Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

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    Erneut zog ich eine Grimasse - eigentlich wäre mir mehr danach gewesen, zu gehen und mir einen Weinkrug zu suchen, doch dass hier der Wunsch nach einem Ende der Diskussion Vater des Gedanken war, war selbst mir klar, ebenso wie der Umstand, dass es die Diskussion nicht beenden, nur erschweren würde, wenn ich nun ging. "Celerina war bereits einmal schwanger", gab ich Siv zurück. "Vor der Heirat", fügte ich hinzu, um einer weiteren germanischen Verurteilung im Vorfeld zu entgehen. Allerdings grübelte ich nun über etwas Neues nach. Ich musste ich Erfahrung bringen, wie Celerina das Balg los geworden war - und ob dies nachhaltige Schäden angerichtet hatte in Bezug auf weitere Schwangerschaften. Darob nachdenklich betrachtete ich das Bettchen meines Sohnes.


    Siv indes stellte mir Fragen, die ich nicht beantworten konnte. "Das weiß ich nicht", erwiderte ich und klang nun zunehmend gereizter. "Ich weiß es nicht, Siv! Ich kann es dir nicht sagen!" Aufgebracht riss ich die Hände von der Wiege loss und schoss einen Blick auf Siv ab. "Was ich versuche? Ich setze alles daran, einen Sohn zu zeugen, Siv! Seit dieser Heirat!" Ich begann, untermalend zu gestikulieren. "Ich kann es nicht zurücknehmen, ich habe dir gesagt, was dann passieren kann! Das kann ich nicht riskieren. Ich kann dir nichts geben außer meinem Wort, Siv!" Sie wusste doch, was mir das bedeutete, die Familie, das Erbe, dies alles! Und dennoch verlangte sie eine feste Zusage - irgendetwas. Etwas, von dem Celerina im Umkehrschluss wieder verlangen konnte, dass ich es ausschlug und vergaß, wenn sie Kenntnis davon erhielt! Das war paradox, einfach nur paradox. Ich schüttelte den Kopf. "Du weißt ja nicht, was du da redest", schloss ich resigniert. "Als würde ich jeden Gedanken an dich hier zurücklassen, wenn ich gehe und die Tür hinter mir schließe." Celerina warf mir schließlich dasselbe vor, und beide hatten sie recht.

    Ich seufzte tief. Selbstverständlich verdrehte sie die Worte. Ich hatte glücklicherweise die Geistesgegenwart in jenem Moment, das auf eine Art Selbstschutzmechanismus zu schieben. Was nicht hieß, dass es mir dadurch besser ging oder dass es das alles leichter machte. Hatte es vorhin noch so ausgesehen, als würde alles bestens werden, hatte ich nun statt einem gleich zwei Scherbenhaufen. Ich wandte mich um und lief zurück zur Wand. "Siv - bitte" Ich hatte meine Worte schließlich nicht so gemeint wie sie sie aufgefasst hatte. Und ein paar Wochen gegen einen Erben einzutauschen, erschien mir ein akzeptables Opfer, wenngleich auch kein leichtes. "Sie ist dessen fähig", fügte ich in automatischer Antwort auf ihre Worte an, ohne damit zu realisieren, dass ich Siv damit eine neue Möglichkeit für das Verschießen von Vorwurfssalven gegeben hatte.


    Schließlich stimmte sie mir zu. Ich wandte schon irritiert ob der Einsicht den Kopf, um sie anzusehen, da bemerkte sie nur wieder, dass sie nicht konnte. Und was sie noch sagte, ließ mich eine Grimasse ziehen. Ich ging zurück zu der hölzernen Wiege, legte meine Finger um das harte Material an der Seite und sah Siv darüber hinweg gequält an. "Ich lasse nichts unversucht", rechtfertigte ich mich. Vor Siv. Einer Freigelassenen und ihrem Kind. Als Patrizier. Als Senator Roms, als pontifex. Und doch als Gleichgestellter. Kurios, diese Situation.

    Endlich tat sie etwas um das Kind zu beruhigen. Das schien zunächst gar nichts zu nützen, und hatte dann nur langsam einen Effekt. Mir dämmerte, dass es bei Uland und Ferun auf diesem winzigen Raum noch viel schlimmer gewesen war als hier im Haus, wo man einfach fortgehen konnte, bis der ohrenbetäubende Lärm nur noch nervtötende Erinnerung war. Ich ignorierte Sivs bissigen Kommentar und fragte mich, ob so ein Kind immer dergestaltige Laute von sich gab, wenn ihm etwas nicht passte, gleich ob aus Hunger oder weil es aus dem Schlaf gerissen wurde oder weil es ein neues Tuch benötigte. Und wieder kam ich nicht umhin, Siv ein wenig zu bewundern, weil sie sich trotzdem mühte, Finn zu beruhigen. Und tatsächlich, er wurde leiser und nörgelte nur noch hin und wieder unzufrieden. Ich bekam dennoch allmählich Kopfschmerzen, das konnte nun auch das abebbende Geplärre nicht mehr verhindern. Ich hatte derweil das Wandern aufgegeben und lehnte an der Wand. So groß war der Raum nicht, dass dies viel freien Raum zwischen uns bedeutet hätte.


    "Ich habe diese Vereinbarung mit ihr getroffen, weil sie sonst gegangen wäre, Siv. Wundert dich das? Celerina war noch nie derart tolerant - oder ignorant - ,dass sie so etwas schlicht hinnehmen würde. Und du siehst nicht, dass diese Situation auch einen Drahtseilakt für mich bedeutet, was ich damit alles verlieren kann. Celerina selbst ist das kleinste Steinchen im Mosaik dabei, aber was denkst du, wird passieren, wenn sie geht und ihrer Familie ein paar Dinge erzählt? Im Handumdrehen hätten wir eine der einflussreichsten Familien des Reiches gegen uns gewendet, nur weil ich nicht bereit war, ein Zugeständnis zu machen, das mehr oder minder erträglich ist", antwortete ich ihr jetzt endlich, auch wenn Finn hin und wieder Anstalten machte, wieder lauter zu werden. "Glaub ja nicht, dass mir das leicht fällt, das ganz sicher nicht. Aber es ist notwendig, um sie an meiner Seite zu halten. Und diese Ehe ist schon viel zu lange kinderlos, ja. So lange, dass es allmählich auffällt, so lange, dass man vielleicht zweifelt, dass ich fähig bin, Kinder zu zeugen oder daran, dass Celerina ein Kind austragen kann." Die Wahrheit kannten wir ja nun alle drei, auch wenn Siv wohl nicht wusste, dass Celerina einst unfreiwillig von diesem Piraten geschwängert worden war. Ich lief nun doch wieder auf und ab, hin und wieder aufgewühlt gestukulierend oder ihr einen Blick zuwerfend. "Du weißt nicht, wie schwer es wirklich ist, nicht nur diesen fremden Erwartungen gerecht zu werden, sondern auch dem, was man sich selbst wünscht. Oder wie es ist, wenn man abwägen muss zwischen Wollen und Müssen, wenn man einen Mittelweg finden muss und doch weiß, dass es keinen gibt, der jedem gerecht wird - am allerwenigsten dir selbst. Ich mache dir keinen Vorwurf daraus, Siv, aber urteile nicht nur anhand der Dinge die für dich klar umrissen erscheinen." Ich stand inzwischen vor ihr, die Wiege zwischen uns, Finn in ihren Armen. Und ich fühlte mich seltsam ausgebrannt, als sei ich innerhalb weniger Minuten um Jahre gealtert.

    Es war seltsam, ich fühlte mich hin und her geworfen zwischen zwei Empfindungen, Wut und Verärgerung zum einen, Resgination gepaart mit Frustration zum anderen. Diese zwei Möglichkeiten schienen in mir miteinander zu ringen, um die Oberhand zu ergreifen, was zur Folge hatte, dass ich mich unentschlossen fühlte und nur schwieg, während Siv Finn hielt und doch noch den Atem dafür hatte, zu wettern und mir böse Blick zuzuwerfen. In gewisser Weise fand ich diese Fähigkeit faszinierend, zu so vielem gleichzeitig fähig zu sein. Ich schwieg auch noch, als sie nach einer Frist fragte. Im Nachhinein erschien es mir das sehr sinnig, doch in der Situation in Celerinas Zimmer war ich nicht auf den Gedanken gekommen. Und Siv hatte recht, das war vermutlich das Gravierendste an dieser ganzen vermaledeiten Angelegenheit - dass sie recht hatte.


    Sie spielte auf ihre eigene Schwangerschaft an, und Frustration und Resignation siegten schlagartig. Es ging hier in gleicher Manier weiter, wie es aufgehört hatte, bevor Siv gegangen war. Ich schwieg weiterhin, auch wenn ein recht penetrantes Stimmchen vehement darauf pochte, dass ich mich endlich verteidigte, dass ich auf keinen Fall auch nur in irgendeiner Weise zurückstecken durfte - erst recht nicht gegenüber einer Frau. Gleichzeitig war ich es schlichtweg leid, diese ewigen Diskussionen, diese hitzigen Wortgefechte, die zum Schluss doch nur im Zorn endeten und zu nichts führten. Ich ließ sie wettern, und als ich mich erst einmal dazu entschlossen hatte, nicht direkt etwas zu erwidern, nahm ich ihre Worte verwundert wie aus weiter Ferne wahr. Kurz darauf war Finn der einzige, der sich noch lautstark Gehör verschaffte. Selbst das war mir noch zu viel. Das Kind hatte ein Organ, das seinesgleichen suchte - und hoffentlich nie fand. "Siv, das ist..." Ich unternahm erst keinen zweiten Versuch, ihn übertönen zu wollen, wie Siv es mühelos getan hatte. Das Geplärr zerrte an meinen Nerven, ich fuhr mir entnervt über das Gesicht und wanderte in die entlegendste Ecke des Raumes, um dort nach einem Wink hin zu Finn auf und ab zu laufen. "Er soll aufhören!" forderte ich, als müsste Siv nur einen Knopf drücken. Ich konnte nicht klar denken, und unter diesen Voraussetzungen war ein Gespräch einfach sinnlos für mich.

    Ich konnte Siv ansehen, wie der Sesterz fiel. Ihre Brauen zogen sich immer mehr zusammen, der Ausdruck auf ihrem Gesicht wurde stetig missmutiger und finsterer. Ihre plötzliche Explosion kam für mich unerwartet - sicherlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass ihr diese Offenlegung gefallen würde, doch dies hier kam überraschend, so sehr, dass ich kurz zusammenzuckte - was mich Sekundenbruchteile später ärgerte. Und direkt im Anschluss ging ein ohrenbetäubendes Geschrei los, ob dessen ich die Augen zusammenkniff und sich umgehend eine steile Falte auf meiner Stirn bildete. Mein Sohn war wach.


    Siv war bei ihm und nahm ihn hoch, woraufhin das Geschrei zwar nicht ganz aufhörte, doch sich zumindest hörbar verringerte. Wie hielt sie das nur aus? Meine Achtung vor einer Mutterschaft ohne hilfreiche Amme stieg in jenem Moment um ein Vielfaches, zumal Siv sich weiterhin weitestgehend auf mich konzentrierte und den Kleinen praktisch nebenher bemutterte. Der Blick, mit dem sie mich bedachte, war wütend und aufgebracht - was dazu führte, dass ich mich missverstanden fühlte und darin resultierte, dass ich ebenfalls wieder verärgerter wurde. Ihre Formulierung machte das nicht unbedingt besser, das Gegenteil war eher der Fall. Meine Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, starrte ich zu Siv zurück. "Bis sie schwanger ist", gab ich ebenso informativ wie kurz angebunden zurück und interpretierte damit Celerinas Worte zu meinen Gunsten neu. Sie musste doch sehen, dass mir das selbst alles andere als leicht fiel!

    "An mir." Kaum ausgesprochen, klang es einfach nur albern. Ich presste die Zähne aufeinander und seufzte. "Ich habe es ihr verprochen. Versprechen müssen. Celerina." Welch Idiotie! Was hatte mich nur geritten ein solches Zugeständnis zu machen? In Selbstverärgerung schüttelte ich den Kopf. Ich wusste, weshalb ich das getan hatte. Es war die einzige Möglichkeit gewesen, sie zum Bleiben zu überreden, auch wenn es vielleicht im Nachhinein ein Dutzend andere Möglichkeiten gegeben hätte. Und doch war wohl keine so vertrauenfördernd wie dieses Versprechen gewesen, wenn man angesichts der Umstände überhaupt von Vertrauen sprechen konnte. Ich blinzelte missmutig, wiegte den Kopf hin und her. "Das ist der Preis, den ich für dich zahle", sagte ich selbstironisch und schüttelte im Anschluss den Kopf. "Und für einen Erben."


    Celerina war geschickt. Hatte ich mich vor wenigen Tagen ihr gegenüber noch für recht unantastbar gehalten und mich eindeutig in der besseren Position gesehen, begriff ich erst jetzt, dass es derzeit genau anders herum war. Das Ironische daran war, dass es im Grunde doch meine eigene Angelegenheit war, denn wer außer ihr selbst würde es wagen, mein Wort in Bezug auf Siv infrage zu stellen? Und doch war es mir ob meines Gewissens nicht möglich, mein gegebenes Wort zu brechen. Celerina kannte mich besser, als ich es je für möglich gehalten hatte.

    Die Antwort des Sklaven kam abgehackt und zögerlich, was weniger an seinem Wesen, als vielmehr an seinen mangelnden Sprachkenntnissenzu liegen schien. Erst als Celerina mich aufklärte und ich die Situation Revue passieren ließ, fiel mir auf, dass auch sie zuvor Griechisch gesprochen hatte. Nun, dass ich nicht darauf geachtet hatte, war wohl auch kaum weiter verwunderlich, immerhin waren gewisse andere Dinge mir wichtiger erschienen als die Sprache, in der sich ein Sklave artikulieren konnte. Auf Celerinas Worte hin schürzte ich verstimmt die Lippen. "Dann wird er es lernen", war meine Antwort. Was brachte es schon, wenn der Sklave auch in den kommenden Jahren Latein nur bruchstückhaft verstand und sprechen konnte? Er würde nicht mit den anderen sprechen können, von Niki und die übrigen griechischstämmigen Sklaven einmal abgesehen, und spätestens bei der Erteilung von Anweisungen seitens des maiordomus würde es ein Problem darstellen - obgleich Griechisch sprechende Sklaven durchaus mehr wert waren. Nun, mehrsprachige Sklaven übertrumpften das Ganze.


    Celerina hatte sich inzwischen ebenfalls gesetzt und wies auf das Instrument am Boden. Ich winkte ungeduldig nach jemandem, der mir einen Becher Wein anreichen sollte. Heute war kein guter Tag, ich hatte schlechte Laune und diese Farce hier barg im Grunde auch nicht viel mehr als ein Ärgernis. Bisher zumindest. "Meinetwegen." Ich klang nicht unbedingt begeistert, blieb jedoch liegen und nahm den Becher an, der mir eben gereicht wurde.

    Ich konnte Siv nicht einmal richtig ansehen, ihrem Blick nicht begegnen. Die zwei Worte, die sie sagte, genügten schon - ich war wütend auf Celerina, wütend auf mich selbst, dass ich dieses vollkommen unnütze, absolut unsinnige Versprechen gegeben - dass sie es mir abgerungen hatte als Bedingung, um zu bleiben! "Nichts", sagte ich schroff. "Nichts ist." Ich wandte mich ab, schüttelte erbost den Kopf, weil ich selbst mich schließlich in diese Lage gebracht und nun nicht mehr herausmanövrieren konnte. Wie die Verärgerung auf Siv wirkte, dass sie sie vielleicht auf sich beziehen konnte, darüber machte ich mir in jenem Moment keine Gedanken. Ich ging zurück zum Tisch, ballte einen Moment später die Hand fest zur Faust und ließ sie wieder einen Moment später auf das Holz niederfahren, doch nur mäßig und nicht wutentbrannt. Neuerlich legte ich den Kopf in den Nacken, sog tief die Luft ein und verhielt einen Moment in dieser Pose. Siv konnte nichts dafür. Es war nicht ihre Schuld, und ich sollte das nicht an ihr auslassen.


    Einen Augenblick später stieß ich die Luft wieder aus und sah aus dem Fenster. "Es liegt nicht an dir", sagte ich, nun ruhiger, und wieder einen Moment später wandte ich mich um und lehnte mich rückseitig an die Tischplatte, wie Siv zuvor, allerdings mit vor der Brust verschränkten Armen. Der Blick, mit dem ich sie bedachte, hatte nichts von dem Hunger entbehrt, der dort zuvor gestanden hatte, und doch war er entschuldigend.

    Siv ließ sich nur kurz ablenken. Einerseits war das nur allzu willkommen, andererseits trieb sie mich damit schneller in die Enge, als es mir lieb gewesen wäre. Sie ging in die Offensive, und nicht zum ersten Mal fühlte ichmich seltsam machtlos dagegen, wie ein Floß auf dem weiten, offenen Meer. Das Kind schlief, Sivs Absicht war nur allzu deutlich - und mein Widerstand schmolz schneller als ich mich gedanklich dagegen stemmen konnte. Der nächste Kuss war nicht so zart, er schürte andere Gefühle, und mein Griff wurde ein klein wenig gröber. Ich zog Siv noch näher an mich heran, ausgehungert regelrecht, entschied mich nach wenigen Herzschlägen anders und schob sie beständig rückwärts, auf die Wand zwischen Bett und und Tür zu, an der sie kurz darauf sachte anstieß. Es war lange her, dass ich sie gehabt hatte, dass wir uns so nahe gewesen waren. Ich drückte sie an die Wand, nestelte bereits am Saum ihrer Kleidung, die ein lästiges Hindernis war und sonst nichts.


    Dann schlug das schlechte Gewissen zu. Ich stöhnte - und es klang frustriert. Ich legte den Kopf in den Nacken und verfluchte im Geiste mich selbst und das Zugeständnis, das ich ohne großartig nachzudenken gemacht hatte. Zeitgleich ließ ich Siv los, trat einen Schritt zurück und starrte sie enttäuscht an, ohne etwas zu sagen.

    Ich ahnte nichts von Siv Gedanken. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was sie dachte - dass konkrete Angaben so wichtig für sie gewesen wären. Ich stand nur dort und hielt sie, ohne sonst etwas zu tun. Der Kuss war süß und verheißungsvoll, und spätestens als er intensiver wurde, musste ich meine Gedanken in andere Bahnen lenken und mich entgegen meiner Wünsche zügeln. In jenem Moment hasste ich Celerina und ihre Winkelzüge. Trotz keimte in mir auf, wozu sollte ich ihre Wünsche achten, wenn sie nicht einmal imstande war, mir einen Erben zu gebären? Andererseits war sie nicht dumm - es wäre ihr ein Leichtes, weiterhin nicht schwanger zu werden, wenn sie dies hier erfuhr. Und obgleich ich nicht auf Iuppiter den Stein geschworen, sondern ihr lediglich ein Versprechen gegeben hatte, konnte ich es nicht brechen. Ich beendete den Kuss sanft und seufzte leise. "Ist er schon gewachsen?" fragte ich Siv aus zwei Gründen - um abzulenken und weil es mich tatsächlich interessierte - und nickte zu der Wiege hin. Ich hatte meinen Sohn bisher so selten gesehen, dass ich das nicht beurteilen konnte.

    Der Sklave kam meiner Aufforderung sogleich nach. Zumindest das war beruhigend, so wusste er zumindest, wem er zu gehorchen hatte, auch wenn es zunächst den Anschein gehabt hatte, dass er sich widersetzen wollte. Mein Blick rutschte von Celerinas Gesicht hin zu ihrer Hand, die soeben in einer eindeutigen Geste ihren Weg auf die Schulter des Sklaven gefunden hatte. Meine Mundwinkel zuckten kurz abschätzig, mündeten in einer missbilligenden Geste, die sich nur langsam entschärfte, während ich Celerinas Erklärung folgte. Begabte und treu ergeben Sklaven zu verschenken, schien mir heutzutage an der Tagesordnung zu sein, auch wenn ich die Intention dahinter nicht nachvollziehen konnte. Loyalität war eine Tugend, die die wenigsten Sklaven besaßen. Und wieso sollte man einen treuen Sklaven verschenken, wenn er sonst keine Makel hatte? Erneut musterte ich den Neuen. Mit seinen Muskeln konnte er bequem ein custos sein, und offenbar konnte er recht passabel die Kithara zupfen.


    Ich hob die Brauen und trat an beiden vorbei, um Platz zu nehmen. Mit einem Seufzen legte ich die Beine hoch und richtete den Blick wieder auf die beiden. "Er kann mit Sofia üben. Und vielleicht kann er Priscas stummem Mädchen etwas beibringen", erwiderte ich gleichgültig mit entsprechender Geste. "Wie heißt du? Welche Aufgaben hattest du bei deiner vorherigen Besitzerin?" wollte ich hernach auf Latein von dem Sklaven wissen. Sonderlich begeistert war ich noch nicht.

    Sie zeigte sich positiv gewillt, zwei Schüler zu unterrichten. Das würde zwar unter Umständen einiges an Fragen mehr bedeuten, doch zugleich auch eine bessere Lernsituation, wie ich glaubte. Zufrieden nickte ich. "Sehr gut. Du hast Kontakt zu diesem Dontas? Dann möchte ch dich bitten, ihm auszurichten, dass er mich aufsuchen möge. Ich möchte ihn gern kennenlernen." Und das hatte diesmal nur wenig mit dem cultus zu tun, sondern vielmehr mit meinem Interesse an der Person dieses Peregrinen.


    Bei ihrer Bemerkung musste ich kurz lachen. "Nun es bleibt wohl sein Geheimnis, ob Durmius Verus sich euretwegen in den Ruhestand begeben hat. Soweit ich weiß, ist er vor einer Weile auf sein Landgut bei Tibur gezogen", erwiderte ich schmunzelnd und mit einem Zwinkern. "Aber wo du es gerade erwähnst - du weißt nicht zufällig etwas über den Verbleib der Germanica?" hakte ich nach. Wenn ich mich recht erinnerte, waren die beiden befreundet gewesen.

    Flavius Flaccus war zwar recht mitteilsam, doch erschien es mir äußerst schwierig, ein Gespräch abseits seines Anliegens zu beginnen. Er beantwortete zwar meine Fragen, doch stellte er selbst nicht eine einzige. Also ging ich nur auf seine Antwort ein. "Nicht unbedingt", wandte ich ein "War nicht die Schauspieltruppe deines Onkels Gracchus eine römische und keine griechische? Sie hatten damals ein recht amüsantes Stück inszeniert, Kresh, wenn ich es richtig in Erinnerung habe." Ich erinnerte mich einen kurzen Augenblick daran. Der Musik indes konnte ich zwar auch etwas abgewinnen, doch mich als Schwärmer derselben zu bezeichnen, wäre doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt gewesen.

    Die Abstimmung verlief zugunsten Seianas, soweit ich das beurteilen konnte. Sobald der Bürokratie dann Genüge getan worden war, würde sie wohl die nächste auctrix der Acta Diurna sein. Alles in allem ein durchaus befriedigendes Ergebnis, fand ich. Nun musste der flavische consul nur noch das Ergebnis verifizieren und festhalten.

    "Das tust du nicht, Siv", erwiderte ich matt und seufzte. Es gab mindestens eine Sache, in der Celerina hintenan stand, und die betraf meine Zuneigung. Es hätte noch mehr Dinge gegeben, wenn...ja, wenn es nicht diesen Handel gegeben hätte, den Celerina mir abgerungen hatte.


    Wie Siv so dort stand und unglücklich war, meinetwegen, war für mich nicht eben leicht mitanzusehen. Nach einem weiteren Moment stand ich schließlich auf und ging auf sie zu. Vor ihr blieb ich stehen, betrachtete sie einen flüchtigen Augenblick lang, ehe ich eine Hand in ihren Nacken und die andere an ihren Rücken legte und sie stumm an mich heranzog. Ich schloss die Augen, sog ihren Duft ein und wollte nichts als Celerina vergessen in diesem Moment, aber sie war da, und ich konnte sie ebenso wenig verleugnen wie die Tatsache, dass ich ein Römer war. "Ich will nicht, dass du meinetwegen traurig bist. Ich würde so gern vieles vergessen, wenigstens für Momente, aber ich kann nicht vergessen, wer ich bin, Siv. Das wird ein Teil von mir bleiben, ganz gleich, wo ich bin und was ich tue", sagte ich leise, sie haltend. Dieses Gefühl an sich war beinahe berauschend, auch wenn die Situation denkbar schlecht war, da Siv unglücklich und ich selbst zwiegespalten war. "Das hat mir gefehlt. Sehr sogar." Untätiges Stehen, Siv an meiner Brust, der Raum erfüllt von ihrem Duft - mir wurde erst jetzt bewusst, wie sehr ich das vermisst hatte. Diese Erkenntnis nahm mir beinahe den Atem. Dass man so etwas empfinden konnte, machte mich schlicht sprachlos. Mühsam brachte ich dieses Gefühl unter Kontrolle, bevor ich überhaupt weitersprechen konnte. "Ich kann mich nicht der Pflicht entziehen, die ich habe." Ich meinte damit eines vor allem anderen, und doch auch jene Pflichten, die mir sonstig aufgebürdet waren und die ich nicht vernachlässigen konnte noch würde. Ich spielte hierbei auch auf Celerina an, auf die Erwartungen als Ehemann, die an mich gestellt wurden, und doch sprach ich dies nicht aus. Siv würde auch ohne explizite Erklärung wissen, was ich damit meinte.


    Meine Lippen fanden den Ansatz ihrer Stirn, ich kam nicht umhin, sie dort zu küssen. Mein Atem streifte über ihre helle Haut, die Augen hielt ich immer noch geschlossen. "Aber ich werde für dich da sein", knüpfte ich an meinen vorangegangenen Satz an.

    Aufgewühlt antwortete sie auf meine Worte hin. Ich warf einen Blick zur Wiege hin, aber das Kind schlief in aller Seelenruhe weiter. Sivs Worte bescherten mir ein schlechtes Gewissen, und das brachte letztendlich auch die Ablenkung mit sich, die ich brauchte, um andere Dinge fort zu schieben. Die Art ihrer Formulierung traf mich, denn sie klang wie damals. Ich musterte sie ruhig. Es ging dort weiter, wo es aufgehört hatte. Siv sprang auf und begann zu gestikulieren, und ich sah sie nur an und ließ sie gewähren, bis sie wieder still stand und mich ansah.


    "Ich kann das nicht einfach ablegen, Siv", sagte ich matt. Und wie auch? Ich war Römer, war Senator. Wie hätte ich das vergessen sollen? Ich sah zu dem schmalen Fenster hin und strich erneut abwesend über Celerinas Kratzer. Ich musste einen Moment verstreichen lassen, ehe ich Siv wieder anschauen konnte. "Und wenn es so wäre, wäre ich dann zu dir gekommen?" fragte ich sie forschend. Ich war schließlich ihretwegen zu Uland gegangen, zu einem gewissen Teil damit auch um meinetwilen. Machte mich das nun egoistisch? Mein anschließendes, nachdenkliches Schweigen war nur kurz. "Ich kann dir nicht versprechen wie die Zukunft aussieht, Siv. Ich kann tun, was mir möglich ist. Aber ich muss Celerina den Vorzug geben." Das waren harte Worte, doch waren sie ehrlich. Es würde wohl auf eine Art Geduldsspiel hinauslaufen, in dem drei Fässer in gewissen Abständen einen Tropfen erhielten. Welcher dann welches Fass zum Überlaufen bringen würde, würde die Zeit zeigen - und keiner von uns würde etwas daran ändern können, es sei denn, Celerina gebar mir den ersehnten Erben.

    Sivs Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien sie nicht sonderlich zufrieden zu sein. Ich zuckte flüchtig mit den Mundwinkeln. Mir selbst gefiel das alles schließlich ebenso wenig wie ihr. Es war verzwickt. Sie entwand mir ihre Hand, und ich ließ die meine noch einen Moment dort auf dem Tisch liegen, während ich ihrer Gestik und den Worten folgte. Dabei schwieg ich und sah sie an, auch als sie verstummt war noch. Sie wollte nicht, was vor der Geburt gewesen war. Ich wusste sehr gut, was sie meinte, und im Grunde wollte ich das auch nicht. Es würde nur nie so werden, wie sie sich das vorstellte, das war mir klar, und auch für sie musste es deutlich sein. Ich schloss die Augen für einen Moment, dann seufzte ich und griff nach ihrem Handgelenk. Sanft zog ich sie zu mir, wartete, bis sie seitlich auf meinen Oberschenkeln Platz genommen hatte, und legte hernach einen Arm um ihre Taille. Die freie Hand hob ich, um ihr über die Wange zu streichen, dann ließ ich sie wieder sinken. "Das will ich auch nicht. Aber ich muss ein Mittelmaß finden, Siv. Ich brauche Celerina." Sicherlich war dies nicht das, was sie hören wollte, und doch war es die Wahrheit. Celerina war trotz all ihrer, meiner und unserer gemeinsamen Fehler meine Frau, und als solche achtete ich sie. Ich würde sie mit Respekt behandeln und nicht wie eine lästige Schmeißfliege, und abgesehen davon, dass unsere Ehe aufgrund unserer unterschiedlichen Persönlichkeiten und Erwartungen ein Desaster war, war sie dennoch - meistens! - eine römische matrona, wie man sie sich wünschte.


    Ich legte auch den anderen Arm um Sivs Gestalt, der - zumindest bekleidet - die kürzliche Schwangerschaft nicht mehr anzusehen war. Bei dem Gedanken daran, ob das auch ohne ihre tunica der Fall war, wurde ich mir ihrer Positionierung schlagartig bewusst. Ich schloss die Augen und tat, als bemerkte ich nichts. Ich wusste zwar, dass Siv diesen gewissen Reiz auf mich ausübte, aber dass er so unerbittlich zuschlug, war schwer zu ignorieren. Ich tat mein Möglichstes. "Es darf davon nichts nach außen dringen", fuhr ich fort, die leicht kratzige Stimme mit einem anschließenden Räuspern klärend. Den meisten mochte es vielleicht gleichgültig sein, was ein römischer Senator innerhalb seiner Ehe mit einer Geliebten trieb, doch befürchtete ich, dass das Ansehen der Familie dennoch darunter leiden mochte. Zumindest die Flavier würden sich vermutlich ungerecht behandelt fühlen, um Celerinas Willen, und allein schon das wollte ich vermeiden. Je weniger Personen daher davon wussten - nicht nur mutmaßten, desto besser war es.

    Es gibt in Germanien/Confluentes kein Haus der Terentier, soweit ich weiß. Am besten schließt du dich einfach mal mit Cyprianus kurz, der wird dir bestimmt ein paar Dinge für den Einstieg mit auf den Weg geben. Deine Signatur wird nur SimOn angezeigt, dazu gehörst du schon. ;)


    edit: Zu langsam. :D