Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Der halbe Weg schien geschafft zu sein, er dachte zumindest schon einmal über die sich bietenden Vorteile nach - was konnte ich mir mehr wünschen? Es war ohnehin mehr, als ich mir erhofft hatte, mehr, als ich gedacht hatte zu bekommen. Und wir schienen in so manchen Dingen eine ähnliche Meinung zu haben, auch das würde in der Zukunft hilfreich sein.
    "Nun, es liegt doch letztendlich auf der Hand, wir sind Verwandte. Flavius Felix ist sehr bekannt, und es gibt nicht wenige Mitglieder meiner Familie, die von seinem Einfluss bisher profitiert haben, so sie ihn denn darum baten. Aber ich entstamme einem verfemten Familienzweig, und um diesen Ruf ein für allemal loszuwerden, will ich es auf eine Weise schaffen, die nicht mit der Familie direkt zusammenhängt. Ich will nicht Flavius Aquilius sein, der irgendwann dank der hervorragenden Kontakte des Flavius Felix im Senat sitzt. Mir wäre ein Flavius Aquilius deutlich lieber, den sein Patron Purgitius Macer in die Politik eingeführt hat, und von dem es später heißt, dass er seinen Weg mit eigenen Verdiensten gemacht hat. Es ist vielleicht der unbequemere Weg, denn ich werde Dich nicht oft um irgend etwas bitten. Aber ich bin mir sicher, es ist der bessere." Wieder eine harte Wahrheit, aber ich lebte nach der Devise, dass man der Wahrheit ins Gesicht sehen musste, wenn man etwas erreichen wollte. Halbheiten hatten meinen Vater niemals weitergebracht.

    Als sich ein kühler Arm um meine Hüfte legte und die Decke deswegen verrutschte, murmelte ich irgend etwas ungehaltenes - und war unwiederruflich wach. Besonders hell war es noch nicht, aber mein langsam ebenso wach werdendes Zeitgefühl sagte mir, dass ich nicht allzu lange würde liegen bleiben können. Die salutatio der wenigen Klienten meines Vaters, die ich nach seinem Tod übernommen hatte und die gerade in Rom weilten, wartete, und im Tempel würde es auch wieder genug zu tun geben - am liebsten wäre ich noch eine Weile liegen geblieben, aber es half alles nichts. Da musste man eben durch.
    "Guten Morgen, Bridhe," murmelte ich und gähnte dann ausgiebig, mich unter der Decke weit räkelnd, bis irgend etwas in meinem rücken knackste und ich mich ein bisschen besser fühlte.

    Schätzungsweise hätten in Rom gerade die Hunnen einfallen können, ich hätte es wohl kaum bemerkt, auch wenn sie mit ihrer wilden Reiterhorde geradewegs durch den Garten galloppiert wären. Spätestens jetzt hatte ich einen Zustand erreicht, in dem die Welt auch hätte untergehen können, ich hätte es bereitwillig in Kauf genonmmen, um nur weiter genießen zu können. Wann war es das letzte Mal gewesen, dass ich wirklich mit jeder Faser gespürt hatte, mitgefühlt hatte, wie sich ihr Körper bewegte, jedes Zucken ihrer Muskeln ein zugleich süßes wie quälendes Echo hervorgerufen hatte? Es schien eine Ewigkeit zurückzuliegen, weit vor der Zeit meiner fieberbedingten Vergessensmonate, weit vor meiner Ankunft hier in Rom, versunken im Dunst einer nicht wiederkehren wollenden Erinnerung. Ich lebte wieder, ich lebte mit jedem Muskel, jeder Sehne, jedem Atemzug, und ihr Seufzen, ihr sich mit mir bewegender Körper zeigte mir, wie schön es sein konnte zu leben.


    Vergessen war der tarpeische Felsen, vergessen der Schmerz der wiederholten Zurückweisung, ich wusste nun, ich würde es ertragen können, was geschehen war, irgendwie würde alles gehen, wenn ich nur lebte. Ihr Säuseln drang mir ins Bewusstsein, ich konnte mir nur vorstellen, wie lasziv sich ihre Lippen formten, als sie die Worte sprach, verlockend und verlangend zugleich. Fester wollte sie? Meine Zähne schlugen sich in einem harten Biss in ihre Schulter, ein Mal hinterlassend, das sie auch am nächsten Morgen an uns erinnern würde, an diesen gestohlenen Moment der Leidenschaft. Ich spürte ihren Körper sich aufbäumen, als sich Lust und Schmerz mischten, und ich selbst konnte das tiefe Stöhnen nicht unterdrücken, das ihre Fingernägel mir aufgezwungen hatten - so köstlich, wie hatte ich nur diesen Geschmack der Gratwanderung vergessen können? Die Augen halb geschlossen, ließ ich es nun ein wenig langsamer angehen, die Bewegungen wurden länger, genussreicher, als ich sie erbeben fühlte.


    Wie eng sie mich umschlossen hatte, als sie den Gipfel überschritten hatte - gewiss, sie war schmal gebaut, aber dass ich mich dabei so hatte beherrschen müssen, war selten genug passiert, trotz einer vagen inneren Sicherheit, heute länger als sonst aushalten zu können. War es denn nicht immer ein ewiger Kampf zwischen dem Wunsch, diesem brennenden Gefühl der Lust nachzustürmen, um es in voller Pracht zu erleben, möglichst viel davon - und dem Wissen, dass es ungleich eruptiver geschehen würde, mitreißender, weltumtosender, wenn ich mich zurückhielt, wenn ich mich so lange wie nur irgend möglich bezähmte, dass am Ende ein fester, inniger Kuss schon fast ausreichte, dem letzten Sturm zu folgen? Was für eine Frau, was für eine Nacht.


    Venus hatte uns überreich beschenkt, ich hörte es am gurrenden Unterton ihres Seufzens, ihren spitzen Lauten, als wir uns so tief vereinten wie es nur möglich war, ihr Leib an dem meinen rieb, ich von ihrem Haar gleichsam umflossen wurde, als sei es nachtschwarzes, duftiges Wasser. Eine Hand führte ich ihren Oberkörper entlang, streichelte ihre Hüften, den Bauch, ihre knabenhaft schlanke Form, bis über die sanften Hügel hinauf, und in ihren entspannteren Genuss mischte sich ein zuerst leichter, dann zwischen Schmerz und Zartheit schwankender Druck meiner Finger um jene zarte Knospe dazwischen. Lust und Schmerz, es vereinigte sich alles, wie auch wir uns vereinigten. "Zeichne mich, meine Venus," raunte ich ihr ins Ohr, ich wollte ihre Spuren tragen, ich wollte diese bewusste Erinnerung mit mir tragen können für die nächsten Tage.


    Wir wurden schneller, und dieses Mal ahnte ich umso deutlicher, dass es mir nicht noch einmal gelingen würde, dieser quälend-lustvollen Enge zu entgehen, ganz wollte ich sie für mich haben, ganz und gar mir zueigen machen, mit etwas Glück vielleicht sogar gemeinsam, wenn es mir gelang, mich ganz auf ihre Bewegungen einzustellen, den richtigen Moment abpassend. Meinen Namen hörte ich sie flüstern, und was immer ich auch antwortete, ihr Name war gewiss auch dabei. Die Worte wollten keiner logischen, rhetorischen Form mehr folgen, glitten ebenso wild über meine Lippen, wie es unsere Bewegungen waren, unsere Vereinigung nahm mir diese letzte Verbindung zu meiner ratio so vollkommen, dass ich davon in einer Weise gefangen war, ohne darüber zu erschrecken. Dornengleich schnitten ihre Nägel in meine Haut, aber es bestärkte mich nur in meinem tun, ließen mich fester nachsetzen, rauh keuchend musste mein Atem nun ihren zarten Hals entlang fahren, kündete überdeutlich von dem, was wir gemeinsam taten, gemeinsam genossen, vereint, ohne einander zu kennen, ohne in die Abgründe des anderen je geblickt zu haben. Aber es war auch nicht wichtig, dies zu tun, wozu, wenn wir uns wortlos so gut ergänzten?


    Wir jagten uns, hinabgezogen in den Strudel unserer Empfindungen, jagten auf diesem Pfad des sinnlichsten Erlebens nebeneinander her, voreinander, hintereinander? Es war gleich geworden, denn ich sah sie und konnte gleichermaßen nur noch Farben erblicken, die sich mit dem süßen Entzücken unserer Bewegungen mischten, als malten wir unser Empfinden mit buntester Couleur an den Himmel, auf dass die ganze Welt dessen teilhaftig werden könnte. Stöhnend wand sie sich in meinen Armen, ich hielt sie doch noch fest genug, dass sie leiden musste, genießen musste, auf und ab gehoben von den Bewegungen meines Beckens, die Muskeln der Oberschenkel schmerzten schon von den Bewegungen, der zu lange gleich gebliebenen Haltung, aber auch dieser Schmerz steigerte mein Empfinden nur, anstatt es zu zerstören. Ewig sollte es sein, dieses brünstige Erbeben unserer Körper, ewig wollte ich in sie dringen können, hinabgezogen in die tiefsten, dunkelwärmsten Funkenflüge der entzündeten gegenseitigen Lust, den ewigen Tanz vollbringend, den nur Mars und Venus einander zu schenken imstande waren.


    Oh, Callista! Venus! Ihr Götter! Die Woge überrollte mich heftiger, verschlingender, als ich es erwartet hatte, explodierend strömten die vollkommenste Erleichterung, Erquickung und Extase durch meinen Leib, mit jedem Blutstropfen, der von meinem rasenden Herzen in meine Adern gepumpt wurde, und der Schrei, den ich vernahm, war rauh, laut und vor allem, es war meiner, nicht verhehlend, welche göttliche Wonne ich eben gekostet hatte.

    Einige Male war ich ziemlich kurz davor, diesem nervtötenden Kerl von Händler eine Faust in die Weichteile zu rammen, denn ich wurde den Verdacht nicht los, dass er mich beim Abmessen deutlich zu oft berührte. Aber irgendwann war das Martyrium schließlich vorbei, ich atmete innerlich auf, dem Endziel dieses Ausflugs, nämlich schnell aus diesen grässlichen Läden zu verschwinden, einen Schritt näher gekommen. "Ja, ich denke, es ist langsam an der Zeit, mich mit der Politik zu befassen. Nicht zuletzt, weil es auch ein bisschen seltsam wirkt, Jahr für Jahr Felix' Gastfreundschaft zu genießen und den Ruhm der Familie allenfalls mit öffentlichen Auftritten als Marspriester ein bisschen zu mehren - sobald diese ganze Sache mit der Hochzeit durch ist, muss ich meiner Frau auch einen angemessenen Lebensstil bieten können, und das werde ich als Priester deutlich weniger vermögen denn als Politiker."
    Die Sache mit der Hochzeit thematisierte ich ebenso nebenbei wie auch die Politik, denn letztendlich war es keine Liebesheirat, sondern ein weiterer Schritt auf dem Weg nach oben, aus der Schandecke der Familie heraus zu denen, die in deutlich anderem Licht standen.


    "Ob man nun der Typ dafür ist, ist wohl weniger entscheidend. Ich habe die Ausbildung, die mir das Auftreten als Redner ermöglicht, und ich werde dieser Ausbildung Rechnung tragen," ergänzte ich meine Gedanken und schenkte ihr ein kurzes Lächeln, während der Händler immernoch verschwunden war und anscheinend recht gründlich suchte. "Es ist nicht unbedingt angenehm, stetig mit einem Makel leben zu müssen, den man nicht selbst verschuldet hat, Antonia, und ich will diesen Makel ein für allemal loswerden. Anders wird es wohl kaum gehen. Die Ungenannte hat mit ihrer gesamten Bagage meiner Familie einen so großen Schaden zugefügt, dass ich nicht anders kann, als mich sehr bewusst ins Licht und in die Betrachtung anderer zu stellen, um meine Ahnen nicht zu beschämen."

    Ich war müde, unmotiviert und nicht gerade bester Laune - die nicht gerade besten Voraussetzungen, um meinen Schülerinnen den cultus deorum näher zu bringen, aber es gehörte eben auch zu meiner Pflicht, mich um diese jungen Frauen zu kümmern. Als ich den Unterrichtsraum betrat, war noch niemand anwesend, aber das war nicht weiter schlimm, ich war ohnehin zu früh dran und hatte mir mein Frühstück mitgebracht. Fast beneidete ich meinen Sklaven Severus darum, jetzt zum Training in die Gladiatorenschule gehen zu können, an manchen Tagen war es mir im Tempel einfach zu eng. So zog ich eine Abschrift von Aristophanes' Komödie 'Die Vögel' aus einer Falte meiner toga praetexta und begann zu lesen, während ich nebenher mein Fladenbrot-mit-Inhalt kaute, um die Zeit bis zum Eintreffen meiner Schülerinnen zu vertreiben.

    "Rom wäre nichts ohne neue Männer, diese Ansicht kann ich nur teilen," stimmte ich mit einem Nicken zu. "Gedanken wie die eines Tullius Cicero haben unseren taat ebenso geprägt wie die Taten jener, deren Familien gleichsam seit vielen Jahrhunderten einen Sitz im Senat inne haben. Letztlich kann eine neue Idee viel Altes bewegen, wenn man sie maßvoll betrachtet und sinnvoll umsetzt." Und wie trostlos und langweilig wäre die politische Landschaft, würde es stets immer nur in den Händen derselben Familien liegen, Entscheidungen zu treffen. Es wäre kaum mehr eine Herausforderung für einen Mann, sich einer politischen Karriere zu widmen.
    Unwillkürlich lächelte ich, als die Sprache auf Gracchus kam, und ich musste den Gedanken bekämpfen, der sich meiner bemächtigte - unser Gespräch vor einigen Tagen spätnachts, bei dem wir Pläne geschmiedet und eine große Zukunft herbeigeredet hatten. "Er ist einer meiner Vettern," erklärte ich. "Wir sind einige Jahre zusammen aufgewachsen, und ich gestehe, dass auch sein herausragendes Beispiel mich ermuntert hat, der Politik mehr Beachtung zu schenken."


    Das Thema Hochzeit hingegen, nun, es war für mich noch immer recht ambivalent, ich war mir noch nicht sicher, ob ich in der Sache an sich etwas positives sehen sollte oder eher hoffen, ich könnte es noch aufschieben. "Nun, noch nicht ganz so bald, als dass gleich morgen der Festzug durch die Straßen Roms ziehen würde - aber doch in einigen Monaten, wie ich hoffe. Noch bin ich dabei, meine zukünftige Frau von meinen Vorzügen zu überzeugen, auf dass sie unser gemeinsames Zusammenleben nicht mit einem allzu erschreckten Gesicht beginnt - Verbindungen zum Vorteil der Familie erfordern meines Erachtens auch ein gewisses Maß an ... Einfühlungsvermögen, wenn man nicht sofort eine eisige Kühle im Zuhause herrschen haben möchte."
    Vor allem würde Aurelia Prisca sicherlich einiges auch von meinem Ruf zu hören bekommen haben, der, was Frauen anging, nicht der allerbeste war. Bedenken würden früher oder später auftreten, aber dass man heiratete, war nun einmal Tradition, und seit Kaiser Augustus auch für jeden erwachsenen römischen Mann absolut angebracht.

    Mochte Severus ruhig auch einmal die Erkenntnis dämmern, dass ein Kleidungseinkauf mit einer Frau für einen Mann vor allem eines war - eine hervorragende Schulung seiner persönlichen Geduld und Schmerzschwelle. Wie fast jede Frau schien auch Bridhe von der aussicht begeistert zu sein, einen Haufen Geld ausgeben zu können - wahrscheinlich würde ich von Glück reden können, wenn mir am nächsten Tag noch die togen in meinem Schrank gehörten. "Schlaf gut, Bridhe," murmelte ich, schon reichlich schlaftrunken, und kuschelte mich dann sowohl in meine Decke als auch auf das Kissen, um nun endlich doch den wohlverdienten Schlaf zu finden - mochten die Götter allein wissen, wie spät es geworden war, ich war nicht verrückt genug, mir diese nackten Tatsachen noch um die Ohren schlagen zu lassen. Und während wir schliefen, pulsierte das Leben in der ewigen Stadt weiter, die ganze Nacht hindurch, und erst, als der Morgen graute, kehrten die letzten Nachtschwärmer heim, und die ehrlichen Arbeiter begannen wieder ihr Tagwerk ... und wieder ging der Rhytmus der ewigen Stadt weiter, ungeachtet aller Träume, Wünsche und Sehnsüchte ihrer Bewohner.

    An manchen Abenden dachte ich darüber nach, wie unsere Zukunft bestellt gewesen wäre, wäre er als Frau auf die Welt gekommen - oder wäre ich weiblichen Geschlechts. Hätten wir uns desgleichen dann geliebt? Hätten wir uns in einen ebensolchen Strudel des Verlangens hinabstürzen lassen, ohne Hoffnung auf Erfüllung? Es wäre eine skandalbehaftete Verbindung gewesen, auch wenn wir weit genug voneinander entfernt verwandt waren, es hätte stets Geschwätz und Gerede gegeben. Aber solche Gedanken waren müßig, ich hätte ihn, meinen Manius, nicht als Frau vorstellen können, und noch weniger mich selbst mit diesen Attributen ausgestattet, die eine Frau erst begehrenswert machten.
    Anders als so, wie er war, wollte ich ihn mir nicht wünschen. Manchmal so unendlich fern, als trennten uns nicht nur unsere gegenseitigen Gelöbnisse, sondern auch Welten, undurchdringlich durch zu lange und zu schreckliche Wege, und in manchen Augenblicken näher, als ich ihn jemals auf körperliche Weise hätte zu mir bringen können. Seine Augen sagten mir auch ohne Worte, dass er meine Freude teilte, und vielleicht stellte er sich ebenso wie ich vor, wie es wäre, morgens gemeinsam in die curia zu gehen.


    "Ich weiss," antwortete ich auf seine Bemerkung, den Patron betreffend, und seufzte dann etwas. "Felix würde ich nicht fragen, nicht zuletzt, weil er bereits Furianus so hoch gehoben hat. Der Gedanke, man könnte mein Fortkommen Felix zuschreiben und dessen Einfluss, nicht aber meinen eigenen Verdiensten, hat wenig anziehendes für mich, Manius. Nicht zuletzt, weil ich vorhabe, den schlechten Ruf der hispanischen Flavier durch meinen Werdegang zu tilgen. Es sind außer mir keine mehr übrig, und ich habe nicht weiter vor, mit diesem Makel, den ich selbst nicht der Familie auferlegte, zu leben. Mein Kandidat für das Patronat ist ein gänzlich anderer Mann - Spurius Purgitius Macer. Senator Vinicius Hungaricus wäre auch noch in Frage gekommen, aber nachdem ich seinen Ruf kenne und er, was Frauen angeht, kein Kostverächter zu sein scheint, will ich vermeiden, mit meinem Patron ins Gehege zu kommen. Was mir über Macers Arbeit im Senat berichtet wurde, war durchweg positiv, er stellt die richtigen Fragen, ist kein Schwätzer, und ich sehe ihn mit angemessener Regelmäßigkeit bei Marsfestivitäten ... was mir fast noch wichtiger ist, er ist jemand, der sich eigentlich zurücklehnen und sich auf seinen Verdiensten ausruhen könnte, aber er tut es nicht und setzt sich weiter ein. Kurzum, durchaus ein Mann, der Bewunderung für seine Arbeit verdient."
    Ich machte eine kurze Pause, um meinen anerkennenden Worten für einen anderen Mann ein Lächeln folgen zu lassen, das Manius deutlich machen mochte, dass meine tiefste, innere Schwärmerei aber stets nur einem gelten würde. "Hast Du schon darüber nachgedacht, Dir einen Patron zu suchen?"

    "Die Sklaverei ist denke ich nicht so leicht zu fassen, wie Du es tust, mein werter Vetter," widersprach ich mehr aus Gewohnheit denn aus dem Wunsch, hier ein Streitgespräch zu beginnen. In dieser Sache würden Gracchus und ich wohl niemals einig werden, während ich mir die zeitgenössischen achaischen Philosophen zum Vorbild nahm, wenn es um die Betrachtung der Sklaverei ging, war Gracchus doch eher der Realist und dachte viel pragmatischer.
    "Wird ein zufürderst freier Mensch mit Empfindungen, einem Willen, einem Ziel im Leben, der durch Unglück oder den falschen Ort zur falschen Zeit versklavt wird, dadurch zu einem Möbelstück ohne Empfindung? Ich denke doch nicht. Meine Erfahrung lehrt mich, dass sich Menschen im Grunde wenig ändern, selbst wenn man die äußeren Umstände wandelt, und dieser Punkt dürfte auch auf Sklaven zutreffen. Der Herr, der sich zu sehr darauf verlässt, dass ein Sklave nichts empfindet, wird stets enttäuscht werden, und der Herr, der glaubt, Missverhalten würde sich nicht irgendwann rächen, baut seine Sicherheit auf sehr sandigem Grund." Es klang nicht einmal herausfordernd, eher gemütlich, und ich nahm mir einige dieser fingerfertig hergestellten, bunten Häppchen von einer Platte, die ein Sklave herumreichte, ohne zu wissen, was ich da eigentlich aß. Es sah zumindest recht kreativ aus und schmeckte genauso.


    "Dass Antonia die Ausnahme der Regel darstellt, davon ging ich eigentlich aus, und verzeih mir, sollte es gewirkt haben, als wollte ich mich über Deine Ehre lustig machen, werte Schwägerin," sagte ich schließlich entschuldigend und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, denn mir war nicht entgangen, wie fest sie ihr Glas mit einem Mal hielt. "Glaube nicht, ich würde es nicht bedauern, dass sie als Deine Gemahlin neben Dir liegt, Gracchus, wäre sie noch ungebunden, würde ich ihrem Vater gewiss die Tür eintreten und versuchen, sie für mich zu interessieren. Dass sie Dich so bereitwillig erträgt, ist doch wahrlich ein Zeichen für eine überaus große Geduld und eine große Leidensbereitschaft, da wäre sie mit mir vielleicht auch noch zurecht gekommen." Ouh, jetzt begab ich mich auf ein Glatteis, auf dem ich nur ausrutschen konnte, und ich hoffte innerlich, die beiden würden den Scherz auch als solchen verstehen. Unauffällig deutete ich gen der beiden aurelischen Damen - Helena und Prisca - und fügte dann sinnierend an: "Ihr beiden habt nicht zufällig einen guten Rat, wie ich mich zwischen zwei reizenden jungen Frauen entscheiden soll? Beide zu umwerben würde mich in Schwierigkeiten bringen, und noch will es mir nicht gelingen, die eine der anderen vorzuziehen, um Corvinus eine klare Antwort zu geben. Wer hätte auch gedacht, dass beide zukünftigen Bräute mich vor solch eine deplorable Situation stellen würden?"

    Langsam zog ich die Deck etwas höher und räkelte mich ausgiebig, während ich fühlte, wie eine angenehme und den nahenden Morpheus ankündigende Mattigkeit meine Glieder umhüllte. Ihre Frage hingegen ließ mich kurz schmunzeln. "Nunja, wo man eben so hingeht - der Mercatus Traiani bietet eine Vielzahl von teuren und nicht so teuren Läden, am besten, Du nimmst Severus mit, dann hast Du jemanden, der den Weg kennt und den ganzen Kram tragen kann ... ein, zwei neue Tuniken könnte er auch brauchen. Also sei so gut und schau, dass ihr ihm auch etwas zweckmäßiges und nichts zu buntes kauft, ja?" Morgen durfte ich nur nicht vergessen, ausreichend Geld für sie zu hinterlassen, damit der Einkauf ungehindert vonstatten gehen konnte.

    "Ich fürchte, er hat es leider verabsäumt, sich während seines Lebens ausreichend auszuzeichnen, um der Erwähnung wert zu sein, wenn man von politischer Bedeutung spricht. Er war weitsichtig genug, mich zu einer rhetorischen Ausbildung zu zwingen und mir die Zeit zu geben, den cursus honorum selbst anzustreben, aber selbst hat er dieses Ziel leider nicht erreicht. Er hat sich in Hispania zur Ruhe gesetzt," erklärte ich in so günstigen Worten wie nur möglich. Dass mein Vater irgendwann einfach keine Lust mehr gehabt hatte, gegen das andauernde Vorurteil anzukämpfen, mit dem er dank Messalina Oryxa hatte leben müssen, konnte man schlecht sagen - es wäre ohnehin ziemlich dämlich gewesen, den Namen dieser Frau überhaupt irgendwo zu erwähnen.
    Ich hatte sein Interesse geweckt, denn zumindest schien er die angestrebte Konstruktion in Betracht zu ziehen, das war deutlich mehr, als ich mir noch zu Beginn des Besuchs überhaupt ausgerechnet hätte. Im Stillen nahm ich mir vor, Mars für seinen Beistand morgen einen dicken Krug Falerner mitzubringen und die ganze Sache mit ihm zu besprechen, irgendwie würde sich schon Zeit dafür finden lassen.


    "Du kannst Dich als ein Mann, der Mars nahe zu stehen scheint, darauf verlassen, dass ich als sein Priester zu meinem Wort stehen werde, wenn ich es erhebe, sei es in der Öffentlichkeit oder im Privaten. Ich neige nicht zu voreiligen Versprechungen und schon gar nicht zu Geschwätz. Meine Familie ist klein, aber ich habe ungemein viele Verwandte in den höchsten Kreisen Roms - in naher Zukunft strebe ich eine Verbindung mit der gens Aurelia an, die unsere Familienbande stärken soll. Alle gesellschaftlichen Türen, die ich Dir noch in irgendeiner Form öffnen kann, werde ich dir öffnen und mit Nachdruck offen stehen lassen." Ein vager Hinweis auf unser beider höchst unterschiedlicher Herkunft - er war Senator, aber kein Patrizier, und da die meisten patrizischen Familien Roms ausgesprochen wählerisch waren, was ihre Kontakte anging, mochte es da vielleicht noch den ein oder anderen weißen Fleck auf seiner politischen Landkarte geben. "Du kannst Dir sicher sein, dass ich Deine Politik auf jede mir mögliche Weise unterstützen werde, Senator, wie es einem Klienten zukommt. Ich habe meinerseits die Klienten meines Vaters übernommen und komme nicht ohne Unterstützung." Es waren nicht viele, und wichtig waren sie auch nicht, aber es war mehr als nichts.

    Senatoren waren eben auch Menschen, und mit meinem vorsichtigen Kurs der Gratwanderung zwischen schonungsloser Offenheit und Schmeichelei war ich anscheinend bisher nicht allzu schlecht gefahren. "Nun, ich denke, Du wirst erahnen, dass ich nicht wegen irgendeinem kleinen Pöstchen zu Dir komme, denn das würde mir mein Vetter Felix sicherlich mit Vergnügen beschaffen. Mein Ziel liegt im cursus honorum, Senator, und als langfristiges Ziel auch im Senat Roms. Mein derzeitiges Hindernis ist die Absenz meiner Mitgliedschaft im ordo senatorius, denn auch wenn sich die Ahnen anderer flavischer Familienzweige auszuzeichnen wussten, war mein eigener Vater leider weniger rührig und gilt mitsamt dem Rest der hispanischen Flavier eher als schwarzes Schaf der gens Flavia, ein Umstand, den ich seit einiger Zeit zu verändern versuche. Ich bin willens, den restlichen Weg aus eigener Kraft und mit eigenem Können zu gehen, soweit ich es vermag, auch das Vermögen sollte nicht unbedingt ein Problem sein ...allerdings braucht es jemanden, der mir diese entscheidende Türe öffnet."
    Und da lagen sie sprichwörtlich auf dem Tisch, die lange verdeckt gehegten Karten, über die ich nächtelang nachgedacht hatte, während Bridhe still neben mir gelegen und geschlafen hatte. Es war ein Moment der Entscheidung, ein Wendepunkt meines Lebens, und er war so jäh und aprupt auf mich zugestürzt, dass ich still verharrte, und die Entscheidung gänzlich in die Hände meines Gastgebers wuchtete.

    "In den nächsten Tagen, wenn ich die Zeit dazu finde," sagte ich und musste ein leichtes Gähnen unterdrücken. Es war schon spät gewesen, als ich in mein cubiculum gekommen war, und jetzt war es garantiert noch ein gutes Stück später. Allein der Gedanke, morgen früh schon wieder zur salutatio der Klienten aufstehen zu müssen, die mir mein Vater hinterlassen hatte und deren Unterstützung für mein politisches Fortkommen ebenso unterlässlich waren wie das Vorhandensein eines guten Patrons, ließ mich noch stärker die Müdigkeit fühlen, die sich meines Leibes bereits bemächtigt hatte. Derzeit waren die Tage einfach zu lang und die Nächte viel zu kurz, ganz ohne andere Beschäftigung.
    "Lass uns schlafen, Bridhe, es ist spät genug geworden," murmelte ich denn auch eher gähnend denn wirklich aufmerksam in ihr Haar, das heute sauber und adrett roch, anscheinend hatte sie es geschafft, sich noch vor meiner Heimkehr zu reinigen. "Morgen gebe ich dir etwas Geld und wenn Du willst, kannst Du in der Stadt Dir etwas zum anziehen kaufen, damit sich Deine Garderobe ein bisschen füllt."

    Wäre sie meine Schwester, hätte ich sie wohl spätestens jetzt ins balneum geschleppt und ihr den Mund mit Seife ausgewaschen - diese Sprache! Für eine Frau wirklich absolut unangemessen. Aber schätzungsweise würde sie eine Weile brauchen, bis sie sich auf Latein passend ausdrücken konnte, zumindest war es nicht erstaunlich, dass sie nicht wusste, wie man einigermaßen anständig sprach. Wo sie diese ganzen Ausrücke herhatte, wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen.
    "Ich kenne Dich ebensowenig wie Du mich kanntest, Bridhe, hast Du vielleicht schon einmal daran gedacht? Es steht leider nicht auf der Stirn eines Menschen, ob er aus Not lügt oder weil er die Veranlagung dazu hat - auch wenn es praktisch wäre, hätten sicherlich eine Menge unserer Politiker von jetzt auf nachher keine Wähler mehr - und mir bleibt nur, herauszufinden, was es mit Dir auf sich hat. Ob Du lügst, weil es Dir gefällt, mir irgendwelche Geschichten zu erzählen, oder ob es geschieht, weil Du keinen anderen Ausweg zu erkennen glaubst." Und jetzt fing sie auch noch an zu weinen. Ich seufzte innerlich, nun einmal mehr davon überzeugt, dass Frauen im Grunde einfach das kompliziertere Geschlecht waren. Wann immer es in Diskussionen nicht weiterging, wurde gezickt oder geweint.


    "Was auch immer Dir andere Sklaven erzählen mögen, ist doch vollkommen unerheblich. Ich entscheide, was mit Dir geschieht, nicht mein Vetter Flavius Felix, nicht Sciurus, niemand sonst. Lass Dir durch diese Geschichten nicht zuviel Angst einjagen, sie ist unbegründet," versuchte ich beruhigend zu klingen - wahrscheinlich war ich dann doch zu mitfühlend, um mich jetzt abzuwenden, schätzungsweise hätte es keiner meiner Verwandten wirklich verstanden - und legte einfach den Arm um sie, um sie zu halten, während sie mein Bettlaken nass weinte. Wieviel Angst musste ein neuer Sklave haben? Ich wurde mir darüber klar, dass ich darüber letztendlich nie wirklich nachgedacht hatte, warum auch? In meiner Absicht hatte es nie gelegen, andere Menschen zu quälen, nur weil sie verklsavt waren. Aber in diesem Haushalt war es wohl anders, was mir ihr Weinen bewies.
    "An Deiner Sprache sollten wir bisweilen einmal arbeiten," bemerkte ich, provozierend, dass sie gleich die nächste Flut von Schimpfworten loswerden wollte.

    Mein Blick glitt zur Marsstatuette und seltsamerweise erleichterte mich dieser Anblick mehr, als es jedes Wort hätte tun können. Er hatte sich also sein eigenes Mars-Abbild besorgt, um dort am Hausaltar auch angemessen opfern und feiern zu können - andere Götter waren dafür im Allgemeinen beliebter, das sprach dann dafür, dass er dem Marskult nicht ganz abgeneigt sein mochte. Als Mann des Militärs wäre alles andere auch eher erstaunlich gewesen, überlegte ich und richtete mich etwas auf. Gleich zur Sache zu kommen hatte also noch nicht alles verdorben, er schien die Knappheit meiner Worte nicht als beleidigend zu empfinden. Wahrscheinlich hätte ich keinen besseren Einstieg finden können.
    "Nun, jetzt in Kriegszeiten ist der Tempel im Grunde überfüllt - auch wenn mich die neugewonnene Frömmigkeit der Bürger natürlich freut, sehe ich doch auch den Vergleich zur Zeit vorher, in der wenig nur los war, und ich befürchte, ist der Krieg vorbei, wird es wieder so sein. Allzu viele Menschen scheinen zu vergessen, dass die Beziehung zu den Göttern nicht immer dann aufgewärmt werden sollte, wenn man ein Problem hat. Wie jede Beziehung benötigt auch diese Pflege in den guten wie in den schlechten Zeiten." Ich hatte die Stirn bei diesen Worten gerunzelt und atmete langsam durch, als ich mir darüber klar wurde, dass ich mich wieder ärgerte. Über dieses Thema ärgerte ich mich immer, und gerade jetzt war es nicht Ziel meines Besuchs, meinen vielleicht zukünftigen Patron mit solchen Dingen abzulenken.


    Ich folgte meinem Gastgeber durch das atrium in Richtung des tricliniums, nicht ohne mich unauffällig umzusehen. Ich fand kein Anzeichen neureicher Protzerei, wie es so gern üblich war, wenn eine ursprünglich plebejische Familie durch den politischen Erfolg herausragender Männer der gens langsam den Weg zur nobilitas antrat, und auch das sprach sehr für den Hausherrn. Das atrium der villa Flavia war mir persönlich fast zu überladen. "Die Debatte über den von Senator Germanicus eingebrachten Vorschlag, die Bausicherheit zu erhöhen, sehe ich durchaus als ein recht klares Beispiel für Dein politisches Wirken, Senator," formulierte ich meinen Gedanken. "Ich habe von Dir bisher noch kein einziges Mal gehört, dass Du ein unsinniges oder Deine Günstlinge bevorteilendes Gesetz vorgeschlagen und durchgefochten hättest, und alles, was mir über Dich berichtet wurde, lässt Dich als einen Mann erscheinen, der sich zu gegebenem Anlass mit Vorschlägen rational beschäftigt und sie auf Problemstellen seziert - konstruktive Einwände stammen von Dir ebenso wie Bitten um mehr Klarheit, wenn einer Deiner Kollegen sich zu gern reden hört. Ich für meinen teil bin kein Freund sinnlosen Geschwätzes, und deswegen kann für mich als Patron nur ein Mann in Frage kommen, der auch den Wert der Stille, der rationalen Überlegung und sachlicher Verbesserung zu schätzen weiß. Selbstverliebte Schwätzer gibt es in dieser Stadt wahrlich genug."

    Dieser Gesichtsausdruck war es, den Männer immer hassen würden, egal, ob sie ihn nun bei ihrer Mutter, ihrer Schwester, Ehefrau oder Geliebten sehen würden - denn er bedeutete letztendlich nur eines: Dass die jeweilige Frau glaubte, in diesem Augenblick obenauf zu sein, und sich nicht einmal dafür schämte. Im Grunde war es amüsant zu sehen, wie geschickt sie mit der Wahrheit umging, sie dehnte, drehte und wendete, als könnte man damit alles mögliche veranstalten - unter anderen Umständen wäre sie sicherlich eine gute Patrizierin gewesen.
    "Vor fünf Tagen, wenn Du Dich recht entsinnst, habe ich dir zu verstehen gegeben, dass es mir nicht gefällt, angelogen zu werden, und vor allem nicht, so dreist angelogen zu werden. Meinetwegen kannst Du Dich ganz Rom hingeben, solange Du dabei nicht krank wirst und es nicht in diesem Haus geschieht, Bridhe! Glaubst Du ernsthaft, dass Du meine Eifersucht geweckt hättest? Ich kann es nicht leiden, angelogen zu werden, und entdecke ich auch in der Zukunft Lügen von Deiner Seite, dann werde ich mir etwas überlegen müssen, um Dir das lügen abzugewöhnen, sei Dir dessen sicher. Aber ob Du nun mit Severus schläfst, mit einem meiner Vettern, mit dem halben Haushalt oder mit gar niemandem, das ist mir wirklich gleich."


    Leicht schüttelte ich den Kopf und betrachtete sie ebenso wie sie es bei mir wohl tat, wenngleich mit einem amüsierten Zucken der Mundwinkel. Glaubte sie wirklich, sie könnte meine Eifersucht wecken? Es gab nur einen Menschen auf dieser Welt, dem diese Macht gegeben sein würde, und der war nicht sie und würde sie niemals werden. "Weisst Du, warum ich dies tat, an unserem ersten Morgen? Ich hielt es für an der Zeit, Dir zu zeigen, dass der Name eines Sklaven nichts im Bett seines Herrn verloren hat - und wie ich sehe, kam diese Lektion offenbar an. Mehr war das nicht, und mehr wird es nicht sein. Ich lege keinen Wert darauf, eine Frau zu etwas zwingen zu müssen, was eigentlich gegenseitig Spaß bereiten sollte."

    Meinem Gesichtsausdruck musste man nun, in diesem Augenblick, sicherlich ansehen können, dass ich mich doch einige Zeit lang fragte, ob sie vollkommen verrückt geworden war oder ob das einfach nur ein wirklich schlechter Scherz gewesen war. Langsam hob ich meine rechte Augenbraue an, und meinte dann, der Klang meiner Stimme schwankend zwischen einem guten Maß an Empörung und Amüsement.
    "Sag mal, Bridhe, was willst Du eigentlich? Zuerst machst Du mir mehr als deutlich, dass Du nicht in irgendeiner Weise daran interessiert bist, mein Bett mit der Leidenschaft einer Geliebten zu teilen - und ich akzeptiere das - und jetzt bist Du wütend darüber, dass ich nicht über Dich herfalle, weil sich gerade die Gelegenheit dazu bietet?" Leicht schüttelte ich den Kopf über so viel fehlende Logik, aber in diesem Punkt ging ich durchaus mit Aristoteles konform, der Frauen ein gerüttelt Maß an Unvernünftigkeit von Natur aus zugestand. Oder war es Sokrates gewesen? "Sei ehrlich, was genau ärgert Dich gerade wirklich? Dass ich nicht wie ein sabberndes Hündchen danach giere, Deinen Körper auch nur anzusehen? Oder was soll das nun?" Im Grunde konnte man dazu nur eines denken: WEIBER!

    Wenigstens saß die toga perfekt, das war im Augenblick auch mein einziger wirklicher Pluspunkt - ich wirkte präsentabel, wohlhabend und letztendlich nicht wie ein Verrückter, was mir vielleicht den Vorteil verschaffen würde, dass er mich nicht sofort wieder zur porta schicken würde, wenn er hörte, was mich zu ihm führte. "Salve, Senator Purgitius Macer," erwiederte ich seinen Gruß freundlich und lächelte, wie ich es immer tat, wenn tiefer greifende Gedanken einen anderen Gesichtsausdruck erfolgreich verhinderten. "Zufürderst entschuldige diesen spätabendlichen Überfall, vor allem ohne einen Termin, doch hoffe ich, Du wirst nachempfinden können, was sich derzeitig im Marstempel alles zuträgt - es war mir schlichtweg unmöglich, früher zu erscheinen. Aber ich will Dir Deine Zeit auch nicht mit stundenlangem Geschwätz stehlen, das sei den Sophisten überlassen oder denjenigen mit zuviel Zeit." Gleich Frontalangriff oder lieber durch die Hintertür, durch die sich für gewöhnlich die Sklavenschaft eines Haushalts wieder hinein schlich, wenn sie über Nacht woanders unterwegs gewesen war? Für einen Patrizier kam eigentlich nur die Vordertür in frage.


    "Mein Anliegen ist zum einen simpel und zum anderen schätzungsweise etwas ungewöhnlich. Ich habe in der letzten Zeit Dein politisches Auftreten verfolgt, mich über Deine Person informiert und ich bin der Ansicht, dass von allen herausragenden Männern Roms Du derjenige bist, den ich darum bitten will, mein Patron zu werden." So, wenigstens war die erste Kröte jetzt schon einmal auf den blankgeputzten Fußboden seines atriums gewürgt und quakte dort munter in Form von sie begleitenden tausend Gedanken vor sich hin. Ich blickte ihm direkt entgegen - wir saßen noch nicht einmal, im Grunde war dieses Gespräch jetzt schon mit eines der ungewöhnlichsten, die ich jemals geführt hatte - und erwartete zumindest eine grundlegende Form der Reaktion.

    Er war auch noch anwesend. Verdammt. Es half alles nichts, jetzt musste ich mich aus der bequemen warmen Höhle meiner Sänfte in die rauhe kalte Welt einer mir absolut nicht bekannten casa herauswagen, und dann auch noch ...ach, egal. Ich biss die Zähne zusammen, schob den Vorhang beiseite und erhob mich aus dem Inneren meiner letzten Zufluchtsstätte, um mir dann von dem Sklaven die Togafalten richten zu lassen, bevor ich in das anheimelnd erhellte Zuhause des Senators trat, während mein Gefolge vor der porta zurückblieb. In Rom war ich inzwischen so vieles gewöhnt, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sich Sänftendiebe auch vor dem Haus eines Senators herumgetrieben hätten. Während ich dem ianitor in Richtung atrium folgte, wich endlich dieses elende Gefühl einer tiefen Beklemmung im Inneren und machte der Ruhe Platz, die ich immer fühlte, wenn ich vor einem Altar Mars opferte. Wenigstens in dieser Sache ließ mich meine Erfahrung einmal nicht im Stich.