Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Die Ewigkeit kam und ging, eine Ewigkeit, in der eine Antwort von ihr hätte kommen sollen, aber es nicht tat. Irgend etwas, das mir bewies, dass sie verstanden hatte. Dass sie vielleicht zu den Menschen gehörte, die aus ihren früheren Fehlern gelernt hatten ... aber alles, was sie mir sagte, war ein leises "Ja!" und dann hörte ich sie gehen. Die Tür schloss sich hinter ihr und mit einem Mal wurde die Stille in meinem Arbeitszimmer bedrückend und greifbar, als würde sie wie eisige Hitze über mir lasten. Ich regte mich nicht in meinem Stuhl, denn es hatte keinen Sinn mehr, sich zu bewegen, ich ließ die Zeit einfach verstreichen, ohne ihr nachzugehen oder sie zurückrufen zu lassen. Es war nicht die Zeit für Worte, nicht die Zeit für Taten. Langsam öffnete ich die Schublade wieder und nahm den Halsreif aus seiner weichen Verpackung, betrachtete das Schmuckstück lange und eingehend. Das war kein Schmuck für eine Sklavin. Morgengabe, hatte sie gesagt. Von jenem Brauch der Barbarenvölker, die jungen Frauen für ihre Entjungferung nach dem ehelichen Beilager zu entlohnen, hatte ich gehört, aber ich hatte nicht vermutet, dass es Severus so ernst mit ihr gewesen war. Vieles erschien nun in anderem Licht, veränderte sich, wandelte sich, wie auch der Lichtschein auf dem Metall des Halsreifs sich bewegte und wandelte, als ich ihn wieder ablegte.


    Bona dea, dachte ich und richtete den Blick zum Fenster, hinaus in die Dunkelheit, die nur in der Ferne vom immerwährenden, nächtlichen Lichtschein Roms durchbrochen wurde. In einer Stadt, in der man im Grunde niemals alleine war, inmitten einer zumeist wohlmeinenden Familie, gehegt als magistratus, umschmeichelt als Abkömmling einer einst kaiserlichen Familie, spürte ich die Bitterkeit einer Stille, die keinem Menschen wirklich jemals zu helfen imstande war. Die niemals wirklich angenehm sein würde, egal, wie hart man sie sich erkämpfen musste, wieviele Dinge man dafür aufgab. Hispania war sonniger gewesen als es dieses Land jemals sein konnte, und hinter dem Lächeln der Menschen dort lauerten keine Abgründe. Die Öllampe flackerte, und nach einer Weile erlosch sie, es war vergessen worden, sie aufzufüllen - aber ich blieb sitzen, ließ meine Gedanken schweifen und begrüßte die Dunkelheit wie einen alt vertrauten, freundlichen Begleiter, der mich wenigstens für einige Momente imstande war zu schlucken.

    Mir war schon vor der Rede bewusst gewesen, warum ich mich um gerade diesen Vortrag am liebsten gedrückt hätte - aber die unwiederruflich ablaufende Selbstbeweihräucherung des Germanicus Avarus war dann doch noch etwas schlimmer, als ich es erwartet hatte. Von allen gewesenen Magistraten war er derjenige, dem ich seinen Tatenbericht am wenigsten glaubte, sei es, weil die Gerüchte über seine angebliche Bestechlichkeit so groß waren, sei es, weil mir Beamte, die eine nota censoria nicht ernst nahmen, noch nie sympathisch gewesen waren, sei es, weil er einfach nur ein Emporkömmling aus einer plebejischen Familie war, der nun mit breitem Gesäß auf seinem Reichtum ruhte und nicht wirkte, als seien seine Spenden mehr als nur bloßes Zurschaustellen seiner Möglichkeiten - dieser Mann war mir einfach nicht angenehm anzusehen und zuhören mochte ich ihm auch nicht unbedingt. Dass Gracchus ausgerechnet ihm hatte zuhören wollen, war irgendwie erschreckend, aber ich vermutete stark, dass dazu auch gehörte, dass er allen zugehört hatte und Germanicus' wegen keine Ausnahme zu machen gedachte. An manchen Tagen war mir Manius' Pflichtbewusstheit noch fremder als sonst.


    So hatte ich neben Aristides und Gracchus Stellung bezogen und tat mir die Rede des Germanicus Avarus ohne besondere Begeisterung an - "Meine Aufgabe war der ordentliche Ablauf in den Thermen auch dort ließ ich mich blicken." - sicherlich hatte er die halben Tage in der Therme verfaulenzt, während ich mir in Rom die Hacken abgelaufen hatte, um meine Arbeit richtig zu erfüllen, aedilis plebis musste man eben sein! Geld für die Brotspende an die Bedürftigen bereitzustellen hätte auch jeder Idiot gekonnt, in sofern wertete ich das nicht als besonderen Verdienst dieses Mannes, auch die Tatsache, dass es immer mehr Händlerbetrug gab, war eben ein Punkt, mit dem man sich zwangsläufig in einer Zeit herumschlagen musste, in der die Leute Geld verdienen wollten und mussten. Und Spiele hatte er auch bezahlt ... nun, schätzungsweise waren das die Kernelemente seiner Amtszeit gewesen, Dinge zu bezahlen, Händler schickanieren und in den Thermen herumlungern, man hätte es auch schlechter treffen können - und so klatschte ich leidlich begeistert mit, als ein Teil der Menge zu applaudieren begann. Man musste ja nicht sofort als Nichtklatscher auffallen.


    "Wenn ich mir diesen Kerl so ansehe, dann war seine Frau sicher nicht vollkommen unfroh darüber, dass er wochenlang nur spät nach Hause kam," raunte ich zu Aristides zurück und musste einen trockeneren Kommentar unterdrücken. Fragen hatte ich nicht mehr an den Germanicus, und ich hoffte auch, Manius würde sich in diese Richtung alles verkneifen, was es zu verkneifen gab - noch länger diesem selbstverliebten Kerl dabei zuzusehen, wie er sich für ein paar laue Spenden aufblies, musste nun wirklich nicht sein.
    "Also ich habe langsam wirklich heftigen Hunger," warf ich ein, als auch Aristides zum Aufbruch drängte - somit stand es schonmal zwei zu eins im Bezug auf ein mögliches Verharren und Magistrat-Ausquetschen - die taverna Apicia rief und das leise Grummeln in meinem Magen war sehr bereit dazu, auf diesen Ruf zu antworten.

    Res gestae des Germanicus Avarus? Herrjeh. Ich hatte gehofft, dass dies der letzte Vortrag für den heutigen Tag sein würde - irgendwann wiederholten sich doch alle Themen etwas, und deren Ausführung noch mehr - aber es war typisch für Gracchus, sich den voraussichtlich langweiligsten und selbsteingenommensten Redner der gewesenen Magistrate auch noch anzuhören. Um diesen Vortrag würden wir wohl kaum herumkommen, wenn er unbedingt wollte, und so nickte ich ergeben - ein deftiges Mittagessen mit meinen Vettern war dann schon eher etwas, worauf ich mich freuen konnte, das letzte lag einfach viel zu weit zurück.
    "Es ist doch immer dasselbe mit ihm, Aristides - er arbeitet zuviel und isst zuwenig. Wenn er einmal consul ist, werden wir ihn mit einer geschliffenen Glaslinse suchen müssen, so dünn wird er dann sein," gab ich den unbekümmerten Scherz meines Vetters zurück, grinste dann amüsiert und zog auch Manius mit in Richtung der Sänfte, denn warum laufen, wenn es auch viel bequemer ging? Mit gleich drei Flaviern war die Sänfte fast überladen und die Sklaven hatten ordentlich zu schaffen, uns samt dem prächtigen Holzgerät zu bewegen, aber ausnahmsweise heute war es mir einfach egal.

    Ad
    Marcus Matinius Ticinius
    casa Matinia
    Roma


    C' Flavius Aquilius M. Matinio Ticinio s.d.


    Wie man mir mitteilte, wurdest Du mir als Schüler zugeteilt, auf dass ich Dich auf Deinem Wege zum sacerdos begleite und Dir Anleitung gebe, wo sie notwendig ist. Auf dass wir uns kennenlernen und zufürderst besprechen können, begebe Dich zum ANTE DIEM IV NON APR DCCCLVIII A.U.C. (2.4.2008/105 n.Chr.) in den Tempel des Mars Ultor und lasse Dich durch einen camillus bei mir melden, so es noch immer Dein Wunsch ist, dem cultus deorum und damit Staat und Volke Roms zu dienen.


    Vale,
    c' Flavius Aquilius
    sacerdos martialis


    PRIDIE KAL APR DCCCLVIII A.U.C. (31.3.2008/105 n.Chr.)

    Ich ließ mich auf der zweiten Kline nieder und streckte mich gemütlich aus - was wollte man mehr? Es stand ein angenehmer Abend bevor, die Speisen waren von meinem vilicus Straton persönlich zusammengestellt worden und entsprachen damit einem Standard, den ich an solcherlei Essen setzte, und ich war gut gelaunt. "Nun, ich hatte gar nicht mit einem Gastgeschenk gerechnet, umso mehr hat es mich gefreut, dass Du für derlei Sinn zeigst - das ist selten geworden in der heutigen Zeit und ich kann es nicht unbedingt als einen guten Fortschritt ansehen." Ich nickte einem der Sklaven zu, die nahe der Türe nun standen, um meine Anweisungen entgegen zu nehmen, und der junge Mann, den ich zuerst erblickt hatte, trat nun auf uns zu und richtete den Tisch so hin, dass wir beide bequem Zugang dazu haben würden. Die Appetitanreger waren praktischerweise in kleinen Häppchen angeordnet, von eben jenen Oliven, die er bereits hatte kosten können, über in dünne Scheiben Speck gehüllte, in Öl eingelegte Pilze bis hin zu kleinen, mit Schafskäse gefüllten Tomaten - dazu eine Schale mit frischem Fladenbrot, und der Genuss konnte im Grunde beginnen. Wir würden die komplizierteren Sachen später erhalten, zuerst sollten die Sinne noch einfach befriedigt werden.


    "Fhina hat sich sehr angenehm betragen, was ja oft genug bei Sklaven, die unsere Sprache nicht beherrschen, nicht unbedingt der Fall ist. Wenn ich mich nicht irre, dann hat sie sich mit meiner Sklavin ein wenig angefreundet, etwas, das ich als angemessen betrachte - es gibt ja genügend Sklaven, die kein guter Umgang sind und sich dann gegenseitig zu Schlechtem oder zur Faulheit anstacheln, aber bei diesen beiden habe ich ein gutes Gefühl," erwiederte ich wohlwollend und nahm mir zwei Oliven aus der Schale, um sie genüsslich zu verspeisen. Das reife und volle Aroma passte zur tiefgrünen Farbe und so gesellte sich zum optischen Eindruck auch noch der geschmackliche Genuss. "Ich bin mir sicher, mit Fhina hast Du einen guten Kauf gemacht, der sich früher oder später auszahlen wird. In letzter Zeit ist es schwer geworden, gute Sklaven zu finden - Tranquilius, der einstmals der erste Händler am Platz war, hat doch empfindlich nachgelassen." Immerhin verdankte ich ihm Bridhe und Micipsa, zwei Käufe, die ich bisher nicht allzu oft bereut hatte - aber das Angebot der letzten Zeit war wirklich grauenhaft gewesen und wenig herausfordernd.

    "Ach, Du möchtest also nicht an einen Ort der tausend Laster, angefüllt mit den köstlichsten Leibern vomn Jüngling hin bis zum stattlichen Manne, geführt werden?" neckte ich meinen Vetter und Geliebten gutmütig, aber nicht ohne einen Funken Schalk im Augenwinkel verborgen. "Na, jetzt bin ich aber enttäuscht, ich habe mir doch solche Mühe gegeben, etwas vorzubereiten, das deinem erlesenen Geschmack gefallen könnte, und dann sowas! Manius, Du machst es mir wirklich schwer, ein passendes Geschenk für meinen erfolgreichen Vetter zu finden, so kann das nicht weitergehen!" Gerade, als ich fast sicher war, er wäre mir auf den Leim gegangen - auch wenn ich niemals wirklich hoffte, ihn so sehr narren zu können, dafür war er mir geistig gesehen zumeist doch immer zu weit voraus - musste ich doch lachen und ließ alle möglichen Illusionsblasen durch meine Heiterkeit zerplatzen. Zu lange konnte ich in seiner Gegenwart nie todernst bleiben, denn es machte mich viel zu froh, ihn um mich zu wissen, selbst der trübste Tag gewann durch Manius' Nähe noch etwas Besonderes und Kostbares. Wie glücklich wären wir gewesen, hätten wir einander gehören dürfen - und doch hatten es die Götter anders gefügt, und ich musste mich damit begnügen, sein Lebensbegleiter zu sein, nicht sein Lebenspartner.


    "Wir nehmen die Hintertüre, mein Manius, denn dies ist ein Ausflug, den weder unser Vetter Aristides noch Deine Gemahlin gutheißen werden, je weniger sie also davon erfahren, desto besser," sagte ich und nickte beipflichtend zu Gracchus' Tunika. Der Stoff war zwar teuer, aber dort, wohin wir gehen würden, würde er damit nicht auffallen, zudem verzichtete er glücklicherweise auf jeglichen überflüssigen Tand und würde sich darob gut unter die Menschenmenge mischen können. Ich selbst hatte wohlweislich nur eine etwas ältere tunica an, deren dunkelbraune Farbe auch einem Mann aus der subura gepasst hätte, und so ergriff ich ihn für die wenigen Schritte zur Tür, deren Riegel ich öffnete, bei der Hand und zog ihn mit. "Mir scheint, du hast lange genug kein Abenteuer mehr erlebt und dies wird ein kleines sein, wie ich doch hoffe. Aber nun leise, wir wollen nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als unbedingt nötig." Damit ging ich auf den Korridor hinaus, winkte ihm, sodass er mir nachfolgen möge und schritt voran, in jener halb schleichenden Gangart, die von den Sklaven gern benutzt wurde und die für einen Patrizier meist so unwichtig war, dass er darauf wenig Acht gab. Zu gern hätte ich jetzt in seinen Kopf geblickt und ergründet, was er sich wohl als unser Ziel vorstellte, aber ich würde ihm dies sicherlich nicht verraten, bevor wir nicht angekommen wären. Wir passierten das atrium ohne Schwierigkeiten und konnten den Gang erreichen, der zum hinteren Bereich der villa führte - und auch zum Hinterhof samt -ausgang...

    Mein Blick haftete sich auf die Maserung meines hochpolierten Schreibtischs und verlor sich in den unterschiedlichen Formen und Linien, als könnte und dürfte ich im Augenblick nichts anderes mehr sehen. Ich wusste sehr genau, dass ich sofort weich werden würde, wenn ich sie ansah, denn ihre Stimme klang, als sei sie den Tränen nah, und Tränen einer Frau hatten seit jeher eine fatale Auswirkung auf mich gehabt. Tränen waren meine Achillesferse, und so blieb ich sitzen, rührte mich nicht und kämpfte mit dem Drang, ihr abermals für diese ewigen Heimlichkeiten den ein oder anderen Schlag zu versetzen oder sie in meine Arme zu nehmen und zu trösten, so widersinnig dieser verfluchte Impuls auch war. Wahrscheinlich reichte auch schon die Erinnerung an eine weinende Bridhe, um mich zu einem verwässerten Haufen Schlick in ihren Händen zu machen, aber merken lassen wollte ich sie das nicht. Zudem, es waren einfach zuviele Heimlichkeiten gewesen. Severus war also wieder einmal der Auslöser, und von ihm stammte auch dieser unselige Halsreif. Was auch immer er gemacht haben mochte, um ihn zu bezahlen, es war mir gleich, solange nicht ein Schatten seiner Tat auf mich zurückfallen würde. Severus gehörte einfach zu jenen Männern, die sich ab und an Luft verschaffen mussten, und er tat es auf andere Weise als ich - schätzungsweise hatte er irgendeinen seiner Gladiatorenkumpane wundgeprügelt und damit eine gute Wette gewonnen, was auch immer. Herausbekommen würde ich es wohl ohnehin nicht aus meinem halsstarrigen Germanen.


    Als sie ihre Geschichte geendet hatte, sagte ich noch immer nichts. Nicht, weil ich nicht gekonnt hätte, letztendlich hätte ich vieles zu sagen gehabt darüber, dass sie mir immernoch nicht zu vertrauen schien, obwohl ich in vielen Dingen mit ihr nachsichtig gewesen war, selbst, als sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, ohne vorher auch nur ein Wort über ihren inneren Kummer verlautbaren zu lassen. Aber wahrscheinlich würde dieses Vertrauen niemals existieren, und es war ein Fehler gewesen, eine Sklavin zu kaufen, die nichts vom Sklavenleben wusste und dann zu erwarten, sie würde sich darin einfügen. Mein Blick folgte einer der verschlungenen Linien über die glatte Fläche des Schreibtischs und blieb an einer Schriftrolle hängen, die ich später noch würde fertig bearbeiten müssen. So war es immer. Löste man ein Problem, kam das nächste gleich noch mit hinzu und noch eines, und noch eines. Es endete niemals, wollte vielleicht gar nicht enden.
    "Und nun, fühlst Du Dich nun besser? Nachdem die ganze Geschichte erzählt ist?" fragte ich, während meine Wangenmuskeln sich anspannten, sichtbar von der Seite durch jenen verräterischen Muskelstrang, der dabei stets auf meiner Wange hervortrat. Immer wieder Severus. Letztlich war Liebe doch nur etwas, das in den meisten Fällen zu Verdruß und Unglück führte, wenn man es recht betrachtete. Selbst wenn es glückliche Momente gab.


    "Noch immer kennst Du mich so wenig, Bridhe," sagte ich nach einer Weile der Stille und hob den Kopf etwas an, diesmal die Wand betrachtend, die kunstfertig getüncht und dann bemalt worden war. Eine schöne Arbeit, doch im Grunde bedeutungslos wie so vieles, das unsere hohlen Tage zu füllen vermochte. Ein schöner Anblick, und doch verschwendet an uns, da wir ihm nur oberflächlich vielleicht etwas Beachtung zollten, niemals mehr. "Severus' Handeln ist eine andere Sache, und sie wird für Dich nicht von Belang sein. Allerdings frage ich mich, wie Du wochenlang in meinem Haushalt leben und mir doch mit jedem Lächeln, jedem Blick solches verschweigen kannst. Bridhe, ich bin enttäuscht von Dir und Du wirst mich nun alleine lassen, sonst werde ich vielleicht wirklich etwas tun, das ich später bereuen werde. Ein jedes Ding, das Dir hier wohl getan wird, bist Du nicht müde mit einem Verhalten zu vergelten, das schlichtweg deplorabel ist." Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich wieder zurück, die Worte waren ruhig gesprochen gewesen und so fühlte ich mich nun auch. Ruhiger, aber auch irgendwie leer und müde. Ermüdet von so vielem.

    Bei seiner Bemerkung über den Drachen - die ehrenwerte Aurelia Agrippina, seine Mutter und Hüterin der flavisch-aurelischen Tugenden, seit ich sie kannte - musste ich grinsen. Hätte auch noch irgendein Zweifel bestanden, dass ich hier meinen Freund aus Kindertagen vor mir hatte, so waren diese inzwischen längst weggewischt. "Ach, vergiss Acanthus, der würde sicherlich selbst den Kaiser erst einmal vor der Türe warten lassen, bis er sich sicher ist, dass ihn einer von uns empfängt," meinte ich schmunzelnd und ergriff seine Unterarme, wie es unter Männern üblich war, um diese mit den Händen zu drücken. "Welcher Wind hat Dich denn hierher nach Rom geweht? War es Dir in Hispania dann doch zu langweilig irgendwann? Aber Du kommst zu einer günstigen Zeit hierher, nach dem Tod des Kaisers steht die Amtseinführung des Caesars noch bevor, wenn Du also ausschweifende Feste erleben willst, so bist Du hier genau richtig." Ich blickte an seiner Erscheinung herab und musste grinsen, dann den Kopf schütteln.


    Er sah aus, als hätte er vor dem ersten Weg hierher einige Tage auf dem Markt verbracht und sich von allebn möglichen Händlern irgendwelches Zeug aufschwatzen lassen, das nach ihrer Meinung gerade modern war - und in einem halben Jahr war es dann indiskutabel veraltet und man durfte wieder einen guten Haufen Sesterzen ausgeben, um das neue moderne zu erstehen. Im Grunde waren die Händler sehr geschickt, sich so auf lange Zeit ihre Kundschaft zu sichern, aber ich hatte schon vor längerer Zeit beschlossen, niemals zu diesen Leuten zu zählen. "Wenn Du hier bleiben willst und nicht nur auf der Durchreise in sonnigere Gefilde bist, dann lass es mich gleich wissen, dann kann ich Dir auch ein cubiculum herrichten lassen, und Du fühlst Dich hier gleich ein bisschen mehr zuhause. Hispanier sind hier nicht ganz so willkommen wegen der alten Sache von Messalina ... die hängt uns immernoch mehr nach, als es sein müsste." Der Verrat dieser Unaussprechlichen würde wohl noch jahrelang auf den Schultern derer lasten, die daran nicht schuld waren, aber wann war das Leben jemals gerecht gewesen?

    Kurz musste ich grinsen, als der Bock kurzerhand sich entschloss, eigene Wege zu gehen und von dem jungen Decimer an weiteren Expeditionen gehindert wurde - es erinnerte mich doch sehr stark an jenen Tag, an dem ich mit Ferkeln die Opferhandlungen geübt und das halbe Haus unter Wasser gesetzt hatte, als mir mein Möchtegernopfertier im impluvium des atriums gelandet war. "Es freut mich, Dich wohlbehalten wiederzusehen, Decimus Serapio," sagte ich aufrichtig, als er mit dem Bock zurückkehrte und betrachtete den Soldaten durchaus wohlgefällig - seine neue Narbe schmückte ihn ausgezeichnet, er hatte einiges von der Weichheit der Jugend verloren und wirkte weitaus erwachsener als vor seiner Abreise. Auch sein Kamerad schien durch den Feldzug geprägt zu sein, er hatte den klaren Blick eines Mannes, der auf seine Umgebung achten musste, um zu überleben und stellte damit zu den vielen bequem gewordenen Stadtrömern eine angenehme Abwechslung dar. Zudem, es passierte mir nicht sehr oft, dass jemand tatsächlich wirkte, als meinte er seine Respektsgeste ernst, und das tat irgendwie gut, wenn man den ganzen Tag mit einer Klientel zu tun hatte, die vornehmlich mit sich selbst und den eigenen Problemen beschäftigt war.


    "Und ich freue mich auch, dich kennenzulernen, optio Iulius Licinus." Ein kurzer Blick ging auf den unruhigen Bock, der gesund und kräftig aussah, dass er lebhaft war, hatte er uns eben schon bewiesen, dann nickte ich. "Es wird mir eine Freude sein, euch bei eurem Opfer zur Seite zu stehen. Ich denke aber, ihr solltet das Gebet auf jeden Fall selbst sprechen und ich übernehme es dann, das Tier zu opfern, einverstanden?" Das war der übliche Ritus, die meisten Römer wussten zwar, wie es alles funktionierte, aber da man im familiären Kultgebrauch eher kleine Tiere und Kekse opferte, waren die meisten dann bei größeren Tieren etwas unsicher und überfragt. Da war ein Priester, der täglich den Opferhammer schwang, natürlich ein wenig im Vorteil.

    Auch mein patronus fing, was die Kreativität seiner Texte anging, eindeutig an zu schwächeln - aber kein Mensch konnte an einem Tag gleich dreimal hintereinander ein anspruchsvolles Gebet aus den eigenen Fingern saugen, die meisten Gläubigen scheiterten schon an nur einem einzigen Gebet und brauchten dafür noch die Hilfe des betreuenden Priesters. In sofern hatte er sich bisher wacker geschlagen, aber ich musste zugeben, langsam ging auch mir der gut klingende Zündstoff für die Gebetsvorbereitung aus. Für jeden Gott gab es eben nur eine bestimmte Anzahl an beschreibenden und angemessenen Synonymen und ich hatte, wenn ich mich zurückerinnerte, fast alle benutzt, die mir eingefallen waren. Wenn Mars also wieder dieses Opfer nicht annahm, hatten wir wirklich ein Problem und ich wusste nicht mehr weiter. Und ein ehrenvoller Selbstmord mit einem Opferhammer war auch für einen Priester nicht unbedingt das leichteste der Welt - Opferschwerter gab es leider nicht, in die ich mich hätte stürzen können. Als ich nun zum Widder schritt, um die letzten Opferhandlungen zu vollziehen, flehte ich innerlich Mars an, uns diesmal nicht wieder im Regen stehen zu lassen. Irgendwann musste es einfach klappen!


    "Agone?" fragte ich, "Age!" war die rituelle Antwort, die mich ermächtigte, die Drecksarbeit zu erledigen, dann schwang ich den Hammer und löschte damit das Leben in unserem Widder aus, der schon zuvor unruhig gewesen war, weil er angesichts des nun auf dem Platz lastenden Blutgeruchs sicher sein musste, dass auch sein Leben sich dem Ende zuneigte. Die Vorderläufe des Tiers brachen ein, ein schneller Schnitt mit dem culter, dem Opfermesser, öffnete die Schlagader, damit das Blut fließen konnte, der emporsteigende dumpfe Blutgeruch ließ auch meine Sinne für einige Momente nicht wirklich los. Inzwischen stand ich in einer Blutlache, die Sandalen würde Bridhe heute abend wegwerfen müssen, ob die toga praetexta noch zu retten war, bezweifelte ich nun ziemlich, und so blieb mir nichts anderes, als zu warten, bis genug Blut geflossen war, um wenigstens diese Fehlerquelle auszuschließen. Es würde gleich daran gehen, die Innereien anzusehen und davor war mir der Magen inzwischen ziemlich flau geworden ..was, wenn es wieder abelehnt würde? Drei Fehlversuche waren dann schon wirklich legendär, aber nicht im positiven Sinne.

    Ich lehnte mich an eines der Schreibpulte und nickte sinnierend - eigentlich keine dumme Frage, aber es war schließlich nicht Sinn und Zweck dieses Unterrichts, dass ich ihr alle Antworten von vornherein liefern würde, sie musste sich vielmehr selbst anstrengen, um auf die nötigen Antworten zu kommen. So blickte ich sie offen an und gab die Frage postwendend zurück: "Wenn Du einst als Priesterin dienst, wirst Du solche Fragen auch einmal beantworten müssen - also lass uns versuchen, die Antwort gemeinsam zu ergründen, einverstanden? Um den Vestalinnen auf die Spur zu kommen, überlege Dir einmal, was Du über den Kult der Vesta weisst - wofür steht die Göttin Vesta, was wird bei ihrer Verehrung gemacht und so weiter. Gerade eine junge Frau sollte das wissen." Erwartungsvoll blickte ich sie an und hoffte auf eine vielleicht nicht perfekte, aber doch überlegte Antwort.


    Sim-Off:

    Du wirst, um sacerdos zu werden, eine Prüfung ablegen müssen - die probatio rerum sacrorum I, auf die Dich dies hier ein bisschen vorbereiten soll. :)

    Irrte ich mich oder waren da neben meinen Klienten - genauer gesagt den abgelegten Klienten meines inzwischen verstorbenen und damit sicherlich glücklichen Vaters - noch einige mehr, deren Gesichter ich oft genug am frühen Morgen in unserem atrium gesehen hatte? Tatsächlich, Appius Oglanus, der triefäugige Barbier aus dem Transtiberim war nicht zu verkennen, der gehörte zu denjenigen, die Felix schlichtweg elegant zu Gracchus abgeschoben hatte. Und noch ein paar andere Gesichter kamen mir ziemlich bekannt vor, dass sie nun alle begeistert applaudierten, wunderte mich dann doch, immerhin hatte ich sie nicht bestellt - oder aber es war eine Überraschung von Gracchus, der ja gewusst hatte, dass ich heute meine res gestae halten würde? Manius dachte eben an alles, überlegte ich zufrieden und meine eben noch kritisch gerunzelte Stirn glättete sich zusehends, als ich den Beifall genoss, der mir so unverdient zufiel. Und sie waren alle gekommen, alle, die mir hier wichtig waren - ich konnte meinen Manius in der Menge entdecken und musste unwillkürlich lächeln, als sich unsere Blicke kreuzten, ich erspähte Lucanus und seinen unvermeidlichen Schatten Lars, die beide noch wie Lausbuben denn wie langsam erwachsen werdende Männer wirkten, ich konnte Aristides in der Ferne ausmachen, der sich mit der Familiensänfte hatte bringen lassen und mir nun hoffentlich endlich glaubte, dass mein Amt nicht nur ein Scherz in einem Brief an ihn gewesen war.


    Selbst Serenus hatte seine kindlichen Spiele sein gelassen und war anwesend, was mich ehrlich gesagt überraschte, hatte er doch nie nennenswertes Interesse an mir gezeigt, wie auch ich an ihm - vielleicht hatte er tatsächlich beschlossen, sich etwas mehr in die Familie einzubringen als durch seinen stetig sabbernden und überanwesenden Hund, ich würde das im Age behalten müssen. Dass Aristides ihm eine Frage gestellt hatte - was bei den res gestae meistens eher nicht der Fall war, die meisten Bürger Roms schienen eher froh zu sein, die gewesenen Magistrate wieder loszuwerden, um sich mit den neuen irgendwie herumzuschlagen - quittierte ich mit einem verschmitzten Grinsen, denn sein Gesichtsausdruck verriet, dass ich durchaus auch eine andere Frage hätte gestellt bekommen können - eine deutlich peinlichere Frage. Aber so gut kannten wir uns nun, dass wir solche kindischen Sachen nicht mehr nötig hatten. Mein Blick schweifte weiter, und auch mein Patron schien herbeigeeilt gekommen zu sein - ich nickte ihm deutlich sichtbar zu, war es doch seine Fürsprache gewesen, die mir überhaupt diesen Weg ermöglicht hatte - und zu guter Letzt Corvinus, mein bester Freund unter den Menschen in Rom, mit dem ich demnächst dringend einen heben gehen musste, bevor wir allzu ernsthafte Staatsmänner geworden sein würden.


    "Du fragst mich als einen Mann, der gerade erst die Erfahrungen eines Jahrs zu ordnen versucht - aber ja, ich bin willens, den Weg weiter zu beschreiten, solange mir das Vertrauen der Senatoren Roms auch weiterhin zuteil wird," antwortete ich vernehmlich und laut, als der Beifall etwas abgeflaut war. Götter, es war irgendwie dann doch ein sehr gutes Gefühl, in der geklatschten Zuneigung der Menge zu baden, selbst wenn man genau wusste, wieviel davon organisiert war. Man konnte sich wirklich daran gewöhnen, stellte ich fest und schmunzelte wieder. Die ganzen Menschen, die wegen mir gekommen waren und nicht, weil es ihre Pflicht gewesen war, zeigten mir, dass ich noch immer einer der ihren war und es war gut so.

    Viele Menschen hätte ich bei den zugegebenermaßen nicht übermäßig spannenden res gestae eines scheidenden Magistraten erwartet, aber nicht unbedingt meinen Vetter Aristides, der für vieles einen Sinn hatte, das sich genießen ließ - aber wer hatte jemals behauptet, in der Politik würde irgendeine Form von Genuss liegen? Aber dennoch war ich erfreut, ihn zu sehen, denn seine Absenz schien mir allzu lange gedauert zu haben und schätzungsweise würden ihn sicher bald andere Aufgaben einholen, es galt also, die verbliebene Zeit zu nutzen und zu genießen. Man konnte schließlich nie wissen, wie sich das Leben ändern und wandeln würde, und schon morgen konnten wir wieder auseinandergerissen werden, sei es durch die Pflicht oder durch irgendeine auftretende Not, die man nicht vorhersehen konnte.


    "Tiberius Durus," sagte ich, nachdem Aristides nach seinem Namen gefragt hatte und nickte ihm schmunzelnd zu - nicht ohne einen Hauch des Erstaunens, denn die Einschätzung, der Tiberier sei ein lustiger Zeitgenosse, konnte ich jedenfalls nicht unbedingt teilen. Als dann noch Manius zu unserer frohgemuten Herumlungerungstruppe dazu stieß, war es fast wieder wie in alten Zeiten - Manius stellte die intelligenten Fragen, Aristides gab eine launige Antwort und ich amüsierte mich im Stillen. Das Thema 'Essen' allerdings ließ mich wieder hellhöriger werden und ersparte meinen beiden Vettern meine ganz persönliche Einschätzung des gewesenen Magistraten.
    "Essen klingt gut," sagte ich also auch prompt und atmete tief ein. "Wie wäre denn ein kleiner Ausflug zu einer taberna? Auf dem Mercatus Traiani soll es eine recht gute geben, aber irgendwie habe ich es noch nie dorthin geschafft, immer kam was dazwischen." Unternehmungslustig sah ich meine beiden Vettern an und harrte der Dinge, die da kommen mochten.

    Meine Haupt-ID hat den CRV gemacht, und als es darum ging, ob ich den ordo senatorius für die Kandidatur bekommen würde, hieß es, dass er mir auch noch übertragen würde (was hier gängige Praxis für CRV, probatio rerum sacrorum etc. ist) - ist wohl nur vergessen worden ... ich denke auch kaum, dass jemand, der den CRV nicht schon irgendwie hätte, den ordo senatorius zugesprochen bekäme.

    Ich fände eine Aufschlüsselung der weiblichen IDs in Sklavin / Nichtsklavin repräsentativer - denn das verrät uns sehr viel mehr, ob die Zielsetzung der SL, durch historischere Rollenverteilung dem Spielergeschmack eher zu entsprechen, aufgegangen ist.

    Weitere Fragen hatte jedenfalls ich nicht und auch die restliche Menge wirkte nicht so, als wollte sie den gewesenen Magistraten noch groß ausquetschen. Wir hatten uns zwar nicht persönlich kennengelernt, wohl aber durch die Akten, die auf meinem Tisch gelandet waren, wenn es Hinrichtungen gab, und so blieb mir nur eines - ihm für seine sorgfältige Arbeit mit meinem Applaus zu danken, denn schlimmer hätte es auf jeden Fall sein können.


    :app:

    Ich hatte mehr als einmal von der guten Arbeit meines Amtskollegen Aurelius Ursus gehört und so war es für mich natürlich eine Ehrensache, auch bei seinen res gestae anwesend zu sein, um ihm den ihm zustehenden Applaus zuzugedenken, dem höchsten Lob eines Bürgers an einen anderen - dass ich dabei zufällig noch ein paar meiner Klienten dabei hatte, die mein Klatschen lautstark unterstützten, konnte nur ein reiner Zufall sein und ganz gewiss keine Absicht.


    :app:

    Es war lausig kalt und der Frühling schien sich noch irgendwo im Osten zu verlustieren, in Rom war er jedenfalls eindeutig noch nicht angekommen, und so fröstelte ich ziemlich, als ich auf die rostra stieg, um meine Amtszeit offiziell abzuschließen. Wäre es nicht ein Teil meiner Pflicht gewesen, hätte ich diesen schwachsinnigen allgemeinen Vortrag darüber, wie toll ich als vigintivir angeblich gewesen sein sollte, am liebsten ausfallen lassen, denn die eigentlich entscheidenden Momente einer solchen Amtszeit konnte man de mäßig interessierten Menge ohnehin kaum wirklich vermitteln. Aber es musste sein, und das alles hier funktionierte schließlich nicht nach dem Lustprinzip, also wartete ich, bis ein paar der müßigen Passanten einigermaßen aufmerksam in meine Richtung zu blicken begannen - denn auf die kam es an, dass ich den ganzen Rattenschwanz meiner Klienten, beziehungsweise der Klienten meines Vaters, die ich übernommen hatte, mitgeschleppt hatte, war letztendlich nur dazu gedacht, dass wenigstens irgendeiner klatschte und so wirkte, als wäre er von mir begeistert. Ich hob die rechte Hand in Rednerpose an und räusperte mich, bevor ich meinen Vortrag des Heraushebens meiner ausgezeichneten Arbeit begann, mich innerlich wegen der Übertreibungen und Halbwahrheiten windend. Dieses Jahr war schnell vorübergezogen, erstaunlich schnell sogar, und nun fiel es mir schwer, es in wenige Worte zu pressen.


    "Quirites! Vor einem Jahr erwies mir der Senat Roms die Ehre, mich als Magistraten zu wählen und mir jenes Amt zuzusprechen, das ich mir gewünscht hatte - und so verbrachte ich die letzten zwölf Monate damit, als tresvir capitalis meinen Dienst an Rom zu verrichten. Ich habe mich um unaufgearbeitete Akten meines Amtsvorgängers gekümmert, mit den vigiles eine gute Zusammenarbeit die Brandwache betreffend angestrebt und habe, wie es nach Gerichtsprozessen nun einmal auch der Fall ist, für die Hinrichtung verurteilter Straftäter gesorgt. Ihr erinnert euch sicherlich an den prominentesten Fall der letzten Zeit, den des Finn Kylian - unter meiner Aufsicht fand er den Tod ad bestias. Viele der Stunden meiner Amtszeit verbrachte ich aber auch bei euch, den Bürgern Roms, auf dem Weg durch die Straßen der Stadt, um Streit zu schlichten und jenen, die eines guten Rats oder der Hilfe bedurften, jenen zu bieten. Viele Zwistigkeiten des täglichen Lebens lassen sich schon oft lösen, bevor man sich gegenseitig den Schädel einschlägt oder in einem Prozess Anwälte und Richter bemühen muss, und so war es mir eine Pflicht und Freude zugleich, eure Einsicht und Geduld am eigenen Leibe sehen und erleben zu dürfen." Ich machte eine kurze Pause, die Laune meiner Zuhörerschaft abschätzend, um dann fortzufahren.


    "Erfreulicherweise gab es nur wenige säumige Schuldner, die ihre Bußgelder nicht bezahlt hatten, sodass ich von dieser Tätigkeit meines Amtes sehr wenig erleben musste, auch das spricht für die Selbstdisziplin der Bürger dieser Stadt und ich möchte dies an dieser Stelle ausdrücklich lobend erwähnen. Vieles von dem, was ich während dieses einprägsamen und für mich bedeutsamen Jahres erlebt und gesehen habe, macht mich stolz auf Rom, auf die Bürger, die das Lebensblut der Straßen dieser Stadt und dieses Reiches sind, und erfüllt mich mit der Freude darüber, euch mit meiner Arbeit gedient zu haben. Besonders dabei hervorheben möchte ich die erfolgreiche Arbeit mit all jenen, deren Tätigkeiten für Rom nicht minder wichtig waren - den tapferen Männern der vigiles, den cohortes urbanae und auch dem praetor urbanus. Auch meinem Neffen Flavius Lucanus gilt mein Dank, der mich in diesem Jahr als scriba personalis entscheidend unterstützt hat - so darf ich mit der Hoffnung schließen, dass es mir wieder vergönnt sein wird, meine Kraft Rom zu widmen und dabei auf so außergewöhnliche und interessante Menschen zu treffen wie ich es in diesem Amtsjahr tat." Abschließend nickte ich den Anwesenden zu und atmete tief durch. Das Jahr war vorüber, und nun würde ich sehen, was die Zukunft brachte. Hoffentlich keine fliegenden Eier oder sonstige Unmutsbekundungen.

    An diesem Tag war ich der SvD - der sacerdos vom Dienst - und war auch nicht unfroh darüber, den ganzen Tag im Tempel verbringen zu können, draußen war's einfach lausig kalt und zumindest entging man in den Räumlichkeiten des Mars dem eisigen Wind. Man konnte fast glauben, der Kaiserwechsel hätte mieses Wetter mitgebracht, auf jeden Fall sehnte ich mich nach dem Frühling und einigen wärmeren Sonnenstrahlen, was uns da derzeit an Wetter angeboten wurde, ließ einen doch stark ans Auswandern Richtung Aegyptus denken. Und nachdem meine lieben Kollegen sich mal wieder in einem der Räumlichkeiten für uns Priester herumdrückten, um einige Opferkekse zu vernichten, blieb mir die Freude übrig, mich um die beiden aufrecht stehenden Männer zu kümmern, die ein bisschen ziellos im Tempel herum standen - mit der Zeit erkannte man suchende Besucher auf den ersten Blick.


    Ich trat also im üblichen Ornat eines Priesters in der toga praetexta - ich würde diese Purpurstreifen nie wieder loswerden - auf die beiden zu und begrüßte sie freundlich.
    "Salvete und willkommen im Haus des Mars Ultor. Kann ich euch beiden helfen?" Einer der beiden kam mir bekannt vor, aber .. konnte das sein? Ich runzelte die Stirn und setzte noch einen Satz an, der nicht wirklich mit meinem Dienst als Priester zu tun hatte. "Decimus, bist Du das?"

    Ich nickte meinem patronus zu, als er seine Schuldigkeit getan hatte, und wandte mich in der traditionellen Gebetspose mit den zum Himmel emporgewandten Handflächen sowohl an die wartende und neugierige Menge wie auch an Mars, dessen Aufmerksamkeit inzwischen hoffentlich halbwegs geweckt war und der vielleicht auch langsam dann doch geneigter war, unseren Bemühungen ein wenig entgegen zu kommen. Was würde passieren, wenn nun auch noch ein drittes Opfertier abgelehnt würde? An ein solches Geschehen konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern, weder aus meiner Zeit als Priester noch davor, und so wie ich meine Kollegen inzwischen kennengelernt hatte, waren sie die ersten in der Reihe, wenn es darum ging, ein missglücktes Opfer zu tarnen und den Opferherren eine üble Geschichte zu erzählen. Man musste nur an die heiligen Gänse der Iuno Moneta denken, die vor ihrem wichtigsten Tag schlichtweg hungern mussten, um sich dann umso segensreicher und gieriger auf das Korn stürzten. Relighion war in Rom oft genug einfach nur ein amüsantes Schaustück, bei dem die Zuschauer vorher schon wussten, was passieren würde - und umso weniger erstaunlich war das große Interesse, wenn dann doch einmal etwas schiefging.


    Ich verbannte die trüben Gedanken aus meinem Kopf und hob abermals mit meinem Gebet an, laut genug sprechend, dass es auch die Gaffer aus den hinteren Reihen der Zuschauer verstehen konnten.
    "O Mamarce, Du Speer und Schild Roms, mächtigster Lenker aller Schlachten, Du Schützer der ewigen Stadt seit Anbeginn, Du Schenker unseres Schildes, Du starker Waffenarm, der unsere Feinde zerbricht, der Du die Frauen und Schwachen in Deiner männlichen Kraft zu schützen gelobt hast! O Mamarce, höre die Worte Deines unbedeutenden Dieners, der an diesem Tag im Blut der geopferten Tiere steht, auf dass Du die Worte eines vortrefflichen Mannes vernimmst, der Dich um eine Gunst anfleht! Ein starkes und gesundes Tier hat er Dir zum Opfer dargebracht, Weihrauch und Wein mit sich geführt, die Dir allein gelten, und tritt vor Dich als ein Mann, der in Deinem Namen vieles vollbracht hat, um Volk und Stadt von Rom zu schützen und vor Feinden zu bewahren. Lausche seiner Bitte und gewähre sie ihm, da er nicht für sich, sondern für alle Menschen bittet, und lasse Deinen Zorn über die Feinde Roms hereinbrechen, auf dass unsere Truppen in ihrer Stärke und Gewaltigkeit Deinem Namen Ehre machen können. Du zorneserfüllter Rächer, mächtigster Speer und stärkster Schild Deines Volkes, ich rufe Dich an, lausche den Worten dieses Mannes des Kriegs und gewähre ihm Deine Gunst!"