Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Umklammert... ich hielt sie doch nicht umklammert! Oder doch? War es denn so falsch, wenn ich nur das Beste für sie wollte? Ich sah Celerina ein wenig finster an, doch hellte sich mein Blick wieder auf, als sie aufzählte, was wichtig war. Sie hatte vollkommen recht und wiederholte ausgesprochen das, was ich selbst mir dazu bereits überlegt hatte. In einer Hinsicht jedoch hatte sie nur teilweise recht. War es nicht besser, wenn Priscas Ehemann bereits ein Senator wäre? Hochdekoriert und angesehen? Wenn er sie dann noch ehrte und gebührend behandelte...doch wie konnte ich das voraussetzen bei einem Mann, den ich weder kannte noch dass es ihn gab? Selbstredend fielen mir so einige Familie ein, darob ich ihre Frage recht fix beantworten konnte. "Ich hatte vielleicht an die Aemilier gedacht. Quintus Atimetus ist ein angesehener Mann, derzeit unverheiratet", trug ich mit wenig Elan vor. Denn obgleich Atimetus ein Senatskollege und ein guter Freund von mir war, den auch Celerina schon kennengelernt hatte, so war er dennoch für seine ausschweifenden Gelage bekannt, die gen Ende oftmals in einer Orgie endeten. Wollte ich Prisca das antun? "Die Claudier wären ebenso eine Alternative, doch sind sie politisch kaum als aktiv zu bezeichnen. Eine Verbindung hätte derzeit keinen Nutzen für uns, eben so die Lucretier." Ich überlegte. "Nun", fügte ich hinzu. "Die Flavier..." So ungern ich es einräumte, aber die Familie meiner Frau stellte ebenso eine Alternative dar wie die Tiberier. "Allerdings kann man das Kosulat deines Verwandten nicht als so erfolgreich betrachten. Er hat kaum von sich reden gemacht", gab ich zu bedenken. "Ist er nicht auch schon verheiratet? Mit einer Claudia?"

    Als meine Frau sich vollends umwandte, ließ ich die Hand ins Wasser sinken und fühlte mich nunmehr selbst wie ein Schluck desselben. Celerina verneinte die Frage, die ich ihr gestellt hatte, doch besser fühlte es sich dennoch nicht an. Ich wusste ja selbst, dass ich sie irgendwann gehen lassen musste - und dass es besser bald passierte als später, denn auch Prisca wurde nicht jünger. Und trotzdem widerstrebte es mir zutiefst, sie mir an Durus' Seite vorzustellen oder an der eines gesichtslosen Mannes. Celerinas Hand strich über meine Wange, seit dem Morgen standen dort nun wieder kurze Stoppeln. Ich seufzte tief, nachdem Celerina mir nahe an meinem Ohr das gesagt hatte, was ich selbst tief in mir drinnen schon wusste. Ich zog eine Grimasse, als hätte ich in eine saure Zitrone gebissen. "Ich weiß", erwiderte ich. "Ebenso wie ich hoffe, dass dieser Moment nicht eintreten wird. Nur die Zeit vermag man nicht anzuhalten." Leider! Denn wenn dies machbar gewesen wäre, würde vieles einfacher sein. Doch das Rad drehte sich weiter, immerfort und unaufhaltsam, und kein Sterblicher würde es aufhalten oder auch nur verlangsamen können. Waren die Fäden der Parzen einmal gewoben, so brachte sie nichts mehr in Unordnung, auch kein noch so dringlicher Wunsch eines Sterblichen.


    In jenem Moment klopfte es. Dina, die noch im Raum war, öffnete geschwind und sah hinaus. "Darius", zischte sie leise. "Was gibt es?" Dann schoss sie einen tadelnden Blick nach hinten über ihre Schulter zur Wand hin ab und machte "Pscht!" Denn Rollo stand dort und plapperte vergnügt in ihrer Fantasie. "Was ist das? Gib mal her", sagte sie, als sie die Tafel entdeckte, und schnappte sie Darius weg. Ihre Augen huschten darüber - im Lesen war sie nicht so gut, deswegen brauchte sie länger. Dann sah sie Darius wieder an. "Ich geb den zweien das später." So eine Einladung zur cena war schließlich kein Notfall. Dina wartete ab, ob Darius noch etwas dazu zu sagen hatte.


    Ich hob die Arme und legte sie locker auf die Schultern Celerinas, die sich nun direkt vor mir befand und mich ansah. Was ich dabei fühlte, war einfach zu benennen: Ich spürte in diesem Augenblick keinen Groll gegen sie. Nicht mehr und nicht weniger, und wie ich fand, war das durchaus positiv. Die Szene an der Tür beachtete ich gar nicht, denn Dina kümmerte sich bereits darum. "Es gibt niemandem, dem ich sie guten Gewissens anvertrauen würde."

    Ich ließ meinen Blick noch ein wenig länger auf Okhaton ruhen, fragend, prüfend, nicht zweifelnd jedoch. Ich glaubte ihm. Er würde es zumindest versuchen, sich dieser Aufgabe zu stellen. Vermutlich barg er Potential, irgendwo in den Untiefen seines Wesens. Wenn er erst besser Latein sprach, wäre er sicherlich von noch größerem Nutzen. Schließlich nickte ich. "Gut. Dann wirst du bei den salutationes anwesend sein und dir vorerst die Namen meiner Klienten merken. Wir beginnen damit gleich morgen früh." Es würde in Kürze gewiss das ein oder andere Gastmahl geben, bei dem bedeutendere Namen den Weg ins Gedächtnis Okhatons finden würden, doch alles zu seiner Zeit. Als nächstes stellte ich eine Frage, deren Antwort mich indes ebenso interessierte: "Sag, hat der Name Okhaton eine Bedeutung?"

    "In den Süden", erwiderte ich. Das zumindest hatte Durus gesagt. Die Männer allerdings würde ich erst nach Baiae schicken - nicht, dass ich Durus' Worten nicht traute, vielmehr sollten sie dort mit ihren Nachforschungen beginnen und herausfinden, welcher Art die Aussage Süden war. Bezog sie sich eher auf Ägypten oder gar Parthien oder dergleichen? Ich hatte mir noch keine Gedanken darum gemacht, was passieren würde, wenn Laevina gefunden und hierhergebracht worden war. Durus würde sie kaum zurücknehmen wollen, und wenn das Gerücht des gehörnten Consulars die Runde machte, würde wohl auch kein anderer sie haben wollen. Ich seufzte tief, ließ den Schwamm bald wieder sinken und lehnte mich mit geschlossenen Augen zurück. Das Wasser ging mir bis zur Brust.


    Erst bei Celerinas überraschter Frage sah ich sie wieder an. Sie hatte sich inzwischen halb zu mir umgewandt. Ihre Haut glänzte feucht, und von dem orientalischen Duft war nicht mehr viel zu riechen. Nur ganz schwach hob er sich noch vom Geruch des Badewassers ab. Ich erwiderte ihren Blick, seufzte schließlich und schüttelte den Kopf. "Nein. Wenn ich ehrlich bin, an Prisca habe ich dabei nicht gedacht. Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, sie fortzugeben." Ich strich mir das Haar aus der Stirn, was einige Tropfen Wasser zurük ließ und das Haar selbst ein wenig befeuchtete. Statt sie sinken zu lassen, legte ich die Hand an Celerinas Rücken. Unter Wasser fühlte sie sich samtweich an, ihre Haut. Ich strich daran entlang bis zur Schulter, ließ die Hand dann auf ihr liegen und betrachtete Celerina nachdenklich. "Ist es egoistisch, wenn ich das sage?"

    Natürlich. Sicher war nicht nur mir bewusst, dass diese Worte eine Farce waren. Selbstredend beeinflusste die eigene Meinung eines jeden quindecemvir eine jede Abstimmung am Ende, und so war es nicht nur in diesem Gremium, sondern in allen. Deswegen erwiderte ich darauf auf nichts, sondern wartete, und tatsächlich - Modestus fuhr fort und bestätigte damit indirekt meine Vermutung. Durus hatte während der Versammlung schon anklingen lassen, dass er nicht ganz so abgeneigt war wie die meisten anderen der pontifices. Ich überlegte. "Die Vestalinnen stellen eine Ausnahme dar, ebenso wie die Sybillen oder der Kult der Magna Mater. Ich danke dir dennoch für deine Entschätzung, Annaeus."

    Ein Sklave kam heran, im Arm eine beträchtliche Anzahl Blütenstängel. Orchideenblüten. Ich sog langgezogen die Luft ein, wandte mich Celerina zu und schoss einen Blick in ihre Richtung ab. Doch den Gefallen, ihr hier vor allen anderen böse zu sein, würde ich ihr nicht tun. Selbstverständlich hatte sie es ganz genau darauf angelegt, es gab praktisch keinen anderen Grund und sie wusste, wie lieb mir diese Pflanzen waren. Ich schluckte meinen Ärger also bestmöglich hinunter, schenkte Celerina ein doch schon etwas gepresst wirkendes Lächeln, gepaart mit feuersprühendem Blick, und war dann froh über die Ablenkung, welche die herannahenden Speisen boten. Es war für jeden etwas dabei. Zunächst begnügte ich mich mit einigen Trauben und kleinen Käsestücken, von denen ich gerade kosten wollte, als Celerina hustete. Und hustete. Ich wandte ihr den Blick zu, bemerkte die großen, mit Entsetzen gefüllten Augen ob der Nachricht über Septima, und wunderte mich, dass sie es so schwer traf. Erst im nächsten Augenblick dann fiel mir auf, dass sie sich wohl verschluckt hatte. Die Schadenfreude darüber währte nur kurz, bis ich schließlich ausholte und ihr auf den Rücken schlug. Dreimal, und nicht eben zimperlich - meine kleine Rache für die Sache mit den armen Blüten, die nun auf dem Tisch lagen und starben. Dann warf ich ihr einen leicht spöttischen Blick zu. "Du solltest nicht so gierig sein", riet ich ihr in angemessen schadenfrohem Tonfall und reichte ihr dann ihren Weinbecher, freilich nicht ohne ein kurzes Grinsen.

    Celerina zeigte sich entrüstet. Zu Recht, wie ich fand, hatte ich doch nicht anders reagiert. Ich seufzte und ließ den Schwamm eine Weile unter Wasser auf meinem Oberschenkel ruhen. "Ja. Ein Nachbar wohl, zumindest sagte Durus das. Er hatte Laevina nach seiner Genesung von dem Beinbruch in Baiae zurückgelassen, und wie es scheint, hat sie diese Gelegenheit prompt genutzt. Ich habe Brix damit beauftragt, einen Trupp Männer zusammenzustellen. Sie sollen sie finden und zurückbringen. Eine Aurelia entzieht sich nicht der Verantwortung, und eines meiner Mündel erst recht nicht", erwiderte ich, doch nur leicht erbost. Ich hatte schlicht keine Kraft mehr übrig, um wütend zu sein. Nach Celerinas nächster Frage ließ ich einen Moment verstreichen, drückte den Schwamm unter Wasser einige Male aus und hob ihn schließlich wieder an, diesmal, um damit geistesabwesend über Celerinas Rücken zu streichen. "Nein, ich glaube nicht. Es dürfte viel eher daran liegen, dass Orest sehr lange nicht mehr in Rom war", sagte ich. Celerina wusste, dass Orestes mit einem nicht abschwellenden Fieber auf dem Land gefangen war, weil er nicht reisen konnte und zudem hier niemanden anstecken wollte mit seinem mysteriösen Leiden. "Ich habe ihm schon geschrieben. Er wird es wohl hinnehmen müssen, anderes ist kaum denkbar. Durus hat recht, wenn er sagt, dass seine Nichte nicht jünger wird, und junge Frauen sind begehrter als ältere. An seiner statt hätte ich wohl kaum anders reagiert." Wasser plätscherte, ich seufzte erneut tief. "Ich habe Durus einen Ersatz für Laevina in Aussicht gestellt." Auch wenn ich nicht genau darüber nachgedacht hatte, wer dieser Ersatz sein sollte. Und wenn ich ehrlich mit mir war, so wollte ich darüber auch nicht nachdenken. Zumindest nicht jetzt.

    "Bitte, sag du", gab ich zunächst einmal zurück. Euchsen und Ihrsen würde man sich wohl erst einige Jahrhunderte später. "Sehr gut. Ich fragte nicht wegen des Namens der Vestalin, sondern weil ich einen neuen nomenclator suche. Oder jemand, der das werden könnte. Ich habe auch Celerinas Ägypter schon gefragt. Vermutlich werde ich euch beide hin und wieder mitnehmen, wenn meine Frau euch entbehren kann." Das sollte zwar nicht in einen Konkurrenzkampf ausarten, doch wollte ich durchaus sehen, welcher der beiden Sklaven hierfür besser geeignet sein würde.


    In jenem Moment stieß Caecus zu uns, der einseitig blinde Sklave."Verzeih, dominus. Siv schickt mich. Sie sagt, der Kleine hätte heute Nacht nicht geschlafen und deswegen hat sie kein Auge zugemacht. Ich soll dich bitten, ihr noch ein paar Stunden Schlaf zu gönnen." Ich runzelte die Stirn. "Hm", machte ich. "Nun gut. Aedan, traust du dir zu, die Pflanze ohne Hilfe zu den Vestalinnen zu bringen? Du musst mit den Wurzeln vorsichtig sein, die Erde darf nicht zu fest gedrückt werden. Die meisten dieser Pflanzen haben Luftwurzeln und ersticken, wenn die Erde sie zu dicht umschließt." Ich überlegte kurz. "Du könntest Okhaton mitnehmen", schlug ich vor und wollte zunächst seine Antwort abwarten, ehe ich Caecus mit einer Nachricht zurückschickte.

    Das marmorne, in den Boden eingelassene Becken besaß an den Stirnseiten unter Wasser liegende Sitzbänke. Auf eine solche steuerte ich zu und ließ mich darauf nieder, ließ mich sinken, bis das warme Wasser mich bis zum Hals umfing. Ich schloss genießend die Augen. Das Wasser hatte etwas von zärtlichen Händen, die sanft streichelnd die Haut liebkosten. Celerinas Näherkommen produzierte kleine Wellen, und ich öffnete ein Auge, um meine Frau herannahen zu sehen. Ihr Körper war durchaus schön anzusehen, obgleich ich in jenem Moment kaum recht darauf achtete. Anmutig ließ sie sich ins Wasser gleiten und kam näher. Ich öffnete nun auch das andere Auge und hob eine Hand aus dem Wasser, um die ihre einzufangen. Dann zog ich sie heran, bis sie sich vor mir befand, drehte sie mit dem Rücken zu mir und ließ sie los. Wasser plätscherte, als ich die Hand hob und hinter mich griff. Ein unförmiger Schwamm, geerntet im Rotmeer, lag dort und wartete darauf, dass ich ihn nahm - was ich auch tat. Ich tauchte ihn unter und strich damit über Celerinas Nacken. Geistesgegenwärtig hatte sie ihr Haar hochstecken lassen, was das problemlos ermöglichte. Das sanfte Plätschern und das Gefühl, etwas Nettes zu tun, lullten mich ein; ich wurde träge. Irgendwann zwischen den immer gleichförmigen Streichbewegungen fiel mir ein, was ich ihr noch nicht erzählt hatte. "Tiberius Durus war gestern bei mir. Offenbar ist Laevina mit einem unbedeutenden Mann durchgebrannt", teilte ich ihr mit. Ein Plätschern, dann wieder ein Streichen mit dem Schwamm. "Er will die Scheidung. Und er wird wohl auch die Verlobung seiner Nichte mit Orest annullieren lassen."

    Ich machte eine auffordernde Geste, sollte Avianus sich setzen, wenn er mochte. Ich unterdrückte ein Seufzen, verengte jedoch dann forschend die Augen, als er von Prisca sprach. Was ich allerdings nicht verstand, war der Umstand, dass er nicht mit ihr hatte reden können. Nun, vielleicht hatte sie ihn abgewehrt, weil sie nicht darüber reden wollte. Denn ich ging automatisch davon aus, dass es etwas mit diesem Flavier zu tun hatte. Nun seufzte ich doch und gab meine Haltung auf, um mich zurückzulehnen. "Ich denke nicht, dass sie krank ist." Sofern man Liebeskummer nicht als Krankheit betrachtete, hieß das. Oder ging es gar nicht um Flavius Piso und Prisca war tatsächlich krank? "Hm... Bist du dir sicher? Vielleicht sollten wir doch lieber einen Arzt konsultieren?" Nun stand mir die Sorge auf dem Gesicht. "Hast du mit ihr gesprochen?"

    Als Prisca sich erhob und mir in den Weg stellte, blieb ich stehen und sah sie an. Sie war kleiner als ich, daher musste ich den Blick senken. Und Prisca wirkte aufrecht und verzweifelt zugleich, winzige letzte Salzperlen hingen in ihren langen Wimpern. Es war ein Blick, der selbst Stein erweichte, den sie mir schenkte. Ich seufzte leise. Diese Situation - ich hätte mir eine ganz andere gewünscht, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Ob ihren Worten hob ich einen Mundwinkel flüchtig an. Ich glaubte ihr selbstverständlich, was sie sagte. Prisca würde mich niemals so belügen, direkt ins Gesicht. Mein Gesicht zeigte, wie sehr mich ihre Worte berührten, verbunden mit dem Blick, den sie mir gleichsam zuwarf - so mutlos, so leer, so verzweifelt. Und ehe ich mich versah, hatte ich sie auch schon umarmt und fest an mich gedrückt, an ihrem Haar vorbei auf den Steinboden blinzelnd. Ich wusste, dass mir niemals jemand gefallen würde, nicht für Prisca. Dass ich stets die Gefahr sehen würde, dass man ihr weh tat, sie benutzte und wegwarf. Sie nicht gebührend behandelte. Das war das Manko, das Problem an dieser Sache. Es gab niemanden, der gut genug für Prisca war, und das würde immer so sein.


    "Liebe vergeht irgendwann, Prisca, oder sie wandelt sich. Aus ihr kann alles erwachsen, vom Hass bis hin zur freundschaftlichen Zuneigung. Ich wünsche dir so sehr, dass du glücklich wirst. Aber ich kann das Verhalten dieses Mannes nicht tolerieren." Wenn er sich wenigstens angemessen entschuldigt hätte! Doch nichts dergleichen. "Ich möchte nicht, dass du eine Ehe führst, wie Celerina und ich sie haben." fügte ich einen Moment später hinzu, leise, und verbunden mit einem festen Drücken innerhalb der Umarmung. Dann lockerte ich selbige, lehnte mich etwas zurück, um Priscas Gesicht ansehen zu können. "Prisca. Ich werde dich immer beschützen." Und mochte sie mich auch dafür hassen, ich würde nicht zulassen, dass man ihr weh tat.

    War es ein gutes oder schlechtes Zeichen, dass Durus nichts auf meine Bemerkung bezüglich der Politik erwiderte? Ich hatte ein ungutes Gefühl, und das wurde auch nicht weniger, als er ankündigte, etwas Weiteres vorbringen zu wollen. Ich war angespannt und schwieg, wartend, was er noch zu sagen hatte. Und bereits bei der Erwähnung Arvinias schwante mir, was Durus vorbringen wollte, und ich sollte recht behalten. Durus' Worte flossen an mir hinunter und bildeten eine Lache am Boden. Zumindest kam es mir so vor. Ich konnte eben noch den Impuls unterdrücken, hinunterzusehen. Fiel es Durus tatsächlich nicht leicht, diese Angelegenheit vorzubringen, oder war er schlichtweg ein guter Schauspieler? Ich seufzte tief, strich mir über die Augen und ließ die Hand dann matt auf die Lehne meines Sessels zurückfallen, um Durus nachdenklichen Blickes anzusehen. Ich hätte wütend sein sollen, enttäuscht vielleicht, doch da war nichts weiter, nur noch Müdigkeit.


    "Orest befindet sich derzeit nicht in Rom. Ich dachte, er hätte dies auch seiner Verlobten mitgeteilt", erwiderte ich zunächst einmal. "Er ist einem Fieber anheim gefallen und kann darob nicht reisen. Sein Zustand ist seit Wochen unverändert, eine Besserung ist wünschenswert, doch nicht in Sicht." Ich nahm meinen Becher auf und leerte ihn in einem Zug, stellte ihn dann zurück auf den Tisch. "Ich ging davon aus, dass ihr informiert wurdet. Es war mein Fehler, nicht noch einmal nachzuhaken. Euren Groll kann ich daher verstehen, auch wenn ich deine Entscheidung nicht in Orestes' Namen akzeptieren kann." Das ging schwerlich, denn Orest war sein eigener Herr. Durus würde das mit ihm ausmachen müssen. "Ich kann dir anbieten, ihm einen Brief zu schreiben und dich wissen zu lassen, wenn er antwortet. Ich gehe davon aus, dass er die Lösung des Verlöbnisses akzeptieren wird. Soweit mir bekannt, hat er deine Nichte nach wie vor sehr gern, was jedoch nichts an seinem Zustand ändert." Oder aber Durus bestand darauf, das Verlöbnis augenblicklich zu lösen, was dann eine Entscheidung wäre, mit der Orestes würde leben müssen.

    Ich habe mir das nun eine ganze Weile durch den Kopf gehen lassen. So du eine erzkonservative patrizische Familie suchst, wären wohl die Claudier besser geeignet als die Aurelier. Politisch aktiv sind wir derzeit auch nur mäßig, obgleich wir drei Senatoren in der Familie haben. Ich bin mir ob deines Gesuchs immer noch etwas unschlüssig, darum zwei weitere Fragen, so du gewillt bist, die Antwort preiszugeben: Da wir bereits sowohl einen Titus als auch einen Orestes haben, wärest du bereit, deinen Namen bei Aufnahme zu ändern? Und hast du einen ICQ-Account?

    Bereits mit Celerinas nächster Frage fühlte ich mich überflüssig. Der Drang, der Situation zu entfliehen, schwoll an. Ich wollte nicht wissen, wann sie und Ursus ihren Sohn bekamen. Nicht, solange ich nicht auch darauf hoffen durfte, denselben Stolz aus den Augen meiner Frau sprühen zu sehen wie Septima. Ich ließ den Blick schweifen und versuchte, nicht zuzuhören, doch wie es bei solchen Versuchen nun einmal war, war es schier unmöglich, nicht hinzuhören. Im November also. Knappe zwei, drei Monate würden noch vergehen. Septima würde in dieser Zeit noch runder werden, und wenn sie in vier Wochen abreisen wollte, würden die Strapazen der Reise wohl am Rande der Erträglichkeit verlaufen. Es war nicht so, dass ich meinem Neffen und seiner Frau ihr Glück nicht gönnte. Doch ich selbst fühlte mich von den Parzen vernachlässigt, ja gar ignoriert, ohne dass ich einen Grund hierfür sah.


    Auf Septimas Antwort hatte ich nur genickt. Vier Wochen sollte sie gern hier verbringen, es würde keinen Unterschied machen, ob es zwei Tage oder vier Wochen waren, die sie in anderen Umständen hier im Hause wohnen würde. Ursus' Gemächer waren jedoch leer, denn er und Septima hatten einiges mitgenommen, anderes war umgeräumt worden, damit dem Umbau nichts im Wege stand. Und ich war ob des Hauskaufs der beiden davon ausgegangen, dass sie ihre Räume nicht mehr benötigen würden. Vielleicht war das zu vorschnell gewesen?


    Dann jedoch sprach Septima etwas an, das mich den Kopf wenden und sie überrascht anschauen ließ. Natürlich, sie war schwanger gewesen. Ein Fauxpas bei einem Opfer, und dennoch... "Du hast doch nicht aktiv teilgenommen, oder doch?" hakte ich nach. Ich hatte keine Ahnung, wie eine Frau merkte, dass sie ein Kind trug - abgesehen vom Ausbleiben der Blutung. Ich glaubte dennoch nicht, dass Septima absichtlich mitgegangen war, obgleich sie es gewusst hatte. Solcherlei unterstellte ich ihr nicht. Forschend betrachtete ich Celerina. Für sie musste es Erlösung und Schlag ins Gesicht zugleich sein, trug sie doch nicht die Schuld am gescheiterten Opfer, gleichwohl es dennoch immer noch gescheitert blieb.

    Ich sah auf meine Frau hinunter, ein kaum sichtbares Lächeln um meine Mundwinkel. Das war kurios. Das war schlichtweg kurios. Ich glaubte, mich zu erinnern, dass Celerina und ich noch niemals zuvor gemeinsam ein Bad genossen hatte, doch sicher war ich mir nicht recht. Deandra, ja, mit ihr hatte ich gebadet, doch war dies eine Episode, die ich lieber vergessen wollte und darob verdrängte, und genau das tat ich in jenem Moment. Ich strich ein letztes Mal über Celerinas Haar und ließ sie dann los, trat einen Schritt zurück. "Schön", sagte ich und war durchaus ein wenig verwundert, dass Celerina ein zweites Bad genießen und Gefahr laufen wollte, den orientalischen, geheimnisvollen Durft zu verlieren, der sie umgab. "Ich freue mich. Ich lasse dir dann bescheid sagen." Ein wenig unschlüssig stand ich zwischen ihr und dem Schreibtisch, gab mir schließlich einen Ruck und ging um ihn herum, um mich wieder dahinter zu setzen. Irgendetwas hatte ich noch erledigen wollen, doch war, hatte ich vergessen. Ratlos betrachtete ich die fein säuberlich ausgerichteten Stapel auf dem Schreibtisch, dann wieder Celerina.

    Stille Wasser sind tief. Ich wusste nicht, warum mir diese Lebensweisheit in den Sinn kam, doch sie tat es. Sie schien auf der einen Seite nicht zu passen, erst recht nicht auf mich selbst, denn als still konnte ich mich kaum bezeichnen. Tief hingegen fühlte ich mich durchaus so manches Mal, dann und wann tiefer als zu anderen Zeiten. Heute war ein solcher Tag. Seit dem Treffen, das Celerina und ich zuvor gehabt hatten, und der der damit verbundenen Nachricht, dachte ich nurmehr an die bevorstehende Ankunft Septimas, an meine Gefühle für Siv, die auf gewisse Weise kontrovers zu jenen für Celerina waren, und an die Notwendigkeit, einen Erben zu zeugen, um überhaupt etwas auf dieser Welt zurückzulassen, das meinen Namen forttrug. Abgesehen von Finn, der trotz des Umstandes, mein Sohn zu sein, doch kaum das Erbe würde antreten können. Es half nichts, das Vermissen zu ignorieren. Es zu verdrängen brachte ebenso nur wenig Besserung, und Ablenkung war der einzig mögliche Ausweg, um nicht zu viel zu grübeln, um mich nicht der Sehnsucht hinzugeben, die ich empfand, oder dem Wunsch, mit Siv zu reden. Vielleicht war es ganz gut, dass sie nun erst einmal fort war - zumindest versuchte ich, mir das einzureden, auch wenn ich dabei nicht einmal ansatzweise erfolgreich war. Und so versuchte ich, mich in Arbeit und Ablenkung zu stürzen, um nicht darüber nachzudenken, wie schlecht es mir damit wieder ging, getrennt zu sein von Siv und dem Jungen, gleichwohl ich wusste, wo sie sich aufhielten und ich jederzeit auf besagtes Landgut reisen konnte.


    Als ich den Raum betrat, schlug mir schwere Luftfeuchtigkeit entgegen. Ich schloss die Tür hinter mir und ließ mich gemächlich von Dina auskleiden. Das Wasser in dem Bassin war klar und roch gut, nicht zu blumig-süßlich, sondern eher herb - Tannennadeln kamen mir in den Sinn, und abermals schob ich die Gedanken fort, die sich unweigerlich bildeten. Die Sklavin nahm mir eben die tunica ab, als die Tür sich erneut öffnete und Celerina eintrat. Ich trug bereits nichts mehr, wandte mich halb zu ihr um und schenkte ihr ein kurzes Lächeln. Während sich Dina um meine Frau kümmerte, ließ ich mich in das warme Wasser gleiten. Es war eine Wohltat, entspannend und angenehm.

    Salve Orest,


    ehe ich mich hierzu äußere, hätte ich einige Fragen an dich.


    Warum möchtest du einen Patrizier spielen und warum hast du dir unsere gens ausgeguckt? Hast du dir bereits Gedanken zum Hintergrund deiner ID gemacht, also zur bisherigen Vergangenheit und zum Charakter - abgesehen davon, dass er ein Epikureer sein soll? Wie stellst du dir die Zukunft deiner Figur vor? Und hast du Vorstellung von einer möglichen Platzierung innerhalb des Stammbaumes?


    Die patrizischen Familien sind in ihrer Aufnahmekapazität hinsichtlich der Spieler eingeschränkt, deswegen versuchen wir natürlich zu vermeiden, die vorhandenen Plätze an jene zu vergeben, die sich nach kurzer Dauer im Spiel einfach nicht mehr melden.


    Hast du bereits Rollenspielerfahrung gesammelt, die man eventuell auch lesen kann? :)
    Was das ausgedachte Konzept angeht, sehe ich da doch einige Schwierigkeiten, aus eben dem Grund, dass wir im gesellschaftlichen Leben doch recht aktiv sind.


    Grüße
    Corvinus