Beiträge von Iulia Livilla

    Schon fast hatte Milius uns erreicht. Und jetzt konnte er erst richtig verstehen, weshalb Constantius ihm diese Aufgabe mehr als deutlich machte. Das ich eilige meinen Weg fortsetzte und ihn gar nicht wahrnahm konnte er noch verstehen, doch das ich umkehrte und erneut zu dem Caecilier lief, schien er einfach nicht zu dulden. Sein Kopf lief vor Wut rot an, als er dich hinter mir stehen blieb. „Herrin, dir fehlt es an Gehorsam. Meine Pflicht ist es dich sicher an dein Ziel zu bringen und so dulde ich es nicht, dass ein Jüngling, mich von dieser Aufgabe abhält.“ Erst als Milius begann seine überaus wüsten Worte loszuwerden, drehte ich mich zu ihm um. Mein Blick wurde ernster, doch nicht auf Grund Milius Worten, er wollte nur seine Aufgabe erfüllen. Doch genau jener Ehrgeiz erinnerte mich an Hispania, als Constantius und ich so manchen Predigten über Anstand und Vernunft über uns ergehen lassen mussten. Und schon damals brachte mich das zur Weißglut.


    Viele Jahre waren seither vergangen, in denen ich vernünftiger geworden war, das hoffte ich wenigstens. Und in der Öffentlichkeit war es besser bei so manchem Befehlen nachzugeben und ihnen zu gehorchen. Milius hatte sicherlich einen Fehler gegangen, doch versuchte ich zu beiden gerecht zu werden, vor allem da Fabricianus meine Entschuldigung annahm. Bei seinen Worten stutze ich, er hatte es also bemerkt, das ich sehr abweisend zu ihm war und erneut regte sich eine Wut in mir, das ich meine Gefühle so offen zur Schau stellte. Ohne weiter auf Milius Geschwätz zu achten, wandte ich mich wieder zu Fabricianus. „Du musst dich nicht bei mir entschuldigen, denn ich habe zu voreilige Schlüsse gezogen und dich dadurch in ein falsches Licht gestellt.“ Kurz sah ich zu Milius, der ungeduldig hinter mir stand, so unruhig, das es fast so aussah, als würde er mich von ihm wegzerren wollen. „Ich sollte jetzt besser gehen, mein Begleiter scheint es nicht zu dulden, das ich mich mit dir so lange unterhalte.“ Die letzten Worte klangen hart und Milius wusste genau, dass sie ihm galten. Noch einmal strich ich über Sacomos glänzenden Hals und zum Abschied schenkte ich Fabricianus ein weiteres sehr schwaches Lächeln, das gar nichts mehr von dem in Germania hatte, nicht mehr diese Lebensfreude ausstrahlte. Herkömmlich, wenn es das überhaupt noch war. „Milius?“ Seine Aufmerksamkeit musste ich gar nicht mehr auf mich lenken, denn er studierte jedes Wort das ich an den jungen Mann gerichtet hatte. Immer noch zornig wartete er darauf dass ich weiter ging, erst dann folgte er mir.

    Milius beobachtete aufmerksam das Geschehen, jede Bewegung die Fabricianus tätigte. Er schein es endlich begriffen zu haben, dass er es nicht duldete seine Herrin weiterhin zu belästigen. Das Milius dabei die Grenzen schon weit überschritten hatte, wie er mit Fabriciauns umging, war mir nicht entgangen. Einerseits faszinierte mich es, wie streng er sich an seine Anweisungen hielt, andererseits würde Fabricianus sicherlich ein falsches Bild von mir haben. Aber immer war ein Gefühl gegenwärtig, das mich zurückhielt, es einfach nicht zuließ mich wieder an ihn zu wenden. Es gab eine Zeit, vor jenen Abend, da hätte ich aus Trotz zu Milius, dieses Gespräch nicht beendet.


    Milius erkannte, dass sich der Caecilier zurückzog, so wendete er sich ebenso um und setzte unseren Weg schon fort. Er bemerkte es gar nicht wie ich zögerte und mich noch einmal zu Fabricianus umsah. Vielleicht hatte ich ihn gekränkt, vielleicht sogar erzürnt und dies würde dazu folgen das er schlecht von unserer Familie sprechen würde. Es waren doch nur Worte, einfach förmliche Worte, die ich mit ihm wechselte, keine Berührungen. Und wenn ich doch etwas anderes in ihn weckte würde, so unbewusst, wie bei Secundus Mela? Immerhin waren seine Blickte die er mir schenkte sehr auffallend gewesen. Vielleicht sollte mir gerade das egal sein. Ohne auf Milius zu achten ging ich in die Richtgung, die Fabricianus wählte und meine Schritte wurden schneller, und so begann ich sogar zu laufen. Nur eine höfliche Verabschiedung, mehr verlangte ich gar nicht von mir.


    Endlich hatte ich ihn eingeholt, denn Sacomo hatte es wirklich eilig. Keuchend, durch den kurzen Lauf wandte ich mich erneut ihm zu. „Marcus Caecilius Fabricianus, du hast es sicherlich nur gut gemeint. Verzeih mir meine Unhöflichkeit und die meines Sklaven, er wollte mich nur beschützen.“ Zufrieden, dass ich diese Entscheidung gewählt hatte, erschien sogar ein leichtes Lächeln auf meinem Gesicht.


    Doch auch Milius war meine Rückkehr nicht entgangen. Er ballte die Hand vor Wut, als er sah, dass ich umkehrte und stürmte sogleich auf uns zu.

    Sofort als ich mich wieder der Obhut von Milius befand füllte ich mich eigenartiger Weise sicherer und der Sklave grinste mir zufrieden entgegen. Er schwieg, doch es waren auch keine Worte nötig, sein Grinsen machte deutlich, was er eben dachte. Obwohl ihm am Anfang seine Aufgabe nicht sehr gefiel, schien er jetzt sehr überrascht zu sein, dass ich auf ihn horchte, wenn es darauf ankam. Ohne daran einen Gedanken zu verschwenden, dass ich eigentlich aus freien Stücken zu ihm gegangen war.


    Das Sacomo uns verfolgte entging uns beiden, denn erst als er meinen Rücken sanft stupste, wendete sich Milius blitzschnell um und betrachtete wütend Fabricianus. Leicht zusammen zuckend drehte ich mich um und strich Sacomo sanft über seine Stirn. Doch sogleich suchte ich auch seinem Herren. Milius hingegen, nahm diesen Vorfall nicht so leicht hin und als er Fabricianus neben Sacomo entdeckte brüllte er ihn schon an. „Bist du nicht fähig dein Pferd zurückzuhalten?“ Ernst betrachtete ich nun auch Milius wütende Miene. Meine Hand verlies langsam die Stirn des Hengstes und mein Blick galt nun Fabricianus. „Das ist aber nicht der Weg hinaus aus der Stadt.“ So höfliche meine Stimme auch klang, die Freundlichkeit die ich bei der Ankunft in Roma hatte, war nicht mehr heraus zuhören.


    Vielleicht verfolgte er mich? Ich glaubte nicht daran, dass es unabsichtlich geschah, das er Sacomo nicht mehr halten konnte, vor allem da er ihm heute schon einmal durchgegangen war. Wollte er mich einfach nicht gehen lassen? Er selbst hatte behauptet, das Sacomo mich mag, weshalb sollte er nicht diese Möglichkeit nutzen, mit seiner Hilfe, das Treffen doch noch hinauszuzögern. Und genau dasselbe schien Milius auch zu denken, denn sein Blick war finsterer als zuvor. Wahrscheinlich käme jetzt eine nächste Entschuldigung, die er damit begründete, dass er vielleicht abermals etwas durcheinander war. Obwohl ich meine Augen kaum von dem wunderschönen Hengst wenden konnte, blickte ich dennoch immer wieder flüchtig zu Fabricianus.

    Milius Blick verfinsterte sich, Constantius hatte ihn anscheinend davor aufgeklärt, das er mit einem sehr wachsamen Auge auf mich achten sollte. Dennoch hatte er es Milius mit bedacht anvertraut, Einzelheiten ausgelassen, die einen Sklaven nichts angingen. Die Frage was genau vorfiel, stellte sich Milius sicherlich, aber er viel zu klug, kein Wort über dieses Thema zu verschwenden. Dennoch fand er, dass jetzt der geeignete Moment war, zu verhindern, dass sich das Gespräch zwischen mir und Fabricianus unnötig verlängerte. Nur das Wort „Herrin?“ gilt über seine Lippen, dafür aber recht deutlich, so dass ich meinen Blick sofort auf ihn richtete. Seine Anmerkung hatte anscheinend genau diese Bedeutung mich doch bitte kurz mit ihm zu unterhalten und meinen Weg fortzusetzen. Milius konnte sich zwar ein bisschen genaueres Bild von den Namen Caecilia machen, doch hielt er es besser, das Zusammentreffen zwischen uns, gleich wieder aufzulösen, nachdem was geschehen war.


    Ich glaubte schon Milius könnte meine Gedanken lesen, denn ich spürte förmlich Fabricianus Blicke hinter meinen Rücken und sie gefielen mir ganz und gar nicht. Eben wollte ich ihm antworten und wendtete mich wieder im zu, so dass sich unsere Augen wieder trafen. Es ware nicht derselbe Blick wie mich Secundus ansah, doch er ähnelte diesen sehr in seiner Art und Weise. Ich fragte mich, was er in meinen Augen wohl suchte, blickte er nur kurz an mir vorbei, doch dann war sein Blick schon erneut auf mich gerichtet.


    „Nein, ich denke es war reines Glück, das er vor mir halt machte. Jedes Pferd kann durchgehen, so sehr es seinen Herren auch vertraut. Sacomo kennt mich überhaupt nicht, uns verbindet nichts. Oder er wollte dich nur darauf hinweisen, das es ihm nicht zu schnell ging, bevor er endlich zu seinem verdienten langen Ausritt kommt.“ Noch ein letztes Mal strich ich Sacomo über seine Nüstern, zum Abschied, denn darauf hin ging ich Milius, der immer ungeduldiger wurde, entgegen.


    Ein erleichtertes Grinsen war auf sein Gesicht nun deutlich zu erkennen. Anscheinend war er Stolz auf sich, da er seine Sache gut gemacht und auch sein Ziel erreicht hatte. Es glich mehr einer Flucht, als ich mich Milius näherte. Für mich gab es keinen Grund das Gespräch fortzusetzen, nicht jetzt, nicht mit einem Fremden, von dem ich nur seinen Namen kannte und noch weniger einschätzen konnte als Milius. „Erfüll ihm doch diesen Wunsch, Marcus Caecilius Fabricianus.“ Entgegnete ich ihm, ohne mich höflicher Weise umzudrehen. Kaltherzig war unsere Begegnung und vielleicht hätte er sich auch mehr erhofft, doch unhöflich kam ich mir dabei nicht vor.

    Langsam lies ich meine Hand sinken, als der junge Mann sich näherte. Er musste der Besitzer dieses prachtvollen Hengstes sein, denn mir entging nicht das er nach Luft rang, anscheinend als er versucht hatte seinen Ausreißer wieder einzufangen. Abermals ging ich einen Schritt zurück, aber dieses Mal nicht wegen dem Pferd sondern wegen ihm. Ernst musterte ich ihn. Dabei glitt eine Hand unsicher über meine Tunika um sie wieder zu korrigieren, ohne das ich meinen Blick von ihm löste. „Ja, er hat mich erschreckt, aber er hat mir kein Leid zugefügt.“ Antwortete ich ihm höflich, doch in meiner Stimme war eine weniger geringe Unsicherheit zu hören, ja sogar fast verängstigt, klang sie.


    Reflexartig wendete ich meinen Blick von dem Fremden auf Milius, der nun zu mir eilte um wohl dieselbe Frage zu stellen. Und sah ich wieder zu dem jungen Mann trafen sich unsere Blicke und sein Lächeln, löste erneut eine leichte Nervosität aus. Ich konnte ihm nicht lange in die Augen sehen, meiner Konzentration galt viel mehr seinen Bewegungen und Tätigkeiten, die er ausübte. „Vielleicht hat ihn etwas erschreckt, ein Geräusch, eine Bewegung. Viele Pferde sind es nicht gewohnt durch Menschenmasse geführt und einem solchen Lärm ausgesetzt zu werden.“ Folgende Worte waren nun klarer und schon selbstbewusster, doch eine eindeutige Unsicherheit war immer noch zu erkennen.


    Das die Menge wieder in Bewegung kam, tat zusätzlich gut, stockte sie, hieß das in Roma meistens nichts Gutes. Der Hengst schien sich durch die Berührungen seines Herren, sich einigermaßen beruhigt zu haben. Hätte Sacomo seinen Kopf nicht näher zu mir gesenkt, wäre ich wohl noch einen Schritt zurückgegangen. Doch bevor ich mich wieder dem Hengst widmen konnte, stellte sich heraus, das der Fremde Marcus Caecilius Fabricianus hieß. Nachdenklich blickte ich nun wieder zu Fabricianus, während Sacomos Kopf meine Hand berührte, eine erneute Aufforderung, ihn doch endlich zu streicheln.


    „Caecilius Fabricianus.“, wiederholte ich langsam. „Ich bin Iulia Livilla. Du warst durcheinander, dann hat dich Sacomo durch seine Tat bestimmt wieder aufgerüttelt.“ Immer noch klang meine Stimme unsicher,doch endlich erfüllte ich Sacomos Wunsch und strich ihm sanft über seine Nüstern.

    Obwohl Milius meine Worte gleichgültig aufnahm, schien nun eine leichte Wut in ihm aufzukommen. So nahm er meine eiligen Schritte als Herausforderung an und wich mir nicht mehr von der Seite. Auf Grund meines Zornes würdigte ich ihn keines Blickes. Obwohl es ungerecht war, da er sich Constantius Aufgabe mich zu begleiten sicherlich leichter vorgestellt haben musste.


    Die frische Brise des Morgens blies mir ins Gesicht, ein wohltuendes Gefühl und erneut verband ich es mit dem Gefühl der Reinheit, der Morgen war so unberührt, als wäre nichts geschehen. Unerwartet schnell blickte ich zu Milius. Konnte ich ihm überhaupt vertrauen? Zwar sah ich den Sklaven desöfteren in der Casa Iulia, doch kannte ich weder seine Vergangenheit, noch seinen Charakter. Und vor allem wer war ich ihn seinen Augen? Schnell verschwand dieser unsinniger Gedanke aus meinen Kopf, denn Constantius und Helena hatten ihn ausgewählt und sie schienen ihn sehr zu schätzen und gut zu kennen, so das er überhaupt in Frage kam, mich begleiten zu dürfen. Erleichterung war dennoch deutlich auf meinen Gesicht zu erkennen, denn das Gefühl der Sicherheit entflammte erneut.


    Das Klappern der Hufe auf den Boden Roms war mir fast ergangen. Milius hingegen sah hin und her, um den Grund zu erfahren, weshalb Menschen aufschrieen. Eben schaffte es eine Bürgerin noch ihr Kind aus der Laufbahn des Pferdes zu zerren, schon blieb der Hengst wild schnaubend vor mir stehen. Erschrocken richtete ich meinen Blick dem Hengst zu und trat auch sofort einen Schritt zurück. Mein Herz klopfte wie wild, doch verstand ich nicht recht, weshalb dieses herrliche Tier direkt vor mir zum stehen kam. Wie Milius sah ich mich um, auf der Suche nach seinem Herren. Niemand war zu sehen, doch die wilden ungehorsamen Augen des Hengstes zogen mich förmlich an und ich ging einen Schritt auf ihn zu. Milius schien seinen Augen nicht trauen zu können und rief mir verzweifelt zu, umzukehren.


    Langsam streckte ich meine Hand in Richtung des Pferdes, der Hengst immer noch sehr unruhig war, doch seinen Kopf hielt er nun still. „Du bist so wunderschön!“ flüsterte ich leise dem Hengst entgegen. Eben wollte ich ihn berühren, als ich auf einen jungen Mann hinter dem Hengst aufmerksam wurde.

    Milius, der Sklave der mich begleitete begann zu laufen um mich einzuholen. Er war nicht auf diese Geschwindigkeit vorbereitet. Es war lästig das er mir folgte, doch achtete ich kaum auf ihn, auch als er nach mir rufte und mich fragte, weshalb ich es so eilig hatte.

    "Weshalb begleitest du mich dann, wenn es dir zu schnell ist." So hart meine Stimme auch klang, Milius sah in mir nur eine junge Frau, die in seinen Augen sehr zerbrechlich wirkte und daher nahm er meine Worte auch nicht als Beleidigung auf. Anscheinend könnte ich ihn die ganze Zeit beschimpfen und ihm wäre es egal, denn Helena oder Constantius musste ihm die konkrete Anweisung gegeben haben, mich auf keinen Fall aus den Augen zu lassen. Und diese Kenntnis, dass er mein Aufpasser war und alles und jeden kontrollieren würde, mit dem ich ein Wort wechselte oder nur ansah, gefiel mir gar nicht. Vielleicht war es Trotz oder ich war es einfach nicht gewohnt, den Grund für diesen leichten Zorn, war mir ein Rätsel.

    So blieb ich am Ende einer Gasse stehen, Milius war wohl nicht darauf gefasst gewesen und konnte gerade noch hinter mir zum Stehen kommen. Nicht lange musste ich überlegen, welche Richtung wir nun gestern genommen hatten und so ging ich zügig weiter. Vielleicht sollte ich selbst meinen Vater einen Brief schreiben, so das keine Missverstände entstehen konnten. Ich musste es tun, es war meine Pflicht, selbst bei ihm um Vergebung zu bitten, er erwartete es sicher auch von mir. In Gedanken versunken setzte ich meinen Weg fort.

    Ich musste mich geirrt haben, so wie er sprach, wie er mich anblickte, der Grund für diese Entscheidung lag bei den beiden also doch nur aufgrund meiner Einsamkeit. Wie konnte mir nur so etwas schlechtes in den Sinn kommen? Doch so vollkommen gab ich diese Gedanken nicht auf. Die Lüge, das mir keinerlei Unterhaltung fehlte, hatte Constantius sofort erkannt und er hatte Recht, ich war sehr auf mich alleine gestellt. In meiner Kindheit in Hispania, war ich nie so oft alleine gewesen, war Mutter nicht hier, dann gesellte sich eine Sklavin zu mir, das ich oft gerne umgangen hätte, denn sie mahnte mich wegen jeder Kleinigkeit.

    Ich dachte mich verhört zu haben, als er davon sprach, das die Wahl der Sklavin bei mir lag. Andererseits fragte ich mich, weshalb ich so verwundert war. Er ließ mir Freiheiten, hatte das Gespräch gestern, seine Strenge die er mir zeigte, unser Verhältnis so verändert?

    "Verzeih mir Constantius, ich wollte dich nicht in ein schlechtes Licht stellen. Vielleicht wäre alles nicht so weit gekommen, wenn ich nicht alleine gewesen wäre. Gehe mit mir auf den Markt und wir suchen uns eine Sklavin zusammen aus, das ich endlich damit beginne auf dich zu hören."

    Damit löste ich meinen Augenkontakt mit ihm und betrachtete kontrollierend seine Uniform. Vielleicht hatte er vor zu gehen und jetzt müsste er den Zorn seines Vorgesetzen spüren, nur weil ich ihn aufgehalten hatte.

    Constantius Worte erweckten in mir erneut Hoffung und aus das traurige Lächeln schien nun mehr als deutlicher zu werden, innerlich mischte sich der Schmerz mit Freude. Es lag nicht in meinen Sinn unser Gespräch wieder auf gestern zu lenken, vielleicht wäre es nicht zu verhindern, dennoch werte ich mich dageben und meiner Konzentration galt nun der Idee Constantius, mir eine Leibsklavin zu kaufen.

    "Ich habe bis jetzt noch keine Leibsklavin benötigt. Mit den Sklavinnen komme ich sehr gut zu Recht. Leider sehe ich darin keinen Grund, mir daher eine zu kaufen. An Unterhaltung fehlt es mir nicht oder liegt es vielleicht mehr an dem, das du und Helena, vorhabt mich strenger zu kontrollieren?"

    Eine Leibsklavin, er dachte sicherlich an eine ältere, vielleicht auch eine solche, die es wagte mir mit Strenge entgegenzutreten. Wohl kaum konnte ich ihr Gedanken offenbaren, die sie auch nur halbwegs verstehen würde und trauen könnte ich ihr sicherlich auch nicht. Stand sie zuletzt vielleicht noch unter dem Befehl, Helena Bericht zu erstatten, sollte ich etwas vorhaben, das nicht gewöhnlich war? Diese Meinung wollte ich nicht für mich behalten, mich allem zu fügen, doch wollte ich auch nicht rebellisch auf ihn wirken, denn mit der Einsamkeit hatte ich zu kämpfen.


    Ungeduldig sah ich ihm in die Augen, er sollte keine Möglichkeit haben meinen Blick auszuweichen. So zerbrechlich ich gar eben schien, hätte man es kaum für möglich halten können, welcher Zorn sich gestern in mir anbannte, doch vielleicht würde dieser Anblick helfen, an Constantius Vorhaben leichter heranzukommen.

    War gerade noch eine zaghafte Heiterkeit über mich gekommen, schien sie nun schon wieder vorbei zu sein. Seine Müdigkeit, die jetzt noch zu sehen war und seine Nachlässigkeit, Pflichten korrekt zu erfüllen wie jeden Abend. Es wurde mir klar, das er mich gestern wütend verlassen haben musste und er keinen erholsamen Schlaf gefunden hatte. Doch war es mir ummöglich gestern alles zu bereinigen, seinen Kummer konnte ich nicht nehmen. Das mein Schuldbewusstsein jeden Moment mehr und mehr zunahm lies ich mir nicht anmerken, versuchte ich ihm heute freundlich und gelassen vorzukommen, bevor er seinen harten Dienst antreten würde, auch wenn es so gut wie unmöglich war.


    "Ab jetzt kannst du mich immer aufsuchen, egal wie früh es ist. Ich werde schon wach, wenn du mir dein Gladius auf das Bett wirfst." Als ich wieder vor ihm stand, war ein leichtes Lächeln zu erkennen, ein sehr unfreiwilliges.


    "Ich habe durchgeschlafen, aber mir kam die Nacht lang vor, da ich jetzt schon wach bin. Caius, mir geht es gut, sorge dich nicht um mich. Ich will dich nicht unnötig belasten, der Schmerz den ich in mir trage, diese Angst, die kann mir niemand nehmen, nur ich selbst." Langsam wandelte sich das gezwunge Lächeln zu einem traurigen, doch hoffte ich damit ihn ein weinig von seinem Druck zu befreien.

    Ich reagierte nicht sofort auf seine Bitte, denn es war nicht zu übersehen, das Constantius nicht ausgeschlafen hatte. Und erst als ich sie registrierte, was er von mir verlange, blieb ich für einen Moment reglos stehen. Der Grund daran lag an der Situation, die geschehen würde, da ich erneut einen Mann äußert nahe kommen würde. Ich wollte mir nichts anmerken lassen und so ging ich entschlossen auf ihn zu, ging an ihm vorbei und kontrollierte den Gurt.


    "So schwer kann das doch nicht sein, auch wenn ich es bis jetzt noch nicht gemacht habe. Hier ist alles in Ordnung. Wer hilft dir sonst, wenn ich nicht da bin?" Fragte ich ihn scherzend und war dabei selbstverständlich überrascht. Selbstsicherheit und ein geringer Humor war wieder zu erkennen. Eigenschaften die ich glaubte verloren zu haben. Das ich so große Fortschritte machte konnte ich kaum glauben, doch jene Freude war angenehm.

    Als ich seine Antwort vernahm, wendete ich meinen Blick wieder zu Türe, die ich darauf gleich öffnete. Constantius war, wie ich erwartete, schon vollständig gekleidet, bereit die Casa zu verlassen. Nur der Waffengurt schien ihn davon noch abzuhalten. Doch so wie er vor mir da stand, erinnerte er mich an die letzte Nacht, das diese schreckliche Gefühl der Angst in mir erneut erscheinen lies. Sein Lächeln, das er mir schenke, schaffte es, das meine Gedanken sofort wieder davon abgelenkt wurden. Versuchte ich es ihm nachzutun, doch nur eine winzige Regung war zu erkennen und so brach ich unser Schweigen.


    "Du gehst gleich? Oder halte ich dich gerade auf, deine morgendlichen Pflichten zu erfüllen, wie jeden Tag? Glaub mir ich bin nicht hier um etwas über das gestrige Gespräch zwischen dir und Helena zu erfahren, ich wollte dich noch sehen bevor du gehst." Entgegnete ich ihm mit einer sanften und äußerst ruhigen Stimme. Mein Blick interessiert auf seinen Waffengurt gerichtet.

    Lange konnte ich mich in meinem Zimmer nicht aufhalten. Einerseits verlangte ich nach Ruhe, doch andererseits vernahm ich die Einsamkeit, die entstanden war bevor ich meinen Schlaf fand, als eine Kälte, mitten in Roma, als wäre die Stadt menschenleer. Ich wollte ihn sehen...Constantius, der mir gestern so kühl gegenüberstand, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. So hielt es mich nicht lange in meinen Cubiculum und ohne noch einen Blick in den Spiegel zu werfen oder darüber noch einmal groß nachzudenken, verlies ich es auch. Leise schloss ich die Türe hinter mir, Wonga hatte bereits seinen Posten verlassen, wahrscheinlich hatte er mit eintreffen der Sklavin sich von ihm entfernt. Eilig lief ich den Gang entlang, doch versuchte ich so leise wie möglich zu sein, um keinen schlafenden zu wecken und auch nicht gesehen zu werden. So raste mein Herz leicht, als ich die Türe von Constantius Cubiculum erreichte und klopfte kräftig, das er es auch hörte, wenn er noch schlafen würde. Doch war dies wohl zu bezweifeln, ich war mir sicher das er schon wach war.

    "Caius? Bist du schon wach? Ich bin es, Livilla, lass mich doch bitte rein." , flehte ich, nahe an die Türe gedrückt, so das ich nicht laut sprechen musste. Abwartend auf eine Antwort von ihm drehte ich mich kurz um, doch niemand hatte den Gang betreten.

    Nur zwei Tage nach dem vergangenen Geschehnissen, die den ganzen Tag mein Leben zu beeinflussen schienen, verlies ich alleine die Casa Iulia. Die selbe Situation, den wir waren zu zweit, ein Sklave begleitete mich. Meine Cousine Iulia Helena und Constantius hatte ich benachrichtigt, natürlich achteten sie sehr darauf, das der Sklave mir auch folgte. Und so verlies ich die Casa mit einer dunkelgrünen Tunika gekleidet. Es war noch sehr früh, denn ich wollte es vermeiden, am Abend einen Ort zu betreten, an dem so viele Erinnerungen hangen. Es sollte am Morgen geschehen, am Anfang eines Tages und nicht am Ende, als es vor zwei Tagen passierte. Den Weg dorthin konnte ich nicht mehr vergessen und so ging ich mit eiligen Schritten leicht vorraus und mein Sklave folgte mir, leicht überrascht, das ich es auf so eine Geschwindigkeit anlegte.


    Auf den Weg dorthin schwieg ich, versuchte dabei an meinen Vater zu denken. Verfassten Helena und Constantius bereits einen Brief, wie würde sie es ihm wohl berichten. Vielleicht setzten sie auf Gesichtspunkte die mir nun gar nicht so wichtig waren. Ich wünschte mir ihn lesen zu können, doch es schien wohl sehr unrealistisch. Vorallem kümmerte ich mich aber, wie es wohl mein Vater aufnehmen würde. Mein Fehler alleine die Casa zu verlassen, mich mit einem Mann zu treffen, von dem meine Familie nichts wusste, doch das schrecklichste kam erst noch, die Berührungen meines Körpers durch einen Verbrecher, der sich nach Rache sehnte. Aber ich war in der Öffentlichkeit, ich durfte mir nichts ansehen lassen und so blickte ich zu meinen Begleiter, ob er mit mir immer noch Schritt halten konnte.

    Schon früh am Morgen erwachte ich, die erste Sonnenstrahlen waren in mein Cubiculum gelangt. Langsam erhob ich mich und schob das weiche Bettlaken zurück. Aufmerksam sah ich mich im Zimmer um, doch ich war alleine, keine Sklavin weckte mich, etwas anderes musste mich aus meinen Schlaf gerissen haben. Und ich hatte geschlafen, die ganze Nacht, ohne kurz aufzuwachen. Kein einziger Traum überschattete meinen erholsamen Schlaf, hatte die Götter erbarmen mit mir? Lange machte ich mir darüber keine Gedanken, denn schon stieg ich aus meinen Bett, sah dabei auf meinen Körper hinab, keine Wunde war zu erkennen, dieselbe Reinheit, wie gestern Abend, als wäre nichts geschehen.


    Unzählige Stimmen vernahm ich von draußen, die Sonne musste noch nicht so lange aufgegangen sein, den der Lärm war geringer als sonst am Vormittag. Vorsichtig trat ich ans Fenster heran, blicke zur Sonne und jenes Gefühl der Finsternis schien eben zu verschwinden, so friedlich sah Rom auf einmal aus. Die morgendliche Frische und die noch nicht so grellen Strahlen der Sonne waren sehr angenehm, doch ein Klopfen an der Türe zerstörte den wohltuenden Moment mit einem Schlag. Nur meinen Kopf wendete ich zu ihr. „Ja?“, gab ich nur als kurze Antwort. Eine Sklavin öffnete die Tür, selbe die mir gestern half mich von der blutigen Kleidung zu befreien.


    „Herrin, wünscht ihr das ich euch behilflich bin?“ Es gehörte zu ihren Aufgaben dies zu fragen und so stimme ich ihr zu. Die Sklavin schloss die Türe und ging ihrer Arbeit nach. Helena und Constantius würden abermals mit mir sprechen wollen und dafür sollte ich auch empfangsbereit sein.

    Meine Worte schienen Helena nicht sehr beruhigt zu haben, denn eine Belastung war zu erkennen, wie sie mich leicht berührte und zu meinen Bett wies. Sie musste mehr gehört haben als ich dachte und schon das Gespräch zwischen uns, machte ihr einiges bedenklich. Immerhin waren Constantius und Helena diejenigen, welche nun unter Druck standen, entsprechend über mich zu richten und das Geschehene wieder ins Reine zu bringen, soweit dies möglich war.


    Wie es ihr Wunsch war setzte ich mich auf mein Bett und ein leises...


    "Ich benötigte reichlich von ihm und nach deinem Trunk wird es mir sicherlich nicht mehr so schwer fallen ihn auch zu finden. Ich wünsche dir ebenfalls eine erholsame Nacht. Und die schönsten Träume!"...glitt über meine Lippen. Auch Helena beobachtete ich wie sie das Zimmer verlies und womöglich würde sie gleich darauf Constantius aufsuchen.


    Träume! Ihnen wollte ich sehnlichst ausweichen. Nach keinen einzigen verlangte ich, auch wenn er positiv sein würde. Nur der Schlaf sollte übermich kommen und zwar schnell. Jede Nacht lies ich eine Dienerin zu mir schicken, die mir half mich bettfertig zu machten, nur heute nicht, so wusch und entkleidete ich mich alleine. Und als ich mich über die Wasserschale beugte und mein Spiegelblild sah, hielt ich ein mich zu waschen. Genau dieses Gesicht sah Lucullus, dieselbe Reinheit, die er zerstören wollte. Zügig griff ich nach dem weichen Tuch das daneben lag und trocknete mich ab. Ein letzter Blick zum Fenster und dann zur Türe folgten, bevor ich mich ins Bett begab.

    Das wiehern der Pferde riß mich aus den Gedanken und ich wandte mich um. Auf meinen Gesicht zeichnete sich sofort ein strahlen als es sich herausstellte, das es Strabo war. Doch als er vor mir ab stieg zog mich nur eines in den Bann, eine Andalusier-Stute die er neben sich herführte. Ihr weiße Mähne die langsam ins dunkle überging, ihr glänzendes weißes Fell das bis zu den Beinen und dem Schweif reicht und dann immer dunkler wurde.


    "Salve Decimus Strabo." Antwortete ich verträumt und langsam bewegte sich meine Hand auf den unruhigen Kopf der Stute zu um über ihre dunkle Nase zustreichen.