Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Ich hatte mich schon gewundert, wo Orestes steckte. Zunächst war ich noch guter Dinge gewesen, dann hatte sich eine steile Falte auf meiner Stirn gebeildet, und letztendlich hatte ich besorgt aus der Wäsche geschaut. Nun aber war er anwesend, und da ich von seinen Annahmen Tiberius Durus betreffend nichts ahnte, war ich ganz beruhigt und entspannt und wartete darauf, dass seine inauguratio vollzogen würde - immerhin hatte ich mich für meinen Verwandten eingesetzt... :P

    Der Abend war schön gewesen, ausgelassen und unkompliziert. Im Großen und Ganzen hatten sich alle gefreut über die Geschenke, die ich zu verteilen gehabt hatte, und auch ich war nicht leer ausgegangen. Nach und nach hatte sich dann die Gesellschaft aufgelöst, ich hatte Quintus Philo verabschiedet und auch meine Verlobte, die sich mit ihrer neuen Sklavin auf den Heimweg gemacht hatte. Einen Moment noch hatte ich der flavischen Sänfte nachgesehen, an der porta stehend, die ich schließlich selbst geschlossen hatte. Nach einem Blick ins Speisezimmer hatte ich mich von den anderen verabschiedet, allen eine gute Nacht gewünscht und mich dann auf die Suche nach Siv begeben. Einerseits, weil ihr zweites Geschenk noch ausstand, andererseits, weil mir nach etwas Wärme zumute war, nachdem ich den ganzen Abend in Gesellschaft Celerinas verbracht hatte. Nicht, dass ich meine Verlobte nicht aushalten konnte - das nicht - nur war mir stets so, als müsste ich mich verstellen, um nicht etwas preiszugeben, das sie nicht wissen durfte.


    Sivs Kammer suchte ich zuerst auf. Ich verbrachte eine ganze Weile allein in diesem Raum, still und heimlich - und wer genau darauf achtete, konnte im Vorübergehen ein leichtes Schaben von Holz auf dem Fußboden hören. Mit zufriedenem Lächeln auf den Lippen stahl ich mich dann aus der Kammer heraus und machte mich auf die Suche nach Siv. Ich fand sie in eine Decke gewickelt auf einer Liege in der exedra. Es war eigentlich noch nicht so warm, dass man es sich hier wirklich gemütlich machen konnte, aber als Germanin lag ihr das kühle Klima ohnehin im Blut, und die Kohlen in ihren Becken glommen noch schwach, sodass es nicht zu kalt war. Lautlos lehnte ich mich an das Holz des Durchgangsrahmens und betrachtete die weichen Wellen goldenen Haares, die sich über ihre Schultern und die Decke ergossen. Eine ganze Weile stand ich so da, unbemerkt von ihr und den Anblick aufsaugend wie ein Schwamm das Wasser. Lautlos bewegten sich manchmal die Lippen, wenn sie ein Wort las, und ihre Augen hüpften von Silbe zu Silbe. In diesem Moment wurde mir klar, dass Celerina niemals diesen Platz würde einnehmen können, den Siv besaß.


    Ich stieß mich mit der Schulter ab und ging zu ihr hin, setzte mich auf den Rand der cline und beugte mich wortlos vor, um sie zu sanft küssen. Dann wandte ich den Kopf, um zu erforschen, was sie las. "Andromeda... Ja, ihre Mutter war nicht gerade die Schüchternheit in Person", bemerkte ich leise. Meine Augen streiften eine kindliche Anmerkung meinerseits, die empört - und ziemlich rechtschreibfehlerhaft - verkündete, dass meine Mutter niemals auf die Idee gekommen wäre, eines ihrer Kinder zu opfern. Ich hob einen Mundwinkel, drängte die aufwallende Melancholie in memoriam matris zurück und betrachtete Siv. "Möchtest du dein eigentliches Saturnaliengeschenk jetzt haben?" fragte ich sie, und meine eigene Vorfreude schwang deutlich in den Worten mit.


    /edit: red is the world...

    Diese Miene. Ich hielt beim Lutschen inne und blickte Avianus fragend an. Allerdings schien er nicht unbedingt über sich reden zu wollen, was meine Brauen nochmals marginal hinaufrutschen ließ. "Nicht nötig", bemerkte ich letzten Endes und deutlich zeitverzögert. Mit dem Kinn deutete ich auf den gepolsterten Stuhl vor dem Schreibtisch. "Setz dich ruhig." Es wäre unklug, ihn dazu zu drängen, sich zu öffnen, was immer es auch war, das ihm den Ernst aufs Antlitz meißelte.


    Interessiert hörte ich zu, was er zu sagen hatte, nickte dann langsam und bedächtig. "Ah... Das ist bedauerlich, aber sicherlich war es auch nicht leicht, etwas aus Macer herauszukitzeln", bemerkte ich, angesichts der starren Miene Avianus' versöhnlich. Es war schließlich nur allzu offensichtlich, dass er sich deswegen grämte, und im Grunde trug ich selbst die Schuld daran, einen kaum erfahrenen jungen Mann zu einer solchen Aufgabe gedrängt zu haben. Ich blinzelte, betrachtete den Blutstropfen an meinem Daumen und seufzte. "Dann erzähl mir einfach, was du herausgefunden hast."

    "Aah! Hngh!" entfuhr es mir, als Alexandros schließlich beherz zupfte und sich ob dessen mein Gesicht schmerzerfüllt zusammenzog. Es war wie mit kleinen Wunden: Sie schmerzten weitaus schlimmer als große. Hätte der Grieche mir eine Ohrfeige verpasst, wäre der Schmerz sicherlich von weitaus geringerer Intensität gewesen. Missmutig funkelte ich ihn an. Alexandros zog seine Zungenspitze wieder zwischen die Lippen zurück und hielt mit spitzen Fingern ein Haar hoch. "Ich hab es!" frohlockte er. Grollend betrachtete ich es. "Hoffentlich war es das einzige. Schau nach", forderte ich den griechischen Sklaven auf und drehte ihm wieder meine Seite zu. Was nun folgte, erinnerte in gewisser Weise doch sehr an das Lausen der Primaten.


    Ein weiteres Mal zupfte es noch, glücklicherweise ohne Vorankündigung, sodass ich nicht auf das Ziehen wartete, sondern urplötzlich scharf die Luft einsog. Dann lehnte sich Alexandros zurück, betrachtete mein zerzaustes Haar und zuckte mit den Schultern. "Mehr ist da nicht, dominus. Zumindest sehe ich nichts Graues sonst mehr", beteuerte er. Ich griff mir an den Schädel und rieb über die Stelle, an der Alexandros zuletzt gezupft hatte, dabei stand ich auf. "Gut. Danke. Und kein Wort wirst du darüber verlieren. Nicht unter deinesgleichen. Und erst recht nicht gegenüber Titus! Verstanden?" Alexandros nickte nur. Der Ausdruck auf seinem Gesicht sprach Bände - Unverstehen war gar kein Ausdruck. "Gut. Hinaus mit dir. Und vergiss die Wäsche nicht." Hastig - wahrscheinlich war er froh darüber, gehen zu können - klaubte der Grieche die Schmutzwäsche vom Boden auf, sammelte unterwegs noch eine benutzte tunica aus meinem Sortiment auf und verschwand danach durch die Tür nach draußen.


    Als ich das nächste Mal an den Waschtisch trat, zeigte mir mein Spiegelbild ein vages Lächeln, dass sich rapide in ein zufriedenes Grinsen verwandelte.

    Wo ich hinging, wollte auch sei fortan sein. Ich unterdrückte den Impuls, Sivs Blick zu suchen, und sah stattdessen mit einem einstudierten Lächeln Celerina an. Eine Hand ließ ich los, die andere hielt ich nach wie vor in meiner. Es war mir ein Bedürfnis, das Wort an unsere Gäste zu richten, ehe wir nun an Bord gehen würden.


    "Liebe Freunde und Verwandte, verehrte Gäste, Celerina und ich danken euch, dass der Weg bis nach Ostia nicht zu weit war, um heute mit uns zu feiern. Ich bitte euch nun an Bord der Nordwind, wo nach dem nächsten rituellen Opfer Liegen für euch bereitstehen werden. Lasst euch das Festmahl schmecken, genießt die Aussicht auf die Küste Italiens und feiert ganz ausgelassen! Für Unterhaltung ist ebenfalls gesorgt, bis wir am Abend wieder hier in Ostia einlaufen, um den Brautzug beginnen zu können." Ich wies auf den breiten Steg, der vom Hafenbecken an Bord des Schiffes führte, das heute im Übrigen seine Jungfernfahrt machen würde. Rechts und links war ein Geländer angezimmert worden, damit keiner der Gäste ins Hafenbecken fiel und jeder unbeschadet an Bord gelangen würde. Mit Celerina an der Hand war ich der erste, der das Schiff betrat.


    In einer Ecke begannen nun Musiker zu spielen. Celerina hatte sich zudem etwas ganz besonderes zur Unterhaltung einfallen lassen - dafür, dass jeder mitmachen konnte, der wollte, würden die Sklaven sorgen, die den Gästen bei Bedarf behilflich waren beim Schritt von der breiten Planke auf das leicht auf und ab schwankende Schiff. Mit Celerina allerdings steuerte ich einen Platz am Heck des Schiffes an. Dort hatte man zwei Stühle nebeneinander gestellt und anschließend ein wollweißes Schaffell gelegt. Rechts daneben erwartete uns eine Sklavin, die in ihren Händen einen kleinen Teller trug, auf dem das farreum libum lag. Ich ließ Celerina sich setzen und nahm dann selbst Platz, woraufhin uns die Sklavin den Spelzkuchen reichte, den es nun gemeinsam zu brechen galt. Ich suchte Orestes in der Menge, der uns hierbei auch noch einmal helfen würde.

    Der Grieche zögerte. Er fasste die Hände beisammen und schob die Brauen in purer Skepsis aufeinander zu. Ich setzte mich auf den Rand des zerwühlten Bettes und betrachtete kurz die aufgehende Sonne, deren Licht sich durch einen Spalt in den noch zugezogenen Vorhängen ergoss. Leise seufzend wandte ich hernach Alexandros den Blick wieder zu - und erstarrte.


    Der Grieche hatte eine Sandale ausgezogen und fuhrwerkte soeben mit ausdrucksloser Miene an der Kordel seiner tunica herum. Eine, vielleicht zwei Sekunden sah ich ihm dabei zu, viel zu perplex, um mich zu rühren. Dann hob ich abwehrend die Hände. "bona dea...nein. Alexandros, zieh das wieder an, ich bitte dich! Du sollst einfach nur... Komm einfach nur her, in Ordnung? Du musst mir helfen. Aber nicht dabei, Grundgütiger..." Auf einem Bein stehend und mit einer Hand an der zweiten Sandale hielt Alexandros inne und sah mich an. Die Erleichterung stand auf seinem Gesicht geschrieben, als hätte man sie in leuchtenden Lettern mitten auf die Stirn gepinselt. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals und schluckte ihn hinunter, und gleichzeitig zog sich Alexandros hastig wieder an. "Verzeihung, Herr", murmelte er noch, dann schnürte er die Sandale wieder fest und kam zaghaft näher. Ihm musste wohl ein Buch mit sieben Siegeln sein, was ich von ihm wollte. "Mach die Vohänge auf. Und dann setz dich neben mich", wies ich ihn an, und der Sklave tat wie ihm gehießen. Kurz darauf strömte kühle Morgenluft ins Zimmer.


    Als Alexandros sich zu meiner Rechten hingesetzt hatte, lehnte ich mich ein wenig zu ihm hin und tippte an meine Schläfe. "Ich brauche deine Hilfe. Siehst du das? Das muss weg. Und das muss unter uns bleiben. Hast du mich verstanden?" Ein prüfender Blick streifte den griechischen Sklaven, der erst starrte, dann langsam nickte. Ein seltsames Zucken ereignete sich um seine Mundwinkel, und dafür sah ich ihn strafend an. Er riss sich zusammen. "Natürlich, dominus. Und...herzlichen Glückwunsch zu deinem dreiß-" "Jaja. Danke. Und nun los", unterbrach ich ihn. Wie unschön, auch noch an mein Alter erinnert zu werden.

    Nun, wenigstens war ich jetzt wach. Ich rümpfte die Nase, während ich die Haare auf dem Wasser betrachtete. Dreißig Jahre. Und schon grau. Nein, das ging nicht. Entschlossen riss ich mich von dem desolaten Anblick los und lenkte meine selbstbewussten Schritte hin zur Zimmertür, die ich dann förmlich aufriss.


    Alexandros zuckte zusammen und verlor zwei schmutzige Tuniken, so sehr erschreckte er sich. "Hüah! Oh... Fröhlichen guten Morgen, dominus!" zwitscherte der Grieche und klaubte derweil die Wäsche vom Boden auf. "Morgen", knurrte ich, ergriff unvermittelt seinen Oberarm und zog ihn ins Zimmer. Alexandros blinzelte irritiert und verlor dabei noch eine weitere tunica. Einsam blieb sie auf dem Gang liegen, während sich meine Zimmertür wieder schloss und der Sklave mich unsicher ansah. "Äh, dominus? Geht es dir nicht gut?" argwöhnte er, dabei musste er doch meiner Miene ansehen, dass ich überaus schlechte Laune hatte. Ich riss ihm die tunicae aus dem Arm und warf sie achtlos von innen vor die Tür. Alexandros würde seine Hände gleich brauchen. Momentan wurde sein Blick noch unsicherer, und seine Stimme klang eine Oktave höher, als er mich ansah und das Wort an mich richtete. "dominus, ich...verstehe nicht, äh...?" Die Tatsache, dass Alexandros nichts an Frauen fand, sondern vielmehr Muskelmasse, tiefe Stimmen und Testosteron anziehend fand, tat für mich selbstverständlich nichts zur Sache in diesem Moment - der Grieche selbst war mehr ein hageres Würstchen denn ein stattlicher Mann - wohl aber schien Alexandros das zu glauben, denn ihm brach der Schweiß aus, während er mich argwöhnisch musterte, und das wiederum bemerkte ich. "Komm mit", befahl ich und ging hinüber zum Bett.

    Munter tropfte das Wasser von meiner Haut und den Bartstoppeln zurück in die Waschschüssel. Ich konnte den Blick nicht von der Stelle an meiner rechten Schläfe abwenden, er hatte sich regelrecht an das graue Haar geheftet und versuchte, es zu dematerialisieren. Ich lehnte mich nach vorn, näher an die Silberspiegeloberfläche heran, drehte den Kopf ein wenig zur Seite und verschraubte die Augen so, dass ich einen guten Blick auf das Haar hatte. "bona dea" murmelte ich. Zugleich versuchte ich, mit spitzen und klammen Fingern das Haar von den anderen abzusondern, um es auszureißen.


    Wie erwartet, klappte es so nicht. Ich schnaufte beleidigt und griff nach dem Handtuch, um mein Gesicht zu trocknen. Vielleicht spielte auch nur die Dämmerung einen Streich, und das wenige Licht ließ ein besonders helles - braunes Haar farblos erscheinen. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, ließ ich das Handtuch fallen und betrachtete die Problemstelle wieder nahe am Spiegel. Mein Atem kondensierte auf der glatten Oberfläche, als ich angestrengt versuchte, das graue Haar zu greifen. Eine ganze Weile probierte ich herum, bis die Ungeduld schließlich obsiegte und ich einfach losriss. Kurz darauf stand ich mit schmerzverzerrtem, gerötetem Gesicht und einigen Haaren zwischen Daumen und Zeigefinger keuchend vor dem Waschtisch und sah auf meine Beute herab. Kein Grau zu sehen. Entsetzt ließ ich die Haare fallen und beäugte mich wieder im Spiegel: Es war noch da. Und jetzt schien es mich höhnisch anzugrinsen und mir zu danken, dass es nun, von einem Großteil der Nachbarn befreit, mehr Platz zum Wachsen hatte. Ich schnaubte entnervt und senkte den Blick, um in das Wasser der Schüssel zu starren. Einsam schwammen dort ein paar meiner Haare herum.

    Es war schon ein gutes Gefühl, andere positiv zu überraschen. Davon könnte man glatt süchtig werden, überlegte ich so vor mich hin, während Prisca auf mich zu eilte, mich umarmte und auf die Wange küsste. Es war ein schrecklicher Gedanke, dass sie irgendwann einem anderen so um den Hals fallen könnte. Augenblicklich meldete sich meine Eifersucht. Niemand hatte Prisca verdient, kein anderer. Im Grunde wäre ich nicht einmal besorgt, wenn sie nicht heiratete. Aber diese Gedanken waren egoistisch und weder der Familienehre noch der res publica dienlich. Ich schluckte den Besitzanspruch weitestgehend herunter und schenkte Prisca ein frohes Lächeln. "Dann bin ich ja beruhigt", bemerkte ich und genoss das Gefühl, das ihre Lippen auf meiner Wange zurückgelassen hatten. Das war etwas ganz anderes, als Sivs Lippen zu spüren. Oder die Celerinas. Die neben mir saß, wie mir soeben wieder auffiel.


    Ich warf meiner Verlobten ein flüchtiges Lächeln zu - vermutlich sollte es der Beruhigung dienen, so genau wusste ich es selbst nicht zu sagen in jenem Moment - und wandte mich dann Siv zu, die auch ihr Geschenk ausgepackt hatte und sich eben über die leeren Seiten wunderte. Mein Blick wurde ein wenig weicher, während ich ihr erklärte, was es damit auf sich hatte. "Es gibt noch viel mehr Geschichten über Sternbilder und ihre Entstehung. Ich dachte mir, dass du sie vielleicht dazuschreiben möchtest", sagte ich und spielte damit unter anderem auch auf die Sagen und Legenden an, die ich ihr bisher erzählt hatte, wenn wir allein waren. Das konnte ich allerdings kaum offen aussprechen. "Ich hatte es als kleiner Junge immer gern, wenn meine Amme mir etwas daraus vorgelesen hat", bemerkte ich und bestätigte damit die Vermutung, dass dies einmal mein Buch gewesen war. Siv würde auf vielen Seiten Anmerkungen von unordentlicher Kinderschrift bis zu meiner jetzigen Handschrift finden, und hin und wieder eine krakelige Zeichnung. Ich hatte dieses Buch geliebt. Und ich war mir sicher, dass Siv es mögen und ihrem Kind auch daraus vorlesen würde. Und ganz nebenbei würde sie sich so mehr anstrengen, das Lesen und Schreiben zu perfektionieren.


    Im nächsten Moment fand ich mich bereits in einer Umarmung von Ursus wieder, dessen Augen beim Auspacken bereits einen fröhlichen Glanz angenommen hatten. Es war nun auch nicht allzu schwer gewesen, zu erraten, was sich in einem derart kleinen und kompakten Päckchen befand. Meine Mundwinkel hoben sich von ganz allein. Da war kein aufgesetztes Lächeln, keine geheuchelte Dankbarkeit - die Freude war ehrlich, und das wiederum verursachte ein Kribbeln in meiner Brust. Als ursus mich drückte und soeben wieder loslassen wollte, hatte ich beide Arme um ihn geschlungen und drückte noch immer. Erst dann ließ ich ihn los, und es war mir peinlich, dass ich gegen das aufwallende Wässrigwerden meiner Augen ankämpfen musste, was hoffentlich niemand bemerkt hatte.


    Als nächstes zog ich ein Geschenk für Avianus aus dem Präsentsack. Sein Name war ebenfalls darauf vermerkt: T-I-B-E-R-I-U-S. Es war bauchig und schwer und nur wenig größer als eine geballte Männerfaust. "Das solltest du haben, Tiberius. Es hat deinem Vater gehört. Bei dir ist es in besseren Händen als bei mir", sagte ich leise, als ich ihm das gelb eingeschlagene Päckchen reichte. Darin befand sich ein Briefbeschwerer, der auf seine Art besonders war. Es handelte sich um eine schwere Bronzekugel, auf deren Vorderseite ein ausgesprochen gut getroffenes Bildnis der Iustitia prangte. Um die Kugel herum waren folgende Worte zu lesen: alter alterius auxilio eget*. Ich lächelte schwach, als Avianus sein Geschenk auspackte.


    Ein flaches Päckchen war das, was ich darauf zu Tage förderte. L-A-E-V-I-N-A stand darauf geschrieben, und es war orangefarben. Ich reichte ihr das Päckchen und sah ihr dabei zu, wie sie es auswickelte. "Bei dir war es schwer, etwas zu finden, das deine Schönheit noch hervorhebt und nicht schäbig aussieht neben deinem Antlitz", meinte ich schmunzelnd. Laevina erhielt zwei Haarkämmchen, jedes am Kopfstück verziert mit einigen grazilen Kirschblüten aus schimmerndem Perlmutt. In jeder Blütenmitte saß eine echte Perle. Ich war mir sicher, dass sowohl Farbe als auch Form mit Laevinas Haar harmonisieren würden.


    "Mal sehen, was haben wir denn da noch..." sagte ich vor mich hin und widmete mich wieder meinen Mitbringseln. Bald war der Sack leer, nur noch wenige Geschenke befanden sich darin....



    *Der eine bedarf der Unterstützung durch die anderen

    Ich schlief zumeist ohne tunica, nur mit einem Schurz bekleidet, es sei denn, ein germanisch anmutender Winter hielt Rom in seinen Klauen fest und Kohlebecken brachten nicht die erwünschte Wirkung mit sich. Dieser Tage war es draußen recht mild, der Frühling hielt bald Einzug, und ob dessen schälte ich mich nur mit einem subligaculum bekleidet aus den Federn. Es war früh - früher, als ich mich normalerweise von Siv wecken ließ. Draußen dämmerte es gerade, doch war ich voller Tatendrang und konnte einfach nicht weiter im Bett liegen, bis Siv sich auf die Kante setzen und mich wecken würde. Deswegen stand ich auf, hockte nur kurz auf der Seite des Bettes und gähnte herzhaft. Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht, streckte mich kurz und stand dann auf. Ich wusste, was heute für ein Tag war. Vor dreißig Jahren hatte ich das Licht der Welt erblickt.


    Den Gedanken schob ich beiseite und wankte in Richtung der Waschschüssel. Mein Näherkommen betrachtete ich in dem großen Spiegel, der dahinter stand. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem ich seinen Vorgänger mit bloßen Händen entwei geschlagen hatte. Heute kam es mir selbst albern vor, wie ich dagestanden und wuterfüllt gewesen war, weil Helena mich anders sah, als es sich gehörte. Weil Ursus und ich Differenzen hatten. Ich war an mir selbst gewachsen, zumindest erschien es mir so, rückblickend.


    Inzwischen stand ich vor dem Spiegel und betrachtete mein Spiegelbild. Meinen Oberkörper, der auch schon einmal muskulöser gewesen war als jetzt. Die angedeuteten Falten auf Stirn und um die Mundwinkel herum. Herrje, ich wurde alt. Ich war alt. Wie um den Gedanken zu vertreiben, schüttelte ich den Kopf und goss Wasser aus dem bereitstehenden Kurg in die Schüssel zwischen mir und meinem alter ego. Ich sah absichtlich nicht mehr in den Spiegel hinab, platzierte den nun leeren Krug wieder auf seinem Platz und beugte mich über die mosaikumrandete Schüssel. Mit den Händen formte ich eine Mulde und tauchte sie ins kühle Nass, dann schöpfte ich mir Wasser ins Gesicht. Dreimal wiederholte ich diese Prozedur, dann blickte ich doch auf und in den Spiegel. Was ich sah, ließ mich stutzen: Da war ein Haar.


    Ein graues.

    Nicht nur aus eigenem Interesse, sondern auch als einer der religiösen Würdenträger und als künftiger Magistrat von Rom war ich heute hier erschienen, um an dem öffentlichen Opfer teilzunehmen. Es hieß, dass der Kaiser tatsächlich seine Rolle einnehmen würde. Auch dies war ein Grund, heute hier anwesend zu sein. Glücklicherweise hatten die Senatoren, Magistrate und andere Würdenträger bessere Plätze als der Pöbel in der breiten Menge der Menschen, sodass man besser denn passabel sehen konnte. Zwischen einigen Mitgliedern des collegium pontificium, Senatskollegen, ehemaligen septemvir-Kollegen und in der Nähe von Ursus wohnte ich diesem Sühneopfer bei, das der Kaiser - meiner Meinung nach - selbst verschuldet hatte mit seinem Desinteresse die dritte Staatssäule betreffend. Es war nicht verwunderlich, dass die Götter ihm zürnten, wenn er kaum geneigt war, sich mit der religio Romana zu befassen. Umso bedeutsamer war seine Anwesenheit hier und heute, auch wenn der Wind das Geräusch seines Hustens über die Menge trug und verdeutlichte, dass er nach wie vor schwächelte.

    Zitat

    Original von Flavia Epicharis
    Sie trat vor Celerina und Corvinus hin, schenkte Celerina ein aufmunterndes Lächeln und Corvinus einen fragenden Blick, dann ergriff sie ihrer beider Hände: Celerinas linke und Corvinus' rechte. "Juno ist euch wohlgesonnen und mag es immerfort sein", sagte sie. Das war zwar nicht Teil des Ritus, aber Epicharis' Bedürfnis. Sie legte Celerinas Hand in die von Corvinus, umschloss ihrer beider Hände für einen Moment und ließ sie dann los. Es war nun Sache der Brautleute, sich gegenseitig den Eheschwur zu leisten.


    Ich war Epicharis dankbar, dass sie Celerina den aufmunternden Blick zuwarf, den ich zu fabrizieren mich nicht imstande sah. Irgendetwas haftete meiner Braut an, das ihr Lächeln milderte, doch was es war, konnte ich nicht sagen. Vielleicht hatte sie sich doch einen anderen gewünscht, so musste es sein. Wenigstens war ich dann mit dem seltsamen Gefühl in der Magengrube nicht allein. Ein wenig Zuspruch würde Celerina also sicherlich gut tun, und wenn er nur mittels eines Blickes erfolgte.


    Kaum hatte Epicharis Celerinas Hand in die meine gelegt und ich der pronuba flüchtig zugelächelt, musste ich darauf hinab sehen. Ich ergriff nun auch Celerinas andere Hand. "Vor den Göttern gehe ich, Marcus Aurelius Corvinus, Sohn des Marcus Aurelius Antoninus, Senator und pontifex von Rom, aus freien Stücken den Bund der Ehe mit dir ein. Mögen die Götter und alle Anwesenden meine Zeugen sein. matrimonio consentio." Damit war es heraus. Meine Hände waren zwar kühl und das seltsame Gefühl war nach wie vor von bestand, doch war mein Ehegelübde gesagt und was jetzt noch fehlte, war das ihre.

    "Oder Vinicius Hungaricus aus Hispania zurückkehrt", bemerkte ich. "Ich könnte nicht sagen, welches Ereignis schneller eintritt. Es verwundert mich, dass die Decimer keine Nachricht geschickt haben bisher. Immerhin sind sie schon sehr lange unterwegs." Es gab zwar eine Meldung aus Alexandrien, die ein Geheimnis um ein gestrandetes, defektes Schiff thematisierte, aber das konnte alles sein - und solange sich die Vermutung nicht bestätigte, würde ich ganz gewiss nicht darüber reden.


    Durus schien gesättigt, ich war es ebenfalls. Die wichtigsten Gesprächsthemen waren angesprochen worden und ob dessen war ich nun ein wenig schlauer als zuvor. Durus und ich verlieben mit der Absicht, ein Treffen zwischen ihm und Laevina zu arrangieren, und Durus hatte versprochen, sich um Orestes' Anliegen bezüglich Arvinia zu kümmern. Ich war mir sicher, dass wir bald voneinander hören würden, als ich ihn ins atrium geleitete und mich von ihm verabschiedete.

    Als die Priesterin die litatio verkündete, riss ich meinen Blick los und lächelte, teils erleichtert, teils aufgesetzt. Natürlcih war es gut, wenn Iuno ein getätigtes Opfer annahm, und ebenso natürlich war es gut, wenn es das Opfer vor einer Heirat war. Allerdings bedeutete dies, dass keinerlei Zeit mehr aufgeschoben werden würde, und das wiederum bedeutete, dass alles nach Plan verlaufen und unverzüglich seinen Gang gehen würde: In nicht einmal einer Woche würden Celerina und ich vor der Nordwind stehen und den Bund eingehen.


    Die Priesterin erhielt aus Klientenhand eine überaus angemessene Entlohnung für ihre Hilfe bei der Opferzeremonie, wir dankten ihr noch einmal persönlich und verließen hernach den Tempel. Was Celerina dachte, als ich sie die marmornen Stufen hinabgeleitete, wusste ich nicht. Ich half ihr in ihre Sänfte und blickte dem flavischen Gefährt noch einen Moment nach, ehe ich selbst mich ebenfalls auf den Heimweg machte.

    Hmmm. Aber wird Griechenland nicht in der bespielten Zeit proconsularisch verwaltet? Zumindest, impliziert der Tabulariumseintrag das, ich kenne mich mit der griechischen Materie allerdings nicht sonderlich gut aus.


    Und gerade die "griechischen Studien", von denen so viele immer schreiben, und die Bauwerke zu bespielen, fänd ich interessant. Was die Polis angeht, hast du allerdings recht. Da hab ich gar nicht dran gedacht. Allerdings... existierte da beides nebeneinander, Polis und Prokonsul?

    Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Was ich noch sinnvoll fände, wäre die Ausgestaltung Achaias. Mit Griechenland werden im Spiel nicht nur viele Hintergründe, sondern auch einiges an Spielgeschehen verbunden. Die Frage ist eben nach wie vor, ob sich das Eröffnen einer neuen Provinz tatsächlich lohnen würde. Ich stimme dir zu, dass es von denen abhängt, die in der Provinz tätig sind und es "vormachen". Was aber m.E. noch viel wichtiger ist, ist die Faszination des Neuen. Bei Ägypten war die Andersartigkeit von Ambiente und Flair, die den größten Anreiz geboten hat - zumindest sehe ich das so. Setzt man sich das bei einer zusätzlichen Provinz zum (Arbeits-)Ziel, muss man "nur" noch engagierte Leute finden (und die SL überzeugen :D). Machbar wäre das, und von den sonstigen Provinzen wäre Griechenland vermutlich diejenige, die noch am interessantesten für den Großteil der Spielerschaft wäre.