Beiträge von Iulia Helena

    "Ich weiss es nicht," flüsterte sie leise, wie erschlagen von der Tatsache, dass die Karten nun unwiederbringlich auf dem Tisch liegen. Hatte er wirklich nachgegeben? Oder war er nur dem stillen Ruf in seinem Inneren gefolgt, der sie zum argumentieren gebracht hatte? Still blickte sie ihn an und eine ganze Weile verstrich in einer stummen Betrachtung ihres stattlichen Gegenübers. Er schien so viele Seiten auf einmal zu haben, dass es kaum fassbar war, dass er ein einzelner Mensch sein sollte. "Denkst Du, ich mache so etwas dauernd?" murmelte sie leise und legte die Hände ineinander, die Finger, nun wieder von plötzlicher Nervosität befallen, ineinander hakend. Ja, was sollte denn jetzt kommen? Sie hatte sich das Recht erstritten, ihren kleinen, dummen Traum zu behalten und er wusste davon - was daraus werden würde, ob etwas daraus werden würde, wusste sie nicht einmal selbst. Er war sicher nicht der erste Mann, den sie in ihrem Leben reizvoll gefunden hätte, doch während ihrer Ehe war mehr als Gedanken nie im Bereich des Möglichen gelegen. Nicht zuletzt, weil es ihrem Mann stets gelungen war, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.


    "Vielleicht ähm ... sollten wir einander ein bisschen besser kennenlernen? Wie Freunde? Vorsichtig? Langsam?" Sie legte den Kopf etwas schief und betrachtete ihn sinnierend, jedoch mit einem kaum fassbaren, nervösen Prickeln im Magen. Es schien so seltsam, über die schiere Möglichkeit so nüchtern nachzudenken und gleichzeitig zu wissen, dass im entscheidenden Augenblick alle Worte ohnehin gleichgültig und unwichtig sein würden. Vor allem, weil es alle anderen nicht würden wissen dürfen, kein Wort gesprochen werden dürfte ... es schien, als stünde ihre Welt mit einem Mal Kopf - sie rang kurz die Hände und meinte leise: "Ovid vermag so viele wichtige Dinge zu schreiben, aber darüber hat er keine Zeile verloren ... und lässt einen hilflos zurück."

    "Dann hoffe ich, dass Du nach Ostia umziehst, wenn Du eines Tages dieser Arbeit hier überdrüssig geworden bist ... Vorschläge von Dir würde ich mir immer gern anhören," gab sie lächelnd zurück und zwinkerte ihm sanft zu. "Hier, die zehn Sesterzen sind die Deinen. Nachdem der letzte Brief so sicher angekommen ist, vertraue ich Deiner Kunst vollkommen. Meine Verwandten werden sich sicher freuen, dass das Postwesen hier im Land ein so gutes ist." Sie suchte die zehn Münzen aus ihrem Beutel heraus und reichte sie ihm mit einer sanften, eleganten Geste, nicht ohne eine weitere Berührung seiner Hand mit ihren Fingerkuppen zu provozieren - und ja, dieser kleine Flirt an einem sonnigen Tag machte ihr einfach Vergnügen. Er schenkte beiden ein Lächeln, was wollte man sich schon mehr wünschen?


    Sim-Off:

    hab überwiesen :)

    Während er sprach, beobachtete sie ihn still dabei, seine Mimik, sein Gestik - und sie war sich fast sicher, warum er all diese Dinge sagte, wieso er so offen und fast harsch sprach, wieso er sich in den dunkelsten Farben ausmalte - nur, um beider Ruf zu schützen. Sie von etwas abzuhalten, das sie wohl beide genießen würden, und gleichzeitig seine Ehe nicht zu brechen. Sie hätte ihn gleichzeitig umarmen und schlagen mögen, aber weder das eine noch das andere standen in irgendeiner Form zur Disposition.


    "Denkst Du, ich habe nicht gesehen, dass ihr euch geprügelt habt? Das hat jeder im Raum gesehen, aber es hat keiner ausgesprochen .. mehr ist das nicht. Ich bin nicht umsonst mit vier Brüdern aufgewachsen und irgendwie scheinen sich Männer immer gern zu prügeln, egal wie alt. Sei es nun mit Fäusten oder mit Worten. Letztendlich waren alle im Raum nur zu höflich, euch beide darauf anzusprechen, aber ich denke, durchschaut hat es jeder. Was alles andere anbelangt ... hatte ich auf dieser Quadriga nicht das Gefühl, hinter einem Mann mit einer Maske vor dem Gesicht zu stehen. Und das ist für mich entscheidender als alles andere. Selbst jetzt benimmst Du Dich noch anständiger als es die meisten anderen tun würden, deren Blutlinie sich länger verfolgen lässt und deren Ahnen sicherlich ehrwürdiger waren ..." Langsam griff sie wieder nach ihrem Becher und nahm einen Schluck daraus, diesmal allerdings merkte sie, dass es sich um Wasser handelte und stellte ihn angewiedert zur Seite. Reiner Schnaps hätte jetzt irgendwie besser gepasst.


    "Un wat meinste, dat man hier inne Stadt labert, wennde auffe Straßen unterwegs bist? Dat se da alle Hochlatein schwafeln?" gab sie schließlich in perfektem Subura-Gossenlatein preis und blickte ihn mit einem verschmitzten Grinsen an. "Ich bin in Rom aufgewachsen und nicht alles, was hier prunkvoll glänzt und prunkt, ist auch wirklich aus Gold. Die meisten Goldstatuen sind aus Holz, der Goldanteil darauf ist verschwindend gering ... meinst Du wirklich, Du könntest mich erschrecken? Ich habe zehn Sommer unter Soldaten gelebt, mit einem Soldaten Bett und Tisch geteilt, der oft genug verletzt und stinkend nach Hause kam. Rom wird nicht von den Männern gemacht, die nicht wissen, was Arbeit bedeutet. Zu den Lupae gehen sie alle, und trinken ... nun ja, es scheint eine römische Tugend zu sein, den Wein und die Feinde zu vernichten, wo sie nur stehen." Sie hob das Kinn etwas an und blickte ihm entgegen, diesmal ein hintergründiges, ausgesprochen lebendiges Funkeln in den Augen. Und sie war ausgesprochen gespannt auf seine Reaktion ...

    Dieser Abend schien wirklich zu halten, was sie sich davon versprochen hatte, eine würdige Übung für ihren Bruder in Geduld, Diplomatie und vor allem Höflichkeit - war er es doch nicht gewöhnt, mit jemandem umgehen zu müssen, der so viel sprach wie ihr derzeitiger Besucher. Nicht, dass sie es als schlecht empfunden hätte, jemanden zu besuch zu haben, der mit Leichtigkeit zwei Drittel des Unterhaltungspotentials allein bestritt, enthob es sie doch der Verpflichtung, beständig neue Themen aufbringen zu müssen, dass sich niemand langweilte. Hier musste sie nur den hin und her flatternden Gedanken zu folgen wissen und ab und an einige kleine Vögelchen selbst beisteuern, damit der Vogelschwarm nicht zur Ruhe kam - entspannend. Ihr waren sprechende Gäste eindeutig lieber als schweigsame.


    "Ist es nicht das Wichtigste, dass man eigene Talente zu erkennen lernt und diese dann einsetzt? Es hat doch recht wenig Sinn, wenn man sich Zeit seines Lebens mit dem gladius abplagt, wenn man das Talent eines Malers hat, oder sich an der Rede versucht, wenn man doch eher mit Zahlen und Rechnungen umzugehen versteht. Nur dann erreicht man die Meisterschaft, wenn man Talent und Fleiß zu verbinden weiss, nur Talent oder nur Fleiß führen einen niemals so weit," bemerkte sie lächelnd zum neuen Gedankenflug der beiden Männer, während sie Constantius langsam in Richtung des Trilinciums manövrierte, wohl wissend, dass der Gast mit beiden mitkommen würde. Dort würden die Sklaven das Mahl aufbauen, und sie war sich sicher, dass auch über Wein und Früchten das Gespräch nicht untergehen würde. Wohin die Gedanken an diesem Abend noch fliegen würden? Aber es schien ihr doch, als könnte es für diese keinerlei Grenzen mehr geben, hatte man sie einmal beschworen, sich weit fort tragen zu lassen.

    Die Finger Victors fühlten sich brennend heiss an, und gleichzeitig wünschte sie sich für diesen Moment nichts anderes, als seine Hand auf der ihren für die nächsten Stunden weiterhin behalten zu dürfen. Es fühlte sich gut an, eigentümlich gut, und auch wenn sie genau wusste, dass das Gesetz solcherlei verbot, dass ihr Wunsch alleine schon nahe an etwas heran kam, was ihr und ihm verboten sein würde, so konnte sie doch nicht aufhören, daran zu denken. Warum gerade er? Hätte es nicht jemand sein können, den sie hätte heiraten können, mit dem sie vielleicht irgendwann gemeinsam gelebt hätte? Aber er war verheiratet, er hatte Kinder - da verließ man seine Gemahlin nicht, auch wenn sie fern von Rom lebte. Warum er? begehrte eine leise Stimme in ihr auf, als sich seine Finger langsam von den ihren entfernten, aber eine andere Stimme sprach: Du kannst es nicht ändern, akzeptiere, wie es ist. So wie sie vieles akzeptiert hatte, akzeptieren musste - Titus' Tod, der Tod beider Söhne, der Tod ihrer Brüder ... ihr Blick glitt zu seiner Hand herunter, sie betrachtete die Finger, die verrieten, dass er zupacken konnte, aber dennoch nicht zu grob wirkten, Finger, die für Zärtlichkeiten und für den rechten Griff zur richtigen Zeit geschaffen schienen.


    "Vielleicht wird er mich unglücklich machen, Valerius Victor, vielleicht auch nicht. Verstehst Du, ich möchte diesen Wunsch nicht sterben lassen, auch wenn er sich vielleicht nie erfüllt. Ihn zu zerstören hieße, alles zu zerstören, was ich als schön empfand, meinen Blick beständig von Dir abzuwenden, Dir in allem fern zu bleiben, und das würde bedeuten, einen Menschen zu verlieren, den ich ... mag. Einen Menschen mit Gewalt aus meinem Leben zu drängen, mit dem ich mich gern unterhalte und mit dem ich gerne lache. Meinst Du nicht, dass es mich noch viel unglücklicher machen würde, einen Menschen allein wegen einer bestehenden Möglichkeit von mir fortzustoßen? Dann dürfte ich irgendwann keinen Mann mehr ansehen, denn er könnte mir ja gefallen, und ich könnte mir wünschen, ihm näher zu kommen als ich darf ... und irgendwann ist mein Leben vorbei und ich habe gelebt, ohne zu leben..." Sie schüttelte langsam den Kopf. "Ich bereue nicht meine Ehe, ich bereue nichts in meiner Vergangenheit. Aber irgendwann ist doch ein Moment gekommen, an dem man sich nicht mehr alles verbieten will ... nicht die Träume. Vielleicht ist verboten, zu tun, woran ich denke, aber ...das denken daran ... kann das verboten sein? Darf es verboten sein?"


    Sie lächelte sinnierend, doch auch mit einem Anflug Melancholie, ihn wieder betrachtend. Wahrscheinlich hätte er gelacht, hätte sie es ihm gesagt, doch in diesem Moment, im gezwungenen Rückzug, wirkte er auf sie edler und römischer als die meisten anderen Männer, die sie jemals kennengelernt hatte. "Venus ist eine launische Herrin, und derzeitig gibt es nicht einmal eine Priesterin in Rom, die Ihre Lehren weitergeben könnte, wenn ich mich nicht irre ..." meinte sie leise. "Ich fürchte mich davor ... diesen Weg zu beginnen und alleine zu sein. Ich glaubte, in Ostia eine Aufgabe gefunden zu haben .."

    Seine Worte schmerzten tief in ihr, aber dennoch konnten sie ihr Lächeln nicht zum ersterben bringen, dieses verlegene, gleichzeitig nervöse Lächeln, das so viel mehr sagte als jedes Wort imstande war zu sprechen. Dass sie ihn dabei ansah, machte es nicht leichter, denn sein gebräuntes Gesicht verriet den ebenso tiefen Zwiespalt, den sie fühlte, dieselbe Zurückhaltung, Selbstbeschränkung, die sie sich selbst versuchte aufzuerlegen. Hätte sie nicht ohnehin schon eine sehr deutliche Schwäche ihm gegenüber gehabt, in diesem Moment wäre ihm ihre Zuneigung ungleich mehr zugeflogen - nicht nur wegen des Ausdrucks in seinem Gesicht, auch wegen der bedingungslosen Ehrlichkeit, die er offenbart hatte. Er war also doch verheiratet, damit starb der letzte kleine Fetzen Hoffnung, an den sie sich bis zu diesem Augenblick hatte klammern können - sogar Kinder. Wahrscheinlich liebte er seine Frau sogar, wie hätte sie es ihm denn auch verdenken können. Ein jäher Neid auf diese Frau brandete in ihrem Inneren empor, ließ sie für kurze Momente die Augen schließen, um das Brennen darin zu unterdrücken. Sie hätte in diesem Moment weinen können, einfach nur darum weinen, dass die Dinge so waren, wie sie sich darstellten. Aber es nutzte nichts, keine Träne hätte etwas verändert - also verharrte sie schweigend und versuchte, ruhig zu atmen, bis dieser Reiz abgeflaut war und sie nicht mehr fürchten musste, dass ihre Augen verräterisch glänzen würden, wenn sie ihn ansah.


    "Du bist sehr ehrlich," sagte sie leise und wölbte die Lippen etwas vor, während sie über die nächsten Worte nachdachte. "Und ich kann Dir nur dafür danken, dass Du offen aussprichst, was Dich bindet, ein anderer, wohl schlechterer Mann hätte mich im Ungewissen gelassen und sein Vergnügen gehabt, wenn ihm danach wäre ... aber ..." Damit hob sie den Blick wieder zu ihm, blickte auf seine Finger, die den Becher bewegten, auf seine Lippen, auf denen die Feuchtigkeit des eben getrunkenen Weins noch zu erahnen war, auf seine Augen ... diese ernsten Augen. "... aber es wird nicht verändern, was ich empfinde, was ich mir wünsche. Diesen Gedanken möchte ich mir bewahren, verstehst Du? Auch wenn er ... nicht statthaft ist, auch wenn Du mir wohl nie gehören wirst, wie ich es träumte ... ich möchte diesen Wunsch nicht sterben lassen." Es klang seltsam bestimmt, und sie holte leise Luft, bevor sie den Satz weiterführte. "Ich war sehr jung, als ich verheiratet wurde, ich war eine treue Ehefrau, und neben meinem Mann habe ich zwei Söhne begraben. Ich habe sehr lange um sie getrauert, und war damit zufrieden, mir nichts mehr zu wünschen, mich zu fühlen, als sei alles schon vorüber, als sei ich mit meinem Gemahl gestorben." Diesmal war sie es, die einen Schluck Wein aus ihrem Becher nahm und nicht einmal bemerkte, dass es Wasser war - irgendwie gingen ihre Geschmacksnerven davon aus, Wein zu trinken.


    "Als ich hinter Dir auf diesem Wagen stand, habe ich mich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder gefühlt, als würde ich leben," fügte sie leiser an und diesmal gelang es ihr nicht ganz, das Bedürfnis nach Tränen zu unterdrücken. "Du musst Dir nichts vorwerfen, ich bitte Dich. Es war mein Arm, der sich um Dich legte, nicht Deiner um mich, und ... bitte denke nicht schlecht von mir, weil ich für einen Moment gewagt habe zu träumen. Es ist ein wundervoller Traum und ich bin froh darum, dass Du es warst, der ihn weckte ..." Den Blick abwendend, starrte sie an die Wand, der Marsstatue entgegen, die so still und stumm dreinblickte, als sei sie nicht von dieser Welt. "Ich hatte mir vor einer Weile wirklich überlegt, in den Kult der Venus einzutreten, aber ... ich habe es nicht gewagt. Ich habe mich nicht bereit gefühlt ... denn wer tot ist ... kann nicht dieser lebensspendenden, lebensfrohen Göttin dienen. Tot war ..."

    Seine Worte ließen sie ein wenig aufhorchen - das klang nach Dingen, die ihn geärgert haben schienen, und solcherlei war natürlich bedeutend interessanter als das ganze vorherige Geplänkel. "Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, einen Offizier zu entlassen, der sich nicht auf seiner Position richtig verhalten hat - bei der Legio geht sowas wenn ich mich recht entsinne, recht schnell. Ist das bei den Vigiles anders?" Sie klang etwas erstaunt, irgendwie war es doch auch schwer vorzustellen, dass Fehlverhalten, das zu einer unehrenhaften Entlassung führen sollte, so schwer dann auch zu nutzen sein würde. Sonst machte das doch alles auch gar keinen Sinn .. sie blinzelte etwas, den Blick auf sein Profil gehalten, während die Gedanken etwas umher huschten. Ja, eindeutig, er hatte heftig geklungen, sie vermutete fast, dass er vor einer solchen Entscheidung gestanden war und sie nicht hatte so treffen können, wie er das gewollt hatte. Dass es selbst für einen Crassus anscheinend Grenzen gab, war gleichermaßen amüsant wie auch interessant ...


    "Ah, nun redest Du Dich aber heraus! Du kommst mir mit Ovid, wenn u Deine eigene Meinung sagen sollst, machst Du das vor Deinen Männern auch?" neckte sie ihn schmunzelnd, denn dieser Wunsch nach einer gepflegten und sauber riechenden Frau ließ sich auch im Werk des Schriftstellers, der ars amatoria, fast mit ähnlichen Worten nachlesen. "Ein jeder Mann hat doch seine Traumfrau, diesen über allem stehenden Wunsch nach einer fast perfekten Gefährtin, und den willst Du jetzt für Dich behalten? Das ist nicht gerecht, jetzt bin ich gerade neugierig geworden." Während Helena noch überlegte, wie sie ihm dieses Geständnis entlocken konnte, blickte ihre Dienerin in eine andere Richtung des Parks, wo sich ein seltsamer Gesang erhoben hatte- einige halbstarke Männer, die einen neuen Gassenhauer brüll-sangen. "Der Tiber so blau, so blau ..."

    Dieser Tabellarius war wirklich fast zu süss, um wahr zu sein - wie alt er wohl sein mochte? Diese Verlegenheit wirkte noch fast ein wenig jungenhaft, aber er wirkte doch eher wie ein stattlicher Mann auf sie, sodass sie ihm nun mit einem offeneren Lächeln begegnete. "Und einen Vorteil hat Dein Officium noch - es wird Dir nie langweilig hier, dauernd kommen Leute zu Besuch und wollen etwas von Dir. Manchmal wünschte ich, ich könnte das auch von meinem Officium sagen, aber ich will mich ja nicht darüber beklagen, dass die Menschen in Ostia anscheinend keine Sorgen haben." Damit reichte sie ihm mit einem leichten Lächeln auf den Lippen die beiden Briefe und achtete auch darauf, dass sich beider Hände für einen kurzen Augenblick berührten ... eine kleine Belohnung für seine Freundlichkeit durfte schließlich sein und bestimmt würde es ihm seinen Tag versüßen.


    Magistratus Marcus Iulius Lepidus
    Mogontiacum / Germania Superior
    Provincia Germania


    Salve mein geliebter Vater,


    zuerst möchte ich Dir für Deine schnelle Antwort auf meinen Brief danken, ich bin so froh, dass es Dir und den anderen gut zu gehen scheint. Hier in Roma ist es eigentlich sehr ruhig, und Constantius quält sich gerade durch die Grundausbildung der Cohortes Urbanae. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht gerade viel Freude dabei empfindet, denn wenn ich ihn abends sehe, wirkt er oft sehr verspannt, aber er erträgt es wie ein Mann, mir gegenüber lässt er sich nichts anmerken. Manchmal erinnert er mich sehr an Titus, ich denke, dass dieses Verhalten wohl allen Männern gemein ist - selbst mit einer blutenden Bauchwunde würde er noch abwinken und sagen, dass ihm nichts ernsthaftes geschehen ist. Du kannst also stolz auf Deinen Sohn sein, der die Traditionen und Werte der Iulier hier so hoch hält wie kein anderer. Manchmal wünsche ich, ich könnte ihm sein Los ein wenig leichter machen, aber meine Möglichkeiten sind begrenzt. Ich habe für ihn ebenso eine kleine Überraschung organisiert, Du weisst ja, wie schüchtern er bei Frauen bisweilen ist - glücklicherweise unterhält der derzeitig amtierende Volkstribun Vinicius Lucianus ein Lupanar der gehobenen Klasse und war über meine Bitte, eine angemessene Frau für ihn auszuwählen, nicht zu erstaunt.


    Immerhin zählt Constantius nun einundzwanzig Sommer, es wird langsam Zeit für ihn, ein wenig mehr über diese Dinge zu lernen, und besser er lernt es von kundiger Hand und kann seine spätere Gemahlin damit glücklich machen. Es mag vielleicht für eine Frau vermessen sein, doch versuche ich, für ihn nur das Beste zu erreichen, und da weder Du noch ein älterer Verwandter in Roma weilen, versuche ich ihm diese zu ersetzen und ebenso, Freundschaften für ihn zu ermöglichen, die ihn unter Gleichaltrige bringen. Ich nehme an, Du wirst Dir für ihn auch alsbald eine Gemahlin überlegen? Hier in Roma ist ein Mann ohne Gemahlin nichts, und ich denke, er kann nicht ewig seinen Haushalt von mir führen lassen, irgendwann wünscht sich jeder Mann einen eigenen Hausstand. Er soll nicht mit dem Gedanken leben, dass seine Schwester ihm die Gemahlin ersetzt, das wäre mir schrecklich. Wie ergeht es Dir in Mogontiacum, Vater? Jetzt im Sommer sollte Germanien erträglich sein, zumindest hoffe ich, dass Du eine friedliche und sorglose Zeit erleben kannst, die Dir schenkt, was Du Dir wünscht.


    Was Sergius Sulla angeht, frage ich mich, was er Dir geschrieben haben mag, dass Du ihm nicht antworten möchtest? Ich kann nur vermuten, dass er um mich werben möchte, doch erschreckt mich dieser Gedanke nicht gerade wenig, gibt es doch wenig, das ihn und mich bislang verbinden würde. Und ich hielte es für eine wenig vorteilhafte Verbindung zweier gentes, die unseren politischen Stand in Roma eher schwächen denn stärken würde, scheint sein Leumund nicht so tadellos, wie man sich das wünschen kann. Vielleicht freut es Dich zu hören, dass ich inzwischen zur Magistrata von Ostia befördert wurde und meine Sorge nun der ganzen Stadt gelten darf - der Gedanke, mit Dir als dem Magistraten Mogontiacums politische Vereinbarungen treffen zu können, hat irgendwie einen sehr amüsanten Beigeschmack, findest Du nicht? Aber gerade beide Städte könnten eventuell mit viel Gewinn einen Austausch beginnen.


    Eine Bitte möchte ich Dir noch mitschicken, bevor ich damit aufhöre, Deine wertvolle Zeit mit meinen Zeilen zu verschwenden: Solltest Du mir einen neuen Gemahl zugedenken, bitte ich Dich sehr innig darum, mit Weisheit zu wählen. Einmal habe ich Deine Wahl gebilligt und mich mit all meinen Kräften bemüht, Titus eine gute Frau zu sein, die Götter wissen, dass es nicht immer leicht war, dieses Gebot zu erfüllen. Dennoch erinnere ich mich heute sehr gerne an ihn, sodass Deine Wahl letztendlich sich als sehr klug und vorausschauend erwies, er hat mir viel Glück geschenkt. Doch bei einem neuen Gemahl, ich weiss sehr wohl, dass es früher oder später der Fall sein wird, dass diese Frage erscheint, bitte ich Dich darum, selbst auch etwas dazu sagen zu dürfen, und auch um Gehör für meine Worte. Ich bin nicht mehr eine so junge Frau, dass ich mit einem jeden glücklich würde, und Du weisst, wie schmerzlich es für mich war, beide Söhne mit Titus zu verlieren. Ich wünsche mir eine Ehe, in der ich meinen Gemahl respektieren kann für das, was er ist und tut.


    Leider habe ich in Rom bisher keinen anderen Iulier angetroffen, sodass ich Deine Grüße nicht bestellen konnte, aber ich hoffe, dass dem nicht auf Ewigkeit so bleiben wird.
    Vale bene,
    Deine Tochter Helena


    Decurio Tiberius Iulius Numerianuns
    Castellum der Legio IX Hispana
    Colonia Claudia Ara Agrippinensium / Germania Superior
    Provincia Germania


    Werter Onkel,


    vielleicht wirst Du Dich nicht mehr an mich erinnern, ist unser letztes Wiedersehen doch so manches Jahr her. Ich glaube, es war gar noch in meiner Kindheit, kurz vor meiner Hochzeit, als wir uns das letzte Mal sahen, Dein Weg hatte Dich ja recht bald zur Legio geführt, wie es bei so vielen Männern unserer Familie geschehen ist. Wir spielten in der Casa Iulia zusammen, und irgendwann hast Du davon zu erzählen begonnen, wie sehr Du Dich nach der Ferne sehnst - ich kann Dich heute sehr gut verstehen, habe ich doch an der Seite meines Gemahls viele fremde Länder gesehen, in denen Roms Legionen Ordnung und Sitten mit sich gebracht haben. Du wirst Dich sicher fragen, warum ich Dir schreibe, denn die vergangenen Jahre schwieg meine Feder sehr lange, doch kehrte vor einigen Tagen eben jene Erinnerung an Deine Worte zurück, und ich musste daran denken, wie begeistert ich Dir damals zugehört habe.


    Heute sind wir beide in die Welt verstreut, Du in Germania, ich wieder in Roma, und ich fürchte, so bald werden wir uns nicht wiedersehen - da mag ein Brief vielleicht die Distanz überbrücken. Vielleicht möchtest Du Deiner Nichte auch erzählen, wie es Dir ergangen ist in den letzten Jahren, und was Du bei der Legio arbeitest, Du weisst, ich bin immer für eine gute Soldatengeschichte zu haben, mein verstorbener Gemahl Titus steckte voll von ihnen. Ich habe inzwischen gemeinsam mit meinem Bruder Constantius die Casa Iulia in Roma bezogen, er widmet sich dem Dienst in den Cohortes Urbanae - kein Iulier kann wohl ohne gladius sein, es ist wie eine Krankheit! - und ich habe den Weg inzwischen zur Magistrata von Ostia gemacht, wie mein Vater, der denselben Posten in Mogontiacum bekleidet. Solltest Du also eine Reise nach Roma planen, hast Du nun eine Unterkunft in Aussicht, ich würde mich sehr freuen, Dir in einem Zimmer der Casa die Gastfreundschaft zukommen zu lassen, wie es sich gehört.


    Ich hoffe sehr, dass es Dir wohl ergeht und, solltest Du inzwischen eine Gemahlin gefunden haben, es auch ihr gut geht - ich würde mich sehr freuen, wenn Du mir antwortest, und soll Dir auch Grüße von Constantius bestellen, der gewiss auch überglücklich wäre, von Dir zu hören.


    Vale bene,
    Deine Nichte Helena

    Leise atmete sie ein und aus, wohl wissend, wie schnell der Atem ging, dieses Detail kannte sie so gut, als sei kein anderes mehr entscheidend. Sie konnte sich zittern fühlen, jetzt, da alles heraus war, und die über das Gesicht geflutete Hitze schien sie fast zu ersticken, für ihr Gegenüber äusserte sie sich sichtbar in einer ziemlich tiefen Röte ihres Gesichts, die auch unter einem Teil ihrer Palla gut sichtbar war. Als sie endlich wieder genug Kraft gefunden hatte, ihm zu antworten und ihn gleichzeitig dabei anzusehen, flüsterte sie fast nur, die Stimme rauh und belegt klingend.
    "Ich habe über diese Träume immer und immer wieder nachgedacht, ich hatte genug Zeit dazu. Wäre es nur einmal gewesen, dann ... dann hätte ich es vielleicht als eine Folge jenes ... Nachmittags ... auf der Rennbahn gesehen. Ein Wunsch, den man nicht haben darf, der aber zurückgekehrt ist, wenn man sich nicht wehren kann, im Schlaf ..." Sie verstummte und blickte ihn einige Momente lang still an. Auch das war nun gesagt, genauso, wie sein Blick zuvor verraten hatte, was in ihm vorgehen musste. Es war so lächerlich fast, nur ein Schreibtisch trennte zwei Menschen voneinander, die änhlich empfanden und doch saß jeder brav auf seiner Seite, hielt sich an seinem Becher fest und tat nichts.


    "Aber es war eben nicht nur ein Traum. Ich empfand darin ... Schuld, verstehst Du? Als müsste ich jemandem ein schlechtes Gewissen gegenüber haben, aber mein Gemahl ist tot, und das seit zwei Jahren. Ich erinnere mich gerne an ihn, und ich fühle keine Schuld. Das Bild, an das ich mich im Traum erinnere, ist er nicht, sondern das eines anderen ... dieser Traum stimmt einfach nicht, denn ich bin nicht mehr vermählt. Aber im Traum bin ich es, und du bist es nicht. Ich habe mir überlegt, dass es vielleicht nicht auf Mars ankommt." Ein kurzer Blick driftete hinüber zu der kleinen Statue, aber auch ihr wollte diese nicht verraten, ob sie richtig oder falsch lag. "Was soll auch eine Frau im Marskult tun? Das wäre widersinnig, ich bin ja auch keine schwertschwingende Amazone im knappen Lederröckchen oder so etwas." Wieder atmete sie ein, versuchend, sich zu einer etwas langsameren Atemfrequenz zu zwingen. "Was, wenn es dabei nicht um Ihn geht, sondern um .. die Frau? Welche Frau ist denn verheiratet und Mars liegt dennoch bei ihr, sodass sie sich gemeinsam ihrer Lust erfreuen? Ich weiss nicht alles über die Götter, aber da fällt mir eigentlich nur eine ein." Es schien, als sei es in diesem Officium wärmer geworden, seit sie anwesend war, aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein? Dennoch fächelte sie sich schwach mit einer Hand etwas frische Luft zu.

    "Dem Glück sollte man nicht aus dem Weg gehen, das nicht - und das habe ich auch nicht gemeint, würde es doch an der Gunst der Fortuna lästern, das angebotene Glück nicht anzunehmen. Aber ich habe schon zu oft gesehen, dass eigentlich kluge Männer irgendwann verloren haben, das Wesentliche ihre Erfolgs zu sehen und begannen, überzuschnappen - sie glaubten, sie seien in allem erfolgreich, was sie nur anfangen würden, um dann geradewegs abzustürzen. So etwas finde ich nach wie vor erschreckend. Wenn man nicht ab und an eine Niederlage einstecken muss, aus der man lernt, dass man weder unfehlbar noch allmächtig ist, geschieht das nun einmal sehr viel leichter," meinte sie sinnierend und überlegte, wie es wohl den früheren Caesaren ergangen war. Gerade Kaiser wie Caligula oder auch Domitian und Nero waren ein gutes Beispiel für eine ziemlich verloren gegangene Bodenhaftung. Der jetztige Augustus schien glücklicherweise ein sehr umsichtiger Mann zu sein, der wusste, in welche Richtung er den Staat lenken musste, sodass das nicht zu befürchten stand.


    Auf seine Worte hin musste sie jedoch leise lachen, die Augen blitzten vergnügt auf dabei: "Nun, ich werde an das mit dem Helm sicher denken, wenn ich diesen Hinweis weitergebe, aber gegen eine Uniform ist doch im Grunde nichts einzuwenden, meinst Du nicht? Soldaten und Offiziere sind zumindest gehalten, sich körperlich fit zu halten, und sehen entsprechend meist ein bisschen trainierter aus als Senatoren, die den ganzen Tag nur herumsitzen und sprechen - und gerade ein trainierter Körper steht bei den jungen Mädchen sehr hoch im Kurs. Muss wohl an den vielen Statuen liegen," sie nickte schmunzelnd zur Seite weg, einem weiteren durchtrainierten Männerbildnis entgegen. "Aber sag, welche Art von Frau könnte Dich verlocken? Nicht damit ich Dir lauter hoffnungsvolle Jungrömerinnen schicke, und sie sich ihr Haar meinetwegen alle blond gefärbt haben, und Du magst das gar nicht?" Der Gedanke hatte etwas sehr amüsantes für sich. Crassus auf der Flucht vor einer Horde blonder, kreischender Mädchen - seine Leibwächter wären chancenlos.

    Gerade hatte sie Constantius ebenfalls einen frischen Becher geben wollen, aber da das Victor nun übernommen hatte, konnte sie sich an ihrem eigenen festhalten und die Männer im Raum in aller Ruhe betrachten. Es schien sich eine sehr entspannte Stimmung abzuzeichnen, zumindest hoffte sie das, und sie fühlte sich darob sehr zufrieden. Sollte es wirklich geschafft sein, und Constantius in Rom Anschluss gefunden haben, mit dem er sich verstehen konnte? Es war eine zugegebenermaßen sehr starke Hoffnung, die sie hier hegte, und sie würde so schnell sicher nicht sterben - denn da waren die beiden Valerier-Brüder, Hermes, der auch recht freundlich schien, der Trainer, mit dem sie sich noch vornahm zu sprechen ... überhaupt, auch die anderen Mitglieder würden sicher noch kennenzulernen sein.


    "Besteht denn die Möglichkeit, sich diese Trainings einmal anzusehen? Oder sind davon Besucher eher ausgeschlossen? Ich weiss ja nicht, wie sehr unsere zukünftigen Rennhelden darauf bestehen, alleine ihre Runden zu drehen oder ob sie allzu kritische Blicke während des Trainings nicht lieber vermeiden. Und eine kleine Factio-Feier, bei der alle Mitglieder anwesend sind, wäre doch sicher auch nichts verkehrtes ..." erhob sie die Stimme und nahm anschließend lächelnd einen Schluck aus ihrem Becher.

    Während die beiden Männer gerade ins Gespräch kamen, klatschte die Iulierin zweimal knapp in die Hände, das Zeichen im Haus, dass sie die Anwesenheit einer Dienerin wünschte. Es war keine gute Idee, bei diesem Zeichen nicht zu erscheinen - denn auch wenn sie die Sklaven im Haus durchaus freundlich behandelte, wurde sie doch sehr streng und vor allem ungehalten, wenn sich jemand nicht seinen Aufgaben widmete. So tauchte alsbald eine recht schmale junge Frau in der Türe auf und schritt eilig auf Iulia Helena zu, um sich zu ihr zu neigen. Die beiden Frauen tuschelten leise etwas vor sich hin, wohl ging es hier um das bevorstehende Essen, das die Hausherrin in Aussicht gestellt hatte. Erst nach einigen Momenten huschte die Dienerin davon, und Helena gesellte sich wieder zu den beiden Männern, sich bei ihrem Bruder mit einer wie selbstverständlich wirkenden Geste unterhakend.


    "Wenn Du für einen einfachen Teller, für ein wohlfeiles Gastgeschenk schon bereit bist, einen solchen Weg in Kauf zu nehmen, so bin ich mir sicher, wird Dich Dein Weg alsbald in die Politik führen, Valerius Decius - denn nichts ist wichtiger für die Sorge um den Staat als der Blick für Details und kleinste Kleinigkeiten. So bin ich sehr gespannt, welchen Weg Du hier in Rom einschlagen wirst - einmal abseits von der Suche nach einer Töpferscheibe und Hoflieferanten - und wohin Dich Dein Weg führen wird. Es dürfte einige Menschen geben, die Deiner Stimme lauschen werden - und dem Traum, der sich mit Deinen Worten verbindet," meinte sie schließlich freundlich und betrachtete Valerius Decius nachdenklich. Ein Redner, zweifelsohne, dessen Talent ihn weit bringen konnte, wenn er die Dinge fand und nutzte, die den Römern wirklich am Herzen lagen ... doch, es würde sicherlich interessant werden, seinem Weg ein gewisses Augenmerk zu geben, denn wirklich gute Redner waren rar. Mit Worten umzugehen war eine seltene Kunst, und verlocken vermochte dieser Valerier durchaus. Die Frage blieb jedoch, wieso er diese komplizierte Form der Rede auch im Alltag nutzte.


    Als sich das Gespräch jedoch dem Waffenhandwerk zuwandte, spürte sie, dass sich ihre Aufmerksamkeit nicht wirklich dabei hielt. Kampf und Krieg waren keine Themen, an denen sie noch Freude hatte, dafür hatte sie genug davon miterleben müssen. "Warum geht ihr nicht einmal gemeinsam in die Thermen, um zu trainieren?" schlug sie vor und überlegte, wie ein Gegner wohl versuchen würde, Valerius Decius zum Schweigen zu bringen .. und ob er damit überhaupt Erfolg haben konnte. Sie hielt das für sehr unwahrscheinlich.

    Es war die falsche Antwort. Aber, um Valerius Victor eine gewisse Entschuldigung angedeihen zu lassen, spätestens seit dem Eintreten der Iulierin in sein Officium hatte es wohl keine richtige Antwort mehr gegeben. Auch ihr Atem hatte sich nun verschnellert, und sie versuchte, die bloßen Tatsachen des Traums in Worte zu fassen, die nicht zu anstößig und anrüchig klangen - denn immerhin war der Traum ein Traum gewesen, der ihr etwas sagen wollte, davon war sie inzwischen überzeugt. Man träumte nicht mehrere Nächte hintereinander ohne Grund dasselbe. "Es ... nun ..." hob sie an und kapitulierte, einen großen Schluck aus ihrem Wasserbecher nehmend. Alle Ideen für eine Erklärung klangen miteinander sehr schwül und ausgesprochen wenig für Kinderohren geeignet.


    "Es ... ich ... ich glaube, ich erzähle es Dir lieber von ...Anfang an?" Fragend klangen die Worte, aber sie wartete nicht ab, was er dazu sagen würde, denn sie fürchtete, dass der Mut sie verlassen würde, wenn sie jetzt innehielt. "Ich sehe mich in diesem Traum durch einen stillen, aber sehr schönen Garten laufen. Es ist sternklare Nacht, niemand sonst ist dort, und ich gelange an einen See mit einem kleinen Wasserfall, der das Wasser dort hineinführt. Ich ... lege meine Kleidung auf eine Steinbank ab, die am Ufer des Sees unter einem Baum steht und gehe in den See hinein, bis unter den Wasserfall ..." Kurz flog ein prüfender Blick zu ihm hinüber, dann atmete sie leise ein, nahm einen weiteren Schluck Wasser aus dem Becher, die plötzlich ziemlich kratzige Kehle befeuchtend, und fuhr leiser fort: "Ich bleibe dort aber nicht alleine, denn ... Du kommst den Weg entlang, der mich zum See führte. Du siehst mich dort, entkleidest Dich ebenfalls und ..."


    Wieder eine Pause, bevor sie genug Mut geschöpft hatte, den Satz zu vollenden. "...und ...kommst zu mir ins Wasser. Ab da ... bin ich es, und Du bist es auch, aber ... was wir sprechen, während sich ...die Körper umarmen, ist sehr seltsam. Ich denke an meinem hässlichen Gemahl - was nicht stimmt, denn Titus war durchaus gutaussehend - und Dein Gesicht bleibt deines - und gleichzeitig ... es sieht gleichzeitig ganz anders aus. Wie .... er." Damit hob sie die Hand an und deutete auf die kleine Marsstatuette in seinem Büro. "Und immer, wenn sich beide vereinen, erwache ich ..."

    Zitat

    Original von Helvetia Messalina


    Mag ich garnicht so glauben, zumindestens wenn man weiß was Kommunismus ist. -.^


    Nicht krumm nehmen aber Kommunismus funktioniert eigentlich nur in einer Industrienation. ;)


    Oh verzeih, dass ich es wagte, frevelhaft Dinge zu behaupten, von denen Du die allmächtige Erleuchtung besitzt und ich sicher nur mit Dummheit beschlagen sein kann ... meine Güte, langsam ist mir diese Art Besserwisserei echt über ;) Auch wenn's off-topic ist - man kann jedes politische Konzept unter sehr sehr vielen Blickwinkeln beurteilen und ich nehme mal stark an, dass meiner ein ganz anderer ist als deiner. Also verurteile nicht immer alle anderen Leute, deren Meinung deiner nicht entsprechen. Irgendwann nervt's.

    Die Finger ineinander verschränkend, blickte sie sinnierend auf eine weitere Statue, an der sie vorüberkamen. Eine nackte Schöne im griechischen Stil räkelte sich hier dem geneigten Betrachter entgegen und wieder einmal musste sie feststellen, wie sehr sie diese Kunst doch bewunderte. Die Menschen wirkten so vollkommen, fast perfekt, den Göttern näher als alles andere - und wenn man die Statuen betrachtete, konnte man sich selbst, so unperfekt man auch immer war, für einen Moment lang im Echo der künstlerischen Hand sonnen, die hier etwas für die Ewigkeit geschaffen hatte.
    "Ich weiss nicht, ob es so gut ist, immer auf der Seite der Gewinner zu stehen - denn je höher man schweift, desto tiefer wird man irgendwann fallen. Keinem Menschen ist Fortuna immer treu, und all jene, die Dich heute noch umschwärmen, lassen Dich am nächsten Tag fallen, weil sie fürchten, ebenso hinab gezogen zu werden. Wenn man dann wahre Freunde hat, hat man im Leben einiges nicht falsch gemacht, aber die wenigsten Menschen wissen ehrliche Anteilnahme zu erkennen und zu schätzen."


    Sie passierten eine weitere Statue, diesmal eine Marsstatue, wenn sie sich nicht irrte, oder aber es war nur ein einfacher Krieger - zumindest sah er ausgesprochen gut aus, wie die meisten männlichen Gestalten, die im griechischen Stil gehauen worden waren. "Nun, Deine Leibwächter schienen zumindest in mir keine Gefahr für Dich gesehen zu haben, sonst hätten sie uns sicher voneinander fern gehalten," meinte sie amüsiert und warf einen Blick zurück auf die angelegentlich in andere Richtungen blickenden Männer. "Aber ich glaube, das werde ich allen jungen Frauen raten, die mir davon erzählen, dass sie Dich kennenlernen wollen - einfach umrennen lassen und schon ist man im Gespräch. Eine passende Fortsetzung für die ars amatoria von Ovid, findest Du nicht?"

    Man muss nur mal 'Die Weibervollversammlung' von Aristophanes lesen, dann sieht man, dass der Gedanke des Kommunismus verdammt alt ist :P

    Wie er sie anblickte ... wahrscheinlich hätte sie noch einige Stunden so an seiner Tür stehen können, ihn einfach nur in aller Ruhe betrachtend, ohne irgend etwas anderes im Sinn zu haben. War das Liebe? Verliebtheit? Begehren? Oder alles wild durcheinander gemischt? Aber sie stellte sich diese Frage nicht, und sie wollte sie auch nicht beantworten, denn was sie wusste, war etwas ganz anderes: Sie fühlte sich in seiner Gegenwart wohl, weiblicher - wacher, als sei ihr Körper, ihr Geist durch das Wissen seiner Nähe besonders wach geworden, die Sinne dadurch befeuert und beflügelt zugleich. "Ich danke Dir," sagte sie leise und folgte ihm zum Tisch, bevor sie sich langsam auf dem Stuhl niederließ, die Füße sittsam nebeneinander gestellt, damit die Stola so fallen musste, dass man allerhöchstens ihre Zehen würde sehen können. Dass er ihr einen Becher hinstellte, erleichterte sie ungemein, denn jetzt konnte sie sich an etwas festhalten - ähnlich wie bei ihrem Gespräch mit Vinicius Lucianus war es ein seltsamer Trost, zumindest etwas in den Fingern zu haben und nicht dauernd nervös vor sich hin zucken zu müssen.


    Ein kurzer Blick huschte durch den eher karg eingerichteten Raum - sie wusste nicht, was sie eigentlich zu sehen erwartet hatte, erinnerte sie dieses Officium doch eher an den Raum eines Soldaten denn den eines Götterdieners, Titus hatte auch nie allzu viele Sachen in seinem Officium gehabt. Die Marsstatue fing ihren Blick länger als zuvor gedacht, denn eine Erinnerung pochte leise an ihrer Stirn, verlangte nach einer Stimme, sich ausdrücken zu dürfen - aber sie räusperte sich nur und hob den Blick wieder zu Valerius Victor, und wieder suchte ihr Blick den seinen. Niemand sonst war hier und wenigstens diesmal wollte sie ihn ansehen können, solange es möglich war.
    "Es ist ein ... sehr ...hm ... privater Traum," sagte sie schließlich und mit einer gewissen Gezwungenheit, während sich ihre Wangen langsam zu röten begannen und diese Farbe sich auf diesen merklich ausbreitete. "Er handelt von ... ähm ...Dir ... und ..." Eine lange, sehr sehr lange Pause entstand, in der man die Luft in Scheiben hätte schneiden können. "...und mir."


    Dann brach ein Wortschwall aus ihr heraus. "Bitte denke nicht, ich wollte Dir jetzt irgendwelche ... unanständigen Sachen erzählen, denn das ist es wirklich nicht. Ich weiss sehr wohl, wer Du bist und wer ich bin und eigentlich ist das kein Thema für einen Mann wie Dich und jemanden wie mich, aber ... ich kann nicht aufhören, diesen Traum zu träumen, und es ist immer derselbe! Müsste ich ihn malen, dann würde ich inzwischen jedes Detail auswendig kennen, wie ein ewig langes Bild ... und ... ich würde einfach gern wieder einmal aufwachen, ohne schweissgebadet zu sein und mich zu fragen, wieviel davon noch Traum ist und wieviel Wirklichkeit." Sie verstummte, die freie Hand empor gehoben, eine unsichere Geste machend - und wieder suchte ihr Blick den seinen, diesmal allerdings sehr unsicher. Bestimmt hielt er sie nun für wahnsinnig oder für eine Lupa, die sich einem jeden erstbesten an den Hals warf ...

    Es war wie stets ein Dilemma zwischen ratio und emotio. Einerseits gab es ein ausgesprochen nervöses, aufgeregtes Zucken in ihrem Magen, als er so unvermittelt vor ihr stand. Andererseits sagte ihr Kopf, dass sie doch ohnehin damit hätte rechnen müssen, dass sie ihn antreffen würde, und sich deswegen überhaupt nicht in irgendeiner Weise nervös fühlen musste. Aber wie es immer war, der Kopf wollte anders als der Rest des Körpers, der instinktiv auf die Anwesenheit Victors reagierte. Die Palla so getragen, dass der rötlichblau schimmernde Fleck auf ihrer Stirn verdeckt blieb, lächelte sie ihn für einige Momente lang einfach nur an, als könnte sie damit für eine längere Zeit zufrieden sein.


    "Salve, Valerius Victor," sagte sie dann leise, aber mit einem warmen Unterton im Klang der Stimme. Eigentlich hätte sie so vieles zu sagen gehabt, aber sie wusste so gut wie er, dass manche Dinge einfach nicht in Frage kamen, ausegsprochen zu werden. "Nun, sollte ich irgendwann einmal reich heiraten oder zufällig einen unermesslich vermögenden Onkel meinerseits beerben, dann werde ich Dich sicher wegen Spielen ansprechen, aber derzeit steht das absolut nicht zur Debatte. Ich wünschte, wir hätten so viele Sesterzen zum ausgeben, aber ... das liegt nicht im Bereich des möglichen. Nein, mein Anliegen an Dich ist eher sehr persönlicher Natur."


    Nun war es heraus. Entweder er warf sie gleich wieder heraus oder aber er würde sich etwas Zeit nehmen - der ernst auf ihn gerichtete Blick drückte jedenfalls die Hoffnung auf zweiteres aus. "Es handelt sich um einen sehr verwirrenden Traum, der mich in den letzten Tagen immer wieder heimsucht, und ... ich kenne ausser Dir keinen Priester persönlich, dem ich diesen Traum würde offenbaren wollen."

    ~* Arbeitszimmer der Magistrata Iulia Helena *~


    Nach der Amtsübernahme der Iulia Helena ist dieser Raum ihr Arbeitszimmer,
    hier werden Bürger und Besucher empfangen, aber zumeist doch eher an staubigen Akten
    gearbeitet, um den Bürgern Ostias angemessen zu dienen.


    In diesem Raum befindet sich ein Schreibtisch mit direktem Blick auf die Eingangstüre, hinter dem ein leidlich bequem wirkender Stuhl steht, einige Akten sind stets auf einer Seite des Schreibtischs aufgetürmt, ein kleiner Stapel Wachstäfelchen befindet sich daneben. Zwei vor dem Schreibtisch plazierte deutlich bequemere Stühle warten auf Besucher, die beiden schmalen Fenster mit Blick auf den etwas entfernt liegenden Hafen werden durch einen Vorhang halb verdeckt. Neben einem Schriftrollenregal und einem kleinen Beistelltisch, auf dem sich ein Krug Wasser mit zwei leeren Bechern daneben befindet, einem kleinen eingetopften und rund beschnittenen Bäumchen ist der auffälligste Einrichtungsgegenstand des Raumes eine kleine Büste des derzeitigen Kaisers.

    Nach ihrer Beförderung zum Magistraten begann sie, das Schreiberbüro zu räumen - viele Dinge gab es ohnehin nicht mitzunehmen, und so hatte sie recht bald alle ihre Siebensachen samt der Blumenvase eingepackt, um alles in das angrenzende Officium des Magistraten zu tragen. Fast ein wenig wehmütig blickte sie sich um, denn jetzt schien der Raum wieder so leer und unpersönlich wie zu dem Zeitpunkt, als sie hier ihren Dienst angetreten hatte. Hoffentlich würde sich auch dieses Zimmer bald wieder in guten Händen befinden ... leise schloss sie die Türe hinter sich und atmete tief ein. Neue Herausforderungen warteten.