Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Dankend nahm Constantius den Weinbecher entgegen und ließ seinen Blick durch den Versammlungsraum schweifen. Welch Prunk, welch Luxus sich ihm darboten.
    Er benötigte nur wenige Schritte um eine Position zu erreichen, die ihm einen ausgiebigen Ausblick erlaubte. Ein weiterer Vorteil seiner neuen Position, der sich rein zufällig ergab – ebenso zufällig trafen Bogenschützen die Mitte der Zielscheibe und ebenso zufällig kam ein Dieb auf dem Marktplatz zu einem fremden Geldbeutel – Jedenfalls bot seine jetzige Position ihm die Möglichkeit Helena und Victor aus den Augenwinkeln zu beobachten, ohne dabei auch nur den Anschein eines aufmerksamen Beobachters zu machen.
    Das was er so beiläufig nun unbeabsichtigt beobachtete erhärtete seine These, dass Helena ihrem Gastgeber nicht abgeneigt war. Es war eben dieser Blick in ihren Augen, den er zwar nur selten bei Helena gesehen hatte, aber dennoch zu deuten wusste.


    Der kräftige Schluck, den er aus dem Becher nahm, leerte den Kelch fast vollständig. Und der Seufzer, der danach folgte und dem Geschmack des Weines gelten sollte, hatte einen fast bekümmerten Unterton. Auch wenn die Worte, die Constantius folgen ließ, freundlich, höflich und - war es gespielt?- fröhlich klangen.


    „Welch beeindruckender Raum. Er ist selbst der Anwesenheit des Imperators würdig.“


    „Ja das war er. Und dieser Victor musste über ähnlich viel Geld verfügen.“, dachte sich Constantius. In diesem Moment rasten viele Gedanken gleichzeitig durch sein junges Hirn. Gedanken, die zunächst nur in Fragmenten hereinstürzten, ähnlich einem Wildbach, der gerade die Fesseln eines Dammes abgestreift hatte. Was würde er jemals Helena geben können. Das bisschen Sold, dass er erhielt würde kaum reichen um Helena ein ordentliches Leben zu gewährleisten, auch wenn er bereit war jede Sesterze abzugeben.
    Zwar hatte er schon lange nicht mehr so ein Gefühl des Glücks empfunden, als er mit Helena nach Rom gekommen war, doch auch wusste er, dass dieses Glück ihm nicht ewig vergönnt sein würde. Auch wenn sein Traum, den Ruhm der Iulier in Rom zu neuen Glanz zu verhelfen, noch nicht gestorben war, so ahnte Constantius inzwischen, dass es viel länger dauern würde, als er es sich erträumt hatte. Rom hatte ihn nicht mit Fanfaren empfangen. Nein gewiss nicht. Und man würde ihn wohl auch nie mit Fanfaren empfangen. Soviel war sicher. Nein er würde durch die dunkelsten Gassen Roms patrouillieren müssen und konnte dankbar sein, wenn sich kein Messer in seinen Rücken verirrte. Die Realität hat oft einen bitteren Beigeschmack und diesen Geschmack versuchte Constantius mit dem letzten Schluck Wein herunterzuspülen.
    Er hatte sein Leben dem Wohle und dem Glück seiner Schwester verschrieben. Ein Ziel, das er um jeden Preis erreichen wollte. Und manchmal hieß es wohl auch, trotz der besten Absichten, nicht im Wege zu stehen.


    Constantius ergriff das Wort.
    „Sag werter Valerius Victor. Wer wird den unsere Streitwagen lenken, wenn dein Angebot noch steht? Wäre es mir vielleicht vergönnt neben dem berühmten Hermes zu stehen? Und würdet ihr vielleicht den Wagen lenken, den meine Schwester besteigen wird? Es würde meine Sorge um meine geliebte Schwester deutlich beruhigen, wenn ein verantwortungsvoller Mann, den ich bereits kenne, das Gespann lenken würde.“


    Constnatius führte den bereits leeren Becher an seine Lippen und nahm einen imaginären Schluck. Und beobachte Victor mir einem aufmerksamen Blick. Constantius würde zwar zur Seite treten, doch nicht unaufmerksam werden, das schwor sich Constantius gerade jetzt.


    „Aus Hispania stamme ich, aus Tarraco um genau zu sein. Es gibt dort keine vergleichbare Rennen. Leider.“

    Das warme Wasser war eine willkommene Wohltat. Der strapazierte Körper des jungen Mannes nahm die Wärme auf, wie ein Schwamm das Wasser selbst aufgesogen hätte. Obwohl jede Bewegung noch mit schmerzlichen Protesten überanstrengter Muskeln kommentiert wurde, hatte der Aufenthalt in dem Becken den Vorteil, dass man sich nicht unbedingt bewegen musste.
    Und gerade deshalb vermied Constantius jede überflüssige Bewegung. Er genoß es seinen Gedanken einen Moment freien Lauf lassen zu können.

    Jeder Schritt schien neue Nervenzentren in Constantius Körper zu wecken. Jeder Muskel schien zu protestieren, wenn er gezwungen wurde sich zu bewegen. Der junge Mann schlich deswegen auch mehr als das er ging zur Casa der Iulier.
    Früher oder später würde er sich sicherlich an die Strapazen gewöhnen, doch im Moment schien alles darauf hinzudeuten, dass er den nächsten Tag nicht erleben würde. Jedenfalls war sich Constantius da fast sicher.


    Als die vertrauten Umrisse der heimischen Casa in Sicht kamen, verharrte Constantius. Sein Blick glitt an sich herab. Zwar hatte er seine Uniform in der Kaserne gelassen, doch das Bild, das er darbot, war nicht besonders vorzeigbar. Vor allem nicht wenn er gleich unter die Augen seiner Schwester treten sollte. Sie würde sich nur wieder zu viele Sorgen machen.


    Zwar blieben ihm nur wenige Stunden, bis er sich wieder im castra urbanae zurückmelden musste, doch ein anständiges Bad würde die kurze Zeit, die er mit Helena verbringen durfte, frei von sorgenvollen Blicken halten. Sie sollte wenigstens nicht noch durch seinen Anblick erschreckt werden. Und schon gar nicht sollte sie merken, dass es ihm nicht gut ging. So machte Constantius kehrt… und ging oder schlich zu einer der nahen Thermen der Stadt.

    Die Müdigkeit, die Constantius bereits empfand, wurde plötzlich zu bleiernen Gewichten an seinen Beinen. Die 10 weiteren Runden stellten plötzlich ein überwindbares Hindernis dar.
    Doch es nützte nichts. Ein Jammern und Wehklagen würde gewiss nichts bringen, jedenfalls nichts Positives.
    Einen Fuß vor den anderen setzend begann Constantius zu laufen. Er fühlte sich erschöpft und schwach, doch mit jedem Schritt, verlor er dieses Gefühl. Im Grunde verlor er jegliches Gefühl.
    Sein einziger Gedanke galt dem Ende der ersten Strapazen. Und so hätte man ihm gar nicht befehlen müssen, die letzte Runde zu sprinten. Mit großen, raumgreifenden Schritten brachte er auch schließlich die letzte Runde hinter sich…. Und begab sich Müde in die Unterkünfte

    Der junge Mann war sichtlich beeindruckt von dem was er zu Gesicht bekam. Und die Erzählungen Vibius Valerius Victor lieferten ihren wohlverdienten Beitrag, um diese Begeisterung des jungen Mannes noch zu steigern.


    Ebenso beeindruckt war Constantius von der Begeisterung, die Helena offenbarte. Und dem Fachwissen. Sie schien sich wirklich für den Rennsport zu interessieren. Und der eine oder andere Blick verriet Constantius, dass Helena die Gesellschaft ihres Gastgeber alles andere als unangenehm empfand.


    Selbst wenn Constantius sich etwas dabei dachte, so vermochte es doch an diesem Tag sehr gut zu verbergen. Keine Bewegung, keine Gesichtsausdruck verriet ihn heute. Nur sein sichtliches Interesse für die ausgestellten Stücke führte dazu, dass er oft einen oder zwei Schritte hinter den Beiden herlief.

    Erst nachdem der Princeps Prior salutierte, wurde Constantius bewusst, wer gerade das Wort an ihn gerichtet hatte. Nachdem sein gegenüber erstmal als Tribun erkannt worden war, verlief der Rest praktisch wie von selbst. Constantius schloß die Beine und straffte seine Haltung. Beide Hände führte er nach unten, um anschließend die rechte Faust beherzt an die linke Brust zum Salut zu führen.


    Schweiß lief über das Gesicht des jungen Rekruten und sein Atem ging schnell und angestrengt. Trotzdem bemühte sich Constantius ein verständliches „Ich verstehe, Tribun“ auszusprechen.


    Aufmerksam verfolgte der junge Rekrut daraufhin die Anweisungen des Princeps. Die kurze Atempause, die er dadurch erhielt, war ihm mehr als willkommen.
    Müde protestierten seine Muskeln, als er Aufstellung bezog, um wie befohlen die 50 Stiche auszuführen. Den linken Fuß nach vorne schiebend, versuchte er mit dem rechten Fuß Spannung in seiner Körperhaltung aufzubauen. Scharf presste Constantius bei jedem Stich die Luft aus und verstärkte somit die Spannung in seinem Körper bei jedem Zustechen. Seien Augen verengten sich und fixierten den hölzernen Gegner, als würde es sich tatsächlich um einen bewaffneten Feind handeln.

    Constantius schloß die Tür des ihm zugeteilten Zimmers. Tief zog er die Luft in seine Lungen ein und behielt sie einen Moment dort, bevor er sie mit einem lauten Seufzen wieder in die Freiheit entließ.
    Kleine, zaghafte, erschöpfte Schritte führten ihn an eines der nahen Fenster. In diesem einen unbeobachteten Moment gönnte er sich den Luxus seine stramme Körperhaltung aufzugeben und die Schultern hängen zu lassen.
    Nachdenklich und vielleicht auch etwas zerbrechlich wirkend, legte er den Kopf gegen den kühlen Stein, der das Fenster umgab. Eigentlich hatte er keinen großen Ausblick erwartet, doch das Bild der Landschaft, das sich ihm darbot, schien ebenso beruhigend auf ihn zu wirken, wie die Stille der Kammer.
    „Menschenmassen.....ich mag sie nicht“, sprach Constantius leise aus, obwohl niemand im Raum anwesend war, der es hätte hören, geschweige denn beantworten können.
    So hing der junge Mann seinen Gedanken nach. Gedanken, die das üblicherweise lächelnde Gesicht mit Wehmut und Nachdenklichkeit ausstatten.
    Still und seiner Position am Fenster wartend, harrte er der Dinge, die noch geschehen mochten.

    „Ich werden Herr mitteilen“, sprach der große Nubier und öffnete die Tür soweit, dass Matho eintreten konnte.
    „Du hier warten!“
    Ohne die Antwort des Gastes auf seine höfliche Aufforderung abzuwarten, begab sich Wonga auf die Suche nach Caius Iulius Constantius.
    Mit den üblichen etwas sparsamen Worten berichtete er Constantius von der Ankunft des neuen Gastes.
    Worauf sich Constantius bei Corvinus für einen Augenblick entschuldigte und sich selbst zum Eingangsbereich der Casa begab.


    „Salve. Willkommen im Haus der Iulier. Ich bin Caius Iulius Constantius. Was führt euch in unser Haus?“

    Constantius schloss seine Finger fester um den Griff des Gladius. Die Kraft, die nun das hölzerne Schwert umgab, ließ die Knöchel der Hand des jungen Constantius weißlich unter der gebräunten Haut erscheinen.
    So, wie es ihm in seiner Kindheit spielerisch vorgemacht worden war, so drehte Constantius die Hand so, dass sein Handballen stets über dem Griff ruhte, um ein Herausrutschen des Griffs aus seiner eisernen Umklammerung zu verhindern.
    In einer abwechselnden Folge aus Schläge, die den Trainingspfahl mal links mal rechts trafen, bedrängte er sein lebloses Ziel. Die Schläge trafen den Stamm in der Höhe, wo sich der Kopf eines möglichen Gegner befunden hätte, auch die Treffsicherheit nach zu wünschen übrig ließ. Denn neben dem Kopf hätte er auch Hals und Schultern getroffen, abgesehen von den Schlägen, die seinem Gegner, zwar sehr schwungvoll, aber dennoch verfehlt hätten.
    Verbissenheit zierte das Gesicht von Constantius und der oft aufgestaute Frust in seinem Inneren verlieh seinem Schwertarm noch Kraft, als seine Muskeln bereits bei jeder Bewegung zu protestieren begannen.


    Am Ende führte er eine Reihe von Kopf- und Bauchhieben aus, sowie einigen Stoßangriffen. Zwar waren sie kraftvoll ausgeführt, doch die Koordination ließ zu wünschen übrig.

    Constantius öffnete die Tür des Zimmers, dass seiner Schwester zugeteilt worden war. Nachdem sein versichernder Blick kurz den Raum geglitten war trat er zurück, um seiner Schwester nicht mehr den Eingang zu versperren.


    „Ich denke du wirst dich einen Moment ausruhen wollen. Ich werde gegenüber im Zimmer warten, bis du etwas benötigst Helena.“


    Nachdem er Helena schließlich ein aufrichtiges und warmherziges Lächeln geschenkt hatte, wandte er sich zu der Sklavin, die die beiden Geschwister zu den Zimmern geführt hatte.


    „Wenn es möglich wäre, würde ich gerne um einen Kelch mit Wasser ersuchen.“

    An diesem Tage schien eindeutig Leben in die Casa der Iulier einzukehren. Kaum hatte sich der Türsklave Wonga in Sicherheit gewogen und sich niedergelassen, da klopfte es erneut an die Tür. Die Worte, die in einem tiefen Bass im Raum ertönten als der Nubier sich erneut erhob, waren zum Glück in einer Sprache gesprochen, die in diesem Haus keiner verstand.
    Mit mächtigen, raumgreifenden Schritten machte er sich auf den Weg zur Tür, um besagten Klopfen auf den Grund zu gehen. Im Grunde konnte es kein Besuch mehr sein. Schließlich hatten die Herrin und der Herr bereits Gäste. Mehr Leute, die man hätte besuchen können, gab es in der Casa einfach nicht. Die Kette an Überlegungen und Abwägungen endete in dem für Wonga recht logischen Schluss, dass nur ein Bettler oder ähnlich ungebetene Besucher vor der Türe stehen mussten.
    Mit der finsteren Miene, die nur ein hünenhafter Nubier an den Tag legen konnte, öffnete er die Tür und sprach:
    „Was du wollen?“

    „Salve“ sprach Constantius in einem höflichen Tonfall.
    „Ich danke dir für deine freundliche Einladung“


    Constantius bemühte sich weiterhin nicht wie ein kleines Kind vor Vorfreude ständig zu grinsen. Doch ein beständiges lächeln konnte er nicht unterdrücken. Selbst der Anblick des Hauses faszinierte ihn, als er durch die geöffnete Tür eintrat.


    So erfolgte seine Antwort auf die Frage, ob der Wunsch nach einem Getränk besteht auch relativ spät.


    „Etwas gewässerter Wein wäre nicht schlecht. Oder ein einfacher Becher mit Wasser“

    Was immer die Frauen dort mit ihren geheimnisvollen Blicken an ungesprochenen Worten austauschen mochten, Constantius vermochte ihre Blicke nicht zu deuten. Und dies beunruhigte ihn. Ein flaues Gefühl beschlich den jungen Mann in der Magengegend. Ein Gefühl, dass selbst ein tapferer Krieger haben musste, wenn er sich einem gereizten Kriegselefanten gegenübersah. Ein Gefühl, das ihm mitteilte, dass er an diesem Ort nun eine Zeit lang nichts mehr zu suchen hatte. Zu seinem eigenen Wohle.
    So mag es auch nicht verwunderlich erscheinen, dass Constantius noch einer jeden Anwesenden einen kurzen prüfenden Blick zuwarf. Was immer gleich geschehen mochte, es würde seine Kräfte bei weitem übersteigen.
    Aufgrund seiner detektivischen Blicke, reagierte er nun verständlicher Weise zu spät auf die Worte, die Hypathia an ihn richtete.


    Mit einem entschuldigen Lächeln sprach er schließlich.
    „Gewiss werde ich euch auch später noch unsere bescheidene Casa gerne zeigen.“
    In Gedanken fügte er an:
    „…wenn sie dann noch steht…“


    Dann wandte er sich schließlich an Corvinus. Obwohl stets skeptisch gegenüber fremden Männer war, die seine Schwester besuchen wollten, so erschien ihm dieser Mann in der Umgebung der vielen Frauen wie ein alter Freund und Kamerad, mit dem er schon viele Schlachten durchlebt hatte.


    „Gehen wir lieber. Ich zeige euch den Teil des Hauses in dem ich mich oft frei bewegen darf“, sprach er schließlich lächelnd.

    Insgeheim ertappte sich Constantius sehr wohl bei dem Gedanken, dass er die Geheimnisse, die dort eben angedeutet wurden, nur zu gerne erfahren würde.
    Was wiederum einen leicht verlegenen Blick in sein Gesicht trieb. Um den kurzen Moment der Verlegenheit nicht zu offen darzustellen und um das Bild des furchtlosen Bruders – was er für sich auserkoren hatte – nicht zu beschädigen, wandte er seinen Blick Corvus zu. Mit einem sachten Lächeln sprach er:


    „Wie es scheint sind die Damen beschäftigt. Doch vielleicht kann ich euch in der Zeit, in der die Frauen Kriegsrat halten müssen, etwas das Haus zeigen und das eine andere Glas Wein anbieten. Wie mir scheint sind die Damen ja in Kürze bestens versorgt.“


    Und..“, er richtete das Wort an Hypathia, „wenn ihr es wünscht, dürft ihr uns gerne begleiten.“


    Obwohl seine Worte immer noch in einem freundlichen Ton besaßen, mischte sich in die Worte, die an Hypathia gerichtet waren, ein respektvoller und distanzierter Klang hinzu. So als wolle er ihr auf keinen Falle zu Nahe treten.

    Das Herz pochte in seiner Brust. Der Atem rang mit letzten Kräften nach Luft und nur langsam wollte er sich wieder beruhigen. Der Schweiß, der sich als Tribut der Anstrengung auf seine Haut gelegt hatte, führte dazu, dass die neue Uniform bereits an selbiger klebte. Nur langsam gelang es Constantius seinen Körper wieder zu kontrollieren.
    „Welche Schinderei“ dachte sich Constantius noch als die Worte des Princeps Prior wieder erreichten.


    Mit Verwunderung blickte der junge Mann auf das dargebotene, hölzerne Gladius. Ein ähnliches hatte er als Kind getragen und damit heldenhafte Abenteuer erlebt. Damals war alles so einfach gewesen. Nun dämmerte es Constantius, dass die Ausbilung weitaus anstrengender werden würde, als er es sich vorgestellt hatte. Er war eben doch nicht der Held, der am Ende immer gewann. Die Realität erhielt langsam aber sicher Einzug in Constantius Geist.


    Er ergriff schließlich das Gladius. Mit einem festen Griff umfassten seine Finger die hölzerne Waffe. Allerdings wirkte es mehr so, als wollte er anstelle eines edlen Schwertes einen Knüppel in den Kampf führen. Bis zu diesem Tag hatte er sich auch recht gut mit Knüppeln und seinen Fäusten seiner Haut erwehren können, was man ihm nun ansah.

    Zitat

    Original von Iulia Helena
    "Eine Einladung, der wir gerne und mit Freuden folgen werden, nicht wahr, Constantius?" Obwohl sie harmlos-lächelnd gesprochen hatte, war in diesen Worten ein scharfes Schwert verborgen geblieben, das allerdings für den Iulier sehr genau zu sehen und zu hören gewesen sein dürfte - aber was konnte ein Mann schon tun, wenn sich eine Frau etwas ernsthaft in den Kopf gesetzt hatte?


    Ja. Constantius kannte jenen Unterton. Er hatte ihn schon oft dazu gebracht Dinge zu tun, die sich als deutlich günstiger für seine persönliche Lage herausgestellt hatten. Auch wenn er doch oft Sinn und Zweck des Ganzen insgeheim angezweifelt hatte. Aber so etwas behielt Constantius für sich. In manchen Momenten wusste auch der temperamentvolle junge Mann, wann er zu Schweigen hatte und mit den Wölfen heulen musste. Manchmal waren Wände auch zu stark für seinen Dickkopf. Vor allem, wenn diese Wände von Helena errichtet worden warn.
    So sprach Constantius in einem geübt beherrschten Tonfall, der seiner Meinung nach völlig unbeeinflusst klingen musste:


    „Ja es wird uns eine besondere Ehre sein und eine große Freude.“


    Manchmal war er eben nicht der kräftige junge Mann, sondern nur der jüngere Bruder.

    Constantius mochte große Menschenansammlungen einfach nicht. Der Beschützerinstinkt in dem jungen Mann war in diesen Moment in heller Aufregung. So viele Leute, die man zu beobachten hatte. So viele Geschehnisse die um einen herum passierten und hätten gleichzeitig beobachtet werden müssen. Oft half Constantius nur ein tiefer Atemzug. Wenigstens stand er diesmal in Helenas Nähe und musste die Horde von Menschen nicht noch nach ihr durchsuchen. Was jedoch nicht, wie zuletzt der Rüpel, der Helena fast zum Sturz gebracht hätte, bewiesen hatte, zur Unaufmerksamkeit führen durfte.
    Still und mit steigender Anspannung verharrte er also ständig in der Nähe Helenas.

    Bei dem Gedanken an die beeindruckenden Szenen des Rennens schienen die Augen von Constantius immer wieder zu leuchten. Und jetzt, wo er vielleicht einmal in einem Streitwagen mitfahren durfte, schien sein Herz in der Brust zu tanzen.
    Der Gedanke, dass dies zu gefährlich sein würde für Helena war zwar kurz in ihm aufgekeimt, doch schnell wieder verstorben. Helena hatte noch nie eine Herausforderung gescheut. Und der Götter Segen galt stets den Mutigen und Standhaften. Also würde sie sicher den Wagen wieder verlassen. Und wenn jemand Mut besaß, dann Helena. In seiner Kindheit hatte seine Schwester bereits ständig mit dieser Gabe beeindruckt. Und wenn er sich nciht täuschte, dann hatte sie nicht einen Funken davon eingebüßt während ihrer Trennung.
    So klopfte er erwartungsvoll an die Tür. Bald würde er die Geschwindigkeit am eigenen Leibe erfahren.

    Die Worte, die Constantius soeben von Helena vernommen hatte, sorgten zunächst für einen Ausdruck der Verwunderung auf seinem Gesicht. Dieser Gesichtsausdruck sollte zunächst auch einen Moment anhalten. Er wusste nur zu genau, dass obwohl Helena sie scherzhaft vorgetragen hatte, sie doch genau der Wahrheit entsprachen.
    Hin und her gerissen zwischen Bewunderung und brüderlicher Sorge wog Constantius die möglichen Folgen ab. Im Grunde sah er ein, dass er es Helena niemals würde ausreden können. Denn hatte sie sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Zurück mehr.
    Constantius musste schmunzeln. Ja er konnte sich Helena wirklich gut auf einem der Wagen vorstellen. Denn an Mut hat es ihr noch nie gemangelt.
    Zustimmend nickte Constantius.
    „Warum auch nicht. Vielleicht könnte man auch eine Fahrt für meine Schwester arrangieren?“

    Mit einem prüfenden Blick versuchte Constantius die Ausmaße des Exerzierplatzes abzuschätzen. Und was er sah, ließ die 30 Runden noch gewaltiger erscheinen. Doch alles innerliches Wehklagen würde nichts nutzen, er würde die Strecke so oder so laufen müssen.


    Constantius bestätigte den Befehl seines Ausbilders mit einem knappen „Zu Befehl“ und setzte sich in Bewegung. Laufen war nie seine Paradedisziplin gewesen, obwohl er von athletischer Statur war, zeichneten ihn doch mehr seine Körperkraft und sein Geschick aus.


    „Nur nicht zu schnell am Anfang laufen“, wiederholte er beständig in seinem Geiste.


    Und so lief der junge Rekrut eine Runde nach der anderen. Auch wenn seine Geschwindigkeit nicht die schnellste war, so hielt er wenigstens die Strecke am Ende durch. Ein Botenläufer würde er wohl nie werden, aber noch so manchen in den Schatten stellen.