Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Constantius, den man gewiss nicht als sehr redseligen Mann umschreiben würde, tat das, was er am besten konnte, er schwieg einen Augenblick lang. In seiner Rolle als stiller Beobachter, fühlte er sich weitaus wohler, als die Position eines aktiven Gesprächsführers einnehmen zu müssen. Auch wenn das Schweigen so einfach erschein, war ihm durchaus bewusst, dass er Livilla so nicht helfen konnte. Doch ihr Blick ließ ihn noch einen weiteren Augenblick lang still neben ihr stehen.


    „Du hast keine Familie zerstört. Und schon gar nicht hättest du zwei Familien zerstört Livilla. Welcher Familie solltest du Schaden zufügen? Das was heute geschehen ist, war niemals deine Schuld und wird niemals deine Schuld sein.“


    Er trat ein Stück näher an sie heran und umschloss ihre Hand mit der seinen. Blickte sie still und sorgenvoll an. Ihr Worte schienen ihn keineswegs beruhigt zu haben.

    Als der Princeps Prior plötzlich durch den Eingang trat, den Constantius und Novatus bewachten, strafften sich die Haltungen beider Soldaten fast gleichzeitig und ebenso schlagartig. Auf den Befehl des Vorgesetzten hin, erwiderten beide ebenso erstaunlich gleichzeitig ein bestätigenden,
    „Zu Befehl Princeps Prior Sura“, und folgten diesem augenblicklich.


    Warfen sich beide Soldaten beim Ersteigen der Treppen zum zweiten Stock hier und dort noch fragende Blicke zu, in der Angst, dass man ihre schlechten Witze drinnen gehört haben mochte, sollte die Erkenntnis darüber, dass sie etwas viel schlimmeres erwartete, als eine Standpauke über schlechten Humor, förmlich einen Moment erstarren lassen.


    Deswegen nahmen sie auch schweigend die Wachstäfelchen entgegen und nickten bestätigend, bevor Constantius die Stimme wiederfand.


    „Nichts anfassen, verstanden Princeps Prior. Wir halten die Augen auf und notieren alles. Zu Befehl Princeps Prior.“


    Es war ein beklemmendes Gefühl, das die Soldaten beschlich, als sie den Raum des Verbrechens betraten. Obwohl sie es nur wagten, durch den Mund zu atmen, kroch der Gestank, der den Raum bereits erfüllte, dennoch in ihre Nasen und ließ sie schwer schlucken. Angespannt begannen ihre Blicke den Raum abzusuchen....

    Es war erstaunlich. Aus unerfindlichen Gründen, gelang es Constantius mit seiner Gesprächspartnerin recht leicht ein längeres Gespräch zu führen ohne, wie so oft, um die richtigen Worte ringen zu müssen. – Abgesehen von den zahlreichen Unterbrechungen durch sehr laute Jubelschreie der feiernden Massen –


    Vielleicht war es nur das Gefühl, dass er sie gut verstehen konnte, da er selbst vor kurzem erst in Rom eingetroffen war. Ebenfalls aus dem verschlafenen, beschaulichen Tarraco in die größte und lebendigste Stadt des Reiches gezogen war.
    Oder war es doch ihre sichtliche Begeisterung für die Rennen, die er ebenso bei seinem ersten Besuch des Circus Maximus empfunden hatte, als auch ihm die Factiones noch fremd waren. Damals hatte er instinktiv für den jungen Hermes die Daumen gedrückt und nur wenig später durfte er selbst mit diesem Fahrer ein paar Runden auf dem Streitwagen drehen. Rom war eine beeindruckende Stadt, eine Stadt für viele Überraschungen. Überraschungen die wohl auch Minervina noch erleben würde.


    „Dann bin ich gespannt auf deine Familiengeschichte, wenn du sie mir denn erzählen willst. Ich denke es wird ein sehr interessantes Gespräch in unserer Casa werden. Und auch ich diene noch nicht sehr lange in den Cohortes Urbanae. Wir können also wohl beide nur von den Anfängen unserer Berufungen reden. Aber sicherlich wird Helena viel...“


    Erneut brandete die Jubelschreie der Massen auf und ließen die Worte des Iuliers im Sturm der Begeisterung untergehen.


    Er lächelte deshalb still und fügte, als die Massen etwas leiser wurden, mit lauter Stimme an.


    „..sie ist nämliche die Magistratin von Ostia musst du wissen. Sicherlich hat sie viel...“


    Oh, wie ist das schön,
    oh, wie ist das schön,
    so was hat man lange nicht gesehn',
    so schön, so schön,
    jajaja,


    Es war fast kein Ankommen mehr gegen die feiernde Menge. So unternahm Constantius noch einen Versuch seinen Satz zu vollenden


    „..sie hat sicherlich ...viel..zu..erzählen.“


    Und begnügte sich mit einem erheiterten Lächeln daraufhin.

    Ein Kriegselefant auf dem Marcatus Urbi hätte sich wohl nicht viel ungeschickter anstellen können als es Constantius gerade zu Stande gebracht hatte. Kaum hatte er das Scutum wieder an die Wand gelehnt, den Helm in seiner Armbeuge verstaut, rutschte das Pilum, das scheinbar nur hinterhältig eine Zeit lang, ebenfalls an die Hauswand gelehnt, gewartet hatte, gemächlich zur linken Seite und neigte sich dem gerade aufgerichteten Schild entgegen. Nur in dem sich der junge Soldat mit den Rücken an die Wand presste, verhinderte er ein weiteres schepperndes Konzert aus metallischen Ausrüstungsgegenständen. Trotzdem brachte ihn diese Tat ein weiteres verlegendes Lächeln ein, als das Pilum gegen die Schulter des Soldanten stieß und diese als Stützpfeiler missbrauchte. In diesem Moment musste der große, athletische Iulier gewiss nicht so Respekt einflössend und gefährlich gewirkt haben, wie es dem Bild eines Soldaten wohl zu entsprechen hatte. Nein, vielmehr wirkte er etwas überrumpelt und auch ein wenig hilflos, wenn nicht sogar tapsig. Ob die Götter wohl in diesem Moment über ihn schmunzelten, oder gar lachten? Immerhin bekam seine Ausrüstung immer mehr Beulen und Kratzer, ohne dabei jemals einem Kampfeinsatz ausgesetzt gewesen zu sein.


    Doch auch dieser Vorfall sollte sich nach wenigen Sekunden ordnen lassen. Scutum, Helm, Pilum und auch der Miles fanden wieder ihren ursprünglichen Halt zurück, Trotzdem hatten die Wangen des Iuliers eine gesunde Röte angenommen, die vielleicht nur zum Teil durch die Hitze der Sonne verursacht worden war.
    „Ich bin froh, dass dir nichts geschehen ist und..“
    Sein Satz wurde jäh unterbrochen, als er der Frau nachblickte, die fast einen erneuten Zusammenstoß provoziert hatte.
    „Rom ist eine sehr lebendige Stadt. Und in den Gassen ist Platz ein wahrer Luxus. Auf den großen Strassen ist es etwas besser als hier. Allerdings muss ich leider sagen, das auch dort die Leute nur wenig Rücksicht nehmen.“


    Er zögerte und lächelte einen Moment.
    „Rom ist nicht mit Tarraco zu vergleichen.“
    Er blickte kurz gen Himmel. Prüfte ob nicht doch das erheiterte Gesicht eines zuschauenden Gottes zu sehen war.
    „Ich bin selbst in Tarraco aufgewachsen. Die Weite der Felder, das beschauliche Leben dort, wirst du in Rom leider nicht finden. Dennoch hat diese Stadt so viel mehr zu bieten. Man muss nur wissen, wie man sich ihrer Eigenarten erwehren kann. Manches lernt man hier nur durch schmerzhafte Zusammenstöße, aber zum Glück ist weder dir noch mir etwas geschehen. Ich denke, wenigstens die größte Mittagshitze haben wir überstanden. Nun geht es wohl doch wieder etwas bergauf.“


    „Was führt dich den weiten Weg aus Hispanien nach Rom? Suchst du etwas Bestimmtes? Vielleicht kann ich dir wenigstens den richtigen Weg weisen.“


    Wäre Helena, seine Schwester, anwesend gewesen, hätte er wohl einen weiteren ihrer lieblichen Tritte vor sein Schienenbein bekommen. Doch da sie fehlte, „trat“ sein Sinn für Benehmen im übertragenem Sinne gegen das Schienenbein seines Bewusstseins.


    „Verzeih. Ich bin Miles Caius Iulus Constantius.“

    Leicht verengten sich die Augen des Miles Contantius, als der Ruf des Princeps Prior aus dem inneren des Gebäudes erschallte. Kurz darauf zeichneten sich ebenfalls nachdenkliche Falten auf seiner Stirn ab, als der zufällig eingetroffene Miles Cato, der nun einen Moment als dritte Wache an der Porta fungiert hatte, hinein gerufen wurde.


    Novatus seufzte leicht, als ihr zusätzlicher Wachposten verschwunden war.
    „Sie werden wohl nun mit den Ermittlungsarbeiten anfangen.“
    „Ich weiß immer noch nicht was hier eigentlich vorgefallen ist und warum wir diese Tür überhaupt bewachen sollen“, erwiderte Constantius mit einer von der Eintönigkeit des Wachdiensts gedrückten Stimme.
    „Warum wir diese Tür bewachen. Ist doch klar. Damit keine Mücken hinein kommen, während die Offiziere anwesend sind. Wir können es ihnen doch nicht zumuten, dass sie von derartigen Geschmeiß belästigt werden“
    Novatus, der Urheber jener Erklärung, hatte seine Worte mit einer derartigen Trockenheit und Kaltschnäuzigkeit vorgetragen, dass Constantius ihn mit großen Augen einen Moment lang anblickte. Unschlüssig darüber, ob sein Kamerad die Worte nicht vielleicht doch ernst gemeint haben könnte. Wenige Sekunden später, als er Klarheit über die Intention der Worte erreicht hatte, konnte er ein leises Lachen nicht unterdrücken. Beide Männer nahmen daraufhin eine fast merkwürdig vorschriftsmäßige Haltung an und bewachten weiterhin die Porta.

    „Es wmuß noch ein Vorlauf stattfinden, bevor es zum Finale kommt. Mit etwas Glück bekommen wir ein weiteres Gespann ins Finale. Es wäre jedenfalls sehr wünschenswert“, entgegnete er fröhlich auf ihre Frage hin und ließ seinen Blick abermals von der Rennbahn auf Minervina schweifen. Es erfreute ihn sichtlich zu sehen, dass ihr die Rennen ebenso gefiehlen wie ihm, als er den beeindruckenden Spielen in Rom das erste Mal beiwohnen durfte.


    Er musste sich einmal mehr unterbrechen, als er mit seienr Stimme nicht mehr gegen den Chor aus Siegesrufen ankam. Er überbrückte den Moment des unfreiwilligen Schweigens mit einem weiteren Lächeln.


    „Ich bin mir sicher, dass du den Göttern vorbildlich dienen wirst. Es ist eine besonder Ehre den Göttern so nah zu sein. Vielleicht wirst auch du mir etwas über deinen Dienst erzählen können, wenn ich dir dafür etwas über die Eierdiebe Roms erzähle. Vielleicht wirst du ja sogar einmal selbt Zeugin von einer der vielen Verfolgungsjagden, die mich auf meinen Patrouillen durch die Stadt erwarten. Aber mehr erzähle ich dir in der Casa.“


    Er ließ seinen Blick einen Moment auf ihr ruhen. Fast schien, als würden seine Worte sie in Gedanken versinken lassen. Hatte er vielleicht etwas Falsches gesagt? Bedrückte sie etwas? Aber dann war dort doch wieder der interessierte Glanz in ihren Augen. Ein Glanz der Constantius lächeln ließ. Einmal mehr lächeln ließ.

    Auf dem Weg in die Casa hatte sich Constantius vorzustellen versucht, wie es Livilla wohl gehen würde. Doch was er nun durch die sich langsam öffnende Tür zu Gesicht bekam, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen.


    Sie trug nicht mehr das erfreute Lächeln auf den Lippen, dass sie oft offenbart hatte, wenn er heim gekehrt war. Nein heute schien es ihr förmlich egal zu sein ihn zu sehen.


    Sorgenvoll blieb sein Blick auf Livilla gerichtet, als sie ihm Zutritt zu ihrem Zimmer gewährte.


    „Wenn du Petronius Mela meinst, ja er hat überlebt. Der Medicus der Cohortes urbanae versorgt ihn und er wird ein paar Tage im Lazarett in der Kaserne verbringen müssen. Er hat viel Blut verloren.“


    Dann hielt er kurz inne und gewährte sich einen Moment der Stille. Einen Moment, in dem er Livilla ebenso still betrachtete.


    „Und wenn du den Angreifer meinst, auch er lebt, doch sitzt er nun hinter Gittern. Bewacht von einer Cohorte Soldaten. Er wird dir nichts mehr tun können. Ihm wird seine gerechte Strafe zuteil werden.“


    Er ging einen kleinen Schritt auf sie zu und ließ seine Stimme weiche erklingen.


    „Wie fühlst du dich Livilla?“

    Eine Weile hatte er das Treiben in der Gasse schon beobachtet. Hatte mehr oder weniger auffällige Personen an ihm vorbei ziehen sehen. Die wenigen Passanten, die dem Miles einen Blick zuwarfen, schauten recht schnell wieder in die verschiedensten Richtungen, wenn ihr Blick durch den jungen, großgewachsenen Soldaten erwidert wurde.
    Was für ein Tag, die Hitze schien selbst den letzten Schatten aus der Stadt vertrieben zu haben. Zwar gewährte die Hauswand, an die Constantius lehnte, dem Miles eine kleine Verschnaufpause, da er sein Scutum gegen selbige lehnen konnte. Das die Wand ihm auch einen Teil der Last seines eigenen Körpergewichts abnahm, als er sich selbst dagegen lehnte, war ein mehr als willkommener Nebeneffekt.
    Und trotzdem, trieb ihm die Hitze kleine Schweißperlen auf die Stirn. Weshalb er sich auch daran machte, den unangenehm sitzenden Helm abzusetzen. Mit geübten Händen ergriff er den Helm, der die Hitze förmlich anzuziehen schien. Der Blick löste sich für einen Moment von der dahinströmenden Menschenmasse, weshalb er das folgende Ereignis auch nur aus den Augenwinkeln kommen sah.


    Es war kein wirklich schwerer Stoß, doch kam er unerwartet. So unerwartet, dass er erstaunt den Blick wieder anhob, nur den Schemen einer Gestalt auf sich zukommen sah. Um die Wucht des Aufpralls zu mildern, hob er die Hände an. Die Hände, die vorhin noch den sperrigen Helm gehalten hatten.


    Als der metallene Helm auf dem steinigen Boden aufprallte, gab dieser mit einem metallischen Scheppern seinen Unmut über diese unsanfte Behandlung bekannt, als Constantius die ebenso unsanft gestoßene Frau mit den nun freien Händen am straucheln hinderte.
    Erst als er sich sicher war, dass sie einen festen Stand wieder erlangt hatte, gab er sie wieder mit einem beruhigenden Lächeln frei.
    „Es ist ja nichts passierte.“, erwiderte er freundlich auf ihre unnötige Entschuldigung.


    „Ich..“,


    er bückte sich nach seinem Helm und wollte diesen gerade aufheben, als er durch eine ungeschickte Bewegung das an die Wand lehnende Scutum streifte. Und wie die Götter es an diesem Tag nun mal wollten, fiel auch der schwere Schild nun scheppernd zu Boden. Ein kurzes, verlegendes Lächeln zu der unbekannten Frau hinauf werfend, hob er zunächst das Scutum und dann seinen Helm wieder auf, um sich daraufhin auch selbst wieder zu erheben.


    „Ich..“, setze er seinen vorhin angefangenen Satz fort, „ich hoffe dir ist nichts geschehen?“

    Neptun schien Constantius nicht sonderlich gewogen zu sein an diesem Tag. Denn Helenas Antwort hatte seinem Schiff der Nachforschungen recht plötzlich den Wind aus den Segeln genommen. Scheinbar gab es nichts Verdächtiges bei dieser Begegnung. Nichts war außergewöhnlich und doch passten seine Blicke nicht in das Bild. Es waren nicht die Blicke eines Mannes, der nur eine einfache Diskussion mit Helena geführt hatte. Aber auch waren sie nicht von der lüsternen Art und Weise, wie so so mancher anderer Besucher hier in diesen Hallen schon offenbart hatte.
    Sie wirkten auf eine merkwürdige Art und Weise vertraut. Constantius gesamter Geist schien sich auf dieses Detail zu konzentrieren, dass nicht in das perfekte, unauffällige Bild passen wollte.


    „Der Ianusbogen. Ja ein besonderer Ort. Ich gehe oft daran vorbei während meiner Patrouillen. Wahrlich ein Ort an dem Mann und Frau über die Vergangenheit nachdenken können.“
    Sein Blick wanderte nicht bewusst zu Helena, und dennoch traf sie ein musternder Blick des jüngeren Bruders.


    „Ich halte oft dort inne und beobachte die Menschen, die dort um Schutz und Beistand bitten.“
    Es sollte diesmal keine weitere Frage seinerseits erfolgen. In Gedanken lauschte er einen Moment dem Gespräch der beiden. Er musste wahrlich nicht die meisterhafte Gabe der Kombination besitzen, um sich vorstellen zu können, welcher Grund Helena wohl zum Ianusbogen geführt hatte. Nur ein Thema der Vergangenheit konnte es sein.


    Kleine Falten bildeten sich allerdings auf der Stirn des Iuliers, als der Tribun einen Sohn erwähnte. Also doch, er schien verheiratet zu sein. Vielleicht bestünde ja doch kein Grund für Bedenken. Oder war es gerade ein Grund wachsam zu sein? Einen verheirateten Mann hatte noch nie eine Frau von gewissen Dingen abgehalten, wenn sie nicht zugegen war. Doch, sein Gefühl mochte ihn täuschen, dieser Tribun erweckte nicht den Eindruck eines untreuen Mannes.

    Erleichtert lachte Constantius auf. Sie schien ebenfalls vom Verlauf des Rennens gefesselt und in dessen Bann gezogen worden zu sein. Es gefiel ihm, wie sie in den Chor aus einheitlichen Jubelschreien einstimmte.
    „Jetzt müssen wir nur noch das Finale gewinnen und diese Rennen werden ein großes Fest für die Veneta. Ich möchte gar nicht wissen was für Siegesfeiern dann abgehalten werden.“


    Er spürte, als er vernahm wie sie ihre Beziehung zur Gens Tiberia erklären wollte, dass er eindeutig gescheitert war, seine Bedenken bezüglich der Begegnung mit einer Patrizierfamilie zu verbergen. Aber was sollte schon passieren. War nicht vor kurzen ein Tiberier zu Gast in der Casa der Iulier gewesen? Ein Tribun war er…doch sein Name? Sein name…wieso vergaß er nur so schnell wieder Namen. Hätte man ihn gebeten das Gesicht des Mannes aufzuzeichnen, hätte er keine Sekunde gezögert, doch an einfachen Namen konnte er sich nicht erinnern. „Oh ihr Götter, welch Streiche spielt ihr mir“, klagte er in Gedanken sein Leid und lächelt nun offenherzig zu Minervina.


    Ich werde gegen Mittag einen Sklaven beauftragen dich zur Casa Iulia zu eskortieren. Sollte jedoch deine Tante bedenken haben, ist jede Begleitung, die dir an die Seite gestellt werden sollte, ebenfalls in unserer Casa willkommen.


    Anerkennend neigte er sein Haupt. „Du dienst den Göttern. Eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Dann will ich dir gerne davon berichten, wie ich den ganzen Tag über Eierdiebe auf dem Markt verfolge und hier und dort mal für Ruhe auf den Straßen sorge.“
    Seine Worte endeten wieder ein einem ihm so eigenen Lächeln, das wieder seine Lippen zierte.

    Das Licht, dass mühsam durch den schmalen Türspalt fiehl, sollte nicht völlig ausreichen, um das Gesicht Constantius vollständig ausleuchten zu können. Doch reichte es seine Gesichtzüge, die vorhin noch im Zwielicht verborgen waren, vertraut, erkennbar werden zu lassen. Vielleicht konnte man sogar ein schwaches, mitfühlendes Lächeln auf seinem Gesicht erkennen.


    Mit ruhiger Stimme antwortete er auf ihre ängstliche Frage.


    „Ja ich bin es Livilla. Habe keine Angst. Dir kann nichts mehr passieren.
    Wie fühlst du dich? Darf ich einen Moment eintreten?“

    Die Antwort seiner Schwester überraschte ihn keineswegs. Er glaubte selbst kaum daran, dass er trotz seiner Müdigkeit noch etwas Schlaf finden würde, auch wenn er in wenigen Stunden bereits auf dem Apellplatz wieder antreten werden müsste. Aus matten Augen glitt sein Blick musternd über das Antlitz seiner Schwester. Sie wirkte Müde und nicht minder erschüttert. Hätte er diesem Kerl doch nur den Hals gebrochen, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte…
    Trotz der schweren Gedanken entbehrte seine Stimme weitesgehend ihrer Härte.


    „Ich werde nach ihr sehen, Helena.“, er kämpfte sich ein leichtes Lächeln ab.
    „Versuch noch etwas Schlaf zu finden. Du wirst morgen einen weiteren anstrengenden Tag haben und brauchst deine Kraft.“


    Er machte einen Schritt auf sie zu, legte kurz seine freie rechte Hand auf ihre Schulter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre Wange.
    „Heute Nacht wird niemanden mehr etwas geschehen. Leg dich zur Ruhe, Helena. Ich werde später in meinem cubiculum sein.“


    Er wusste, dass seine Schwester stark war und fügte nicht an, dass sie ihn jederzeit würde aufsuchen können, sollte sie etwas bedrücken. Doch ebenso wie er wusste, dass es sich bei seiner Schwester um eine starke Frau handelte, vertraute er darauf, dass sie auch ohne Worte wusste, dass sie jederzeit zu ihm kommen könnte.


    Das Gladius an seiner linken Hüfte gab bei jedem weiteren Schritt ein leises aber beständiges Klappern von sich, als er schließlich weiter auf die Tür zu Livillas Zimmer zu ging.


    Vorsichtig klopft er an die hölzerne Tür.


    „Livilla. Ich bin es, Caius. Darf ich eintreten?“

    „Bleibst du wohl stehen du kleiner Eierdieb!“, ertönte laut die Stimme eines Miles in der Ferne. Der Arme Soldat, als wäre es in der Hitze des Tages nicht schon anstrengend genug, in eine schwere Rüstung gekleidet, einen unbequemen Helm tragend und in der einen Hhnd ein Scutum und in der anderen ein Pilum haltend über einen dicht besuchten Markt zu patrouillieren. Nein jetzt hieß es auch noch in der gleichen Hitze, mit demselben Gepäck auch noch einen Dieb hinterher zu rennen.
    Und der flinke, kleine Dieb hatte nicht einmal Mitleid mit dem armen Soldaten. Denn er blieb trotz wiederholter Aufforderung nicht stehen, sondern schlängelte sich gekonnt durch die gaffenden Zuschauer.
    Römer auf dem Markt, die ein Verbrechen beobachten, bewegten sich zäher als der klebrigste Honig aus Germanien. Scheinbar gereichte dies dem Dieb zum Vorteil und dem Soldaten zum Nachteil. Immer wieder stieß dieser mit seiner sperrigen Ausrüstung vor erstaunte, menschliche, unbewegliche Hindernisse.


    Noch lange sollte diese Verfolgungsjagd dauern, doch viel eher verbarg die große Menschenwesen das Ereignis wieder und vor allem dessen Ausgang.

    Der Zorn des Iuliers über den Frevel, den Tempel der Venus einreißen zu wollen, war mehr als offensichtlich. Doch gerade als er zu einer weiteren Antwort ansetzen wollte, vernahm er Nepos Stimme, hielt mit seiner Antwort inne.


    Zunächst schien der Zorn auf seinem Gesicht nicht weichen zu wollen. Vermutete er doch, dass der gute Felix zurückgekehrt sei und nun das Gespräch durch Altkluge Kommentare würde bereichern wollen.


    Doch welch Glück. Es war nicht Felix. Es war Miles Nepos. Hatte Venus selbst den Zorn des Iuliers vernommen und gewährte ihm als Belohnung einen Moment der Erholung von seinem geschwätzigen Kameraden Felix? Was immer der Grund für die Anwesenheit Nepos war, er dankte still den Göttern dafür.

    „Keine Probleme Kamerad Nepos. Dieser Bürger hier..“, kurz stockte Constantius und blickte zu dem Sergier. Erstaunlicherweise hatte er noch nicht einmal nach dem Namen des Mannes während des ganzen Gesprächs erfragt.


    „…dieser Bürger war etwas in Gedanken. Wir haben uns etwas unterhalten. Sagt Nepos. Hast du von dem Gott Mythras gehört?“

    Der tägliche Patrouillendienst hatte inzwischen die Augen des jungen Iuliers geschult. Hatte ihm gelehrt, welche Leute es aufgrund eines starken Drangs zu Unauffälligkeit zu beobachten galt. Ebenso war es inzwischen leicht geworden jene Besucher der ewigen Stadt Rom zu erkennen, die die Stadt zum ersten Mal besuchten. Dabei war es nicht der sprichwörtlich offene Mund, mit dem sie durch die Gassen gingen, der sie entlarvte. Vielmehr war es ihre Art sich zu Bewegen. Ihnen fehlte es an dem geübten hastigen Schritt, der zum einen dem umher liegenden Unrat auswich und gleichzeitig sich schnell durch überfüllte Gassen schlängelte.
    „Ob er wohl vor wenigen Wochen selbst noch so auffällig durch die Gassen Roms geschlendert war“, durchfuhr ein Gedanke seinen Geist, als er eine junge Frau beobachtete, die nicht unweit von ihm die Gasse hinauf kam.
    Es war wieder einer dieser heißen Tage. Ein Tag, an dem das Tragen der Rüstung, des Scutums und des Pilums zu Qual wurde. Es war also nicht verwunderlich, dass auch heute der Miles eine kleine Pause eingelegt hatte, sich an eine nahe Hauswand lehnte und den Strom der Menschen beobachtete.

    Die Schritte waren schwer. Der Körper entkräftet.
    Die Müdigkeit stand dem jungen Mann förmlich ins Gesicht geschrieben, als er die Stufen hinaufstieg, die zu dem Flur führten, an dessem Ende sein eigenes Cubiculum lag. Ein kleiner Raum, der alleine ihm gehörte und wie ein ein sicherer Hafen in der rauen See der täglichen Uwägbarkeiten erschien. Manchmal spielte Constantius mit dem Gedanken, den Raum eine Weile nicht mehr zu verlassen, doch die Pflicht rief ihn jeden Tag aufs neue in das raue Leben zurück.
    An heutigen Abend - oder war es schon eher der nächste Morgen- wollte er jedoch vorher nach Livilla sehen. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn würde sehen wollen. So angstvoll hatte sie ihn wenige Stunden zuvor noch angesehen. Doch es war dem Iulier ein inneres Bedürfnis sich ein Bild über ihren gegenwärtigen Zustand zu machen.


    Kam er sonst in ziviler kleidung heim, sollte er heute immer noch seine Uniform tragen. Selbst den Waffengurt hatte er heute nicht abgelegt. Im Zwielicht, das im Flur vorherrschte, war zum Glück nicht der Dreck zu erkennen, der die Uniform unschön verunstaltete.
    Er ging ruhigen Schrittes den Flur entlang, auf das cubiculum seiner Cousine zu, als eine Stimme ihn aus seinen Gedanken riß. Nicht weit entfernt erkannte er die vertraute Silhouette seiner Schwester.


    „Ja Helena. Ich bin es. Wie geht es ihr?“

    Jubelnd riß Constantius die Arme empor, als Diocles als Erster die Ziellinie überfuhr.
    „VENETA VICTRIX!“, rief er erfreut aus und blickte etwas verlegen zu seiner Seite, als ihm bewusst wurde, dass er seine Gesprächspartnerin durch seinen kleinen Jubelschrei recht unhöflich behandelt hatte.


    „Verzeih mir, ich..“
    Es war gar nicht so einfach einen entschuldigenden Grund zu finden, wenn es keinen gab.
    „Wir haben gesiegt..also die Venata meine ich!“
    Auch wenn seine Worte keinerlei entschludigenden Grund lieferten , so bedachte er Minervina mit einem vorsichtigen Lächeln.


    „Natürlich werde ich dir gerne etwas über die Cohortes Urbanae erzählen. Aber ich fürchte die Geschichten eines einfachen Miles werden nicht sonderlich spannend sein.
    Ich denke Iulia Helena und Iulia Livilla werden dir schönere Sachen erzählen können.“


    Sein Lächeln wurde etwas schmaler, doch verschwand es nicht völlig, als er den tiberischen Namen vernahm. Er nickt nun etwas ernster. Dort war es wieder, jenes beklemmende Gefühl, wenn er es mit einer Patrizierfamilie zu tun bekam.


    „Sicherlich ist die Gens Tiberia in Rom bekannt. Und den Landsitzt zu finden, wird für unseren Sklaven kein Problem darstellen. Ich werde ihn selbst instruieren, so dass er dich abholt, wenn deine Tante zustimmt.


    Das Lächeln gewann wieder an Stärke, als er schmunzelnd anfügte.
    "Oh doch. Anschleichen kann man sich in meiner Rüstung nicht. Jeder Straßendieb weiß bereits, dass ich nahe, noch bevor ich die Kaserne verlassen habe"

    Munter verfolgte Constantius das Gespräch. Es war ein gutes Gefühl in der Runde mit den anderen männlichen Gästen zu stehen. Fast fühlte es sich so an, als würde er dazu gehören. Schmunzelnd hob er auch auf Corvinus Worte noch mal den Weinkelch an.


    „Auf die Veneta und die Russata. Auf das die Russata einen ehrenvollen zweiten Platz hinter der Veneta belegt.“

    Wenige Sekunden später, sollte auch Constantius seinen Weg ins Atrium finden. Aich wenn sein Blick zunächst musternd über die Anwesenden strich, war sein Gesicht von einem warmen Lächeln geziert. Ruhig durchschritt er das Atrium und stellte sich an die seite Helenas.
    Mit freundlicher Stimme begrüßte nun auch er die Gäste.


    „Willkommen in der Casa Iulia. Es ist mir eine besondere Freude euch hier ebenfalls begrüßen zu dürfen.“