Magistratus Marcus Iulius Lepidus
Mogontiacum / Germania Superior
Provincia Germania
Salve mein geliebter Vater,
zuerst möchte ich Dir für Deine schnelle Antwort auf meinen Brief danken, ich bin so froh, dass es Dir und den anderen gut zu gehen scheint. Hier in Roma ist es eigentlich sehr ruhig, und Constantius quält sich gerade durch die Grundausbildung der Cohortes Urbanae. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht gerade viel Freude dabei empfindet, denn wenn ich ihn abends sehe, wirkt er oft sehr verspannt, aber er erträgt es wie ein Mann, mir gegenüber lässt er sich nichts anmerken. Manchmal erinnert er mich sehr an Titus, ich denke, dass dieses Verhalten wohl allen Männern gemein ist - selbst mit einer blutenden Bauchwunde würde er noch abwinken und sagen, dass ihm nichts ernsthaftes geschehen ist. Du kannst also stolz auf Deinen Sohn sein, der die Traditionen und Werte der Iulier hier so hoch hält wie kein anderer. Manchmal wünsche ich, ich könnte ihm sein Los ein wenig leichter machen, aber meine Möglichkeiten sind begrenzt. Ich habe für ihn ebenso eine kleine Überraschung organisiert, Du weisst ja, wie schüchtern er bei Frauen bisweilen ist - glücklicherweise unterhält der derzeitig amtierende Volkstribun Vinicius Lucianus ein Lupanar der gehobenen Klasse und war über meine Bitte, eine angemessene Frau für ihn auszuwählen, nicht zu erstaunt.
Immerhin zählt Constantius nun einundzwanzig Sommer, es wird langsam Zeit für ihn, ein wenig mehr über diese Dinge zu lernen, und besser er lernt es von kundiger Hand und kann seine spätere Gemahlin damit glücklich machen. Es mag vielleicht für eine Frau vermessen sein, doch versuche ich, für ihn nur das Beste zu erreichen, und da weder Du noch ein älterer Verwandter in Roma weilen, versuche ich ihm diese zu ersetzen und ebenso, Freundschaften für ihn zu ermöglichen, die ihn unter Gleichaltrige bringen. Ich nehme an, Du wirst Dir für ihn auch alsbald eine Gemahlin überlegen? Hier in Roma ist ein Mann ohne Gemahlin nichts, und ich denke, er kann nicht ewig seinen Haushalt von mir führen lassen, irgendwann wünscht sich jeder Mann einen eigenen Hausstand. Er soll nicht mit dem Gedanken leben, dass seine Schwester ihm die Gemahlin ersetzt, das wäre mir schrecklich. Wie ergeht es Dir in Mogontiacum, Vater? Jetzt im Sommer sollte Germanien erträglich sein, zumindest hoffe ich, dass Du eine friedliche und sorglose Zeit erleben kannst, die Dir schenkt, was Du Dir wünscht.
Was Sergius Sulla angeht, frage ich mich, was er Dir geschrieben haben mag, dass Du ihm nicht antworten möchtest? Ich kann nur vermuten, dass er um mich werben möchte, doch erschreckt mich dieser Gedanke nicht gerade wenig, gibt es doch wenig, das ihn und mich bislang verbinden würde. Und ich hielte es für eine wenig vorteilhafte Verbindung zweier gentes, die unseren politischen Stand in Roma eher schwächen denn stärken würde, scheint sein Leumund nicht so tadellos, wie man sich das wünschen kann. Vielleicht freut es Dich zu hören, dass ich inzwischen zur Magistrata von Ostia befördert wurde und meine Sorge nun der ganzen Stadt gelten darf - der Gedanke, mit Dir als dem Magistraten Mogontiacums politische Vereinbarungen treffen zu können, hat irgendwie einen sehr amüsanten Beigeschmack, findest Du nicht? Aber gerade beide Städte könnten eventuell mit viel Gewinn einen Austausch beginnen.
Eine Bitte möchte ich Dir noch mitschicken, bevor ich damit aufhöre, Deine wertvolle Zeit mit meinen Zeilen zu verschwenden: Solltest Du mir einen neuen Gemahl zugedenken, bitte ich Dich sehr innig darum, mit Weisheit zu wählen. Einmal habe ich Deine Wahl gebilligt und mich mit all meinen Kräften bemüht, Titus eine gute Frau zu sein, die Götter wissen, dass es nicht immer leicht war, dieses Gebot zu erfüllen. Dennoch erinnere ich mich heute sehr gerne an ihn, sodass Deine Wahl letztendlich sich als sehr klug und vorausschauend erwies, er hat mir viel Glück geschenkt. Doch bei einem neuen Gemahl, ich weiss sehr wohl, dass es früher oder später der Fall sein wird, dass diese Frage erscheint, bitte ich Dich darum, selbst auch etwas dazu sagen zu dürfen, und auch um Gehör für meine Worte. Ich bin nicht mehr eine so junge Frau, dass ich mit einem jeden glücklich würde, und Du weisst, wie schmerzlich es für mich war, beide Söhne mit Titus zu verlieren. Ich wünsche mir eine Ehe, in der ich meinen Gemahl respektieren kann für das, was er ist und tut.
Leider habe ich in Rom bisher keinen anderen Iulier angetroffen, sodass ich Deine Grüße nicht bestellen konnte, aber ich hoffe, dass dem nicht auf Ewigkeit so bleiben wird.
Vale bene,
Deine Tochter Helena