Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Als Charis' Stimme unerwartet in meine Gedanken drang, löste ich den Blick von den kargen Oleanderzweigen und taxierte stattdessen sie. Besonders entspannt wirkte die Griechin nicht, allerdings war das wohl auch kaum zu erwarten gewesen, nach dem Hin und Her mit dem Ein- und Auspacken. Kurz fragte ich mich, was im Kopf der Griechin wohl vorgehen musste, dann zeigte ich großzügig auf einen der gepolsterten Sessel. "Setz dich." Ich benetzte meine Kehle mit dem guten Iberer und legte den Arm anschließend auf der Lehne ab, um Charis durchdringend zu mustern.


    "Ich muss dir nicht sagen, dass ich äußerst unzufrieden mit deiner Leistung bin, Charis", tat ich ihr kund und bewegte dabei keine Miene. "Ich habe dich Celerina nicht gegeben, damit ich wieder und wieder in solche Situationen gerate. Du hast mich enttäuscht. Ich hätte mehr erwartet von dir." Immerhin hätte Charis mit den richtigen Hinweisen zur richtigen Zeit zumindest etwas Geschwindigkeit herausnehmen können in dieser rasanten Berg- und Talfahrt, die Celerina und ich in letzter Zeit durchgemacht hatten. Vielleicht war diese Annahme etwas ungerecht, doch war es durchaus angenehm, die Schuld noch auf zwei weitere Schultern zu verteilen.

    Kurz rutschten meine Brauen zusammen, dann entspannte sich mein Gesicht jedoch wieder. Im Grunde bewies der Flavier damit Bescheidenheit, auch wenn es ganz und gar nichts Unübliches war, direkt als aedituus einzusteigen, zumal er schließlich patrizischer Herkunft war und ihm die kulturellen Praktiken ohnehin vertraut waren. Doch ich nickte nur bestätigend und nippte kurz an meinem Wein, den ich hernach wieder auf dem Tisch platzierte. "Wenn das dein Wunsch ist, will ich ihm nicht im Wege stehen", erwiderte ich, vielleicht ein wenig vorschnell, wie mir nun einfiel, denn etwas hatte ich noch nicht in Erfahrung gebracht. "Sag, Flavius, inwiefern bist du mit Flavius Piso verwandt?" Mit unverhohlener Neugier betrachtete ich meinen Sitznachbarn nun, doch herausragende Ähnlichkeit mit dem ungehobelten Piso konnte ich nicht ausmachen.

    "Es reicht allemal, wenn du einen Sklaven vorbeischickst. Du kannst die Artikel entweder hier oder am domus der Acta Diurna einreichen, dort ist immer jemand vor Ort, der auch eventuelle Fragen beantwortet." Im Zweifelsfall mochte der Tiberier an Caius Columnus geraten überlegte ich, doch dann wusste er immerhin gleich, worauf er sich einließ, wenn er Durchhaltevermögen besaß und tatsächlich bei uns anfing. "Im Normalfall wird übrigens der Name des Autors nicht genannt. Solltest du darauf bestehen, füge bitte eine entsprechende Notiz hinzu", fiel mir dazu noch ein. Ich war bereits gespannt auf den ersten Artikel des Tiberiers.

    Er war der Sohn einer Aurelia, die ich nur vom Namen her kannte. Das war interessant. Und Gracchus war sein Großonkel. Auch dies war interessant. Sein bisheriger Werdegang indes unterschied sich nicht sonderlich von dem vieler anderer junger Patrizier. In Athen war auch ich damals gewesen - es schien mir Jahrzehnte her zu sein.


    Ich nahm das Schreiben an mich und studierte es sorgfältig, obgleich ich allein schon ob seines Auftretens und seiner Geschichte nicht viele Zweifel hegte, dass beides der Wahrheit entsprach. Nachdem ich das Pergament gelesen hatte, ließ ich es sinken entschloss mich dann jedoch anders und legte es auf den Tisch. Dina hatte dem Gast inzwischen seinen Weinkelch gereicht. "Es hätte dieser Verifizierung nicht bedurft. Niemand von Sinnen würde sich in das Verwandtschaftsgeflecht unserer beider Familien einflechten, ohne befürchten zu müssen, an der einen oder anderen Stelle aufzufliegen." Ich lächelte kurz schräg, wobei sich die Schrammen auf meinem Gesicht verzogen. "Nun denn. discipulus also. Warum nicht gleich aedituus?" fragte ich den Flavier.

    Ich saß allein auf der Terrasse in den letzten Sonnenstrahlen des Abends. In der Küche wurde bereits tüchtig gewerkelt, bald wäre es Zeit für die cena. Ich hatte meinen zweiten Becher unverdünnten Weines in der Hand und dachte träge über die Situation nach, in der ich mich gerade befand und wie sie in Kürze aussehen mochte, wenn Siv wieder hier einzog. Hatte ich wirklich zugesagt, mich bis zur Geburt eines Kindes nur meiner Frau zu widmen? In der Schwangerschaft waren Frauen meist unleidlich, an gemeinsame Stunden war da wohl mitnichten zu denken - ganz abgesehen davon, dass Celerina derzeit wohl das am allerwenigsten wollte. Ich hätte besser nachdenken sollen, ehe ich ihr das Versprach. Andererseits...was war ein wenig Enthaltsamkeit schon, wenn sie mit einem Erben entlohnt wurde? Ich verzog die Lippen abschätzig, seufzte tief und nahm einen weiteren Schluck. Es war unglaublich - wie lange würde Celerina Charis denn noch beschäftigen? Ich legte die Beine hoch, bettete die Fersen auf das weiche Polster eines weiteren Sessels und betrachtete den kränkelnden Oleander, den Celerina mir damals geschenkt hatte. Seitdem auf Ursus' Hochzeit einer seiner Soldaten nicht hatte an sich halten können, hatte er fast seine ganzen Blätter verloren. Er war hässlich geworden, unansehnlich, doch aufgeben wollte ich ihn nicht. Sicherlich würde er wieder austreiben, und irgendwann sogar wieder blühen. Ich schnaufte kurz. Dieser Baum war wie unsere Ehe.

    Die Überraschung auf Celerinas Gesicht war deutlich als solche zu erkennen. Ich kniff kurz prüfend die Augen zusammen, als sie nur nickte und mich dann hinauskomplimentierte. Flüchtig überlegte ich, mich zu widersetzen, doch was sollte ich andererseits noch hier? Es war alles gesagt, was hatte gesagt werden müssen. Vorerst. Ein wenig zweifelte ich ob des guten Ausgangs des bevorstehenden Opfers, denn die Göttin musste sehen, was hier im Argen lag, und ob sie dies ignorierte oder nicht, vermochte ich nicht einzuschätzen.


    Wir saßen uns noch einen Moment gegenüber, schweigsam, dann erhob ich mich, unschlüssig, ob ich noch etwas sagen sollte oder nicht. Ich entschloss mich für etwas Unverfängliches. "Wir sehen uns dann später." Damit verließ ich sie und schickte die herumlungernden Sklavinnen wieder zurück hinein. Doch zuvor teilte ich Charis mit, dass ich sie zu sehen wünschte, sobald meine Frau sie von ihren heutigen Aufgaben entbunden hatte.

    Ich schwieg. Es gab nichts mehr zu sagen. Celerinas Hand ließ ich kurz darauf los. Was das weitere Vorgehen bezüglich anbelangte, war ich wohl ebenso planlos wie sie selbst. Ich wollte niemandem den Aufenthalt in einem bestimmten Bereich des Hauses verbieten, noch den Umgang oder sonstige Dinge. Das mochte eine komische Situation werden, kurios und schwierig für alle Beteiligten, und dies war der erste Moment seit meinem Entschluss, dass ich an dessen Durchführbarkeit zweifelte. Ich mutete Celerina einiges zu. Ich wusste das. Und ich nahm mir vor, meine Bemühungen zu verdoppeln, ihr Leben angenehm zu machen.


    "Ich werde alles arrangieren", sagte ich eine Weile später und schürzte daraufhin kurz die Lippen. Ein taktisches Vorgehen war nicht immer leicht. "Und ich möchte mich entschuldigen für meine Worte vorhin. Es liegt mir fern, dich auf deine Rolle als Mutter zu reduzieren. Das habe ich vorhin getan, und das tut mir leid." Im Grunde genommen fielen mir augenblicklich einhundert Dinge ein, aus denen Celerina diese Worte im Garten verdient hatte, doch die eben gefasste Absicht brachte mich dazu, diese Gedanken zu ignorieren und zu handeln wie ein Ehemann, indem ich mich für die harschen Worte entschuldigte, gleich ob sie zuvor ebenso giftig gewesen war oder nicht. Vielleicht sollte ich sie demnächst ausführen, nur sie und ich, in ein Theaterstück wie damals, als wir noch nicht einmal verlobt gewesen waren. Die ludi zu Ehren des Apoll boten hier vielleicht eine Möglichkeit, überlegte ich, doch da ahnte ich noch nicht, dass ich verhindert sein und Celerina das Stück mit einer Verwandten besuchen würde.

    Meine Mundwinkel zuckten kurz ob ihrer Worte. War ich wirklich kalt? War ich abweisend zu ihr gewesen? Celerina wandte den Blick ab, ich sah sie weiterhin an und versuchte zu ergründen, warum sie mich nicht verstand. Ich fand sie ansehnlich, durchaus. Daran lag es nicht. Ich konnte es nicht benennen. Vielleicht hatte Siv mit ihrer störrischen Art mich bezwungen, ohne es zu wollen und ohne dass ich es bemerkt hatte. Celerina hingegen besaß ebenfalls Stolz, wenngleich auch anderer Art.


    Erneut breitete sich ein drückendes Schweigen aus, bis Celerina mich wieder ansah und ihre zuvor gestellte Forderung änderte. Im ersten Moment wollte ich widersprechen, sie auf die Lächerlichkeit hinweisen. Doch ich überlegte zunächst. Im Grunde war diese Forderung nur rechtens, immerhin verlangte ich dasselbe von ihr, wenn auch aus anderen Gründen. Allein deshalb war ich gewillt, ihr nachzugeben. Als nächstes dachte ich darüber nach, wie sie das gesagt hatte. Es klang so, als gab sie damit auf. Ich presste die Lippen kurz aufeinander und betrachtete sie weiterhin nachdenklich. Vielleicht sah es für sie so aus, als würde ich über ihre Forderung nachdenken, doch ich dachte über den Teil der Schuld nach, der auf meinen Schultern lastete. Schlussendlich überlegte ich, ob sie es ertrug, wenn ich nach ihrer Hand griff. Obgleich unser Verhältnis alles andere als leicht zu bezeichnen war, kam es mir dennoch richtig vor, also tat ich es. Der Stoff meiner tunica raschelte leise, als ich mich vorlehnte und meine Hand nach ihrer ausstreckte, um sie zu nehmen. "Ich verspreche es", sagte ich und machte mir keine Gedanken darum, wie leicht oder schwer das werden würde. Keine Miene regte sich, während ich ihr das versprach. Dafür wand sich in mir etwas Anderes, wollte hinaus, obgleich ich nicht wusste, ob es klug war, das anzusprechen - in jenem Moment und überhaupt. "Er war nicht geplant. Mein...der Junge." Und das stimmte sogar, denn Siv war ebenso überrascht gewesen darüber wie ich. Ich benetzte mit der Zungenspitze meine Lippen und beschloss, dass es doch besser war, das Thema fallen zu lassen. Immerhin hatte Siv damit das, was Celerina nicht hatte. "Lass uns noch einmal Iuno opfern. Gemeinsam. Ein großes Opfer", schlug ich vor und dachte dabei an eine Kuh, die schönste und stattlichste, die sich in der regio finden ließ. Wenn erst das Kind einmal da war, wäre alles einfacher.

    Ich bin zwar nicht im ordo decurionum, sondern nur im CD :D , aber ich kann dich mal aufs Wiki verweisen.
    Confluentes besaß nachgewiesen eine große Tempelanlage; es sollte also kein Problem darstellen, wenn du einen entsprechenden Thread mit dem Tempel eröffnest, den du brauchst. :)

    Eine Perspektive. Hatte ich das nicht versucht? War ich nicht schon mehr als einmal daran gescheitert? Und trug nicht sie selbst zumindest einen Teil dieser Schuld? Ich sah Celerina ein wenig missmutig an. Ein Kind mochte alles richten. Vielleicht wäre ein Kind der Schlüssel zu diesem Desaster. So recht überzeugen mochte ich mich nicht einmal selbst davon, denn wenn wir nicht mehr unseretwegen stritten, so würden wohl ob der Erziehung Diskussionen entstehen, die kaum minder heftig sein würden - nicht bei ihrem Temperament. Und auch nicht bei dem meinen. Ich sah ihr Gesicht an, sah, wie sie die Tränen fortwischte und danach meinen Blick erwiderte. Die Zeit verstrich, und fast glaubte ich, sie wollte mich in Grund und Boden starren, da sie nicht fortfuhr und ich mich schlussendlich gezwungen sah, selbst das Wort zu ergreifen.


    "Einen Grund zu bleiben", wiederholte ich zunächst nachdenklich und tippte mit den Fingerkuppen leise rhythmisch auf den Tisch. "Ich bin ratlos, Celerina. Ich habe versucht, einen Mittelweg zu gehen, doch erfolgreich war das nicht. Es scheint nichts zu geben, das ich dir bieten kann - nichts, das du wollen würdest." Aufrichtig sah ich meine Frau an. Ihren Parther könnte ich zurückholen lassen, doch würde ich das erst tun, wenn gewisse andere Dinge klar waren. Das hatte ich ihr bereits gesagt. "Ich kann dir ein standesgemäßes Leben bieten, Ansehen und Respekt. All das hast du bereits. Wenn du willst, übertrage ich dir neben der Haushaltsführung noch die Aufsicht über Verwaltungsaufgaben und Finanzen." Es war ein Stochern im Dunkeln. Den Haushalt führte sie bereits - wenn sie mehr wollte, hätte sie es jederzeit kund tun können. Ich zuckte mit einer Schulter und deutete ein Kopfschütteln an. "Du musst mir sagen, was du willst, Celerina, und wir finden eine Lösung, die uns beiden angenehm ist." Einen Kompromiss. Eine Grundlage. Ich glaubte nicht mehr daran, dass uns jemals etwas verbinden würde wie andere Paare, dafür war zu viel geschehen zwischen uns. Und das, was sie eigentlich wollte und offenbar auch immer gewollt hatte, sah ich mich außerstande, ihr zu geben. Zumindest nicht in demselben Umfang.

    Als ich Schritte hörte, wandte ich mich um. Fast erwartete ich, Siv als erste zu sehen, doch stattdessen sah ich ins jugendliche Gesicht des Galliers., des Sklaven meiner Frau. "Ah, Aedan", erwiderte ich ein wenig überrascht und sah kurz an ihm vorbei, ob Siv vielleicht ebenfalls bereits in Sicht war, doch da war niemand. Also konzentrierte ich mich voll und ganz auf den Gallier. "Wir warten noch auf Siv", erklärte ich ihm. "Dann muss ich nicht zweimal erklären, was ihr beiden tun sollt." Ich war mir in diesem Moment der Striemen wieder bewusst, die über meine rechte Wange zum Mundwinkel hin führten, doch ich unterdrückte den Impuls, sie zu berühren. "Und hast du dich gut eingelebt?" erkundigte ich mich im Plauderton bei dem gallischen Sklaven, um die Zeit mit etwas Konversation zu überbrücken.

    "Das würde mich sehr freuen", hatte ich noch zu erwidern gehabt. Und kaum eine Woche später musste ich auf Duccius Valas Mitarbeit verzichten und seinen Part einem anderen Schreiber aufdrücken, was genau genommen ein gewisses Maß an Umstrukturierung erforderte - kein Wunder, nach der langen Zeit des Miteinanderarbeitens.


    Sim-Off:

    Gern geschehen. ;)

    Es dauerte eine Weile, bis die junge Dame überhaupt etwas erwiderte. Derweil hegte ich kurz einmal die Vermutung, sie eventual zu überfordern mit dieser Aufgabe. Andererseits war es durchaus an der Zeit für Iunia Serrana, ihr Wissen weiterzugeben, wie ich fand. Ich dachte hierbei an jemanden Bestimmtenund setzte schlussendlich eine zufriedene Miene auf. "Sehr schön, das freut mich", erwiderte ich. "Natürlich ist es eine Herausforderung, aber nur daran wächst man. Und ich bin mir sicher, dass in ein paar Jahren sehr souverän dein Wissen weitergeben wirst."


    Ich griff nach der Wachstafel und warf einen Blick darauf, als hätte ich mir die dort vermerkten Namen nicht merken können, obgleich das Gegenteil der Fall war. "Dein erster Schüler wird Quintus Flacius Flaccus sein, ein Verwandter Flavius Gracchus'." Ich gin davon aus, dass ihr dieser Name ein Begriff war. "Du solltest dich davon allerdings nicht nervös machen lassen."


    Sim-Off:

    Ich muss dem dazu laufenden Thema leider vorweggreifen und Flavius Flaccus nennen, da Iulia Corona sich gegenwärtig in Germanien aufhält und ihr Interesse am CD zunächst auf Eis liegt. Bitte nicht wundern. :)

    Ich entging nur knapp einem geworfenem Etwas, das kurz darauf in der Menge hinter mir verschwand und offensichtlich jemand anderen traf. Gegen ausgelassenes Feiern war sicherlich nichts einzuwenden, zumal viele custodes dafür sorgten, dass niemand wirklich nahe an ihre Herren und Herrinnen herantreten konnte. Und doch gab es genug Leute in Roms Straßen, die allein oder in Grüppchen unterwegs waren und nur allzu gute Ziele für Diebe und sonstiges zwielichtiges Gesindel boten. Ganz in der Nähe spielten drei Männer auf ihren Instrumenten, umringt von einem Pulk an Zuhörern, die klatschten, johlten, lachten und krakeelten, an der gegenüberliegenden Straßenecke hatte ein Puppenspieler sein Reich aufgebaut und gab eine Parodie über Nero zum Besten. Hin und wieder liefen kleine Gruppen von Frauen vorüber, manche mit Feigenzweigen bewaffnet und halbherzige Hiebe austeilend, manche nur scherzend und gut gelaunt. Für Sänften war hier kein Durchkommen mehr möglich - wer mitfeiern wollte, musste das zu Fuß tun.


    Ein wenig fehl am Platze fühlte ich mich durchaus, doch hatte ich Präsenz zu zeigen, und ich konnte mich auch nicht immer von den Nachwehen eines angenommenen Opfers fernhalten. Ein Sklave reichte mir einen Becher Wein, den ich zwar annahm, doch nur in der Hand hielt. Das Chaos zu überblicken, hatte ich längst aufgegeben, und so begnügte ich mich damit, mir den nicht enden wollenden Festzug anzuschauen. Sklavinnen wie Römerinnern wurden heute gefeiert, und wie bei fast jedem Feste stand Rom Kopf, wenn es etwas zu feiern gab.


    Sim-Off:

    Nur zu!

    Ich hatte noch nie sonderlich viel mit Personen anfangen können, die kaum etwas erwiderten, auf das man selbst eingehen konnte. Ich seufzte lautlos und schüttelte den Kopf. "So meinte ich das nicht. Auch ein einzelner Artikel wird keine Kontinuität zeigen, und gerade das ist es, was einen guten subauctor ausmacht. Kontunuität, einen guten Schreibstil und etwas Gespür für Interessantes. Jeder Autor wird zunächst als freier Mitarbeiter getestet, was bedeutet, dass du mehrere Artikel einreichst. Du wirst selbstverständlich dafür auch entlohnt werden. Gleichzeitig können wir uns ein Bild über dich machen."

    Die Ungeduld des Besuchers wurde nur ein klein wenig strapaziert und lag wohl noch im Rahmen. Der Knabe hatte mich über den Gast informiert, wiewohl der nomenclator mir bedauerlicherweise nichts über diesen Flavier sagen konnte, gar dessen Namen noch nie zuvor gehört hatte. Das galt es nun also selbst, herauszufinden. Eine synthesis tragend - denn ich hatte mich eben umkleiden lassen - betrat ich also das atrium und schritt auf den jungen Flavier zu, um ihn zu begrüßen. "Salve, Flavius", sagte ich und stellte missbilligend fest, dass ihm noch kein Becher angereicht worden war. Dina hantierte noch mit dem rechten Mischungsverhältnis des Weines, und so bot ich dem Gast schon einmal einen Platz an. "Du wolltest mich sprechen? Bitte, setzen wir uns doch." Hierfür sollte eine steinerne Bank dienen, die zwischen den Säulen des halboffenen Raumes platziert worden war. Rotgoldene Sitzkissen polsterten die Sitzfläche.

    "Dessen bin ich mir vollauf bewusst", erwiderte ich grantig und ließ dabei offen, worauf genau ich nun antwortete. Ich war mir darüber im Klaren, dass auch ich einen Teil dazu beizutragen hatte - aber tat ich das nicht? Ich war mir ebenso im Klaren darüber, dass Celerina ein Märchen hatte haben wollen - doch war ich weder geeignet dazu, noch wollte ich eine Rolle in einem Spiel einnehmen. Dennoch hatte ich das versucht, mich verstellt und verdreht, um ihr wenigstens ein wenig zu geben. Vergeblich, das stellte sich nun heraus. Nein - das hatte sich bereits herausgestellt, als sie mir von ihrer Sklavenaffäre gebeichtet hatte. Aber das sah Celerina nicht. Mir lag all dies als scharfe Erwiderung auf der Zunge, ich wollte sie anbrüllen und herunterputzen und hätte das wohl auch getan, wenn nicht in diesem Moment ihre Schulter gezittert und sie zu weinen begonnen hätte. So entwichen die Worte unausgesprochen in einem langen Atemzug, nachdem ich kurz die Luft angehalten hatte. Ihre Worte standen im Raum, standen zwischen uns wie eine massive Mauer, und ich selbst stand dort und wusste nicht, was ich anfangen sollte mit mir, mit ihr, mit alledem. Ich hasste es, wenn sie weinte, und obgleich ich ihr nun mehr denn je eiskalte Berechnung zutraute, so glaubte ich nicht, dass die Tränen in diesem Moment ein Bluff waren, und das rief Befangenheit in mir hervor. Celerina hatte sich inzwischen abgewandt. In mir kämpften Verachtung und Verärgerung miteinander darum, wer den Platz einnehmen durfte, doch wie so oft gewann ein Dritter, wenn sich zwei stritten: Nach einem Moment gab ich mir einen Ruck, ging zu ihr hin und zog ihr schräg gegenüber ein Stuhl hervor, um mich zu setzen. Ich schob einige Tücher beiseite und legte eine Hand auf die kühle Tischplatte, Celerina dabei ansehend, aber noch immer schweigend.


    "Es stand nie in meiner Absicht, dich unglücklich zu machen", sagte ich schließlich ruhig. "Ich habe mich bemüht. Offensichtlich war das jedoch nicht sonderlich von Erfolg gekrönt", fügte ich mit einer kleinen Portion Selbstironie hinzu, kurz schief lächelnd. Ich betrachtete den filigranen Löwen auf meinem Siegelring dabei. Schweigen, nur durchbrochen von ihren leisen Schluchzern. Ich sah Celerina wieder an. "Ich habe keine Lösung hierfür."