Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Ich mache hier Meldung.


    Der Entschluss, das IR zu verlassen, ist weder leichtfertig noch innerhalb der letzten Tage getroffen worden, auch wenn mancher das vielleicht denken mag. Es ist mir schwer gefallen, mich dazu zu entscheiden, doch mit Celerinas Tod stand dieser Entschluss schlussendlich fest. Ich weiß, dass manche wohl andere Gründe annehmen mögen, doch jenen sei versichert, dass dies nicht der Fall ist. Es war schlicht überfällig, da man gehen sollte, wenn es am Schönsten ist. Leider habe ich da wohl zu lange gewartet.


    Vielen Dank an meine Mitspieler, mit den meisten hatte ich schöne Momente im Spiel.

    Der Tag darauf.


    Celerina lag im atrium, gewaschen und aufgebahrt. Es wäre wohl stimmiger gewesen, sie zu den Flaviern zu bringen, doch es war ein egoistischer Gedanke meinerseits, der das verhindert hatte. Celerina war meine Frau. Ich mochte sie nicht geliebt haben, und doch gehörte sie zu mir. Hinzu kam, dass ich mich schrecklich allein fühlte. Am Vortag noch hatten wir uns unterhalten, und ich hatte ihr meine Begleitung zum Hain der Göttin versagt, weil ich einen unwichtigen Termin gehabt hatte. Seitdem ich ihren toten Leib von den Tiberiern hierher getragen hatte, dachte ich an nichts anderes mehr. Was wäre gewesen, wenn ich sie begleitet hätte?


    Es war ein seltsamer Anblick gewesen, der Senator Roms, dessen toga blutverschmiert, das Gesicht versteinert gewesen war, einen leblosen, ebenso blutverschmierten Leib auf den Armen, geleitet von einer Schar betretener Sklaven. Es war mir gleich gewesen. Ich hatte an anderes gedacht als daran, wie mein Handeln auf andere wirken mochte. Ich versuchte, mich an den Moment zu erinnern, in welchem ich das Haus erreicht hatte. Wenn da jemand gewesen war, so hatte ich es nicht wahr genommen. Celerina hatte ich auf eine Liege gebettet, während in meinem Schädel immer und immer wieder ein einziger Gedanke hämmerte. Warum auch sie? Ich hatte versucht, einen Weg dazwischen zu finden, es jedem recht zu machen. Erst gestern hatte ich einsehen müssen, dass Siv mich deswegen verlassen hatte. Und nun war auch Celerina fort. Gestorben, weil ich sie nicht begleitet hatte. Ich hatte sie beide auf dem Gewissen. Ich hatte sie beide haben wollen, und nun stand ich mit leeren Händen da. Ich wusste, dass es meine Schuld war. Doch was ich nicht verstand, war warum die Götter sie mit dem Tode bestraft hatten. Oder war das am Ende gar ein abgekartetes Spiel, das sie spielten? Ließen sie mich überleben, damit sie sich an meiner Trauer laben konnten, an meiner Schuld? Denn dass es die meine war, daran bestand kein Zweifel. Das war mir bereits gestern bewusst gewesen, als mir der Brief gebracht worden war, der mich über Sivs Fortgang in Kenntnis gesetzt hatte. Sie selbst hatte mir nichts hinterlassen. Kein Wort, kein Brief. Nichts.


    Ich hatte bis zum Einbruch der Abenddämmerung auf dem blanken Marmorboden gesessen, neben der Liege, auf die ich Celerina gebettet hatte. Ich hatte in ihr Gesicht gesehen und ihre Hand gehalten, bis ihre Finger kalt und wachsig waren und die Beweglichkeit ihnen verlustig gegangen war. Nicht eine Träne war meinen Augen entflohen, in mir ein Block aus starrem, kaltem Eis. Ich war nicht einmal fähig, um sie zu weinen, nicht um sie und nicht um Siv. Einige Male war jemand neben mich getreten, hatte mich an der Schulter gegriffen und gerüttelt oder etwas gesagt, doch ich hatte nicht reagiert. Irgendwann hatten sie mich dann zufrieden gelassen. Es war kalt, der Boden. Ich war dennoch erst aufgestanden, als ich mich selbst nicht mehr ausgehalten hatte. Auf halbem Wege in mein Arbeitszimmer hatte ich mich erbrochen, dann hier eingeschlossen. Hin und wieder hatte es zaghaft geklopft. Ich hatte es ignoriert. Es war dunkel. Finster und leer, ganz wie ich selbst mich fühlte.


    Als am Morgen das erste Licht des Tages lockte, die Vögel sangen und einen neuen Tag ankündigten, saß ich immer noch dort und starrte ins Nichts. Es war eine unhaltbare Situation für mich. Wo ich meinen Vater nie verstanden hatte, so erschloss sich mir nun allmählich, warum er damals gehandelt hatte, wie er es getan hatte. Er musste meine Mutter tatsächlich geliebt haben. Nun, ich liebte Siv, mit jeder Faser meines Seins. Und doch war sie nun unerreichbar für mich. Sie wäre es wohl nicht gewesen, hätte ich sie niemals freigelassen. Doch der Mensch trifft aus eben jenem Grunde so manche Fehlentscheidung in seinem Leben: Weil er nur ein Mensch ist. Celerina wäre mir ein Trost gewesen, eine Stütze. Die Götter allein wussten, was aus ihr und mir noch geworden wäre. Doch auch sie hatte ich verloren. Was mir blieb, war Prisca. Nur wie lange noch? Sie war bereits über das heiratsfähige Alter hinaus, es wurde Zeit, dass sie eine Ehe einging. Und dann? Dann wäre auch sie fort. Ursus und Septima lebten in Mantua, was sich wohl auch nicht ändern würde, da sie Nachwuchs erwarteten – abgesehen davon, dass Ursus mich wohl hasste, was auch immer seine Gründe sein mochten. Von Avianus' Auftrag bezüglich des Flaviers wusste ich nichts, und doch waren auch wir beide nie besonders grün miteinander gewesen. Lupus war im Grunde ein Fremder, den ich nie näher kennen gelernt hatte, und ich hatte auch den Eindruck, dass er das selbst gar nicht wollte und lieber als einsamer Wolf seinem Namen alle Ehre machte. Mit Nigrina an seiner Seite würde gewiss auch er bald einen Erben haben. Flora würde es Prisca gleich tun und wohl bald heiraten, im Idealfalle Durus, und Narcissa würde mit etwas kaiserlichem Wohlwollen eine Vestalin werden. Was mir selbst blieb, war Schall und Rauch. Leere, die mich erfüllte und mein Herz im Schraubstock gefangen hielt. Ich war nicht zu alt, um einen Sohn zu zeugen, ich war auch längstens nicht zu alt, um eine erneute Ehe einzugehen. Es wäre wohl taktisch klug gewesen, eine Tiberia zu wählen, vielleicht auch eine Flavia, um zu bekunden, dass ich mich nach wie vor mit ihnen verbunden fühlte. Und doch war mir allem voran der Gedanke an weitere Heuchelei von Interesse zuwider, denn obgleich Respekt und Achtung auch Celerina gegenüber stets vorhanden gewesen waren, so sträubte sich in mir alles dagegen, erneut zu heiraten. Auch, wenn dies bedeutete, dass der einzige Sohn, der meinen Lenden entsprungen war, unerreichbar fern von mir heranwuchs. Und vielleicht war das auch gut so, denn ich wollte seiner kindlichen Unschuld nicht das aufbürden, was ich selbst nicht gemeistert hatte. In diesem ersten Licht des Tages griff ich nach Feder und Papyrus, schrieb aus übermüdeten Augen blickend die ersten Zeilen von vielen nieder, die noch folgen sollten.


    Als ich nach Brix rufen ließ, schien ein Ruck durch das Haus zu gehen. Wo vorher geschlichen wurde, keimte nun etwas wie vage Hoffnung, dass dieser drückende Zustand allzu bald wieder vorübergehen mochte – zumindest in der Sklavenschaft. Ich hatte nicht viel für meinen Hausverwalter, nichts bis auf einige Dokumente und wenige Anweisungen, die er ernst und ohne Widerworte auffasste und weitergeben wollte. Nachdem er den Raum verlassen hatte und ich wieder allein war, fühlte ich mich leichter. Immer noch wund zwar, doch sah ich nun die Perspektive, die ich hatte. Ein Leben als leblose Hülle, mehr noch denn zuvor, wollte ich nicht führen. Ich konnte es auch nicht, selbst wenn das bedeutete, dass ich Rom verraten und meine Pflicht nicht erfüllen konnte.


    Ich saß nun wieder an der blank polierten Oberfläche meines Schreibtisches. Mein Ebenbild starrte mich aus tiefen Höhlen heraus an. Ich sah aus wie ein Geist, ein Schatten meiner selbst. Die toga war fleckig, das Blut auf ihr von einem tiefkranken Braunton, ein Zipfel hing achtlos herunter. Mein Bart spross bereits seit dem gestrigen Tage und ließ mich wirken wie ein abgerissener Suburbaner. Ich verstand ihn jetzt, den Sinn hinter einer Flucht nach vorn. Den Ausweg, der einem Römer blieb, auch wenn alles verloren schien, alles aussichtslos vor einem ausgebreitet in Düsternis lag. Ich verstand ihn jetzt, meinen Vater, der sich das Leben genommen hatte, nachdem meine Mutter ihrer Krankheit erlegen war. Und auch wenn ich das tat, so hatte ich doch Angst vor den Schmerzen, die der Tod mit sich brachte. Zumindest der Tod, den ich mir erwählt hatte und der eines Römers würdig war. Der schlanke Dolch, der seit Jahren dekorativ hinter mir im Regal ruhte, würde letzten Endes doch noch einen sinnigen Zweck erfüllen. Die Schneide war schmal zulaufend und endete in einer leicht nach oben gebogenen Spitze. Es war ein perfektes Instrument, eine für den angedachten Zweck mehr als würdige Waffe. Mit eisigen Fingern schälte ich mich aus der toga. Den mit Rubinen verzierten Griff setzte ich an den Rand des Tisches, damit er nicht fort gleiten konnte, wenn mich die Kräfte verließen. Ich zitterte, denn ich fürchtete die Schmerzen. Mir war kalt. Später würde man denken, ich hätte den Tod meiner Ehefrau nicht verwunden. Oder gar, dass der Frevel mir unerträglich gewesen sei. Es war mir gleich. Sollten sie denken, was sie wollten. Wenn mich die Würmer fraßen, konnte es mir wohl ohnehin einerlei sein.


    Ich hielt den Dolch mit beiden Händen umklammert, als ich mich immer weiter nach vorn schob. Meine Hände zitterten unkontrolliert, der Schmerz war ohrenbetäubend und trieb mir rote Schlieren vor die Augen, und doch drängte ich, gepresst atmend, immer weiter nach vorn, trieb den Dolch, den ich unter meinem Herzen angesetzt hatte, immer weiter in mein Fleisch hinein, bis nur mehr das Heft herausragte und ich nicht einmal mehr die Kraft hatte, ihn herauszuziehen. Und da verging der Schmerz, und alles, was ich sah, war Siv, deren liebevolles, goldumrahmtes Lächeln das letzte sein sollte, was ich an Erinnerung aus dieser Welt mitnahm. Als mein Blick brach, meine Hände, besudelt von meinem eigenen Blut, vom Dolch endlich abließen, hatte ich sogar ein Lächeln auf den Lippen. Vage nur, doch ich lächelte, während ein kleines Silberpferdchen an seinem ledernen Band vom Griff des Dolches und aus meinen Fingern glitt und mir blutend in den Schoß fiel.

    Ich betrat den Raum, und das erste, was ich sah, war Celerina. Sie lag am Boden und rührte sich nicht. Die Personen, die um sie herum standen, sahen mich betreten an. Ich nahm dies alles nur am Rande war, und ehe ich mich versah, kniete ich neben meiner Frau auf dem Boden. Jemand murmelte, dass es ihm leid tue, ein anderer, dass sie viel zu jung gestorben sei – und ich konnte nicht klar denken. Das einzige, was mir im Kopfe umher ging, war ein einsamer Gedanke: Warum auch sie? Irgend jemand begann, von einem Frevel zu sprechen, von einem Vergehen, das gestern, an den Nemoralia, stattgefunden hatte und das angeblich ihre Schuld sei. Ich hörte es kaum. Wie durch Watte, so vermochten auch diese Worte nicht an meinen Verstand zu dringen. Gleich wie geschwollen ihr Gesicht auch war, ganz gleich, wie verdreht ihre Gliedmaßen, ich zog Celerina in eine sitzende Position und drückte sie an mich. Nicht auch noch sie. Nicht sie.


    Ich starrte die Fugen im Boden an, wiegte meine Frau sachte vor und zurück. Ich konnte es nicht an mich heran lassen, nicht verstehen. Obgleich keine Liebe vorhanden gewesen war, so hatten Celerina und ich doch eine lange Zeit miteinander gelebt und uns ertragen. Es war ein schwerer Schlag für mich, sie nun hier zu halten, tot in meinen Armen.


    Als ich schließlich aufstand, schweigend und mit ihrem leichten Körper auf den Armen, suchte ich endlich Durus' Blick. “Sie war es nicht. Sie ist ein Lamm gewesen“, hörte ich mich sagen, und meine Stimme klang gebrochen und geläutert. Dass Celerina kein Lamm in dem Sinne gewesen war, war mir klar. Doch ein solcher Frevel? Niemals. Die mich begleitenden Sklaven standen betreten herum, kein einziger machte Anstalten, Celerina an meiner statt tragen zu wollen. Ein einziger Blick hin zu Caecus genügte, und er wies die anderen an, mich mit meiner schweren Bürde nach Hause zu begleiten, während er selbst bei Tiberius Durus bleiben und die Angelegenheit weitestgehend klären würde. Jeder Schritt war schwerer als der vorherige.


    Sim-Off:

    Ich hab es bei dem Sklaven aufgeschnappt, den ich oben halb mitgesimmt habe. Entschuldige das. Du wirst bestimmt verstehen, dass ich diesen Thread beenden wollte, um Corvis Tod auszusimmen.

    “Nein, es ist ein Flavius. Allerdings hat dieser Flavier...“ Weiter kam ich nicht, denn in jenem Moment klopfte es. Pyrrus trat ein. “Aurelius, dein Termin ist da“, sagte er mit entsprechendem Seitenblick auf Avianus. Ich runzelte die Stirn. Mein Termin? Von welchem Termin sprach er denn? War mir etwas entfallen? “Spurius Aemilius Cornutus, der Neffe deines Freundes Atimetus. Es geht um ein mögliches Patronat“ half mir Pyrrus auf die Sprünge. Ich machte ein verwundertes Gesicht. War das heute gewesen? “Nun“, begann ich nachdenklich und sah zu meinem eigenen Neffen, der mir gegenüber saß. “Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir das Gespräch vertagen? Es macht keinen besonders guten Eindruck, ließe ich den Aemilier warten“, erklärte ich Avianus und erhob mich. “Ich werde später zu dir kommen.“ Einen Augenblick später verließ ich den Raum, um meinen Termin wahrzunehmen und den Aemilier im atrium zu empfangen.

    Es musste bei ihr ebenso wenig die Wärme des Sommers sein wie sie es bei mir war, denn gerade die frühen Morgenstunden waren doch mehr als angenehm. Doch ich erwiderte nichts darauf und ließ die Worte so im Raum stehen, wie Narcissa sie platziert hatte.


    Erwartungsvoll sah ich Narcissa an, als sie weiter sprach. Sie hatte sich also dafür ausgesprochen, es bei den Vestalinnen zu versuchen. Das freute mich, denn jemand, der zu etwas gezwungen wurde, verrichtete seinen Dienst sehr viel schlechter als jemand, der es aus freien Stücken tat. Also nickte ich erfreut und bog sogar ein Lächeln hin. “Das werde ich sehr gerne tun, Narcissa. Und ich freue mich wirklich, dass du zu dieser Entscheidung gekommen bist. Ich bin mir sicher, dass auch Orest und deine Mutter sich darüber freuen.“ Ich nickte ihr zu und nahm meine Hand fort. “Lass uns das nach der salutatio heute machen. Tiberius Durus sollte in jedem Falle auch einen Brief erhalten“, sagte ich. Später würde ich ihr helfen. Doch zuvor würden die Klienten kommen, und als Pyrrus klopfte und eintrat, kündigte er auch sogleich den ersten an. Ich strich Narcissa über die Wange. “Wir sehen uns später“, sagte ich, ehe ich ging, um meine Pflicht gegenüber den Klienten zu erfüllen.


    M. Aurelius Corvinus Decimae Seianae s.d.


    Ich stehe ab sofort nicht mehr für das Amt des auctor per procura zur Verfügung, wünsche jedoch der Acta Diurna viel Erfolg unter ihrer neuen Leitung und weiterhin große Beliebtheit.


    i.A.
    Livius Pyrrus


    Es war genau dieser Moment, als ein Tumult zu hören war, der draußen entstand und mich irritiert zur Tür blicken ließ, als könne ich durch sie hindurch das Spektakel sehen, was natürlich nicht der Fall war. Im nächsten Moment bereits fiel einer der jüngeren Sklaven regelrecht durch die Tür ins Arbeitszimmer hinein. Sie schwang auf und schlug umseitig ein stattliches Stück Putz heraus, sehr zu meinem Missfallen natürlich. Ich fuhr auf und wollte augenblicklich erfahren, was das sollte, als ein weiterer Sklave zur Tür herein sprang und auf den anderen einprügeln wollte. Ich war erbost, tauschte einen Blick mit Lupus und verließ dann an den beiden Schlagenden vorbei mein Arbeitszimmer, um Brix zu suchen und zur Rede zu stellen. Das begonnene Gespräch jedenfalls lag erst einmal auf Eis, und da später ein wichtiger Termin anstand, war es auch nicht möglich, es am selben Tage noch fortzuführen. Lupus, so war ich mir sicher, würde dafür Verständnis haben. Es konnte keiner ahnen, dass sich die Ereignisse in den kommenden Tagen derart überschlagen würden, dass es zu keinem Gespräch mehr kommen würde.

    Leone hatte mich in Kenntnis gesetzt, was die Dringlichkeit der Angelegenheit betraf. Es musste um den Kult gehen, das stand für mich außer Frage, denn warum sonst sollte Durus mich zu solch früher Stunde augenblicklich rufen lassen? Einige letzte Weisungen hatte ich noch gegeben, insbesondere, was die bald eintreffenden Klienten anbelangte, dann war ich hierher gekommen. Trautwini hämmerte an die Tür. "Aufmachen! Der Senator und pontifex Marcus Aurelius Corvinus ist hier!" Allmählich beschlich mich ein ungutes Gefühl.

    Ich nickte mit einem vagen Lächeln auf den Lippen, das jedoch schwand, als sie auf die Tageszeit zu sprechen kam. Meine Augen hatte es ohnehin nicht erreicht. "Ich schlafe derzeit nicht besonders gut", gab ich ihr zur Antwort, und das war die Wahrheit. Den Grund der schlaflosen Nächte musste ich ihr nicht auf die Nase binden.


    Narcissa war im Raume stehen geblieben und bedachte mich mit einem selten vorkommenden, entschlossenen Blick. Sie hatte sich also entschieden, was die Vestalinnen betraf? Ich näherte mich ihr, mit einer vagen Hoffnung, sie möge sich richtig entschieden haben - zumal ihr selbst doch keine Wahl blieb, was wir beide wussten. Eine Hand fand Platz auf ihrer Schulter, meine Miene war fragend und erübrigte wohl jedes dahingehende Wort. Ich sagte dennoch etwas. "Dann hast du dich entschieden?"

    "Du wirst ein Opfer vorbereiten und zelebrieren müssen. Das sollte dir nicht schwer fallen, wenn du bereits Erfahrung damit sammeln konntest. Dieser Opferung werde entweder ich selbst oder einer meiner Kollegen beiwohnen, und so du diese Aufgabe erfolgreich meisterst, wirst du dem cultus als aedituus beitreten können", erklärte ich meinem Gast. "Das weitere Vorgehen wird also wie folgt aussehen. Ich werde dein Ansuchen bearbeiten und dir Termin und Ort zuteilen. Alles weitere obliegt dann dir, von der Wahl des Opfers selbst bius zur anschließenden Durchführung." Nun mochte der Pompeier seine Rückfragen stellen, so er denn welche hatte. Ansonsten wäre wohl alles Relevante gesagt.

    Blindheit trennt von den Dingen,
    Taubheit von den Menschen.


    (Helen Keller)


    Ich fühlte mich wie Stein. Einer marmornen Statue gleich, deren Antlitz vom Zorn der Welt geprägt war und auf ewig ausdruckslos in die Unendlichkeit starren würde. Der Tag war gekommen und wieder gegangen, ohne dass ich mich geregt hätte. Kein Licht war entzündet worden, kein Besucher von den Sklaven eingelassen worden, nicht einmal die Familie. Und nun saß ich dort im Dunkel, den Brief vor mir, die Gewissheit im Herzen, dass all das, was ich jemals gewollt, was ich mir jemals gewünscht hatte, vergangen und vergessen war. Ein Hirngespinst, nichts weiter. Ein gelebter Traum, der doch nur von allzu kurzer Dauer gewesen war. Ich empfand keine Wut. Ich empfand keine Trauer. Ich empfand auch kein Bedauern, keinen Schmerz. Da war nichts in mir, nur Leere. Ausgehöhlte Erinnerungen, innen hohl außer einem nachklingenden Beigeschmack. Denn alles, was da jemals gewesen war, hatte sie mit sich genommen in ihre Zukunft, die nicht die meine war. Die niemals die meine gewesen war und sie niemals wieder sein würde.


    Und doch hatte Siv mir das genommen, was sie mir gegeben hatte.

    Man weiß, dass die akute Trauer nach solch einem Verlust ablaufen wird, aber man wird ungetröstet bleiben, nie Ersatz finden. Alles, was an seine Stelle rückt, und wenn es sie auch ganz ausfüllen sollte, bleibt doch etwas anderes. Und eigentlich ist es recht so. Das ist die einzige Art, die Liebe fortzusetzen.


    (Sigmund Freud.)



    Es tut mir leid, dass man dich in diese Sackgasse gedrängt hat. Ich habe stets gern mit dir gespielt, Celerina war ein wahrlich angenehmer verhasster Besen.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus


    Ich werde CD-Angelegenheiten bevorzugt behandeln, damit da niemand so lange warten muss. Bitte um Verständnis.


    Bs auf weiteres geht das wie oben stehend weiter, und zwar aus dem nachfolgend genannten Grund. Sollte in allerspätestens 2 Wochen besser sein, evtl. auch tageweise zwischendrin mal.


    Zitat

    Original von Spurius Tiberius Dolabella
    Da ich zur Zeit einfach viel arbeiten muss kann ich hier kaum was schaffen.

    Die spärlichen Sonnenstrahlen berührten das taufrische Gras draußen im Garten und verursachte goldene Lichtreflexe. Golden... Schimmerndes Haar stand vor meinem inneren Auge, flüssiges Gold, wohlduftend, geschmeidig und weich....als jemand mich beim Namen nannte. Ich blinzelte irritiert und wandte mich halb um, sah über meine Schulter und entdeckte...Flora? Nein, es war Narcissa. Ich wandte mich vollends um, verbannte weitestgehend den sehnsüchtigen, traurigen Zug um meine Mundwinkel und setzte ein vages Lächeln auf. "Narcissa", sagte ich. "Verzeih, ich habe dich gar nicht kommen gehört. Komm nur herein." Ich hob einen Mundwinkel und winkte sie mit einer Geste näher. "Geht es dir gut?"

    Ich nickte langsam. Der Herr über den Tod also. Ich bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick. Ob seine Präferenz etwas mit seinem Alter zutun hatte? Nun, im Grunde konnte es mir gleich sein. "Ich kann dir nicht versprechen, deinen Wunsch zu erfüllen, aber es ist einen Versuch wert", erwiderte ich. "Du wirst gewiss nichts dagegen haben, wenn man sich deines Könnens versichert und dich einer entsprechenden Prüfung unterzieht?" fragte ich den Alten. Erschreckenderweise fühlte ich mich selbst ebenfalls alt. Alt und müde, ausgelaugt.


    Ad
    Titus Aurelius Ursus
    castellum legionis I zu Mantua
    Italia



    M. Corvinus Tito Urso s.d.


    Viel zu lange her ist mein letzter Brief an dich, und ich kann nur hoffen, dass du nicht glaubst, ich hätte dich - euch - vergessen. Septima hat uns inzwischen wohlbehalten erreicht. Sie macht einen sehr guten Eindruck auf mich, die Mutterschaft steht ihr ganz außerordentlich. Ich soll dir von Celerina hierzu auch die herzlichsten Glückwünsche ausrichten, und ich selbst schließe mich hier natürlich gern an. Leider ist uns das Glück Iunos bisher nicht zuteil geworden. In Kürze werden wir ihr daher ein großes Opfer darbringen und weiterhin hoffen.


    Es gibt vieles zu berichten aus Rom, traurigerweise sind es größtenteils negative Angelegenheiten, die ich dir hier niederschreiben kann. Zum einen ist die Bindung zu den Tiberiern erheblich geschwächt worden. Septima hat dir vor ihrer Abreise gewiss berichtet, was ich ihr schrieb: Laevina hat sich mit einem Unbekannten davon gestohlen, es kursieren die Gerüchte, dass sie gar in anderen Umständen sei. Tiberius Durus wird die Ehe selbstverständlich auflösen, er hat mich deswegen bereits aufgesucht. Ich kann hier nichts erwidern, sehe ich das Verhalten Laevinas doch mit gleichen Augen. Dennoch habe ich Durus einen Ersatz angeboten und er versprach, zu gegebener Zeit diesbezüglich auf uns zuzukommen. Doch wenn ich ehrlich bin - und diese Meinung resultiert aus dem zweiten Grund, aus dem er mich aufsuchte - glaube ich, dass es besser wäre, ihm direkt eines unserer Mädchen anzubieten. Narcissa kommt hierfür nicht in Frage, da Orest sie als Vestalin sehen möchte. Prisca möchte ich nur ungern fortgeben, doch ob Flora eine gute Wahl ist in ihrer Jugend? Sextus Lupus wäre als Ersatz für Orest infrage gekommen, jedoch steht er bereits in Verhandlungen bezüglich einer Flavia. Doch erzähle ich dir lieber von Durus' zweitem Anliegen. Er teilte mir mit, dass das Verlöbnis zwischen seinem Mündel und Orest als gelöst zu betrachten ist, und auch hier kann ich ihn verstehen. Seine Arvinia wird nicht jünger, und Orests Befinden zu unser aller Bedauern nicht besser. Ich fürchte fast, dass wir vom Schlimmsten ausgehen müssen. Es sind wahrlich dunkle Zeiten für uns.


    Doch es scheint von unerwarteter Seite her auch einen Lichtpunkt zu geben. Annaeus Modestus sprach mich kürzlich an in Bezug auf Vescularius Salinator. Ganz offensichtlich ist er der Meinung, dass des Kaisers Stellvertreter allmählich an Grenzen stößt, die er nicht überschreiten sollte, und ich kann ihm hier nur zustimmen. Während der Diskussion um die Verteilung der Ämter der diesjährigen Wahlperiode sprach er dem Senat grundlos das Entscheidungsrecht ab, indem er die Ämter nach seinem Gewisse besetzte und den nächsten Tagespunkt aufrief. Du kannst dir den Unmut in den Reihen gewiss vorstellen ob dieser Unverschämtheit. Und kaum tut man ihn kund, argumentiert er mit seinem Rang und Titel. Ich bin wahrlich gespannt, wie lange es so weiter geht. Sag, Titus, hast du als sein Legat zwischenzeitlich etwas vom Kaiser gehört? Es ist wichtiger denn je, dass er in die Öffentlichkeit tritt, sonst mögen uns die Götter vor seinem Vertreter bewahren. Ich glaube nicht, dass der Senat sich ihm entgegenstellen wird, so abstrus sein Gebaren und so unsinnig seine Beschlüsse noch werden mögen.


    Ich hoffe, bald wieder von dir zu hören. Septima wird während ihres Aufenthaltes bei uns bleiben. Wir geben gut acht auf sie und die kostbare Fracht, die sie trägt.


    Die Götter mit dir,


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    ROMA, ANTE DIEM XV KAL OCT DCCCLX A.U.C. (17.9.2010/107 n.Chr.)


    Den Dank tat ich mit einem Nicken ab, um im nächsten Moment einerseits das Gehen wieder aufzunehmen, andererseits in gewissem Maße erstaunt über die Worte des Annaeus zu sein. Ich vergewisserte mich mit einem Seitenblick der Ernsthaftigkeit des Senators neben mir und fragte mich gleichsam, ob er seine Worte mit Absicht oder zufällig so gewählt hatte, wie er es getan hatte. Gerade in Bezug auf den Stellvertreter des Kaisers galt die allergrößte Vorsicht. Ich überlegte daher einen Moment, ehe ich etwas erwiderte. "So manches Mal, Annaeus, frage ich mich, ob der Senat nurmehr aus kuschenden Männern besteht, die ihre Zeit im Senat absitzen und sich ansonsten auf ihrem Reichtum und den Lorbeeren anderer ausruhen. Gerade die kürzlich zurückliegende Bevormundung bei der Diskussion um die Verteilung der Männer im cursus honorum hat dies wieder gezeigt. Ich will ehrlich sein. Solange es diese Männer in unseren Reihen gibt, kann man sich nicht sicher sein, wie eine offene Konfrontation ausfallen mag. Es ist daher wohl verständlich, dass viele, die unsere Ansicht teilen, sich lieber zurückhalten statt sich mit dem Vescularier anzulegen." Ich gab damit zum einen preis, dass ich derselben Meinung wie Modestus war, zum anderen, dass ich nicht glaubte, derzeitig erfolgreich einen Putsch - ob nun rein unblutig oder im Sinne des Wortes selbst - unter den Augen des Kaisers durchführen zu können.

    Pyrrus hatte mir ausgerichtet, dass Lupus mich sprechen wollte. Mir war dabei seine düstere Miene aufgefallen, und als ich ihn darob geneckt hatte, hatte er lediglich etwas von Peregrinen und Sklaven und einem Unterschied gemurmelt, sich aber nicht weiter darüber ausgelassen. Pyrrus hatte den Raum verlassen, kurz bevor es erneut klopfte. Ich sah auf und entdeckte Lupus, der im Rahmen stand. "Nein, komm ruhig herein", bat ich ihn und unterstützte die Worte mit einer Geste der Rechten, in der ich eine Feder hielt. Vor mir lag ein Blatt Papyrus, das bereits zur Hälfte gefüllt war. Ich widmete mich wieder dem Text darauf und vollendete den zuvor begonnenen Satz. Der gespitzte Kiel schabte über das Material und hinterließ schwarze Tinte. Ich stellte die Feder hernach zurück in die bauchige Halterung und schob den Bogen beiseite - er konnte während des Gesprächs trocknen, ohne dass ich Sand verwenden musste. "Wie war das Stück?" erkundigte ich mich alsdann, denn Lupus hatte Prisca vor kurzem ins Theater geleitet und seitdem hatten wir nicht wieder gesprochen.

    Ich war zwar anwesend, arbeitete jedoch nicht. Ich stand grübelnd vor dem Fenster und starrte hinaus. Die ersten Klienten mochten bald hier erscheinen, und ich sollte mich vermutlich bald zum Empfang derselben begeben, verspürte indes keine rechte Lust dazu. Mir drückte es schwer aufs Gemüt, dass Siv nicht mehr in Rom war, ich fand nur schwerlich Interesse an Dingen, die mir sonst viel Freude gemacht hatten, und Pyrrus, mein Schreiber, hatte erst gestern bemerkt, dass ich des Öfteren tief in Grübeleien versank - so tief, dass ich seine Worte schlichtweg nicht erfasste und er sich wiederholen musste. So war es auch jetzt. Ich starrte aus dem Fenster, sah jedoch nicht den Garten, sondern meinen Sohn vor mir und goldenes Haar, ohne etwas um mich herum mitzubekommen.