Lando kam nicht umhin, zu lächeln, als seine Frau in die politischen Phrasen ihres Onkels verfiel, die er nur allzu oft auf Things zu hören bekam. Und es wunderte ihn, dass sie sich überhaupt dafür interessierte. Er war nicht negativ überrascht... eher positiv, und dennoch. Irgendwie hätte er das nicht erwartet, und war schon ein klein wenig Stolz, eine so engagiert denkende Frau zur Seite zu haben. Anscheinend zog er das irgendwie an. Lando ließ ihre Rede unkommentiert, nahm sie an der Hand, und setzte ihren Spaziergang durch die Stadt langsam in Richtung Süden fort, an der Porta Praetoria des Lagers vorbei, in das stetig Handelswillige, Soldaten und Handwerker ein und ausgingen, aber auch Bittsteller und Konkubinen für die Offiziere. Am Tor bogen sie nach links, auf die Via Praetoria, und kamen damit in das teuerste Wohnviertel der Stadt, in der die Casae und Domi vieler reicher Familien standen, und durch ihre schiere Größe beeindruckten. Manche Gebäude, wie die Casa Germanica, waren so groß wie eine komplette Insula, beherbergten aber nur eine Familie, wie Lando seiner Frau nebenbei erzählte.
"Ja, ich kann lesen..", antworte er dann auf ihre Frage, die ihn schon irgendwie amüsierte. Er wäre wohl kaum so weit gekommen, ohne dass er das Lesen gelernt hätte. "Ja, die römischen Zeichen. Die Runen machen mir noch gehörig Probleme, weil die Stämme sich alles andere als einig sind, was jetzt was bedeuten soll... es dauert immer einige Stunden, bis ich heraus habe was mir eine Botschaft eigentlich sagen will, die in Runen geschrieben wurde. Und auch das Latein hat mich echt schwitzen machen.. ich hab Jahre dafür gebraucht, und es ist immernoch alles andere als perfekt. Aber ich kann dir keine Hoffnung machen, wenn du es nicht lernen willst. Bei den Römern geht fast nichts ohne die Schrift. Also, natürlich wird noch viel über mündliche Arbeit geleistet, besonders im Handel. Aber in den offiziellen Amtswegen geht absolut NICHTS ohne Schriftstücke. Daher wirst du es früher oder später lernen müssen... es geht es besser, wenn man Sprache und Schrift gleichzeitig lernt. Ich hab es auch geschafft, und ich bin alles andere als ein Intelligenzbolzen."
Sie wanderte die Via Praetoria weiter gen Osten, und kamen schließlich an der großen Kreuzung an, an der sich die Straße mit der Via Borbetomagna kreuzte. Die Taberna stand hier, und man konnte sehen, dass sie um diese Uhrzeit eher spärlich besucht war, weil die meisten Leute halt noch ihrer Tagesarbeit nachgingen. Um die Mittagszeit würde sie wieder gefüllt sein, wenn die meisten, die sich keine Küche in ihrem Heim leisten konnten oder wollten hier ihr Mittagsmahl einnehmen würden.
"Das ist die Taberna Silva Nigra, benannt nach den dunklen Wäldern, die rechts des Rhenus auf die warten, die sich hereinwagen. Es ist die älteste Taberna in der Stadt, und wird seit einigen Jahren von meiner Familie geführt. Offiziell gehört sie Dagmar, deren Finanzen ich hier in Mogontiacum regele, aber geführt wird sie schon seit einiger Zeit von mir. Wir können heute Abend dort essen gehen, wenn du möchtest, ich denke die anderen werden es uns verzeihen, wenn wir dem Mahl einen Abend lang fortbleiben. Also, die Taberna ist wie du siehst ein sehr römischer Bau. Das lag einfach daran, dass man sie vor einigen Jahren vollkommen heruntergebrannt ist, und man sie schnell wieder aufbauen wollte. Sie war bis zu dem Zeitpunkt in Stadtbesitz, und wurde von uns, beziehungsweise Farold, nur gepachtet.", er hielt inne, und überlegte sich, ob der das Prinzip der Pacht erklären sollte, "Also, die Pacht funktioniert so: du hast ein Grundstück oder ein Haus, und hast nicht die Zeit oder den Nerv es selbst zu bewirtschaften. Also verpachtest du es. Dein Pächter gibt dir für einen bestimmten Zeitraum Geld dafür, dass er dein Land oder dein Gebäude benutzen darf, und er erwirtschaftet damit halt einen Ertrag, der höher ist als die eigentliche Pacht. Damit macht er im besten Falle einen Gewinn, der ihm ein angenehmes Leben ermöglicht, im Normalfall reicht es allerdings für den Lebensunterhalt. Sonst würde es sich nicht lohnen... verstehst du? Die Stadt hat das Gebäude an uns verpachtet, wir haben mit der Taberna gutes Geld gemacht, und irgendwann hatten wir genug Geld zusammen, um das Grundstück und das Haus der Stadt abzukaufen. Natürlich zu einem gewissen Preis, wir hatten da Kontakte..."
Er lächelte, während sie langsam weitergingen. Er hatte das Geschäft damals mit Harlif klargemacht, der zu der Zeit Duumvir der Stadt war. Vitamin B war teilweise doch unbezahlbar...