Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sich meine Schritte meinem cubiculum näherten, denn auch an diesem Abend hatte ich mir Arbeit vom officium mit nach Hause genommen und die verbleibenden Stunden damit verbracht, Oliven und Brot zu essen und nebenher alte Fälle durchzuarbeiten, die mir einen genaueren Einblick in die Gepflogenheiten meines Amtes vermitteln sollten. Es wunderte mich inzwischen längst nicht mehr, dass so viele Ehefrauen von Amtsträgern nach einigen Jahren ausgesprochen verbittert aussahen, wenn ich bedachte, wieviel ich als Vigintivir zu tun hatte, wollte ich gar nicht erst über die Arbeit eines quaestors oder praetors nachdenken müssen, geschweige denn über die eines consuls. Schweigend kehrte ich mit einem Kopf voller Fallbearbeitungsmethoden in mein Schlafzimmer zurück, streifte die tunica nachlässig ab und schritt Richtung Bett, dabei auch die Sandalen abstreifend. Dass mein Bett schon besetzt war, bekam ich erst einige wenige Schritte vor demselben mit, und wie sie dalag, war sie wohl beim Warten eingenickt.
Leicht schmunzelnd trotz Müdigkeit kniete ich nieder, öffnete behutsam ihre Sandalen, um sie ihr abzustreifen, und griff dann ihre Beine, um sie gänzlich auf das Bett zu legen - sie zitterte und wirkte am ganzen Leib so kühl, dass ich mich entschloss, mich gleich neben sie zu legen, die Decke über uns zu ziehen und sie einfach zu wärmen. Die Wolldecken um sie herum fand ich zwar etwas befremdlich, aber wahrscheinlich war ihr einfach kalt gewesen, bei den nächtlichen Temperaturen derzeit kein großes Wunder.
Beiträge von Caius Flavius Aquilius
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Leicht lächelte ich bei seinen Worten, aber wie so oft behielt ich die eigentliche Freude für mich. Man lernte als Patrizier sehr früh, zu viele emotionale Äußerungen zu unterdrücken und sich nicht anderen Menschen gegenüber zu offenbaren, und nach langen Jahren der unvorsichtigen jugendlichen Leichtigkeit hatte ich mich an die Lektionen meiner Eltern gehalten ...
"Ich freue mich, dass es Dir hier in Rom und bei der Familie so gut gefällt, Lucanus - und ich hoffe, es bleibt so. Du wirst bald auf eigenen Füßen stehen, und wenn wir Dir ein wenig Hilfe dabei sein können, dann ist es umso erfreulicher. Und nun ab mit Dir, leider wird dieser Aktenstapel nicht kleiner, wenn die Unterhaltung angenehm ist ..." Ich zwinkerte ihm wohlwollend zu und wandte mich dann wieder in Richtung der Arbeit, die leider immernoch herumlag und geduldig wartete. -
"Und was ist ein Mann, der viele Frauen in sein Bett holt? Ein Lustknabe? Oder ein wirklicher Mann? Warum sollte eine Frau weniger das Recht auf ihr Vergnügen haben als ein Mann dies besitzt? Wir mögen andere Ansichten haben als Dein Volk, Severus, aber die Ansichten Deines Volkes sind nicht im Mindesten logisch, was Körperlichkeiten angeht ..." gab ich trocken zurück, wohl wissend, dass ich es genausogut einer Wand hätte erzählen können. Dass er vieles durchgestanden hatte, war ein Produkt einer gewissen Sturheit und sicherlich eines noch größeren Zorns auf uns Römer, und in vielem war Sturheit sicherlich ein Vorteil - wenngleich nicht in Diskussionen philosophischer Natur. "Für mich ist eine Frau eine lupa, die ihre Ehre für Geld verkauft, vorher nicht. Tut sie es aus Vergnügen, tut sie es freiwillig, werde ich sie sicherlich niemals als Hure ansehen und ansehen können."
Eine zusammengebrochene Welt später blickte ich auf meine Hand herab, die den Brief hielt, diese dreckige Verräterepistel, die ich am liebsten in den Dreck geworfen hätte, aus dem sie stammte - aber ich würde den Brief brauchen, später, um Gracchus die Sache auseinander zu setzen. Falls ich ihn überhaupt einweihen würde. Das war eine Sache der hispanischen Flavier - vorerst noch. Und er würde wohl auch nicht verstehen, wie es mir gerade erging ... er hatte noch keinen Sohn, kein Kind, das mit seinen kleinen Fingerchen meinen Zeigefinger umfasst hatte, das mich angeblinzelt hatte, als ich es vom Boden aufgehoben hatte, um es anzuerkennen. Ich schluckte hart und blickte dann zu Severus, den Brief zusammenfaltend, um ihn in meinen Gürtel zu stecken.
"Dieser Brief bezichtigt meinen Vater eines Verrats, den er nie begangen hat, und bedroht meine Familie mit dem Tod ... vor allem die Kinder meines Hauses ... und ich habe einen Sohn, einen Sohn, der fern diesem Haus aufwächst, um ihn vor dem Gift meiner Verwandten zu schützen, das allzu reichlich fließt, wenn man aus Hispania stammt." Ich ließ alles liegen, was mit meiner nächtlichen Kontemplation zu tun gehabt hatte, und schritt zum Korridor, um mich noch einmal nach meinem Sklaven umzublicken. "Crannus ... nun, wenigstens einer meiner Feinde scheint einen Namen zu haben." Dann ging ich in den Gang, eilige Schritte führten mich durch die Dunkelheit, aber ich kannte den Weg, die Treppe hinauf, hinaus auf den Hof, hin in Richtung der Ställe. Ostia. Mein Sohn ...
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Ich nahm den Becher entgegen und gönnte mir gleich einen Schluck des Weins, der wider Erwarten durchaus gut schmeckte - eine angenehme Überraschung, aber sicher keine unwillkommene. "Nun, die Absprache behandelte die nächtlichen Brandwachepatroullien und die Anwesenheit der drei Vigintiviri, die als tresviri capitalis ihre Pflicht erfüllten - aber wenn Dir diese Vereinbarung nicht mehr viel sagt, dann können wir die alten Akten beiseite schieben und eine eigene Vereinbarung treffen, die sich unseren Gegebenheiten besser anpasst. Ich würde gerne den alten Gepflogenheiten dieses Amtes nachkommen, und die Brandwachen begleiten, die Du ausschickst, auch wenn es kaum nötig sein wird. Wenn bei hohen Feiertagen mehr Männer benötigt werden, um die Stadt im Blick zu behalten, wäre es auch meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Du die Mittel und die Männer erhältst, die Du benötigst ...diese Dinge eben." Ob er sich darüber schon Gedanken gemacht hatte? Wenn er neu in diesem Amt war, dann war dafür schätzungsweise wohl noch keine Zeit gewesen.
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In manchen Augenblicken war es fast zu köstlich, Gracchus zu beobachten, vor allem, wenn man etwas tat, womit er nicht gerechnet hatte. Zweifelsohne war mein Vetter ein herausragender Planer, und wohl auch der klügste Kopf in unserer Familie, aber er war kein Mann für spontanen Unsinn. Dazu hatten ihn Aristides und ich immer mehr oder minder mitschleppen müssen, und nicht unbedingt zum Vergnügen Gracchus', ich wusste das sehr wohl. Sein Gesicht sprach Bände, und erfreut war er nicht darüber, dass ich mir um die Blicke wenig Gedanken machte, die uns unweigerlich treffen mussten, würde ich ihn öfter so ansehen - aber es war schließlich nur ein Moment gewesen, und er war leider längst vorüber. Ich lächelte und wandte den Blick wieder in eine andere Richtung, als hätte mir sein imaginäres Knurren imponiert - innerlich aber hätte ich mich totlachen können über die Ironie unseres Schicksals, ein bittersüßes Lachen ohne wirkliche Hoffnung.
Die Frage meines Neffen Lucanus machte es mir natürlich leichter, mich wieder auf etwas anderes als das bevorstehende Löwen-Menschen-Gemetzel zu konzentrieren und ich musste beim Inhalt der Frage kurz schmunzeln. "Nein, das ist keine Bemalung, diese Tiere sind so von Natur aus. Ich weiss nicht mehr genau, wo darüber berichtet wurde - ob es Herodot war oder Plinius der Ältere - aber sie scheinen so tatsächlich gewachsen. Man nennt diese Tiere Zebras und sie kommen aus Africa, dorther, woher auch die dunkelhäutigen Menschen stammen. Es soll sehr schwer sein, sie hierher zu bringen und überleben zu lassen, die Tiberier haben sich die heutigen Spiele anscheinend einiges kosten lassen. Nur schade, dass sie gegen Löwen verschwendet werden, da kann man das gar nicht richtig genießen. Kennst Du Giraffen, Lucanus?" Ich blickte auf die Arena herab und drückte insgeheim den Zebras die Daumen. Vielleicht konnte man ein überlebendes Tier sogar erwerben, wenn das Schauspiel vorüber war, aber ich wusste selbst, wie unwahrscheinlich es sein würde, dass eins überlebte.
Severus' Erklärungen über die Gladiatoren foltge ich interessiert und nickte bisweilen dazu, hoffentlich würden die Männer, die er genannt hatte, auch in guten Kämpfen auftreten. "Crabro also .. nun, wenn Du meinst, er taugt etwas, dann werde ich auf ihn setzen. Hast Du gegen ihn schon gekämpft, Severus?" Barbatus würde ohnehin für alle der Favorit sein, wenn er nicht gegen Crabro antrat, würde ich bei solchen Wetten wohl eher pausieren, da sie recht aussichtslos waren, Barbatus hatte schon oft genug bewiesen, dass er am Leben bleiben konnte und Rom liebte diesen Kerl. Dass sich Senator Germanicus nun an meinen Patron heranmachte und ihn mit irgendwelchem Geschwätz über die Wasserleitungen in den Ohren lag, verdarb mir vorerst den Gedanken an ein weiterführendes Gespräch über Wetten, und so betrachtete ich die Löwen dabei, wie sie sich daran machten, gegen die Menschen anzutreten.
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Wieder so halbwegs da ... nachdem ich an Weihnachten passenderweise einen Krankheitsrückfall hatte und die folgenden Tage flach wie eine Flunder im Bett lag, hoffe ich jetzt den Postings wieder nachkommen zu können, Stück für Stück. Man liest sich also die nächsten Tage wieder, hoffe ich.
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Auch von meiner Seite an euch alle ein wundervolles Weihnachtsfest - ich hoffe, ihr bekommt alle die Sachen, die ihr euch gewünscht habt und ansonsten einen schönen Abend ohne sämtlichen Weihnachtsstress oder Familienstreits
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Ich hob langsam eine Braue an, und nickte dann leicht. "Nun, das wird nicht genügen, aber es ist eine Frage der Erfahrung, die wichtigen Senatoren von jenen zu trennen, die nur schwatzen und nichts erreichen - es werden in diesem Haus in den nächsten Jahren viele Männer ein- und ausgehen, und die meisten davon sonnen sich im Wissen, wichtig zu sein. Alle müssen zuvorkommend behandelt werden, und bei allen wird es notwendig sein, dass sie jemand im Auge behält. Ihre Reaktionen, ihre Kleidung, ihre bevorzugten Gesprächsthemen - ich brauche jemanden, der fähig und aufmerksam genug ist, solchen Dingen Beachtung zu zollen. Meinst Du, dies könnte Dir liegen? Ich brauche dafür einen intelligenten Mann, der die Lebensart meines Volkes kennt, aber neutral genug ist, Details zu bemerken, die mir selbst vielleicht entgehen, weil ich zu sehr daran gewöhnt bin. Ein zweites Paar Augen. Augen, die unbestechlich agieren und auf deren Sichtweise ich mich verlassen kann." Es war letztendlich eine Vertrauensstellung wie alle anderen Sklavenarbeiten, die sich in der unmittelbaren Nähe eines Politikers abzeichneten, und das war ich nun - ein Politiker - selbst wenn es mir schwerfiel, von mir selbst in dieser Weise zu denken.
"Was die in der villa lebenden Familienangehörigen angeht, so sind dies nicht viele. Mein Vetter Flavius Gracchus ist der vom Hausbesitzer bestimmte Hausherr in dessen Abwesenheit, seinen Anweisungen ist unbedingt Folge zu leisten - ein blondhaariger Sklave namens Sciurus ist der vilicus meines Vetters, und auch dessen Wort ist für Dich gleichbedeutend mit einer Anweisung von mir. Mein Großneffe Flavius Lucanus agiert als mein scriba personalis, wird also oft in meinem Arbeitszimmer anzutreffen sein und ist noch recht jung, sollte er Dir Anweisungen erteilen, bei denen Du Dir über Sinn und Richtigkeit im Unklaren bist, dann bespreche Dich mit Sciurus oder Straton. Flavius Lucullus ist ebenso ein Vetter von mir und Flavius Gracchus' Bruder, allerdings siech und er zeigt sich nicht oft, Du wirst ihn sicher nicht viel zu Gesicht bekommen. Dann bliebe da noch Claudia Antonia, die Gemahlin des Flavius Gracchus, die sich ebenso mehr in ihren Räumlichkeiten aufhält, und die Du nicht oft sehen wirst. Das wären derzeit alle - aus meinem Haushalt ist Straton, mein vilicus, der für Dich wichtigste Mann, seinen Anweisungen ist Folge zu leisten, als kämen sie von mir selbst. Bridhe und Severus hast Du inzwischen sicher kennengelernt?" Nach diesem Sermon musste ich erst einmal Luft holen und blickte ihn interessiert an - entweder er war jetzt von all den Informationen erschlagen oder aber er hielt sich tapfer.
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Mit einem Schulterzucken tat ich das Thema Militär ab - ich war noch nie Soldat gewesen, hatte mich damit erst seit kurzem wirklich beschäftigt, und so fehlte mir auch einfach die praktische Erfahrung. Strategielektionen und das Studium der Literaten ließen sich kaum mit der wirklichen Situation vergleichen, und so blieb mir nur, dies alles auf mich zukommen zu lassen und zu schauen, wie es sein würde. Letztendlich musste ich ohnehin erst mein Vigintivirat ordnungsgemäß zu Ende führen, bevor ich über das Militärtribunat nachdenken konnte und wollte.
"Nunja, er selbst bezeichnet sich als Achaier, da seine Eltern Griechen sind, und deren Eltern davor auch die griechische Tradition lebten und lehrten - in sofern ist Straton wohl allenfalls ein auf hispanischem Boden geborener Achaier, wenn man es ganz genau nimmt. Er hat wie ich damals auch beide Sprachen als Kind gelernt, auf die es ankommt, und mit seinen Eltern spricht er nur griechisch. Was die Frauen angeht ..." Ich grinste etwas, denn Stratons Vorlieben kannte ich was dies anging, nur zu gut. "Ich glaube, er sucht nicht wirklich nach einer Frau, eher nach etwas Vergnügung ab und an, um dann in Ruhe allein weiterzuleben. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so resistent gegen die Liebe ist wie Straton. Eigentlich fast beneidenswert, findest Du nicht?"Seine Worte über das Priesteramt ließen mich kurz nicken, da ging ich mit meinem besten Freund durchaus konform. Am Anfang war es immer anstrengend, aber mit der Zeit gewöhnte man sich eben an alles. "Irgendwann werde ich noch den Boden küssen müssen, über den Du gehst, wenn Deine Karriere weiterhin einen so steilen Verlauf nimmt - da kommt man sich als der ältere Freund fast so vor, als hätte man sich zuviel Zeit gelassen," nahm ich die Sache scherzhaft, um dann etwas ernster anzufügen: "Ich bin mir allerdings sicher, dass Du Dein Amt gut ausfüllen wirst, und das auch mit dem nötigen Elan. Die meisten Priestercollegien sind einfach zu überaltert, und frischer Wind wird diesen alten Säcken guttun zu spüren, dann müssen sie sich selbst mal ein bisschen mehr anstrengen und nicht nur auf ihren Titeln ausruhen. Ich weiss noch gut, wie sehr Valerius Victor immer über diese Kerle geflucht hat." Und wenn ich es recht bedachte, meine Kollegen im Marstempel waren nicht viel anders als die Septemviri, die sich an ihr bequemes Leben längst gewöhnt hatten.
Das Thema acta hingegen ließ mich trocken schmunzeln. "Ich habe über eine solche Karriere nie nachgedacht, aber ... es wäre vielleicht eine Möglichkeit, eine Sichtweise einzubringen, die nicht allzu romverliebt ist ... warum nicht. Ich werde es zumindest versuchen und mir ein Thema wählen - es liegt dann bei Dir, ob Du es aufnimmst oder nicht. Nur sei nicht zu erstaunt, wenn ich mit dieser Stadt nicht besonders liebevoll umgehen werde. Sie stinkt zum Himmel, und das seit sehr langer Zeit."
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Es war ihre heiße Haut, deren brennendes Echo die meine berührte, die weichen, seidenen Haarsträhnen, die bei bestimmten Bewegungen peitschende Intensität aufnehmen konnten, ihre Fingernägel, deren kratzendes, schmerzhaftes Echo die Lus umso süßer zu gestalten wusste, was mich so vollkommen in einem Bann hielt, dass es mir unmöglich war, an etwas anderes zu denken, etwas anderes in diesem Moment zu wollen als Callista. Jeder Gedanke war gestorben, jede Sorge erloschen, es zählten nur unsere Bewegungen, dieses gegenseitige Antreiben, immer weiter auf einen Gipfel hinzu, den wir uns beide gleichsam ersehnten wie fürchteten - die ihren lernte ich zu fürchten ob ihrer Heftigkeit, die mich allzu schnell mitzureißen drohte, und den meinen schob ich so weit hinaus wie nur möglich, um sie mit jeder Faser meines Leibes zu genießen.
Die süße, stetige Reibung unserer Leiber an- und ineinander, ihr schnelles Atmen, das leicht zu einem genüsslichen Seufzen oder einem leidenschaftlichen Stöhnen wurde, die Hitze ihrer Haut, dann eine vage feuchte, matt schimmernde Geschmeidigkeit, die uns umso leichter aneinander gleiten ließ, als auch mir der Schweiß ausbrach, all das war ein Tanz, der nicht besser und nicht vereinnahmender hätte geschehen können, von zwei Menschen genossen, die es zu genießen wussten. Ich hätte nicht sagen können, wer von uns beiden die Führung bei diesem Tanz übernahm, mal stürmte sie voran, nahm sich ihr Vergnügen, um mich dann folgen zu lassen, sich willig meinen Wünschen ergebend, um mich zu erfreuen, und eine lange Zeit hörte ich in diesem zerstörten Raum nichts als die gemischte Melodie unserer beiden Stimmen.Ich war außer Atem, als wir schließlich voneinander abließen, gesättigt, erfüllt, wenngleich die Lohe dieser Leidenschaft, die ich auf beide Weisen zu genießen wusste, bei ihr nicht würde vollkommen gestillt werden können. Als ich sie neben mir liegen sah, wusste ich mit quälender Gewissheit, dass ich sie immer begehren würde, egal, wie sie war, was sie war, mir diesen lusterfüllten Taumel wünschen würde, egal, ob ich einen anderen Menschen liebte, vermählt war, egal, ob sie einen Mann hatte oder hundert. Wir waren uns zu ähnlich, ihre Art, bei der körperlichen Liebe alles zu nehmen und doch zu geben hatte mir dies verraten, und vielleicht war es gerade dieses Wissen, das sie mir anziehender machte als so viele andere Frauen. Langsam wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und betrachtete sie, hörte ihre Worte, und lächelte unvermittelt.
"Dein Gemahl ist ebenso zu beneiden. Wenige Frauen erwecken den Wunsch, nach einem geteilten Vergnügen ein weiteres zu wollen, und noch weniger Frauen gibt es, deren Kunst so vollkommen ist, dass man davon wie in einem Bann gefangen scheint. Im Grunde ist Dein Mann schon heute jemand, den man auch bedauern muss - lässt Du ihn nur einmal von der süßen Frucht Deiner Leidenschaft kosten, wird er Dir auf ewig verfallen sein und Dir alles geben, was Du Dir nur wünscht. Aber ich glaube, es würde Dir sehr bald zu langweilig werden ... birgt dies doch keine Herausforderung."Als ihre Zunge über meine Brust neckte, streckte ich mich genüsslich, um sie dann mit einer Hand an mich zu ziehen, eine träge, gemütliche Bewegung, die von der Sattheit meines Leibes kündete - vorerst jedenfalls. "Ich glaube, Du bist Dir nicht einmal dessen bewusst, wo Deine Stärken liegen, Callista - Du bist nicht allein anziehend, eine Frau, die man nicht vergisst. Die dunklen Augenblicke sind es, die mich weitaus mehr faszinieren, denn jeder Mensch hat sie, und die meisten unterdrücken sie, weil sie die Dunkelheit fürchten. Du scheinst das nicht zu tun ... warum, weiss ich nicht, und doch ... es lässt mir für einen Moment lang den Glauben, nicht der einzige Mensch auf dieser Welt zu sein, der um die Dunkelheit weiß und mit ihr zu leben gelernt hat." Langsam strich meine Hand ihren schlanken Rücken entlang hinab, folgte der Form ihres Rückgrats, um dann auf ihrer Seite zu liegen zu kommen. Sie faszinierte mich, ja, so war es wohl, und das war allzu lange nicht mehr in dieser Form geschehen. Ich würde sie vermissen, auch das war mir jetzt deutlich bewusst. Rom würde viel Licht verlieren, wäre sie irgendwo in irgendeiner tristen Provinzstadt, deren Hässlichkeit ich mir nicht einmal ausmalen wollte. "Callista mea ..." begann ich den Satz, und ließ ihn wie auch meine Gedanken einige Momente lang schweifen.
Hätte ich sie um ihre Hand bitten sollen? Aber eine Ehe mit ihr, mit einer Frau, die so leidenschaftlich lebte, hätte uns beiden wohl nicht zum Glück gereicht. Nicht, sobald es den Alltag gab, den man nicht genießen konnte, sobald Pflichten mich fern von ihr halten würden, sobald meine Zeit noch weniger Freiheit gestatten würde als sie es ohnehin tat. Das Vigintivirat war schon zeitintensiv, und alle folgenden Ämter würden es umso mehr sein.
"Callista mea, ich möchte, dass Du Dir nach Britannia oder wohin auch immer Dein Gemahl Dich mitnimmt, eines im Herzen trägst. Wenn Du jemals in einer Notlage steckst, und nicht weisst, wen Du um Hilfe bitten sollst, dann lass es mich wissen. Ich werde Dir helfen, wenn ich es kann, und wenn ich es nicht selbst vermag, werde ich Dir Hilfe schicken. Glaube nicht, dass das ein sentimentales Angebot ist, dass hier ein verliebter Idiot Dir Liebesschwüre stammelt, oder etwas in dieser Art. Ich schätze Dich, und ich möchte, dass Dein Leben nicht in einem goldenen Käfig endet, in dem Du nur unglücklich werden kannst."
Ich richtete mich ein wenig auf und blickte zu ihr, mit meinem Blick den ihren suchend, um dann leicht zu lächeln. Nein, Verliebtheit war das nicht. Eher eine seltsame Form von ... Respekt. -
Während sich Prisca begutachtete, was ich hatte vorbereiten lassen, betrachtete ich sie, in der Hoffnung, ihr würde mein Blick nicht auffallen. Die lebendig funkelnden Augen gefielen mir vielleicht noch am Besten an ihr, spiegelten sie doch so viel Lebensfreude und warme Lebendigkeit, dass ich sie am liebsten gleich gefragt hätte, ob sie meine Frau werden wollte. Es war im Grunde idiotisch, sich auf einen einzigen Eindruck zu verlassen, auf so wenige gesprochene Worte, mehr auf eine Sehnsucht nach einem Menschen hin, der mein Leben teilen würde, die Sorgen wie auch die schönen Tage - wenn es mir schon in der Liebe nicht vergönnt sein würde, dies zu teilen, dann doch wenigstens auf diese Weise, es sich gut gehen zu lassen, gemeinsam Schwierigkeiten durchzustehen, und gemeinsam lachen zu können. War es ein zu überzogener Anspruch, eine zu hoch gegriffene Hoffnung? Oder etwas, das sich vielleicht doch erfüllen konnte? Ihre Worte ließen diese Hoffnung nicht nur keimen, sondern zur vollen Blüte erwachsen. Glücklich zu sein, und das nicht alleine. Ihr Götter, es war das perfekte Stichwort, und doch reagierte ich nicht, ich konnte es noch nicht. Tausendmal hatte ich mir überlegt, wie ich so etwas formulieren sollte, und jetzt, da eine Gelegenheit gewesen wäre, brachte ich kein Wort heraus. Zumindest keines, das wirklich konkret gewesen wäre.
"Man sollte sich seine Pflichten immer sorgfältig wählen, genauso wie seine Feinde - wenn man es mit beidem übertreibt, hat man nicht allzu viel Vergnügen im Leben, und ich habe noch nicht vor, das Leben eines verbitterten alten Mannes zu führen, der sich nach vielen Jahren harter Arbeit fragt, warum er sich so sehr angestrengt hat und was ihm danach bleibt, wenn die letzten Aufgaben vollendet sind. Sicher, uns Patriziern sind besondere Pflichten und Erwartungen auferlegt, und bisweilen wiegen sie ausgesprochen schwer," führte ich ihre Worte fort, um dann etwas zu lächeln.
"Aber der Wunsch, glücklich zu sein und dieses Glück teilen zu können, ist nur zu verständlich, wer hätte ihn nicht? Wir Menschen sind nicht dazu gemacht, auf ewig allein zu bleiben und vor sich hin zu vegetieren." Dass sie den Glauben an die Götter ansprach, ihn überhaupt als Ziel in Erwägung zog, ließ mich zustimmend den Kopf neigen - letztendlich war dies auch für mich ein Weg aus dem Zustand der Richtungslosigkeit gewesen, und alles andere hatte sich nach und nach dann ergeben, entwickelt. Es war immer ein Halt gewesen, zu Mars zurückkehren zu können, egal, wie es mir ergangen war, was ich getan hatte. In Seinem Tempel war ich immer willkommen gewesen, auch als trinkender und hurender Nichtsnutz, der das Erbe seines Vaters in Rekordzeit verprasst hatte."Ich werde Deine Rückkehr sehnsüchtig erwarten," sagte ich schließlich mit einem gespielt übertriebenen Augenaufschlag, hielt ihr die Zeltklappe auf und ließ sie hinter ihr herabfallen, um dann selbst meinen Gürtel zu lösen und die tunica abzustreifen. Dann legte ich auch meine Sandalen ab und ließ die Zehen sich in den weichen Sand graben. Es war ein herrliches efühl, nach Leben, nach Freiheit, nach etwas, das mir seit frühester Kindheit vertraut war, und ich störte mich auch nicht an dem kühlen Wind von See her, der mich frösteln ließ. Still blickte ich in den Himmel, dessen Farbenpracht mich wieder einmal zu der Überlegung führte, wie klein wir Menschen im Grunde doch waren. Die Macht und Vollkommenheit der Götter erwies sich vor allem in einem solchen Schauspiel, das wir uns vollkommen kostenlos betrachten durften, ohne uns auch nur anstrengen zu müssen - Aurora brachte diesen Tag zum Erglänzen, ließ ihr heiteres Antlitz über die Welt wachen, und mich ergriff eine stille, tiefe Freude, die ich morgens selten genug spürte. Aurora, deren Abbild ich ebenso einer besonderen Frau geschenkt hatte, die diesen Glanz in ihren Augen trug. Der Gedanke, sie hinter den dünnen Zeltwänden nackt vorfinden zu können, ließ mir das Blut heftiger in den Adern zirkulieren, und ich war um den kühlen Wind froh, der mir jegliche Gedanken dieser Art schnell verleidete.
Das Meer würde schätzungsweise eisig kalt sein, und allzu lange würden wir wohl nicht darin verweilen - aber umso angenehmer würde es im Zelt sein, soviel war sicher.
"Ich denke, es ist wichtiger, sich selbst ein Ziel zu wählen, dem man im tiefsten Inneren folgen kann, als jenen Zielen nachzueifern, die andere für einen treffen, ob man nun ein Mann oder eine Frau ist, ob Plebejer oder Patrizier," formulierte ich meine Gedanken etwas lauter, dass sie diese innen auch hören konnte. "Vor wenigen Jahren noch hatte ich gar kein Ziel ausser meine Tage zu genießen, inzwischen sehe ich vieles anders. Man verändert sich im Leben, und auch seine eigenen Ziele. ie unfrei wäre man doch als Mensch, würde man wohl immer versuchen, es genau so zu machen, wie es die anderen erwarten. Man hätte kaum eine Aussicht auf Glück, und wenn, wäre es wohl ein sehr schales Echo dessen, was man wirklich erreichen kann." Eine Pause trat ein. "Dafür ist das Leben viel zu kurz." -
Er wollte es wohl nicht verstehen, und bei einer so konsequenten Weigerung, auch einmal die andere Seite zu betrachten, würde er es wohl auch nie verstehen - inzwischen hatte ich es ehrlich gesagt aufgegeben, Severus die Feinheiten unserer Gesellschaft und deren Ordnung zu erklären, und so beließ ich es auch dieses Mal dabei, mir seine verächtlichen Worte anzuhören und sie nicht weiter zu kommentieren. Letztendlich war es die immer gleiche Diskussion über Freiheit und Sklaverei, die ich auch mit Bridhe nun fast bis zur Erschöpfung geführt hatte, und die niemals ein wirkliches Ergebnis aufzuweisen hatte, da unsere Standpunkte naturgemäß sehr unterschiedlich waren. Und - im Moment hatte ich auch andere Sorgen, um mich wieder und wieder über dieses alte Thema aufzuregen, das sich ohnehin nicht ändern würde. Dafür waren wohl sowohl Severus als auch ich viel zu stur.
"Wir wissen Treue anders zu bemessen als rein nach den Kriterien der Körperlichkeit," sagte ich schließlich. "Die Treue des Herzens ist weit wichtiger, die Treue des Geistes noch mehr. Wofür haben uns die Götter denn sonst Körper gegeben, wenn man nicht ab und an solchen Freuden fröhnen dürfte? Aber ich sehe, wir werden auch in dieser Sache sehr unterschiedliche Ansichten haben. Eine Frau wird nicht zu einer Hure, wenn sie nach ihrem Vergnügen handelt - ebensowenig wie ein Mann."Nach einigen Momenten nickte ich abermals. "Am ersten Saturnalientag, sobald die Gäste begrüßt sind. Denn diese Pflicht werde ich nicht vernachlässigen, um mich zu prügeln. Danach kannst Du mit mir rechnen." Den Brief, den er mir schließlich reichte, nahm ich langsam entgegen - seine Worte dazu ließen mich eine Braue fragend erheben. "Ein bisschen dubios? Wie meinst Du das? Wer hat Dir diesen Brief gegeben?" Das alles machte mich noch ein wenig neugieriger, und so brach ich das unangetastete Wachssiegel und öffnete das Schreiben, um es langsam durchzulesen.
Salve, tresvir capitalis!
Du als Adressat aller Denunziationen wirst Dich sicherlich auch auf diese schreckliche Angelegenheit stürzen müssen, da sie doch den Staat betrifft. An der Verschwörung der Flavia Messalina Oryxa, von welcher Du gewiss genug weisst, hat zur damaligen Zeit auch ein Mann teilgenommen, der Dir wohlbekannt sein dürfte: Aulus Flavius Atticus, der sich größten Einfluß versprach, sollte der Plan gelingen. Verdorben ist das Blut der Flavier, und verdorben das neue Blut, das sie schaffen.
Es muss vernichtet werden, dieses schmutzige Verräterblut, und jeder neue Tropfen, der in einen fruchtbaren Schoß fällt, sollte dasselbe Schicksal erleiden wie die Verräterin.Ein Freund, der es gut mit Dir meint
Vom Donner gerührt, ließ ich den schmutzigen Zettel sinken, blickte einige Momente lang starr gerade aus, bleich geworden wie die Wand. Verdorben das neue Blut, das sie schaffen. Wieso schickte man ausgerechnet mir einen solchen Zettel, vor allem, warum? Ich war ebenso Flavier, und einer aus der Familie der Verräterin noch dazu. ann durchzuckte mich die Erkenntnis wie ein plötzlicher Schlach in die Lendengegend.
"Mein Sohn ... es geht gegen meinen Sohn. Wir müssen sofort nach Ostia!" Der Weinbecher klirrte zu Boden, zerschellte auf den Steinen und hinterließ eine rote Lache des Weins, das für mich wie getrocknetes Blut aussah. -
Das Überangebot an interessanten Frauen war mir schon fast ein bisschen zuviel, vor allem kannte ich die meisten nicht. An jedem anderen Tag hätte ich mich wohl voller Elan in die Menge gestürzt, und es ausgekostet, neue Bekanntschaften machen zu können, aber mir war seltsamerweise nicht danach. Seit jener Nacht mit meinem Geliebten war mir die Lust auf Zerstreuung weit weniger dringend emporgestiegen als sonst - daran änderte auch nicht, dass mir Gracchus als Geschenk ausgerechnet eine Stierstatuette in die Hände gegeben hatte.
"Äh danke," murmelte ich überrascht und sah das mächtige, in Ton modellierte Tier verdutzt an. War das jetzt irgendwie Absicht gewesen? Eine Anspielung? Aber Gracchus war der Letzte, dem ich öffentliche Anspielungen auf unsere ganz private Leidenschaft zugetraut hätte, und so schrieb ich dies dem Zufall zu, hielt ihn auch nicht auf, als er weiterzog, um andere Gäste zu beglücken. "Na, das ist ja mal passend für einen Marspriester," sagte ich eher gelassen und spielte kurz etwas mit der Tonfigur."Bona Saturnalia, Lucanus!" wünschte ich meinem Großneffen, als er an uns vorbeizog, durch die stattliche Menschenmenge, und blickte ihm kurz nach, bevor Corvinus durch sein Geschenk meine Aufmerksamkeit zu fesseln wusste. Ich mochte Geschenke - wer mochte denn keine? - und dieser kurze Moment der Ungewissheit, bis man alles ausgewickelt oder geöffnet hatte, war eigentlich das Beste daran. Ausser, das Geschenk übertraf alle Erwartungen und das tat die Schreibfeder auf jeden Fall. "Du willst mich also anmeine ganze Schreibarbeit erinnern, was?" neckte ich Corvinus grinsend und nickte ihm dankend zu. "Wenn es Dir nichts ausmacht, werde ich Dir Dein Geschenk etwas später geben, die Gäste begrüße ich nicht gern wie ein Packesel ... vielen Dank für Dein Geschenk, ich werde es auf jeden Fall in Ehren halten und schätzungsweise sehr sehr oft benutzen müssen."
Auch das Geschenk des Ursus nahm ich mit einem erfreuten Lächeln entgegen. Die schiffsgeformte Kerze gefiel mir sehr gut und ich würde sie wohl auf meinem Schreibtisch plazieren, um bei ihrem Anblick immer mal wieder zu träumen. "Das ist genau das richtige für Männer, so eine Kerze - ich will nicht wissen, was man alles können muss, um so eine Form hinzubekommen, es sieht sehr filigran aus," lobte ich die Idee und überlegte kurz, was ich mit meinen Gaben tun sollte - aber wofür gab es die angemieteten Bediensteten? Einen von ihnen schickte ich mit den Dingen, die ich erhalten hatte, in mein Arbeitszimmer, damit ich sie nicht aus Versehen verlieren würde. "Felix ist noch in Baiae, ja, aber es ist eher eine Frage von verwalterischen Pflichten denn der Gesundheit, dass er derzeit leider absent ist. Aber ich bin mir sicher, er wird uns bald wieder beehren." Ich blickte mich wieder um, in der Hoffnung, noch irgendein bekanntes Gesicht zu entdecken, und wurde auch fündig - Priscas Anblick ließ das Lächeln auf meinen Lippen etwas aufflackern.
"Ihr entschuldigt mich doch? Ich will meinen Vetter bei der Begrüßung unterstützen, sonst trinkt er sich noch aus Verzweiflung als erster unter den Tisch." Kurz musste ich bei dem Gedanken grinsen, und als sich auch Ursus in Bridhes Richtung wandte, nickte ich Corvinus kurz zu und schritt dann gen Prisca. "Bona Saturnalia, Du schönste Erinnerung an einen sonnigen Tag," begrüßte ich sie und lächelte ihr entgegen, ein Echo unseres Ausflugs in ihren Augen zu entdecken versuchend. Schön sah sie aus, selbst mit schlichter Aufmachung war sie ausgesprochen reizvoll - manchmal brauchte es den ganzen Tand eben nicht, mit dem sich viele Frauen behängten, um zu wirken. "Ich hoffe, Du wirst heute abend eine schöne Feier erleben."
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Wieder blinzelte ich, jetzt erst langsam und voller stillem Glück realisierend, dass es tatsächlich Manius war, mein Manius, der hier neben mir lag, dessen Hand ich über mein Haar streichen fühlte und dass wir gemeinsam geschlafen hatten. Nebeneinander. Es roch noch alles nach ihm, meine Sinne waren erfüllt von seiner Nähe und Wärme, und zum ersten Mal in meinem ganzen verdammten bisherigen Leben blieben mir die morgendlichen Gedanken fern, die mich meist gleich nach dem Aufwachen bestürmten. Sorgen, Überlegungen, allgemeine Gedanken, Zukunftsplanungen .. nichts davon war da, nichts davon wagte sich in die intime Stille dieses so spartanisch eingerichteten Raumes, der dennoch für mich nicht schöner hätte sein können. "Ich weiss, wie es ist, wenn man nicht ahnt, wer man ist, und doch weiss, dass da mehr ist, als man im Augenblick erahnen kann. Und wenn man diese Erkenntnis wieder hat, wenn man weiss, wohin man gehört, ist man oftmals nicht glücklicher als zuvor, eher trauriger, da man weiss, wie leer es letztendlich sein kann, einen Namen zu besitzen, eine Tätigkeit, eine Aufgabe und doch nicht mehr als das ..." Seine Lippen begegneten den meinen, und ich schloss genießend die Augen, hoffend, der Moment würde noch ein wenig länger verweilen, als er angedauert hatte. Mein Herz war in diesem Augenblick so übervoll, dass ich hätte singen und tanzen können - aber im Hinblick auf eine absolut fehlende musikalische Begabung ließ ich das lieber sein.
"Meine Liebe," flüsterte ich rauh, denn als er sich abwandte, etwas zu überspielen versuchte, das ich längst bemerkt hatte, erging es mir doch kaum anders nach unserer ersten, leidenschaftlichen Nacht. Das Licht umspielte seinen schönen Leib mit weicher Helligkeit, und ich fühlte meine Kehle ob seiner berückenden Präsenz trocken werden. Er hätte ewig so stehen können, nur damit ich ihn betrachten konnte, versunken in die Tatsache, dass er es war, dass wir endlich zueinander gekommen waren, uns gehörten, wie sich Liebende gehören sollten. Und ich war glücklich damit, hätte es nicht in Worte fassen können, selbst wenn mich jemand gebeten hätte, dies zu versuchen. "Das ist der erste Morgen von Bedeutung in meinem Leben," die Worte glitten schneller über meine Lippen, als ich es geglaubt hätte, und wahrscheinlich würden sie niemals das ausdrücken können, was ich sagen wollte, und doch ... allein ihn dort stehen zu sehen, noch von der Welt unberührt, ganz privat, ganz menschlich, mit diesem leichten Lächeln auf den Lippen, das ich lieben gelernt hatte, machte meine kleine Welt schon vollkommen. Durfte man einen Menschen denn so sehr lieben? Aber wir hatten nicht um Erlaubnis gefragt, hatten jahrelang den Preis dessen bezahlt ...
"Wir sehen uns heute abend zur cena, mein Manius," sagte ich und lächelte schließlich, sein Gesicht mit einer Hand berührend, als er mich abermals küsste, bevor ich mich aufsetzte und ihn noch einmal mit meinen Händen zu mir zurück zog, ihm nun meinerseits einen Kuss stehlend. Ein langer Tag lag vor mir, aber ich wusste, er würde mir wie ein Sommertag erscheinen, konnte ich doch von einer Erinnerung zehren, die so stark war, dass sie wohl auch einen Gott noch glücklich gemacht hätte. So ließ ich ihn gehen, und kuschelte mich danach noch einmal in das Bett, das so wundervoll nach ihm roch, und nach mir, bevor ich mich endgültig aus den Laken quälte und nach meiner tunica tastete, die irgendwo auf dem Boden gelandet war.
* FINIS *
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Irgendwann kam er dann doch, der Schlaf - dennoch war es nicht der ruhigste, und erfüllt von Träumen, an die ich mich glücklicherweise nicht erinnerte, als ich einige wenige Stunden später erwachte und mich fühlte, als wäre ich unter den Elefantenangriff Hannibals auf die Stadt Rom gekommen. Das Bett war leer, Bridhe offensichtlich schon aufgestanden - und so fiel es mir auch nicht schwer, mich selbst aus den Laken hervor zu quälen und schlaftrunken in die Richtung des Ankleideteils meines cubiculums zu wanken. Ein lautes Händeklatschen rief einen der anderen Haussklaven herbei und so begann er wieder, der Taumel jedes neuen Tages, mit dem ewigen Reigen des waschens, ankleidens, der sicheren Hände des tonsors, der mich rasierte und die Haare stutzte, wo es nötig war - die Erinnerungen an die vergangene Nacht waren ausgesprochen veschwommen, und noch immer konnte ich es nicht so ganz glauben, was tatsächlich passiert war - nur mein noch immer schmerzender Rücken zeigte mir, dass ich nicht geträumt hatte. Wie eigentümlich, dachte ich mich, und überließ mich meinem Tag, meinen Pflichten und all den anderen Dingen, die erledigt werden mussten, um schließlich auch den letzten privaten Gedanken zu verdrängen und mich ganz auf meine Arbeit zu konzentrieren, als ich die villa in Richtung der Basilica Ulpia verließ.
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"Wie könnte ich nicht an meinen Neffen denken, wenn es darum geht, ihm einen angemessenen Platz in der hiesigen Gesellschaft zu verschaffen? Merke Dir eins, als hispanischer Flavier wirst Du alle Vorteile nutzen müssen, die sich Dir bieten, und wenn ich Dir einige Türen öffnen kann, dann will ich dies auch tun. Du wirst zwar einen Dispens brauchen, da Deine Eltern verstorben sind, aber die Patrizierfamilien dieser Stadt sind nicht gerade überreichlich mit Nachwuchs gesegnet, sodass ich denke, dass das nicht das allergrößte Problem sein wird - ich werde das mit Gracchus einmal besprechen, ich bin mir sicher, er wird der Sache auf die Sprünge helfen," meinte ich abschließend und mit einem leichten Lächeln. Wenige Teile meiner Verwandtschaft waren mir wirklich sympathisch, und er zählte dazu, was ich ihn durch mein Lächeln auch merken ließ. Gemächlich legte ich die Akte von eben beiseite und erhob mich.
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Der Posteingang von Benutzer »Bridhe« ist bereits voll.
Junge Frau, räumen Sie mal Ihren Dreckstall auf!
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Den Göttern sei Dank ließ sie es dabei bewenden und schmiegte sich an mich, ein Umstand, der mich nun auch wieder entspannen ließ. Die ewigen Diskussionen über Recht und Unrecht, Sklaverei und Freiheit lagen mir auf dem Magen, nicht zuletzt, da ich viele Diskussionen athenischer Philosophen gehört hatte, die eine sehr rigide Meinung zum Thema persönlicher Freiheit vertreten hatten - und meiner Ansicht nach hatten sie in vielem Recht gehabt. Aber dies Bridhe zu enthüllen, hätte meine Position nur noch weiter geschwächt und irgendwann hätte ich mich als dominus dieses Haushalts wohl vollends lächerlich gemacht.
Sie im Arm haltend, konzentrierte ich mich schweigend auf ihren Atem, folgte jenem mit meiner Aufmerksamkeit, um müde zu werden, genauer gesagt, um ein wenig schläfriger zu werden als ich es jetzt war, doch fiel es mir schwer, die neu aufgetauchten Gedanken wieder loszuwerden, die mir im Kopf kreisten und jede Hoffnung auf Erlösung durch Morpheus' Umarmung vorerst zunichte machten. Da waren sie wieder, die ewigen Zweifel, die ewigen Selbstvorwürfe, dieses Wissen, vieles zu tun und doch niemals genug tun zu können. Und wohl ewig in dem zu scheitern, was vor mir lag und was es zu erledigen galt. Leise seufzte ich und konzentrierte mich auf eine kleine Fischerhütte am Strand von Ostia, in der mein Leben wieder begonnen hatte, ganz anders und doch in seltsamer Weise dem gleich, was ich bisher erlebt hatte. Welcher Mensch war schon frei .. -
"Musikalisch bin ich auch nicht gerade, aber für das carmen saliare und das Halten des Rhytmus reicht es. Wenn man erst einmal gemeinsam loszieht und singt, ist es nicht mehr schwer und geht nach einer gewissen Zeit von selbst - zudem, wir üben mit neuen Mitgliedern immer vor einem ersten öffentlichen Auftritt, Du musst Dir also deswegen keine Gedanken machen - ein jeder hat irgendwann einmal damit angefangen und ich bin mir sicher, wenn ich es schaffe, den Dreischritt zu meistern, dann Du sicherlich auch. Es ist kein Ding der Unmöglichkeit," sagte ich aufmunternd und schmunzelte. "Überlege es Dir. Ich werde Dich den sodales vorschlagen, wenn Du Interesse hast - und es würde mich freuen, meinen Neffen bei den palatinischen Saliern zu sehen."
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Nun legte ich sie doch beiseite, die Schriftrolle, und richtete den Blick gänzlich auf Severus. Man hätte blind sein müssen, um zu verneinen, was in ihm vorzugehen schien, und in dieser Stunde, in der meine Sinne ohnehin vom dauernden Grübeln überreizt waren, schien mir der unterdrückte Zorn Severus' ungleich augenfälliger und agressiver zu Bewusstsein zu kommen als je zuvor. Aus alter Gewohnheit überhörte ich seine herausfordernden Worte - es würde ohnehin wenig bringen, mit ihm über die Tradition der Saturnalien zu diskutieren, soviel war mir klar, von einer einmal gefassten Meinung war er schwer abzubringen - und schenkte den darauf folgenden ungleich mehr Beachtung.
"Gleich genug, um an jenen Tagen dafür zu sorgen, dass ein jeder im Haus bedient wird, die besten Speisen erhält und tun und lassen kann, wonach ihm oder ihr ist. Gleich genug, um an solchen Tagen Beleidigungen und Zorn zu ertragen im Austausch gegen ein Jahr klaglosen Dienst. Gleich genug, an jenen Tagen die Hand immer und immer wieder zur Versöhnung zu reichen, gleich was auch geschehen sein mag. Die Saturnalien brechen jede Grenze auf, zwischen Mann und Weib, zwischen Sklave, peregrinus, Bürger, Ritter und Senator, zwischen Schmarotzern und Amtsträgern. Gleich genug, dass in diesem Haus jeder willkommen ist, der willens ist, den Festtagsfrieden zu achten," gab ich nach einigen Augenblicken des Überlegens zurück."Wenn Du so vieles an Deiner Unterkunft auszusetzen hast, oder an der Speisung, so steht es Dir frei, mir davon zu berichten. Ich halte wenig davon, irgendein Mitglied meines Haushalts unwürdig leben zu lassen, und ich werde auch solchen Worten nachgehen." Aber schätzungsweise war es leichter, eine solche vermeintliche Schmach in sich hinein zu fressen, und sie als Anklage zu nutzen, solange es den eigenen Hass nährte - aber das sagte ich wohlweislich nicht laut, noch nicht.
"Ich denke, wir sind gleich genug, wenn Du wirklich meinst, es würde etwas an dem ändern, warum sie zu mir kam und warum Du einen solchen Zorn auf sie und mich hegst. Dann soll es mir Recht sein." Die Frage nach einem Ausweichen stellte sich mir nicht. Du hast die Keltin gevögelt ... wieviel Hass lag darin. Wieviel Schmerz.