit leichter Hand stellte sie den Becher wieder vor sich ab und hob an, ihm seine Frage zu beantworten.


    "Ich wurde sehr früh verheiratet, an einen deutlich älteren Mann, dessen Karriere bei Militär ihn an viele verschiedene Standorte geführt hat - und ich begleitete ihn stets, von Legionslager zu Legionslager. Seine letzte Stationierung war in Syria als Praefectus Castrorum, und dort blieben wir so lange, bis er im Kampf fiel, danach kehrte ich zurück in die etwas zivilisierteren Gefilde des Reiches und reiste zwei Jahre mit meinem jüngsten Bruder, auch, um die Trauer ein wenig abzumildern. Wir kehrten hierher nach Rom zurück, weil es sein Wunsch war, sich hier für Volk und Staat einzusetzen, und ich werde ihm so lange seinen Haushalt führen, bis er eine Ehefrau gefunden hat, die das übernehmen kann - aber wie Du Dir sicher denken kannst, ist das auf die Dauer nicht besonders erfüllend. Mir liegt es nicht, den ganzen Tag zuhause zu sitzen und das Wetter zu bewundern sowie die Sklaven zu scheuchen, und so bin ich hier in Ostia gelandet, auf der Suche nach einer Herausforderung, die meinen Talenten entspricht." Es klang sicher ziemlich arrogant, aber letztendlich entsprach die Schilderung den Tatsachen. Sie konnte gut organisieren, das hatte sie in harter Schule lernen müssen, und für einen einzigen Mann den Haushalt zu führen und als matrona anständig zu leben, war schlichtweg öde.


    "Ich nehme stark an, irgendwann werde ich wieder heiraten, wenn mein Vater einen passenden Gemahl gefunden hat, aber bis dahin möchte ich etwas sinnvolles zu tun haben. Du glaubst nicht, wie langweilig das Geschwätz von Frauen sein kann, die sich nur über Schmuck, Kleider und Junggesellen unterhalten, da sind mir die Akten hier im Archiv deutlich lieber," meinte sie mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. "Und da der Kriegsdienst, in den sich fast meine komplette Verwandtschaft gestürzt hat, leider nicht für eine Frau in Frage kommt, kämpfe ich mit Bürgerbriefen, Schriftrollen und ab und an mit Wachstäfelchen. Es ist zumindest deutlich unblutiger." Mit einer Hand rückte sie die Palla, die das hochgesteckte Haar bedeckte, sanft zurecht und atmete dann leise ein.


    "Für unsere Zusammenarbeit möchte ich einige wichtige Dinge voranstellen ... wie Du sicher bereits gemerkt hast, schätze ich Offenheit als sehr wichtig ein, und diese erbitte ich von Dir zu jeder Zeit, ob es nun etwas betrifft, was Dich erfreut oder ärgert. Wenn Du das Gefühl hast, dass eine Sache wichtig ist, dann sage es mir, denn ich denke, Du hast gelernt, einer gewissen Intuition zu vertrauen, zumindest sollte sie bei jemandem vorhanden sein, der mit Menschen umgeht." Eine kurze Pause trat ein, dann fügte sie noch an: "Solltest Du irgendwelche Fragen haben, zögere nicht, sie zu äussern ... ich will gerne versuchen, sie angemessen zu beantworten."

    "Dann komm mit mir," sagte sie schlicht und lächelte einfach, die Hand zu ihm ausstreckend, als wollte sie ihn führen. Letztendlich war sie sich nicht sicher, wie weit seine Erfahrungen mit Frauen reichten, aber selbst wenn er schon einmal das Lager mit einer Frau geteilt hatte, konnte ihm ein bisschen mehr Erfahrung nie schaden. Hoffentlich nur würde er ihr deswegen nicht zürnen, diese Art Thema war zwischen den Geschwistern nie gebräuchlich gewesen und so würde es wohl auch immer bleiben, wie sie vermutete. Sie wollte ihm auch in sein Leben nicht hineinpfuschen oder ihm Themen aufdrängen, die ihm unangenehm waren - dafür mochte sie ihn viel zu sehr. Sie führte Constantius in Richtung des vorbereiteten Raums, und blieb vor de Tür stehen.


    "Hier, in diesem Raum, befindet sich Dein Geschenk ... ein Geschenk für eine Nacht. Was Du tust, wird diesen Raum nicht verlassen, ich werde heute abend nicht zuhause sein ..." sie atmete leise ein und hob den Blick zu Constantius. "Und .. ich wünsche Dir viel Spaß, mein Bruder, sehr sehr viel Spaß. Versuch es so anzunehmen, wie es gegeben wird, versprich mir das ..." Damit öffnete sie langsam die Türe, und schon vom Eingang her war der flackernde Kerzenschein zu sehen, der das Bett umrahmte, welches mit Leichtigkeit für zwei Personen ausreichen würde. Eine Schale Duftwasser befand sich in einer Ecke des Raums, in einer anderen ein Tisch, auf dem er eine Amphore Wein sowie zwei Becher, aber auch einige kleine Fläschchen ausmachen konnte, die fest verkorkt waren. Ein liebliches Aroma nach Rosenblüten lag in der Luft, auf dem Bett selbst befanden sich weiche, fließende Stoffe, die eine Decke ersetzen sollten. Und dann trat die junge, schlanke Frau aus dem Halbdunkel des Raums hervor, die das eigentliche Geschenk darstellte, eine berückend schöne Frau mit schlankem, bronzefarbenem Leib und einem hinreißenden Lächeln auf den vollen Lippen. "Salve," sagte sie sanft, die Melodie der Stimme ein weicher Klang. "Du musst derjenige sein, auf den ich gewartet habe." Leise schloss sich die Tür und die Iulierin lehnte sich von aussen dagegen. Wenigstens schrie er nicht. Ob sie den Riegel vorlegen sollte?

    Er war zumindest direkt, damit konnte sie besser umgehen als mit Einflüsterungen und Intrigenspinnerei hinter ihrem Rücken - und seine Direktheit ließ sie kurz auflachen, dann stand ein belustigtes, aber auch sehr waches Schimmern in den blauen Augen der Iulierin. "Nein, abschütteln möchte ich Dich nicht, denn wollte ich Dich nicht einstellen, könnte ich Dir das einfach sagen und damit wäre die Sache erledigt. Aber ich möchte nicht, dass Du diese Position mit falschen Vorstellungen beginnst und dann vielleicht enttäuscht bist. Scriba ist keine schlechte Arbeit, aber es ist eben Arbeit, und wer sich das nicht bewusst macht, wird nicht viel Freude daran haben."


    Wieder ließ sie ihren Blick über sein Gesicht, dann die Gestalt schweifen. Wirklich, er sah gut aus und sie vermutete jetzt schon, dass die Bürgerinnen Ostias an ihm ihre Freude haben würden, waren doch die anderen Schreiber der Stadt meist älteren Jahrgangs und ganz sicher nicht mehr an einem Flirt interessiert. Irgeneinen Vorteil musste dieser Posten in der Vorstadt Roms ja haben, dachte sie mit einem innerlichen Schmunzeln, und wenn es nur ein gutaussehender Scriba im Vorzimmer war. "Ansonsten wirst Du wohl derjenige sein, der mit mir gemeinsam die Arbeit in dieser Stadt überwachen und eigene Ideen mit einbringen wird. Ich habe mir einige Gedanken über die nähere Zukunft Ostias gemacht und zu zweit ist ein Austausch immer gewinnbringender, als wenn man eine leere Wand anstarrt und sich selbst antworten müsste." Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte ihn direkt an, ein Lächeln auf den Lippen. "Aber erzähle mir ein wenig von Dir, Caecilius Catilius. Ich würde gern wissen, mit wem ich zusammen arbeiten werde."

    Crassus' Großcousin also, das erklärte den Mangel an ähnlichem Aussehen, aber sein Selbstbewusstsein schien ziemlich caecilisch angelegt zu sein, dessen war sie sich schon nach den ersten Worten ihres Besuchers ziemlich sicher. Aber wer nicht auf sich selbst vertraute, kam selten in den Genuss des Erfolgs, das war ihr nur zu bewusst. Langsam erhob sie sich, während er sprach, und trat an den kleinen Beistelltisch, um in ruhigen Bewegungen, mit fast wüdevoller Anmut zwei Becher mit Wasser einzuschenken, bevor sie an den Schreibtisch zurückkehrte und ihm einen dieser beiden Becher reichte.


    "Es ehrt Dich, dass Du Dir deinen Weg selbst suchst, anstatt Dich auf den Namen anderer zu verlassen," sagte sie schlicht, während sie sich wieder auf ihrem Stuhl hinter dem Schreibtisch niedersetzte und die Stola mit einer Hand glättete, damit vom Sitzen keine Falten im Stoff zurückblieben. "Du wirst hier sicher hören können, dass auch ich als Scriba hier in Ostia angefangen habe, und mir deswegen Dein Wunsch, von Beginn an zu lernen, nicht fremd ist. Dein Großcousin hat eine bemerkenswerte Karriere verfolgt, und ich sehe kaum einen Grund, wieso es Dir nicht ebenso gelingen sollte wie ihm - letztlich lacht das Glück dem Tüchtigen, der seine Stärken und Schwächen kennt, zumindest meistens." Dass es auch einige gab, die mit Bestechung und Intrigen nach oben rutschten, musste man wohl akzeptieren, solange es kein Regelfall wurde.


    "Allerdings muss ich Dir, was Ostia angeht, auch reinen Wein einschenken. Es ist nicht nur viel ruhiger als Rom, es ist eigentlich fast, als sei man nicht wenige Stunden von der ewigen Stadt entfernt, sondern einige Jahrhunderte. Ich habe diesen Posten in einer sehr friedlichen Stunde angetreten und bisher gab es keine Beschwerden, keine Bürgerwünsche, nichts - die anstehenden Planungen für Ostia sind ebenso nicht allzu umfangreich, Du würdest also vorerst eher mit Archivarbeit zu tun haben denn mit wirklichen Bürgerbegehren. Ich bin der Ansicht, dass die Archive der Stadt einer Überprüfung bedürfen - Du würdest das Handwerk eines Scriba wirklich ausgesprochen gründlich lernen, mit Staub und Aktenplackerei eingeschlossen." Ob ihn das abschrecken würde? Sie hoffte nicht, schien er doch ein durchaus interessanter Charakter zu sein - ein Mann mit dem Wunsch, die Grundstruktur zu lernen, bevor er sich der Kür zuwandte, konnte der Stadt sicherlich mehr nützen als schaden.

    "Du musst doch nicht selbst Deine Stiefel putzen, lass das doch die Sklaven erledigen," meinte sie mit einem leichten Kopfschütteln und blickte ihn prüfend an. Zumindest wirkte er nicht so müde wie sonst, wenn er spät in der Nacht von der Kaserne heimgekehrt war und versuchte, so leise wie möglich zu sein, damit sie seine Heimkehr und seinen desolaten Zustand nicht bemerken würde. Aber gerade solche heimliche Aktionen forderten ihre Neugierde nur noch mehr heraus, sodass sie inzwischen recht geübt war, ihn trotz allem im Auge zu behalten.
    "Aber ich bin nicht wegen der Sklaven hier, sondern wegen etwas anderem. Vater wäre sicherlich stolz auf Dich, wie Du in den letzten Wochen Deinen Weg gemacht hast, und ich weiss sehr wohl, wie anstrengend die Grundausbildung gewesen sein muss. Da Du nun die Grundausbildung abgeschlossen hast und in den vergangenen Tagen und Wochen die Strapazen ertragen hast, ohne zu murren oder zu klagen, was Vater sicher sehr geschätzt hätte, habe ich beschlossen, Dir ein kleines Geschenk vorzubereiten, das Dich zum einen entspannen soll, zum anderen auch ... eine Türe öffnen, die für einen Mann wichtig ist. Normalerweise wäre das die Aufgabe unseres Vaters oder eines Bruders gewesen, Constantius, aber es ist niemand hier ausser mir, der sich um Dein Wohl sorgen könnte, also ... habe ich das übernommen."


    Sie atmete leise ein, fiel es ihr doch nicht ganz leicht, diese so ungewohnte Rolle zu übernehmen. "Ich möchte, dass Du mich nun begleitest und Dir Dein Geschenk ansiehst... es wurde vorhin ins Haus gebracht und ich hoffe sehr, dass es Deinem Geschmack entspricht, denn es war nicht ganz leicht, etwas passendes zu finden." Was sagte man schon in einem solchen, bedeutenden Augenblick? Sie kam sich ziemlich dumm vor, denn kein Wort würde dem gerecht werden, was ihm für heute Nacht bevorstand.

    Ihre Wange prickelte, und die Berührung seiner Finger hinterließ eine Spur, die sich anfühlte, als hätte er ein Feuer auf ihrer Haut hinterlassen, welches getreulich den Weg der Finger nachzeichnete. Alles in ihr schrie nach einer Berührung seiner Lippen, dass er so nah kam, zum greifen nahe, versetzte nicht nur ihren Körper in einen kribbelnden Ausnahmezustand, auch der Verstand schien für die kurzen Momente eines möglichen Kusses entschieden zu haben, den Instinkten den Vortritt zu lassen - Instinkte, die, hätten sie es können, am liebsten den Schopf des Iberers gepackt hätten, um ihn näher zu sich heranzuziehen. Aber der Moment verflog, er löste die Finger von ihrer Haut, sein Gesicht entfernte sich und schon gab es eine neue Mauer zwischen ihnen, den ungeliebten Schreibtisch mitsamt der darauf wartenden Arbeit. Kein Kuss, kein Lufthauch, nicht einmal die Andeutung einer Berührung ... ihn hinter diesem Schreibtisch sitzen zu sehen, der eigene Körper schmerzend vor einem unerfüllten, aber umso heisser brennenden Verlangen, das sie sich nicht erklären konnte, aber auch nicht mehr erklären wollte, ließ sie sachte zittern. Jetzt aufstehen, den Schreibtisch umrunden, und ... ja, was, und? Sie wusste nicht einmal das, schloss eilig die Augen und atmete tief ein. Anstatt eines Gesprächs über ihren beunruhigenden Traum wären sie fast ...


    "Ich glaube, ich weiss gerade gar nicht, was ich noch möchte und was nicht," sagte sie leise und bemühte sich, ihn dabei nicht anzublicken, um sich wieder etwas Luft zu verschaffen. "Ich bin mir in so vielem nicht sicher, zu viele Möglichkeiten, zu viele ... Richtungen, verstehst Du?" Sie schluckte etwas und verhakte die Finger ineinander. "In Ostia gibt es einiges zu erledigen und das möchte ich in jedem Fall beendet wissen, bevor ich mich auf etwas Neues stürze ... diese Pflicht habe ich noch zu erfüllen, und vielleicht weiss ich es dann endlich besser ... wohin ich gehen soll und was ich will. Es ist einfach alles so ... durcheinander." Dass er es ist, der einen nicht geringen Anteil an ihrer derzeitigen Verwirrung hatte, musste er ja nicht unbedingt sofort wissen, aber sie war sich ohnehin fast sicher, dass er das selbst sehr genau wusste. "Es ... es tut mir leid, dass ich Dich wegen einem Traum von Deinen Pflichten abgehalten habe .. und ... ich möchte Dich nicht weiter ... stören."

    "Salve, Caecilius Catilius," erwiederte sie freundlich und betrachtete ihre Besucher interessiert. Nun, allzu sehr sah er Crassus nicht ähnlich, aber wahrscheinlich waren sie auch nicht allzu nahe verwandt. Dennoch hatte er die aufrechte, ruhige Haltung des Reichspräfekten und schien auch sonst von stattlicher Gestalt, in einem Vorzimmer hier in Ostia sicherlich kein Nachteil, ließen sich doch die meisten Menschen von einem attraktiven Äusseren gern und schnell blenden. "Setz Dich ruhig zu mir ... kann ich Dir etwas zu trinken anbieten? Allerdings ist die Auswahl bescheiden, es gibt Wasser, Wasser und ... Wasser." Sie lächelte ihn vergnügt an, denn für ihren Geschmack tranken die meisten Amtsträger ohnehin schon genug tagsüber, da musste es nicht auch noch in ihrem officium Wein geben.


    Sie legte die Schriftrolle, die sie soeben studiert hatte, ordentlich beiseite und rollte sie zusammen, bevor der Blick, aber auch ihr Lächeln nun gänzlich dem Besucher galten.
    "Am besten, wir beginnen damit, dass Du mir erzählst, warum Du gerade Scriba werden möchtest - einem Verwandten des Reichspräfekten dürften doch alle möglichen Türen offenstehen, gerade in Rom. Da ist Ostia nur ein sehr geringer Ersatz." Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, war es diese Frage, die sie sich selbst schon oft genug gestellt hatte - wieso gerade Ostia - und sie hatte oft genug keine Antwort gewusst, immerhin geschah hier nicht allzu viel, das Leben war recht geruhsam. Gerade von einem Caecilier hätte sie eher erwartet, sich an einen Ort zu begeben, an dem die Möglichkeiten, sich zu profilieren, größer waren als gerade in Ostia.

    Ein Caecilier? Irgendwie schienen diese in der letzten Zeit in ihrem Leben aus dem Boden zu schießen wie die Pilze im Wald, aber gut ... die Magistrata blickte von einigen der Schriftrollen auf, die sie gerade durchgelesen hatte, und nickte dem Scriba zu. "Dann führe ihn bitte herein, ich werde ihn empfangen," sagte sie freundlich und gedachte dem Scriba ein leichtes Lächeln zu, wie sie es bei ihren vorherigen Kollegen und jetztigen Untergebenen immer tat. Gerade dieser ältere Mann hatte ihr gezeigt, wo die einzelnen Zimmer lagen und wer für was zuständig war in der Curia, und solche Dinge merkte sie sich stets, im Guten wie im Schlechten. Sie blickte erwartungsvoll zur Türe und war gespannt darauf, welcher Spross der gens Caecilia sie hier nun aufsuchte.

    Die Hausherrin hatte die junge Lupa durch das Haus geführt, sehr gut darauf achtend, dass ihr Bruder sie so noch nicht zu Gesicht bekommen würde - sie hatte ihm nur gesagt, dass ein wichtiger Gast das Haus aufsuchen würde und er sich dafür entsprechend kleiden möge. Immerhin sollte dem 'Unbekannten' keine Schande gemacht werden und sie hatte in der letzten Zeit immer wieder Besucher ins Haus gebracht, um für Constantius ein wenig hausieren zu gehen. Je mehr Leute er kennenlernte, desto besser - aber dieses Mal war alles anders. Mit einem Lächeln bedeutete sie der Lupa den hergerichteten Raum und wandte sich wieder dem Haus zu, diesmal aber, um ihren Bruder zu finden und ihn von seinem Gast zu unterrichten. Die Suche beginnend, trat sie an das Cubiculum Constantius' und klopfte langsam an die Türe.
    "Constantius? Ich bräuchte eben Deine Hilfe, hast Du einen Augenblick Zeit für mich?"

    "Frage bloß keinen Iulier, ob Du ein Schwert heben solltest, Valerius Decius, denn ein jeder unserer gens, ob nun Bruder, Onkel oder Cousin, wird Dir dasselbe antworten - welche Ehre es ist, auf dem Schlachtfeld das Leben zu lassen und dass man Volk und Stadt Roms verteidigen muss, um das Andenken unserer Ahnen hochzuhalten. Die Iulierinnen solltest du fragen, denn wir sind es, die wir unsere Männer, Brüder und Verwandten entweder pflegen, waschen oder zu Grabe tragen müssen," meinte sie und lachte leise. "Es ist sicher kein schlechter Weg, aber wenn Deine Talente in andere Richtungen gehen, solltest Du die Finger vom gladius lassen. Es gibt genügend junge Recken, die nur zu begierig darauf sind, sich zu beweisen und der Welt zu offenbaren, was sie für treue Soldaten und gute Kämpfer sind. Aber man kann auch auf andere Weise dem Ansehen Roms dienen, und wenn die deine Waffe das gesprochene Wort ist, dann solltest Du sie schärfen und nutzen, wie ein anderer mit dem gladius spricht."


    Sie hatten das Speisezimmer erreicht, in dem einige Klinen standen und bei jenen Tische aufgebaut waren, auf denen ein recht rustikale Mahlzeit zu erblicken war. Frisches Weissbrot fand sich dort ebenso wie Obst in Schalen, dazu kaltes Fleisch, Käse und Schinken - eine Mahlzeit, von der man sehr gut satt werden konnte und die den Gaumen vielleicht nicht ganz so kitzelte wie gefüllte Wachteleier, die aber dennoch ein gewisses Essvergnügen versprach. Wie es die Sitte wollte, bot die Hausherrin den beiden Männern die Klinen und setzte sich selbst auf das kleine Bänkchen am Fußende von Constantius' Kline - sie hielt wenig davon, sich wie so manche prunksüchtige Patrizierin ebenso auf der Kline zu wälzen und hielt es eher mit der Tradition zu sitzen. Ausserdem gab es eindeutig weniger Flecken auf die Stola, wenn man aufrecht sitzend aß.
    "Ich hoffe, Du kannst Dich mit einer solchen Mahlzeit anfreunden, Valerius Decius, denn wir schätzen ein einfaches Essen mit frischen Gütern ebensosehr wie eine komplizierte Spezerei - allerdings wird man von ersterem eher satt, vor allem, wenn man schwer körperlich arbeitet wie ein angehender miles." Sie warf ihrem Bruder einen unverkennbar stolzen Blick dabei zu.

    Sie seufzte etwas, als sich der Redner abwandte - vielleicht war die Rede nicht so verlaufen, wie er sich das erhofft hatte, aber mit einem wütenden Fackelzug zum Kaiser würde die Angelegenheit nicht zu lösen sein - vor allem, da die Iuristen ihrer Ansicht nach Recht hatten. Sie kannte sich zwar nicht hundertprozentig im römischen Recht aus, aber es konnte letztendlich nur verurteilt werden, was angeklagt worden war - wenn der Fehler in der Anklage selbst lag, dann konnten die Richter schlecht dagegen angehen und das Urteil auf einen ganz anderen Punkt ausrichten. So wenig es ihr schmeckte, aber letztendlich war es so ... die Stirn runzelnd blieb sie einige Momente lang stehen und dachte nach.


    Der Senator befand sich nicht in Rom, und so würde eine Klage vorerst wieder im Leeren verpuffen - also blieb noch der Volkstribun. Der hatte ihn zwar als Anwalt verteidigt, aber als Volkstribun würde er auch einem Volksbegehren nachgehen müssen ... nein, diese Sache würde anders angegangen werden müssen als mit einer Rede auf der rostra allein. Von der Anklage hing es ab, wie das Urteil ausfallen konnte und würde. Sie würde mit Manius Tiberius Durus sprechen müssen und auch mit dem Volkstribunen ... die Lippen sinnierend vorgewölbt, ließ sie die Worte der anderen vorerst über sich hinweg rollen, tief in die eigenen Gedanken zurückgezogen.