Einen Moment drohte alles aus mir herauszubrechen, angeheizt durch dieses tiefe, wohlklingende Aufstöhnen des Flaviers, durch seine Berührungen, durch den Umstand, nun endlich wieder das haben zu können, was mir so lange versagt geblieben war. Seit ich wieder in Rom war, hatte ich die Erlösung weder bei einer Frau noch anderweitig gefunden. Eine lupa aufzusuchen, dagegen weigerte ich mich allerdings. Vielleicht sollte ich mir eine Sklavin anschaffen, die mir manche Stunde versüßen mochte. Dieser Gedanke lenkte mich ein wenig ab, und so konnte ich den Ausbruch der Gefühle noch etwas herauszögern. Ihr Götter, dieser Flavier trieb mir kleine Schweißperlen auf die Stirn und seine Berührungen und Gesten hämmerten Gedanken in meinen Kopf, die mich noch zur Weißglut bringen würden. Doch dann löste er sich unverhofft von mir. Das Ziehen in meinem Haar tat nicht weh, veranlasste mich aber dazu, ihn mit leicht gerunzelter Stirn anzusehen.
Er keuchte meinen Namen mit einer Leidenschaft, die mir schon wieder unter doe Haut ging wie nur was. Ich schloss die Augen und leckte mir über die Lippen, schmeckte seinen Geschmack nach purer Männlichkeit und Verlangen. Meine Hand befand sich noch immer auf Aquilius' Schulter, drückte sie kurz nach diesem ersten Einwand seinerseits. Ich öffnete die Augen und sah ihn wieder an, als er mich das zweite Mal beim Namen nannte, diesmal nüchterner, eindringlicher. Und ich ahnte, was er gleich sagen würde, schluckte und versuchte, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen.
Und einen kurzen Augenblick später kam er dann, der Einwand. Ich löste meine Hand von seiner Schulter, rutschte etwas zurück, noch immer schnell atmend und mit einem Verlangen, das seinesgleichen suchte. Doch er hatte recht. Wir waren zivilisierte Römer, keine Wilden, die sich nahmen wie Schafböcke und dann voneinander abließen. Und irgendwie machte das Spiel um die Verlockung auch viel zu viel Spaß, als dass man es einfach so aufegeben sollte. Ich prägte mir den Anblick seines Gesichts ein, der Ausdruck der Begierde, der darauf abgezeichnet war, und beschloss im Stillen für mich, Aquilius dereinst halb wahnsinnig zu machen,ihn dorthin zu treiben wo ich mich am heutigen Tage wiederfand.
Ich sah, wie er den Geschmack von seinen Lippen sog, wie er sich eigentlich wünschte, das Spiel fortzutreiben, weiter zu gehen als bis zu diesem Punkt. Ich spürte auch mein Verlangen, ihn in diesem Bestreben zu unterstützen, ihn so sehr zu reizen, dass er gar nicht mehr anders konnte - doch ich war ein Aurelier. Und Aurelier bettelten nicht. Just in diesem Moment wurden Schritte vor der Tür laut und jemand öffnete die Tür.
"....dir doch gesagt, dass du nicht lügen sollst! Und..."
Es war Calvinius, der alte Sklave, dem mein Vater die Aufsicht über die anderen Sklaven erteilt hatte. Mein Kopf ruckte herum, hochrot. Aquilius und ich saßen immer noch voreinander. Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was eben hier geschehen war. Der Alte stockte im Schritt, hinter ihm sah man Marina, die schuldbewusst auf den Fingernägeln kaute und abwechselnd Aquilius und mich ansah, als hätte sie etwas ausgefressen. Ich verbarg meine Erregung geschickt mit dem Arm, doch sicher hatte der Sklave sie gesehen. Zornig runzelte ich die Stirn und wollte gerade dazu ansetzen, die beiden aus dem Raume zu werfen, als der Sklave rot angelaufen etwas murmelte, dass sich wie eine Entschuldigung anhörte, und dann hastig und einer Flucht gleich den Raum verließ.
Ich warf Aquilius einen seltsamen Blick zu und erhob mich. Dass meine Tunika an einer bestimmten Stelle noch immer Falten schlug, war mir in diesem Moment egal, schließlich wusste er, was er angerichtet hatte mit seinen Berührungen, seinem Kuss, seiner puren Anwesenheit. Ich ging einige Schritte fort, verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte langgezogen. Aquilius sah nun meinen Rücken. Ich hatte die Augen geschlossen und versuchte, Ordnung in das Chaos hinter meiner Stirn zu bringen. Wie gern hätte ich den Schlüssel herumgedreht und dort wieder angesetzt, wo wir unterbrochen worden waren. Doch es schien mir nicht Angemessen. Mit meinen knapp zwanzig Jahren hatte ich längst nicht so viel Erfahrung wie der Flavier. Ich würde mich von ihm leiten lassen, nahm ich mir vor. Nur langsam legten sich die Falten meiner Tunika ob dieser Gedanken.