Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Bestätigend nickte ich, damit wäre diese Angelegenheit also geklärt. Ich würde vermutlich gleich im Anschluss an unser Gespräch ein entsprechendes Schreiben aufsetzen und überbringen lassen. Dieser Dontas also war ein Etrusker? Das war interessant, passte jedoch nicht so ganz mit dem kuriosen Namen, wie ich fand, denn die Etrusker kamen aus Norditalien und waren vor beinahe einhundertfünfzig Jahren romanisiert worden. Warum dieser Mann dann noch ein Peregriner war, durfte eine interessante Erklärung zur Folge haben, ebenso, was er mit den etruskischen Göttern meinte, die im Grunde die römischen waren. Ob dieser Gedanken bedachte ich die Iunierin vor mir mit einem nachdenklichen Blick. "Mir scheint, ein Treffen mit diesem Mann dürfte recht interessant werden", erwiderte ich also auf ihre Worte hin und schmunzelte. "Wärest du denn gewillt, gleich zwei Schüler zu unterrichten, Iunia? Es lernt sich so besser, meiner Erfahrung nach, da man sich unterstützen und auch hinterfragen kann." Im Grunde eine logische Schlussfolgerung, dass Serrana gleich zwei Neuzügänge bekam.

    Ich kniff die Augen zusammen, als Siv deutlich machte, dass Celerina sie bereits in die Mangel genommen hatte. Die stete Bewegung meines Daumens verebbte, während ich sie nachdenklich ansah. Im Auge behalten wollte Celerina Siv also. Seltsamerweise stimmte mich das nur nachdenklich, nicht aber verärgert. Vermutlich war das ein gewitzter Hinweis meiner Frau an mich, mit dem Umweg über Siv, dass sie auch mich im Auge behalten wird. Ich brach den Blickkontakt zu Siv ab und betrachtete stattdessen nun auch unsere Hände. Es gab nichts, was ich darauf hätte erwidern können. Es war eine kuriose Situation, die schier unerträglich sein musste für Celerina - musste sie doch annehmen, dass sie bekommen hätte, was sie wollte, wenn Siv nicht gewesen wäre. Ich verstand das. Für mich war die jetzige Lage nun auch nicht eben einfach.


    Sivs Frage durchbrach meine Gedanken und lenkte sie zu sich zurück. Ich starrte immer noch auf dieselbe Stelle. Ihre Haut war heller als die meine, nordischer. Meine Mundwinkel zuckten, dann wagte ich erneut den Blick zu Siv, zu der ich ob ihrer Position aufsehen musste. Sie wollte wissen, was sein würde. Verständlich. Nur hatte ich keine Antwort darauf. Die hatte ich nicht einmal gehabt, als ich sie bei Uland aufgesucht hatte, denn dieser Entschluss war eine der sehr seltenen Bauchentscheidungen gewesen, die ich in meinem Leben bisher getroffen hatte - ohne nachzudenken, ohne eine Vorstellung zu haben. "Ich weiß es nicht", gab ich schließlich zu. Was hätte ich auch anderes sagen sollen? Für die meisten lag es wohl auf der Hand, dass ein Patron seiner ehemaligen Sklavin und ihrem Neugeborenen aushalf, ihnen ein Dach über dem Kopf, Essen und Arbeit bot. So ungewöhnlich war das schließlich nicht, gegenteilig, es war sogar alltäglich. Es würde nie so sein, dass man mich in Rom gemeinsam mit Siv sehen und ich Anstoß für die richtigen Gedanken ob unseres Verhältnisses zueinander geben würde. Nicht, solange ich blieb, wer und was ich war. Mich interessierte, welche Erwartungen Siv an dies hier hatte, doch wusste ich nicht, wie ich die Frage formulieren sollte, ohne dass sie abweisend klang. Ich hob einen Mundwinkel und versuchte mich an einem schiefen Lächeln. "Was denkst du?" spielte ich den Ball schließlich schlicht an sie zurück, mit der Betonung auf dem letzten Wort.

    Ich hatte kau die Hälfte des Weges zurückgelegt, da geschahen einige Dinge gleichzeitig. Celerina ließ von ihm ab und der Sklave wandte sich seinerseits um, kampfbereit, wie mir schien. Ich sah ihn an, nicht meine Frau, während ich die zweite Hälfte des Weges überbrückte. Sein Blick glitt über mich, huschte dann zu meinen Begleitern, die am vestibulum stehen geblieben waren, die Szenerie allerdings betrachteten. Mir missfiel außerordentlich, dass dieser Sklave - den ich im Übrigen tatsächlich nicht kannte - sich vor Celerina aufbaute, als galt es, sie vor mir zu beschützen. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er tatsächlich erwägen, sich mir in den Weg zu stellen, doch dann veränderte sich sein Blick und die Muskelspannung ließ deutlich nach. Gleichzeitig erhob sich Celerina und flötete ganz ungeniert meinen Namen. Sogleich fuhr sie fort.


    "Aha", sagte ich mit mäßiger Begeisterung, nachdem ich zwischen ihr und dem Sklaven angekommen war. Ein Geschenk also. Ich entdeckte einen kleinen Stoffberg zu unseren Füßen. "Zieh dich an", befahl ich dem Sklaven und ignorierte ihn hernach vorerst. Celerina tat indes so, als hätte alles seine Ordnung. Ich hatte sie bisher nicht angesehen, wandte den Blick nun aber ihr zu. Eine steile Falte stand auf meiner Stirn, dennoch beugte ich mich nun vor und setzte meiner Frau einen flüchtigen Willkommenskuss auf die Wange. "Solange es dabei bleibt, soll mir das recht sein. Sie gehören schließlich dir. Wie kam es zu diesem Geschenk?" Das ich am liebsten samt dem Gallier postwendend zu dem Parther nach Sardinien geschickt hätte. Nachdem ich die Situation vorerst entschärft hatte, hielt sich der Groll in Grenzen. Ich betrachtete nun wieder den Sklaven, der sich offensichtlich nicht besonders wohl fühlte in seiner Haut.

    Ich versuchte wirklich, ihre Haltung nachzuvollziehen. Gewiss war es nur der Schreck, dass sich ihr leben so plötzlich verändern sollte. Anders konnte ich es mir kaum erklären, denn für welche Frau wäre es nicht eine Verlockung gewesen, in den engen Kreis der Vestalinnen aufgenommen zu werden und - nebst den Pflichten, versteht sich - auch die Rechte zu genießen? Eine Dienerin der Vesta war schließlich unantastbar, mehr noch, sie konnte sogar einen gesprochenen Schuldspruch aufheben - und besaß damit durchaus Macht. Vestalinnen durften als Einzige am Tage mit einem pilentum durch Rom fahren, sie durften sogar eigene Testamente aufsetzen, was jeder Römerin sonst nicht erlaubt war. Was machte es da aus, dass sie vorerst keine Ehe schließen konnte?


    Narcissa schwieg verbissen, und ich sah sie ratlos an. Dieses Gespräch würde ihr wohl im Gedächtnis hängen bleiben als schlechte Erinnerung, wie es aussah, und ich ahnte, dass Orest deswegen mich gebeten hatte, es zu übernehmen. Nun, das Kind war in den Brunnen gefallen und ich damit offebar unten durch. Irgendwann wäre sie uns allerdings dankbar, daran glaubte ich fest. Plötzlich tat sie kund, gehen zu wollen, und stand auf. Ich sah sie überrascht wie nachdenklich an und beschloss, dass es vermutlich das beste war, wenn wir hier ersteinmal abbrachen. Ich erhob mich ebenfalls. "Nein, bleib nur hier. Ich wollte dich nicht beim Lesen stören. Ich werde gehen, ich habe ohnehin noch zu tun. Versprich mir bitte, dass du über meine Worte nachdenkst, Narcissa." Obgleich sowohl sie als auch ich wussten, dass dahinter keine Bitte stand, da Orest diesen Weg für Narcissa gewählt hatte und ihrer beider Mutter ihn befürwortete. Ich schenkte ihr ein Lächeln und ließ sie dann allein. Vier Tage, überlegte ich. Soviel Zeit würde ich ihr geben, um nachzudenken. Morgen standen die Nonae Caprotinae an, da wäre ohnehin nur wenig Zeit, um erneut zu reden.

    Flavius Flaccus bedankte sich höflich. Ein wenig gestelzt vielleicht, doch das war in unseren Kreisen eben so üblich, und ich dachte mir nichts weiter dabei, sondern nickte lediglich. Die folgende Antwort indes barg eine Information in sich, die ich als weitaus interessanter empfand. Der Flavius würde sich also für Apollon entscheiden, und er tat dies nicht erst in jenem Moment, sondern schien im Gegenteil bereits frühzeitig darüber nachgesonnen zu haben. Grave nickte ich. Seine Wahl war ebenso richtig wie es jede andere gewesen wäre, denn ein jeder hatte seine Gründe. Ich hatte damals Quirinus genannt - Ewigkeiten schien es her zu sein-, empfand eine Wahl aber inzwischen als schwierig. Ich hätte mich heutzutage wohl nicht recht entscheiden können.


    "Dann bist du ein Freund des Theaters und der Musik?" hakte ich dennoch nach, um etwas wie ein Gespräch in Gang zu setzen, das sich nicht unbedingt nur um den cultus drehen würde. Selbstverständlich wusste ich, dass Apollon auch für anderes stand, so auch eng mit der Heilung als solche verbunden war, nicht zuletzt durch Aesculapius, seinen Sohn. "Dann wirst du während der anstehenden ludi Apollinares ganz sicher auf deine Kosten kommen." Ich lehnte mich ein wenig zurück und trank einen Schluck, meinen Gesprächspartner dabei interessiert betrachtend. Vielleicht wäre eher dieser Flavier etwas für Prisca, obgleich ich diesen Gedanken sogleich wieder verwarf, nachdem er gedacht worden war.

    Offensichtlich wollten die meisten der Anwesenden einem anderen den Vortritt lassen bei der Abstimmung. Ich sah mir das eine Weile an und entschied mich dann, mit gutem Beispiel voranzugehen. "Ich stimme pro Aurelius Lupus", tat ich also kund und ließ den Blick hernach schweifen. Ich hoffte, die Sitzung möge sich nicht ebenso ziehen wie es die Abstimmung tat, Fichtenharz gleich. Es war noch längstens nicht Zeit für das Abendessen, und doch verspürte ich bereits gewissen Hunger.

    Was war ich froh, nach Hause zu kommen. Dieser Tag war anstrengend gewesen. Nach dem Klientenempfang am Morgen war eine langwierige Senatssitzung zu meistern gewesen, im Anschluss daran war ich im domus Actae Diurnae gewesen und hatte die Übergabe der laufenden Geschäfte an Seiena weitestgehend vorbereitet, hernach hatte die contio des collegium pontificium stattgefunden, in der über die Aufnahme von Frauen in die stadtröischen Kollegien diskutiert worden war, und nun kam ich eben zur Tür herein und nestelte bereits an meiner toga herum. Es war eine Qual, bei diesem Wetter in Rom zu weilen und die Standesabzeichen tragen zu müssen. Hinter mir ergoss sich ein kleiner Schwall Sklaven und Liktoren ins Haus, und ich machte sagenhafte drei Schritte, ehe ich wie angewurzelt stehen blieb, die Hand an den Togafalten auf meiner Schulter, und die sich mir bietende Szenerie betrachtete.


    Celerina, und vor ihr ein halbnackter, mir zumindest rückseitig fremder Sklave - gut, das mochte nichts heißen, immerhin gab es derer viele hier. Und sie berührte ihn an einer Stelle, die ich nicht einsehen konnte und bemerkte soeben, dass sie zufrieden sei mit dem, was sie sah. Ich atmete tief ein, um nicht zu explodieren, denn ich sah nicht, was sie sah.


    Ich hatte gewusst, dass ihre Freundin da gewesen war. Und mir nichts weiter dabei gedacht. Und nun dies, hier, im atrium, vor aller Augen! Sie brüskierte mich. Meine Hand sank und ich setzte mich in Bewegung, strebte auf meine Frau und diesen Sklaven zu. Muskulös war er, ansehnlich durchaus. Und doch hatten wir eine Vereinbarung getroffen, Celerina und ich - einen Tag war es her! Und noch bevor Siv hier einzog, stieß sie mich vor den Kopf und strafte ihre eigenen Worte Lügen. Meine Miene war nicht besonders freundlich, als ich näher kam und den beiden damit die Gelegenheit bot, auseinander zu stieben. Gegenteilig, ich musste Pluto wohl sehr ähnlich sehen.

    Es war früher Abend, Zeit für die cena, am Abend nach dem Tag, an dem Siv wieder im Hause eingezogen war, vier Tage nach dem Streit zwischen Celerina und mir. Ich hatte mir dieses Abendessen auf keinen Fall entgehen lassen wollen, einerseits, um mir selbst etwas zu beweisen, andererseits um Celerinas Willen. Selbstverständlich würden wir alle gemeinsam essen, sofern die übrigen Familienmitglieder im Hause weilten und sowohl Zeit als auch Lust hatten, gemeinsam zu Abend zu essen. Niki hatte etwas Schmackhaftes gekocht, dessen Duft durch das Haus kroch und auch an den Türen der entlegensten Zimmer kratzte, um zum Essen zu rufen.


    Dennoch war ich der erste, der den Raum betrat. Ich wählte die Liege, die ich meistens vereinnahmte, ließ mich darauf nieder und legte die Füße hoch. Ich hatte mir vorgenommen, besonders auf meine Worte zu achten am heutigen Abend. Zwischen Celerina und mir herrschte derzeit allenfalls eine Art wackeliger Waffenstillstand, Prisca war mir vermutlich wegen der Angelegenheit mit Piso gram, Narcissa wegen der Vesta-Sache, und was sonst noch alles im Argen lag, vermochte ich nicht zu erahnen. Deswegen würde ich mir heute besondere Mühe geben, auch wenn ich die cena selbst am liebsten ausgefallen lassen hätte. Doch wäre das nicht der deutlichste Beweis von Schwäche gewesen? So wartete ich also darauf, dass genügend Aurelier erscheinen mochten, dass die Sklaven mit dem Auftragen des Essens beginnen würden.



    Sim-Off:

    Fühlt euch herzlich eingeladen! :)

    Die Antwort kam zwar recht prompt, doch trug sie einen leicht bitteren Beigeschmack mit sich. Der Flavier antwortete nämlich nicht nur auf meine Frage, sondern machte auch sogleich deutlich, dass er den Sinn dahinter nicht erkannte. "Ich mache mir gern ein Bild über Anwärter der Priesterschaft", erwiderte ich leichthin - das sollte ihm als Antwort genügen. Immerhin war er es gewesen, der augenblicklich auf seine Verwandtschaft zu Gracchus hingewiesen hatte, warum sollte es mir da vergönnt sein, nach einem weiteren Flavier zu fragen? Noch dazu nach einem, der das Bestreben des Flavius Flaccus ob seiner entfernten Verwandtschaft zu selbem wohl nicht weiter tangieren würde.


    Flavius Flaccus indes preschte weiter voran und fragte nach einem Ausbilder. Mir blieb nur, ihn mit einer erhobenen Braue anzusehen. "Ich wusste bis vor zwei Minuten nicht einmal, dass du einen benötigst. Insofern - nein, ich habe noch niemanden in Betracht gezogen. Ich werde dich allerdings bei der Zuteilung berücksichtigen und dich in Kenntnis setzen, sobald ich eine Rückmeldung von dem Priester meiner Wahl habe." Immerhin konnte es auch der Fall sein, dass eine aeditua schwanger war und darob keinen Schüler ausbilden konnte, oder dass ein Priester krank war oder sich auf Reisen befand. Dies alles galt es herauszufinden, ehe der Flavier seinen Brief erhalten würde. Eine grobe Richtung hatte ich bereits, doch verschwieg ich dies meinem Besucher. Er würde es früh genug erfahren. "Es sei dir und ebenso deinem Großonkel versichert, dass ich besonderes Augenmerk auf die Wahl deines Ausbilders legen werde. Präferierst du eine Gottheit, Flavius?" Immerhin war das eine nicht unwichtige Frage, wie ich fand, auch wenn sie erst beim Erfüllen des späteren Tempeldienstes relevant sein würde, wenn überhaupt.

    Meine Augen verengten sich ein Stück weit. "Ich höre täglich viele Namen, Annaeus, und über die wenigsten mache ich mir viele Gedanken. Ich weiß nicht einmal, wer dein Vetter überhaupt ist. Du magst es glauben oder nicht, doch bei diesem Artikel habe ich mir tatsächlich nichts gedacht. Und selbst wenn ich den Artikel mit deiner Familie in Verbindung gebracht hätte - warum hätte ich ihn zurückhalten sollen? Es war dort von Eventualitäten die Rede, nicht von bewiesenen Tatsachen. Der Pöbel liest gern solche Dinge, ganz gleich ob sie wahr oder ersonnen sind, und der betreffende Autor reichte den Artikel mit dem Hinweis ein, dass es sich nicht um die tatsächlichen Namen handelte. Zu guter Letzt macht es einen guten Redakteur aus, dass er zeitnah auf Berichtenswertes stößt." Sicherlich war es alles andere als schön, wenn man von seiner eigenen Familie in der Acta lesen musste und dort weniger schöne Dinge vorfand. Die Acta allerdings hatte überall freie Schreiber, die stets dann einen Artikel einreichten, wenn es etwas Interessantes zu berichten gab. Ich glaubte, mich daran erinnern zu können, dass es sogar ein Mitarbeiter aus der regia selbst gewesen war, der darüber geschrieben hatte.


    "Warum hast du mich hergebeten, Annaeus, wenn meine Worte in dieser Sache ohnehin nicht von Belang sind?" erkundigte ich mich bei Annaeus Modestus. Sein Vetter war also der prourator a libellis. Interessant. Und dennoch hätte ich erwartet, dass er mich aufsuchte, statt ein Gespräch mit Modestus zu führen, der mir hierzu keine aufschlussreiche Antwort gab.

    Ich nickte und machte einen Vermerk auf der Wachstafel. "Da hast du natürlich recht. Ich würde ihn trotzdem zunächst zu dir schicken, damit ihr euch kennenlernen und einen Termin für die erste Unterrichtsstunde vereinbaren könnt", erwiderte ich und lächelte die Iunierin an. Es war sicher einfacher, wenn man einander schon kennengelernt und Organisatorisches besprochen hatte, ehe man den Unterricht startete. Alternativ konnte ich auch beiden einen Termin mitteilen, zu dem sie in der regia erscheinen sollten, doch die andere Variante erschien mir geeigneter.


    Serranas Anliegen indes hörte ich mir aufmerksam an. Erneut fiel der Name des Iuliers, der einem in letzter Zeit erstaunlich oft in den Ohren klang. Im Anschluss an ihre Worte nickte ich bedächtig. "Nun, wieso nicht? Er mag vom Stand her nur ein Peregriner sein, doch das ändert nichts daran, dass er vielleicht gute Arbeit leistet. Hat er gesagt, woher er stammt?" Dontas hörte sich nicht unbedingt römisch an, und auch wenn es ganz und gar nichts Unübliches war, dass peregrini im cultus deorum dienten, so mochte ein germanischer Tempeldiener durchaus manchen Römern suspekt erscheinen und darob weniger viel zu tun haben als ein römischer oder griechischer aedituus.

    Prisca schien innerlich mit etwas zu hadern, doch was es war, vermochte ich nicht zu ergründen. Ich betrachtete sie sehr aufmerksam, bis sie erneut das Wort ergriff und wiederholt den Flavier verteidigte - denn dort wandte ich den Blick zunächst in den Himmel und schloss dann die Augen. Als ich ihre Worte erwiderte, sah ich sie jedoch wieder an, und auf meiner Stirn stand eine dicke Falte, hervorgerufen von den zusammengerückten Brauen, welche die Erinnerung an diese Gartensituation zur Bewegung angetrieben hatten. "Es ist verwerflich daran, dass du kaum bekleidet warst, Prisca. Es ist verwerflich daran, dass der Flavier zunächst einmal ungebeten in den Garten eingedrungen ist und hernach nicht die Weitsicht besessen hat, über mögliche Konsequenzen nachzudenken, wenn er meine halbnackte Nichte küsst!" erwiderte ich scharf, schüttelte danach den Kopf und seufzte tief. "Spontan!" Erneut blieb mir nur ein Kopfschütteln. "Ich werfe dir nichts vor. Du wusstes es vielleicht nicht besser, auch wenn ich mir die rechte Reaktion nicht erst mit der Ohrfeige gewünscht hätte. Ich will dir einmal etwas sagen, Prisca. Zu der Zeit, als ich mich um Celerina bemüht habe, hat sie mich eingeladen. Ich dachte mir nichts dabei und bin der Einladung natürlich gefolgt - immerhin hatte ich eine Verlobung angestrebt. Ich hätte das nicht tun sollen, denn obgleich wir in manierlichem Abstand zueinander im Garten gelegen und nichts weiter getan haben, als uns zu unterhalten, hatte ich mit einem sehr aufgebrachten Flavius Gracchus zu tun. Vielleicht kannst du meine Haltung nicht nachvollziehen, Prisca. Flavius Gracchus' Reaktion damals war vielleicht etwas überzogen, aber hier gab es entscheidende Unterschiede, und die sind alles andere als akzeptabel. Deswegen hätte ich gerade von einem Flavier erwartet, dass er sein Hirn einsetzt, bevor er so handelt, wie Flavius Piso es getan hat." Mein Blick ruhte auf meiner Nichte, und ich hoffte, sie möge mich verstehen und meine Haltung nachvollziehen können. Erschwerend hinzu kam, dass dieser Flavius keinerlei Heiratsabsichten hatte, denn sonst wäre ich doch davon in Kenntnis gesetzt worden.


    Kurz darauf sah ich Prisca unglücklich an. "Ah, Prisca", erwiderte ich seufzend. "Nachdem du dein Herz schon einmal an Caius Aquilius gehängt hast, solltest du es doch besser wissen." Ich wollte sie damit keinesfalls verletzen, was mein Blick, gepaart mit einer bedauerlichen Miene, auch deutlich aussagte. Doch Prisca schien mir blindlings in etwas hineinzulaufen, sich gar etwas einzureden, das sie später nur umso härter auf den Boden der Tatsachen zurückkehren lassen würde als zu Zeiten meines Freundes Aquilius. Ihr flehender Blick ließ mich nur noch zerknirschter dreinsehen. Ich konnte Prisca seltenst etwas abschlagen, doch hier, das wusste ich, musste ich standhaft bleiben - um ihretwillen. Eines Tages, da war ich mir sicher, würde sie mir dafür danken und vielleicht sogar darüber lachen. "Nein, Prisca. Es ist besser, wenn du Flavius Piso nicht wiedersiehst. Ich möchte mit dir nicht darüber diskutieren. Sein Verhalten war falsch, und wenn er wirklich weiß, was Anstand und Manieren bedeuten, dann wird er sich dafür nicht nur bei dir, sondern auch bei mir entschuldigen und dich künftig nicht weiter belästigen." Das zu sagen, fiel mir außerordentlich schwer, denn ich liebte Prisca über alles und konnte ihr einen Wunsch nur schwer abschlagen, wenn überhaupt. Doch dies hier war erforderlich, auch wenn sie mich dafür nun verachten mochte. Unterbinden, dass sich die beiden begegneten, konnte ich freilich nicht, doch einschränken konnte ich es, soweit es in meiner Macht stand - um Prisca zu schützen.

    Dass Siv irritiert war, war nur allzu offensichtlich. Sie wusste mit unumstößlicher Sicherheit, was ich am liebsten getan hätte, doch stattdessen saß ich hier am Tisch und sah zu ihr auf. Sah, wie sie Finns kleinen Kopf in einer Geste des Überspielens streichelte und wie ihr Blick fragend von meinem Gesicht zu meiner Hand wanderte. Ich sah selbst darauf hinunter, als suchte ich dort das Objekt ihres Interesses zu ergründen, und als ich den Blick wieder hob, sah sie mich nachdenklich an. Ich schenkte ihr den Versuch eines Lächelns, bis sie zu sprechen begann und abbrach. Sie machte eine wedelnde Geste und kam schlussendlich zu mir, lehnte sich an den Tisch und legte wie versehentlich ihre Hand zu meiner. Ich seufzte leise, nahm meine Hand dann fort, um sie auf die ihre zu legen.


    "Ja. Sie hätte es über kurz oder lang ohnehin herausgefunden", erwiderte ich. "Ich hielt es für besser so. Was Celerina davon hielt, kannst du ja sehen." Ich zog eine kurze Grimasse und wies mit der freien Hand auf die Wange, auf der die Kratzer prangten. Hätte ich es ihr nicht gesagt - hätte sie es selbst herausgefunden und bestätigt gesehen - wäre die Situation vermutlich noch schlimmer als sie ohnehin schon war. Abwesend strich ich mit dem Daumen über Sivs Handrücken. "Wir haben uns arrangiert." Sofern man es so nennen mochte. Ich lehnte mich ein wenig zurück und fuhr mir mit der Hand abgespannt über die Augen und das Gesicht. Danach blickte ich zu Siv auf. "Ich habe nicht die geringste Ahnung", sagte ich. "Ich nehme an, sie wird dir aus dem Weg gehen." Dass bereits bei Sivs Ankunft das Gegenteil der Fall gewesen war und meine Frau Siv schikaniert hatte, ahnte ich schließlich nicht. Vielleicht war das nicht die Antwort auf die Frage, die Siv sich erhofft hatte, doch ging ich davon aus, dass sie auf Celerina hatte anspielen wollen statt auf sie und mich.

    Charis erging sich in Entschuldigungen, die ich jedoch mit gerunzelter Stirn und einer abrupten, seitlichen Geste davonwischte. "Wer hat behauptet, dass es einfach sei?" murrte ich und strich mir über die Stirn. Anschließend schüttelte ich mit zusammengezogenen Brauen den Kopf. "Es ist nun eh gleich. Ich denke nicht, dass ich sonderlich viel zur Besserung der Situation beitragen kann", sagte ich mehr zu mir selbst denn zu Charis. Bei ihrer letzten Bemerkung allerdings wurde ich hellhörig. "Tatsächlich. Nun, das wäre vermutlich ein weiterer Tropfen, der das Fass zum erneuten Überlaufen bringt." Ich klang resigniert, seufzte und machte eine gleichgültige Geste. Ich glaubte nicht, dass es noch viel schlimmer werden konnte als derzeit.


    "Hat sie noch etwas gesagt, nachdem ich gegangen bin?" wollte ich nun von Charis wissen und sah sie forschend an. Dann erinnerte ich mich wieder an meinen Weinbecher. Ein weiterer großer Schluck rann meine Kehle hinab, und als ich den Becher zurückstellte, schüttelte ich abermals den Kopf. "Ich brauche etwas, das sie ablenkt. Etwas, an dem sie Freude hat." Erwartungsvoll sah ich die kleine Griechin an, die meine Frau und ihre Vorlieben schließlich besser kannte als ich. Eine Frage stellte ich nicht, doch mein Blick verdeutlichte auch so, dass ich auf einen Vorschlag ihrerseits wartete.

    Avianus war nun schon eine Weile Senator, obgleich es offenbar irgendwelche Verzögerungen gegeben hatte bei seiner Ernennung. Bei der Bitte der Auguren, die der consul in dieser Sitzung erfüllt hatte, ließ ich zunächst anderen das Wort. Auch Avianus sprach und entlockte mir damit ein leises Seufzen. Ich hätte es sehr gern gesehen, wenn auch er sich im cultus engagiert hätte, doch hegte er kein Interesse daran, was ich akzeptieren musste und auch tat - immerhin lag mir das Militär nicht. Allerdings machte es in meinen Augen kaum Sinn, die Entscheidung des Verginiers anzuzweifeln, immerhin hatte man hier bereits eine Vorauswahl getroffen und bat nur noch darum, den Iulier zuzulassen. Er hatte auf mich einen etwas zurückhaltenderen Eindruck gemacht, was an sich nichts Schlechtes war. Und wenn der Verginier samt seinen Auguren dahinter stand, wieso nicht?


    "Ich schließe mich der Meinung des pontifex pro magistro an", bemerkte ich daher und streute dabei ganz bewusst noch einmal die Information, dass Durus als offizieller religiöser Vertreter des Kaisers selbst hier saß. "Es wurde offensichtlich bereits eine Auswahl vorgenommen, die der Iulier für sich entscheiden konnte." Die absolute Sicherheit, die Avianus erwähnte, ließ ich unkommentiert. Ich wollte ihm nicht öffentlich an den Karren fahren, und doch war ihm gewiss bewusst, dass es diese Art von Sicherheit nur gab, wenn genügend Geld floss und für die korrekten Auspizien zuvor Sorge getragen wurde, wie es durchaus üblich war.

    Ich hatte bereits die Tür geöffnet und war auf dem Weg hinaus, als Lupus mich noch einmal zurückhielt und eine Einladung überbrachte. "Am späten Nachmittag?" erwiderte ich. Vermutlich wäre ich nicht der Einzige, der da abwägte, ob ein kühles Bad nicht vielleicht angenehmer wäre als ein hitziges Debattieren - im wahrsten Sinne des Wortes. Ich schürzte die Lippen. "Ich werde es meinem scriba sagen, er kann dann den Termin eintragen", sagte ich und beschloss, das gleich zu tun, ehe mir der Termin wieder entfiel. "Ich nehme an, du wirst dann auch zugegen sein." Das war mehr eine Feststellung als eine Frage, denn Lupus arbeitete für Furianus, da war es logisch, wenn er anwesend wäre. "Eine gute Gelegenheit, ein paar Senatoren kennenzulernen." Doch darauf war Lupus gewiss auch selbst schon gekommen. Ich seufzte, wedelte kurz mit den Kursunterlagen und sagte: "Bis später." Und dann setzte ich auch den anderen Fuß über die Schwelle hinaus.

    Ich nickte nur auf ihren Dank hin. Vertrauen musste man sich verdienen, und in ihrem Falle resultierte es daraus, dass mir bisher keine negativen Berichte zu Ohren gekommen waren. "Ich schätze ihn auf Anfang zwanzig, vielleicht ein wenig jünger, vielleicht auch etwas älter. Du kannst ihn selbst fragen, wenn er bei dir erscheint. Ich werde ihm schreiben, dass er in der domus der Germanicer vorstellig werden soll, wenn dir das genehm ist. Anderenfalls kann ich ihn auch auf einen Arbeitsraum innerhalb der regia verweisen." Mir war es gleich, das musste die Iunierin entscheiden. In der regia gab es genügend freie Arbeitsräume, in denen man ungestört lernen und arbeiten konnte, und auch innerhalb der Tempel fand man solche Örtlichkeiten. Doch wäre es nichts Außergewöhnliches gewesen, wenn sie ihren Schüler zu Hause unterrichtet hätte.


    Dann stellte Iunia Serrana die Frage ob sie noch etwas anderes anbringen durfte, und ich musste kurz schmunzeln. "Selbstverständlich, nur zu", erwiderte ich. Offenbar hatte sie gehörigen Respekt, was sicher nicht falsch war, mich aber dennoch etwas belustigte - schließlich war ich kein zähnefletschender Hund, sondern auch nur ein Mensch. Ich wartete also interessiert und geduldig ab, was da wohl für eine Angelegenheit zur Sprache kommen mochte.

    Narcissa sah mich entgeistert an. Ich konnte das nicht verstehen, und mein Unverständnis drückte sich in einer gerunzelten Stirn samt forschendem Blick aus, mit dem ich meine junge Verwandte bedachte. Die Frage, die sie im Anschluss stellte, konnte sie eigentlich unmöglich ernst meinen. Mein Kopf zuckte ein Stück zurück, das Stirnrunzeln vertiefte sich, ehe ich ihr antwortete. "Als Vestalin bist du eine Tochter des Kaisers, Narcissa. Du zählst du den einflussreichsten Frauen Roms und genießt großes Ansehen. Niemand würde es wagen, einer Vestalin die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Du wärest ein gern gesehener Gast, trügest eine große Verantwortung und dein Wort hätte Gewicht, nicht zuletzt dank der Tatsache, dass du eine Kaiserstochter wärest." Ich schüttelte den Kopf. "Was lässt dich glauben, dass du nicht dafür geeignet bist?" Ich hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. "Du bist so passend wie jede andere auch, sogar noch passender, wenn du mich fragst - immerhin waren die Vestalinnen einst Patrizierinnen, auch wenn nun sogar Freie dort aufgenommen werden." Und Orest war, ebenso wie die Mutter der beiden, recht deutlich gewesen, was die Stellungnahme hierzu anbelangte: Narcissa würde Vestalin werden, ob sie die Vorteile nun sah oder nicht. Vielleicht hatte Orestes mich deswegen gebeten, Narcissa diese Nachricht zu überbringen. Vielleicht, damit letztenendes ich selbst als der Verhasste da stand, der sie vermeintlicherweise um ihre Zukunft als Ehefrau und Mutter gebracht hatte. Das ging mir erst in diesem Moment auf.

    Interessant wohl sicherlich. Im Grunde war ich da ganz froh, dass Lupus sich selbst darum bemühen würde. Vielleicht, überlegte ich mir, kam Celerina ganz gut mit dieser Verwandten aus, sodass sie weniger launisch und dafür ausgeglichener sein würde. Es blieb abzuwarten, wie diese Nigrina überhaupt sein würde, was sie für einen Charakter haben würde. Ich seufzte leise und schüttelte dann den Kopf. "Nein, das ist alles. Mehr gibt es momentan nicht. Ah, du willst Ianus opfern? Dann wünsche ich dir ein gutes Gelingen. Ich werde mich jetzt wohl mit diesen Aufzeichnungen befassen", erwiderte ich und griff nach den Kursunterlagen für den cursus iuris. Anschließend erhob ich mich, und sowohl meine Mimik als auch meine Langsamkeit machten deutlich, wie wenig Lust ich für diese Lektüre derzeit aufzubringen vermochte. Am liebsten hätte ich mir im Garten einen Badezuber aufstellen lassen, um die Sonne ohne diese Hitze genießen zu können, die mit ihr einher ging. Doch daraus würde wohl nichts werden. Die Idee, Lupus meine Hilfe anzubieten, verwarf ich rasch wieder. Er würde das allein schaffen, und wenn nicht, würde er wohl ohnehin fragen kommen - doch so schätzte ich ihn eher weniger ein bisher. "Wir sehen uns dann spätestens zur cena", verabschiedete ich mich. Und dann würde ich gehen, wenn er nichts weiter zu besprechen hatte.