Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    "Auf diese eigenwillige Form der Berühmtheit kann ich wahrlich verzichten, werter Vetter, selbst wenn es die anderen Gäste sicherlich amüsiert hat, irgendwelche schlüpfrigen Dialoge gehört zu haben," gab ich seufzend zurück und schüttelte den Kopf. "Wenn ich nicht irre, war auch Corvinus' Verlobte nicht gerade erfreut über ihre Rolle in diesem Stück, ich sehe sie gar nicht hier. Normalerweise nutzt doch jede Dame die Gelegenheit, an der Seite ihres Liebsten sich öffentlich zu zeigen." Beiläufig nahm ich einen weiteren Schluck Wein aus meinem Becher und bezog dann auch Antonia in das Gespräch mit ein. "Es gibt da eine interessante Geschichte mit ihr und Corvinus, vielleicht kennst Du sie ja? Ursprünglich war sie in die gens der Aurelier adpotiert, und dies wurde jetzt wohl zurückgenommen, damit sie Corvinus ohne familiäre Schwierigkeiten ehelichen kann - weißt Du darüber etwas genaueres, Antonia?" Kurz blickte ich zu Gracchus, der normalerweise auch einen gewissen Hang zu delikaten Klatschgeschichten hatte, und gewahrte einen Anflug von .. ja, was war das eigentlich? Er wirkte irgendwie verstimmt, hatte ich etwas falsches gesagt? Wahrscheinlich war ihm aufgegangen, dass auch er karikiert worden war, wenngleich er noch am wenigsten Grund hatte, sich zu beklagen.


    "Ich habe allerdings das starke Gefühl, wir Gäste sind bei diesem Stück besser weggekommen als die Aurelier selbst - gerade Corvinus als curator mulierum zu bezeichnen, ist schon ein starker Witz, der sich gefährlich nahe an der Wahrheit bewegt. Ich kenne kaum einen Mann, auf den das zarte Geschlecht eine solche Anziehungskraft ausübt," wieder schmunzelnd, plauderte ich ungehemmt weiter. Ja, mein Freund war wirklich kein Kost- oder Frauenverächter, kein Wunder, dass seine Verlobte wütend gewesen war. Ein Mann sollte seine Affären gut zu verbergen wissen, wenn er schon welche hatte. und unter der eigenen Sklavenschaft war das immer ein Unruhefaktor. "Hätte ich solch eine Sklavin wie diese rothaarige kleine Keltin, dann würde ich sie tunlichst weit weg von meiner Verlobten halten." Einmal hatte ich Camryns Qualitäten genossen und ja, es war durchaus angenehm gewesen - welche Frau wäre auf so etwas nicht eifersüchtig gewesen? Wenigstens waren sowohl Bridhe als auch Severus keine solche Unruheherde. Wenigstens nicht in diesem Bezug, sie verstanden sich untereinander gut und damit war für mich einiges an Konfliktpotential abgeschafft.

    Für einen irrigen Moment lang musste ich an jenen Abschnitt der unsterblichen Worte Homers in der 'Odyssee' denken, als Aphrodites' und Ares' Liebesspiel vom eifersüchtigen Hephaistos enthüllt wurde und beide durch kunstfertige Fesseln gebunden, den übrigen Göttern in der Glut ihrer Leidenschaft gefangen präsentiert wurden - stets hatte ich bei dieser Zeile schmunzeln müssen, und die Parallele zu meinem jetztigen Unterfangen war eigentümlich dicht. Es würde wohl keinen wutschnaubenden Hephaistos geben, keine übrigen lachenden Götter, und doch wähnte ich mich im gleichen Rausch gefangen wie einst Ares in Aphrodites Armen. War dies möglich, dass es noch passierte? Dass mich die Leidenschaft eines einzelnen Menschen so anzustecken wusste, dass ich den bitteren Geschmack einer ungestillten Sehnsucht vergessen konnte, wenigstens jetzt, wenigstens in dieser Stunde? Ihr süßer Duft umfing mich wie auch ihre Schenkel, die weiche Haut umschmeichelt meinen Leib, und ich kann ihr kaum richtig nachfühlen, zu erhitzt und zu brennend lässt mich jede Berührung zurück. Wann ist der Moment da, in dem man nicht mehr nachdenkt, in dem die Beherrschung bricht und erlischt? Ich fühlte ihn nie nahen, wusste es immer erst, wenn es soweit war und ich weiter ging.


    Meine Finger krallten sich in das Gras, zerstörten nicht wenige Halme, als ich gleichsam haltsuchend wie bebend meinen Körper ihren Lippen entgegen wölbte, sehnend, hoffend auf mehr, und sie enttäuschte mich nicht. Wie anders war es doch, dieses prickelnde Gefühl der Leidenschaft mit einer Frau zu teilen, die es ebenso zu genießen wusste, die wusste, was wann richtig war zu tun, und sich keine Zwänge auferlegte. Ich sah und fühlte sie sich zugleich bewegen, die Hitze ihres Körpers übertrug sich auf den meinen, wärmte und befeuerte mich gleichermaßen, nur federnzart waren die Liebkosungen ihrer Fingerspitzen, kaum fühlbar, pochte die Erregung im heißen Strom meines Blutes doch durch meinen Leib. Meine Hände fassten sie, hielten sie bei mir, nicht mehr fort sollte sie können, nicht bevor wir uns ganz gehört hatten, und doch konnte ich sie gleichzeitig nur andächtig halten, ihre Seiten mit ungläubiger Faszination berühren. Wie wissend sie die letzte Barriere hinfort gleiten ließ, ohne zu zögern, einfach, weil sie es wollte, geteilte Gedanken, ein gleicher Sinn, ein gleiches Streben.
    Ihr Necken ließ mich seufzen, genießend und erwartungsvoll im gleichen Atemzug, natürlich wünschte ich mir mehr, dass sie nicht aufhören möge, in diesem Moment konnte ich mich verwöhnen lassen, ohne das Gefühl zu haben, sie würde dadurch eigenes Recht vermissen.


    Meine Augen schlossen sich, als sie mich umfing, mich schmeckte, mir die Illusion vermittelte, ich hätte sie mir schon zueigen gemacht, und wie glücklich war dieses Zusammentreffen! "Süße Venus," murmelte ich, der Klang der Stimme dunkel geworden, rauh und kratzig, nicht mehr verhüllend, wieviel Vergnügen sie mir bereitete. Welcher Krieger hätte denn seiner Venus nicht den Speer dargeboten, wenn eine solche Belohnung wartete? Als sie innehielt, zu mir empor glitt, geschmeidig, als hätten wir im Wasser unser Spiel begonnen, schmeckte ich mich und sie zugleich, tauschte den Kuss mit ihr und mit mir selbst, während meine Arme sie umfingen, sie eng an mich zogen, als wollte ich sie nicht mehr loslassen. Haut rieb auf Haut, aufreizend, aufpeitschend, ich fühlte all ihre Weichheit, den geschmeidigen, schlanken Leib, als könnte ich es ewig so tun. Wir bewegten uns, und nun war sie es, auf der ich zu liegen kam, sie musste die Schwere meines Körpers spüren, der sich begierig an den ihren drängte, und schon teilte ich ihre Schenkel mit einer Hand, ohne auf Widerstand zu stoßen.
    "Er wird uns nicht fangen," murmelte ich rauh und küsste sie wieder, vereinnahmte ihren Mund wie auch ihren Leib mit meiner Zunge und meiner Lust.


    Sie empfing mich, und dieser stille, göttliche Moment des ersten Kontakts ließ mich tief ausatmen, langsam, aber unaufhaltsam nahm ich sie in meinen Besitz, wenigstens für diese flüchtigen Momente der Trunkenheit an der Leidenschaft des anderen. Eines ihrer eine zog ich mit der Hand höher, um sie gänzlich zu vereinnahmen, ihren Körper an den meinen gezogen, sie beschattend mit meinem Leib, blickte ich auf ihr milchig weißes, von der Lust erhitztes Gesicht herab, lächelte ihr nur zu, bevor ich begann, mich zu bewegen, ohne Hast, denn noch war Zeit, ihre Leidenschaft bedacht zu steigern.
    Ich wollte sie hören, ihren Atem schneller werden hören, all jene süßen, leisen Geräusche, die mehr verrieten als jedes Wort es hätte tun können, und als ich mich herab neigte, sie wieder zu küssen, strich meine rechte Hand über ihren Oberkörper, den weichen Rundungen der Brust folgend, die ich mit einer Hand hätte bedecken können, ihrem schmalen Körper entsprechend - ich tat es, eine Moment verharrend, als ich sie so hielt, um dann mit den Fingerkuppen zuerst vorsichtig, auf ihre Reaktion achtend, die Spitze des kleinen Hügels zu umspielen. Sie war der Mittelpunkt dieser Welt, in diesem Moment, und der Takt meines Atmens war auch jener, mit dem wir uns bewegten, noch langsam, noch genießend, doch mit dem Wissen, dass ein schnelles Keuchen nicht zu fern war.

    Ich reichte dem scriba kurzerhand den Beutel mit den dafür abgezählten Münzen - es zahlte sich einfach aus, diese Sachen schon vorträglich in Erfahrung zu bringen, auch in Rom waren gewisse Amtswege deutlich schneller, wenn man auf Details achtete - und richtete mich wieder auf. "Bedarf es sonst noch irgendwelcher Dinge für die Anmeldung?" hakte ich sicherheitshalber nach.

    Ich lächelte Gracchus und seiner Gemahlin freundlich entgegen - dass sie sich zu mir gesellten, war natürlich angenehm. Zwischen all den Senatoren und noch mehr unbekannten Menschen hätte ich mich auch schlecht für irgendjemanden entscheiden können, um mich hinzu zu gesellen, nicht zum ersten Mall überlegte ich mir, dass wir dringend eines Festes bedurften, um unsere politischen Verbindungen ein wenig auszubauen. Und für einen Moment überlegte ich mir, wer mir als unmittelbarer Liegenachbar lieber sein mochte - Gracchus oder Antonia - wobei ich die Entscheidung Gracchus', selbst den Platz neben mir einzunehmen, einerseits verstand, und andererseits bedauerte. Wir hatten schon lange nicht so viel körperliche Nähe gehabt, und es an diesem so wichtigen Abend nicht genießen zu können, war eine kleine Folter - andererseits wäre es recht unzüchtig gewesen, Antonia zwischen uns zu nehmen, es hätte für viele Gespräche gesorgt. "Salve, Manius .. ich freue mich, dass ihr Euch hier zu mir legt," erwiederte ich denn die Worte meines Freundes und lächelte weiter. Etwas anderes blieb mir ohnehin nicht übrig.


    Dass Gracchus dann allerdings dieses gräuliche Theaterstück ansprach, ließ mir kurz den Atem stocken. Sollte er etwa nicht gemerkt haben, dass auch er karikiert wurde? Wie so viele andere der Anwesenden? So hob ich langsam die Brauen an, wenigstens hatte Antonia, wie es schien, die vielen Anspielungen und Andeutungen nicht missinterpretiert. Kurz tauschte ich mit ihr einen Blick, und entschied, in den sauren Apfel zu beißen und die Sache zu übernehmen, Gracchus aufzuklären. "Amüsanterweise wurden bei diesem Stück ja nicht nur die Mitglieder des aurelischen Haushaltes veralbert, Manius. Hast Du nicht gemerkt, wem Falvus Aquarus ähnelte? Ich hätte nicht gedacht, irgendwann in einem Theaterstück vorzukommen, aber zumindest haben sie mich nur als einen Liebhaber beider Geschlechter dargestellt und nicht etwa als impotent." Wenn er jetzt einigermaßen meinen Gedanken folgen konnte, dann war klar, wer der andere Falvus gewesen war. Kurz glitt mein Blick über die Anwesenden, und wieder einmal blieb er bei der prächtigen Erscheinung Claudia Callistas hängen. Ja, sie war wirklich nicht nur eine einzige Sünde wert ... vielleicht später, dachte ich mir und wandte mich wieder meinem Vetter und seiner Frau zu.

    Er lächelte viel zu selten, und ein warmes, ehrliches Lächeln nun auf den Lippen meines lebenslangen Freundes zu sehen, auf den Lippen des Mannes, den ich mehr als jeden anderen Menschen in meinem Herzen trug, ließ es auch mir alles leichter erscheinen, angenehmer wirken, als es vielleicht war. Gerade vor einiger Zeit hatte ich mit Severus über die Liebe gesprochen, und doch war ich selbst nicht frei davon, von Venus' stetigem Zugriff auf meine Entscheidungen und Wünsche, auf mein aussichtsloses Begehren und alles, was einen Menschen für wenige Stunden vollkommen machen mochte. Ihn lächeln zu sehen war mehr, als ich mir in stillen Stunden wünschen konnte, mehr, als ich mir ausgemalt hatte, und seine Worte ließen mich für wenige Momente lang eine tiefempfundene, stille Freude fühlen, die ich in wenigen Augenblicken überhaupt zu finden imstande war.
    "Vielleicht habe ich zu lange gegen die Pläne meines Vaters rebelliert, Manius, ich weiss es nicht. Mit dem Hintergedanken aufgezogen zu werden, die angeschlagene Ehre der Familie aus dem Dreck zu ziehen, ist nicht unbedingt etwas, das ich meinen Kindern mitgeben wollte oder würde."


    Ich blickte ihn lange an, ohne etwas erwiedern zu können, diese drei Worte gehört zu haben, nach denen sich jede Faser meines Innersten zutiefst sehnten, war ungleich mehr, als ich nach unserem letzten gemeinsamen Sein, abgeschieden von anderen, noch erwartet hätte. Noch immer, es hatte sich nichts geändert zwischen uns, keine Ehe, keine Geliebte, nichts hatte es wandeln können. Und ich glaubte auch nicht, dass es sich jemals wandeln würde.
    "Ich liebe Dich gleichermaßen, Manius," bekräftigte ich seine Worte, und gestattete mir einige Momente, in denen er meinem Gesicht nicht nur die Freude über seine Zustimmung würde ablesen können. Wenig spiegelte mein Gesicht sonst wider, was ich dachte, aber in diesem Augenblick hätte wohl jeder meine Gefühle lesen können wie in einem offenen Stück Schriftrolle. Nein, es hatte sich nichts geändert, und mehr musste ich dazu wohl auch nicht sagen, mehr konnte ich nicht sagen, ohne ihn nicht sofort in meine Arme ziehen zu wollen, um ihm so nah wie möglich zu sein.


    "Lass uns lieber Seite an Seite schreiten, Manius, denn das und nichts anderes wünsche ich mir zu tun - an Deiner Seite zu stehen, gemeinsam an dem Prozess beteiligt zu sein, der das imperium lenkt, der dieses Volk so groß gemacht hat. Und eines Tages auch an Deiner Seite in der curia zu sitzen, und wenn es dann immernoch so vor sich geht, langweilen wir uns zumindest nicht allzu sehr alleine, sondern gemeinsam." Der Gedanke, dann den fettesten Senator zu küren oder ähnliche lästerliche Spielchen auszuhecken, damit man nicht vor Müdigkeit von den hintersten Rängen kippen musste, hatte etwas sehr verführerisches an sich, ließ meine Augen schalkhaft aufblitzen. Ich war mir sicher, dass er verstand, was ich meinte. "Auf unsere Zukunft, Manius, auf unsere Zukunft!" erwiederte ich seine Worte und hob ebenso meinen Becher, das Prosten erwiedernd, um dann einen großen Schluck zu nehmen.

    Dunkelblau. Nunja, ich hätte es schlimmer treffen können. Es würde zu meiner gebräunten Haut sicher nicht allzu schlimm aussehen, und der Händler schien auch nicht vollkommen verdummt zu sein - er schien zu ahnen, wer von uns beiden das Geld mit sich führte und auch, dass es kein Patrizier zu schätzen wusste, von einem Händler über Gebühr belästigt zu werden. Je kürzer sich also dieses Drangsalieren einer Geduld entfalten würde, desto besser. "Beides in einem," meinte ich mit einem leisen grummeligen Unterton, denn es passte beides hervorragend auf die eine Person, die versucht hatte, sich mittels einer Ehe in unsere Familie zu schleichen. Mochte er dafür in den tiefsten Tiefen des Orkus schmoren und verrotten!


    "Es sieht ganz angemessen aus," quetschte ich schließlich nach einiger Zeit hervor und wähnte mich meinem Ziel, dieses unsägliche Stoffbegutachten zu einem Ende zu bringen, mindestens einen großen Schritt näher. "Und ich hoffe doch, dass es in diesem Laden den passenden Stoff für eine toga candidata gibt," fügte ich eher beiläufig ein, denn diese große Nachricht hatte ich mir zumindest bei Antonia ein wenig aufgespart, falls ihr nicht ohnehin schon Gracchus davon berichtet hatte. Eine solche toga trug ein Mann nur zu einem besonderen Anlass in seinem Leben - wenn er sich für ein öffentliches Amt bewarb. Ob sie wohl überrascht sein würde? Der Händler jedenfalls verdoppelte seinen Redefluss sofort, der Gedanke, einen künftigen magistratus auszurüsten hob ihn in den siebten Himmel der Geschäftsvorgänge, denn hier konnte man eindeutig viel Geld verdienen.

    "Du magst sie, Severus, und dennoch solltest Du nicht in einer Sache den Kopf für sie hinhalten wollen, die sie sich selbst eingebrockt hat. Ich habe ihr die Gelegenheit gegeben, ihre Lüge zuzugeben, und sie ließ sie verstreichen - glaubst Du wirklich, es bereitet mir Freude, eine Frau zu schlagen? Es ist würdelos, und doch blieb mir wenig andere Wahl, um ihr zu zeigen, dass sie eine Grenze überschritten hat, die nicht zu überschreiten ist," erwiederte ich und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, die Stirn gerunzelt.


    "Achte auf sie, Severus, Du bist der Mann in dieser Angelegenheit, und Frauen sind zumeist wankelmütig, besonders wenn sie jung und in der Liebe nicht erfahren sind. Aber lass sie für ihre Fehler selbst einstehen, denn ansonsten wird sie nicht lernen, sich zu ändern. Oder wäre es Dir lieber, für eine Lüge zu büßen, die sie leicht hätte vermeiden können? Nein, ich werde Dich nicht für sie bestrafen." Es war eine sehr bestimmte Ansage, und auch wenn ich verstehen konnte, dass er sie beschützen wollte, so war es doch nicht richtig in meiner Sicht, dass er nun für sie büßen sollte. Nicht so. "Die Entscheidung, mit wem sie liegt, ist allein die ihre, und wenn sie sich dafür entscheidet, bei Dir zu liegen, ist ihr dies überlassen. Wenn sie sich entscheidet, mich zu belügen, ist auch dies ihre ureigenste Entscheidung, ihr Wille. Und ich glaube nicht, dass sie wollte, dass Du für etwas Strafe erhältst, das sie tat. Würde sie dies wollen, wäre sie Deine Gefühle in nichts wert."

    "Es bedeutet vor allem, dass Du und Severus Teil meines Haushalts seid, Teil meiner Familie - ich denke, in Deiner Heimat spricht man von eine Sippe - und dass ich als der pater familias derjenige bin, der für diesen Haushalt entscheidet. Natürlich fehlt Dir etwas, das Dich von peregrinae oder einer Bürgerin unterscheidet - Deine Freiheit - aber ansonsten wirst Du in meinem Besitz andere Möglichkeiten erhalten, die andere Menschen in ihrem Leben niemals erblicken werden. Würde Dich Dein Vater oder der Sippenälteste nicht für eine Lüge bestrafen? Würdest Du nicht auch Aufgaben innerhalb Deiner Familie erfüllen müssen? Wärst Du nicht gehalten, Dein Können für das Wohl der Familie mit einzubringen, so gut Du kannst? Und wenn Du Dich bewährst, so steht es mir immernoch frei, Dir die persönliche Freiheit zurückzugeben, dann trägst Du meinen Namen, der öffentlich kennzeichnet, wie sehr Du Dich ausgezeichnet hast. Einige der reichsten Männer in dieser Stadt sind ehemalige Sklaven, Freigelassene - die durch Klugheit und Loyalität ihren Herren gedient haben und dann freigelassen wurden. Ich erwarte Ehrlichkeit und Gehorsam, und gleichzeitig hast Du mein Wort darauf, dass ich dafür sorgen werde, dass Du hier angenehm lebst, dass Deine Aufgaben keine bittere Arbeit sein werden. Ich habe Dich nicht gekauft, um Dich zur Konkubine zu machen, ich habe Dich gekauft, weil ich Deinen Mut bewunderte und es mir als zu schade vorkam, diesen Mut zu verschwenden, an irgend ein lupanar oder Schlimmeres." Ruhig hatte ich gesprochen, die Worte bedacht formuliert, die sie ohnehin sicherlich nicht so empfinden würde, wie ich es meinte, aber letztendlich würde sich dies nicht ändern lassen.


    Kurz strich ich ihr mit einer Hand über ihre Wange, bevor ich mich wieder zurücksinken ließ. Dass wir eine Grundsatzdiskussion über Freiheit und Gehorsam beginnen würden, hätte ich auch nicht erwartet. "Nein, Lachse haben wir hier nicht, diese Fische müssen gefangen und gepökelt importiert werden. Aber wir haben andere Fische, Süßwasserfische, die sehr delikat schmecken. Ich habe mir eine Fischzucht gekauft und sie macht einen guten Gewinn, Rom schätzt frischen Fisch ... wenn Du willst, kannst Du mich auch einmal dorthin begleiten. Aber der Fischfang am Meer ist immernoch spannender, und vor allem schöner." Kurz lächelte ich bei der Erinnerung an die Fahrten in diesem kleinen, schon mehrfach geflickten Boot, und an die langen Stunden der stillen Gedankenwanderung, während man darauf wartete, genug einzuholen ... ja, es war ein ganz anderes Leben gewesen.

    Severus kam mir wie verandelt vor - der sonst so aufsässige Germane schien in Bridhes Gegenwart zahm wie ein Lämmchen, nunja, fast die meiste Zeit über jedenfalls - und ich empfand diese Verwandlung als nicht unangenehm. Letztendlich brachte zumeist eine neue Liebe andere Schwerpunkte in das Leben eines Mannes, und auch hier schien die uralte Macht der Venus wieder ihr Übriges getan zu haben. So nickte ich den beiden einfach nur zufrieden zu und griff, nachdem sie beide hatten, was sie brauchten, wieder nach meiner Schriftrolle und meinte dann: "Genießt den Abend, ihr beiden," bevor sie sich aufmachten, den Auftrag auszuführen. Schnell war ich wieder in der Welt der Schriftstücke versunken, die es immer wieder schafften, meine Aufmerksamkeit zu fesseln - und alle Gedanken an eventuell schief gehende Dinge bei dem Auftrag ließen sich damit auch hervorragend unterdrücken.

    Ihrer nun doch etwas sauren Miene war zu entnehmen, dass sie wohl nicht so begeistert von dem Gedanken war, dass die vermeintlich bequeme Arbeit im cultus deorum in eine anstrengende Täötigkeit ausartete - aber daran bemaß sich auch, wer es wirklich ernst meinte mit seinem Wunsch, den Göttern zu dienen.
    "Wenn Du Dich zum templum Martis Ultoris bringen lässt, wird man Dir dort sicherlich den Weg zum Unterrichtsraum weisen - so viel auswahl gibt es nun auch wieder nicht," meinte ich mit einem Schmunzeln auf den Lippen. "Dann kann ich Dich also morgen früh als anwesend erwarten?"

    Ihre gute Laune schien zurückgekehrt, und das liess mich ein wenig entspannter liegen. Ich mochte es nicht unbedingt, von sauren Mienen umgeben zu sein, und gerade in meinen privaten Räumen störte mich so etwas besonders - es war schon anstrengend genug, sich tagtäglich die Sorgen anderer anzuhören. Dass sie dann aber so von dem Ausflug zum Meer begeistert schien, ließ mich kurz lächeln.
    "Das mare internum ist nicht ganz so stürmisch, denke ich," relativierte ich ihre Erwartungen vorsichtig. Zumindest in der Gegend um Ostia war es zu dieser Jahreszeit nicht ganz so durcheinander, wie es anderswo sein mochte. "Warum ich was mache?" Die Verblüffung war mir sicherlich anzuhören, was genau wollte sie nun eigentlich wissen? Aus Frauen würde ich niemals wirklich schlau werden, soviel war sicher. Severus' Abscheu vor Römern und Einstellung generell zum Leben war bedeutend vorhersehbarer als Bridhes schwankende Stimmungen.


    "Glaubst Du denn, der Herr einer Sklavin zu sein bedeute allein, sie herumzukommandieren und ihr zu sagen, was sie zu tun hat?" hakte ich schließlich nach, als mir aufging, dass sich die Frage nicht allein auf den Ausflug beziehen musste. "Man übernimmt, wenn man einen Sklaven kauft, immer eine Verantwortung für sein oder ihr Wohlergehen, für die Entwicklung, für alles, was das tägliche Wohl betrifft. Es mag jene geben, die einen Sklaven als eine Art besseres Haustier betrachten, aber das war nie die Art meiner Familie. Ich möchte, dass Du Dich hier wohl fühlen kannst, dass Du nicht auf Dinge verzichten musst, die Dir das Leben angenehmer gestalten. An Deinem Stand lässt sich vorerst nicht viel ändern, aber es heisst nicht, dass Dein Alltag schrecklich sein muss. Du hast darin ebenso eine Wahl wie ich sie habe." Eine kurze Pause kehrte ein, dann fügte ich an: "Außerdem mag ich das Meer auch."

    Die Zeit verstrich, und mit ihr auch die Flamme des Lebens, welche unsere gens immer hell erleuchtet zurückgelassen hatte. Zu viele waren in der letzten Zeit gestorben, zu viele verlorene Leben, denen man weder Einhalt gebieten konnte noch sie durch den Schmerz der Zurückgebliebenen zurückbringen. Sicher, nahe war ich nicht mit ihr verwandt gewesen, aber Gracchus' Schmerz war fast körperlich zu spüren gewesen, sie, die er so sehr verehrt hatte, zu verlieren, musste ungleich schrecklicher gewesen sein als der Verlust seines zweiten Selbst in Form seines Bruders.
    Warum schienen die Götter uns in der letzten Zeit so sehr zu strafen? Warum nahm man einen Flavier nach dem anderen, sollte dies ein Zeichen sein, dass die Macht unserer gens schwinden würde? Ich würde diesen Gedanken beizeiten mit Gracchus besprechen müssen, wenn wieder etwas Ruhe eingekehrt war, denn auch er würde verstehen, was ich meinte, als Priester sprachen wir bei solchen Dingen auf gleicher Augenhöhe. Es bedurfte nicht vieler Worte, um demselben Gedanken zu folgen.


    Jenen süßlichen Geruch hasste ich, denn er stand wie nichts anderes für den Verlust. Weihrauch, der für Opfer im Tempel gebraucht wurde, roch anders, oder bildete ich mir dies nur ein, ein Produkt einer überreizten Phantasie? Langsam trat ich an Gracchus' Seite, nicht zum ersten Mal bei einem solchen Anlass. Er mochte verheiratet sein, Brüder und Schwestern haben, doch in solchen Momenten war ich es, der ihm zur Seite stand, niemand sonst. Wer wollte schon Trauer und Schmerz teilen müssen?
    In unserer Trauer waren wir doch stets fast gänzlich alleine. Auch Serenus war anwesend, wie es sich gehörte, und seine aufrechte Haltung ließ vermuten, dass dieser Teil seiner Erziehung nicht vernachlässigt worden war wie manch anderer, er machte sich sehr gut und wirkte mit dem Ernst in seinem Gesicht deutlich reifer, als er sich sonst benahm. Ich nickte auch ihm leicht zu, als ich Gracchus erreicht hatte, und betrachtete die Leichenbahre, auf der ein Leichnahm fehlte - wieder verloren sich meine Gedanken, als ich mit den anderen wartete, schweigend, wie es eines Römers angemessen war.

    Ein Mann in meiner Position? Ich überlegte kurz, sie darauf hinzuweisen, dass ich noch nicht der römische Kaiser sei, aber im Anbetracht ihrer ausgesprochen eifrig wirkenden Miene verkniff ich mir den Kommentar, es schien mir einfach gesünder. Eine Frau im Kaufrausch konnte zur furchtbaren Furie werden, das zumindest hatten mich meine bisherigen Erfahrungen gelehrt. Drei Dinge durfte man auf keinen Fall tun, wenn man einen Einkauf mit einer Patrizierin überleben wollte - ohne Sklaven mitkommen, denn sonst schleppte man sich an dem ganzen Kram, den sie einkauften, halbtot; darauf hinweisen, dass man nicht Rom, sondern nur einige Tuniken kaufen wolle; und zu guter Letzt in irgendeiner Form gelangweilt zu wirken - es hatte zwischen meinen Eltern zu ernsthaften Streitigkeiten geführt, an die ich mich nicht gern erinnerte. Nicht zuletzt deswegen hatte mein Vater unser Zuhause gemieden, wenn meine Mutter angekündigt hatte, es müssten mal wieder Stoffe angeschafft werden.


    "Bei Dir bin ich wirklich in den besten Händen, was diese Art von Einkauf angeht," bemerkte ich, als sie mich am zweiten, anscheinend nicht geeigneten Laden vorbeischleppte - für mich sah der Laden genau so wie der erste aus, ich hätte beim besten Willen keinen Unterschied feststellen können. Ein nicht allzu kleiner Teil von mir hoffte, ihr würde die meinen Worten zugrunde liegende Ironie entgehen - falls nicht, würde ich zweifelsohne die nächste Zeit damit zubringen, mir einen erbosten Vortrag über Kleidung anhören zu müssen. Im Grunde war ich nicht einmal schlecht auf die Ehe vorbereitet. Das grässliche Zusammenleben meiner Eltern hatte mich alle möglichen Höhen und Tiefen zwischen Mann und Frau schnell erkennen gelehrt.


    Der dritte Laden war ihr schließlich recht, und wieder gab es auch hier einen verkaufstüchtigen Händler, der uns sehr richtig als finanzstarkes und kaufwilliges Paar identifizierte, ich sah es dem Kerl direkt an. "Wir haben eine reichhaltige Auswahl an exclusiven Stoffen," lockte er auch gleich mit einem entsetzlich schleimigen Unterton in Antonias Richtung. Ihr Götter! dachte ich und unterdrückte mein Seufzen gekonnt. "Wenn Du meinst," sagte ich schließlich. Immerhin, eine Toga zu besitzen, die es sonst in Rom nirgends gab, das war ein Gedanke, mit dem selbst ich mich anfreunden konnte. "Aber bitte kein zu auffälliges Muster, ich will nicht wie Crassus herumlaufen."

    Dass sie ein Amulett unter dem Bett versteckt gehabt hatte, überraschte mich dann doch - aber im Grunde durfte es mich nicht wundern, war das doch eine fast typisch weibliche Angewohnheit, überall und an jeder Ecke irgendeinen nutzlosen Tand auszustreuen. Auch meine Mutter hatte dieser Unsitte gefröhnt, und nicht nur einmal hatte ich als Junge den ganzen Kram unter meiner Matratze hervorgekramt und weggeworfen - um dann übel ausgeschimpft zu werden. So hatte ich eine gewisse Übung darin, nicht allzu unerfreut auszusehen, als sie mir das Ding überreichte - zumindest als Handarbeit war es hübsch anzusehen, offensichtlich hatte sie geschickte Finger. Vielleicht würde es sich lohnen, sie ein Handwerk lernen zu lassen - etwas, wofür man eine gute Fingerbeherrschung benötigte. Beispielsweise das Mischen von Düften oder etwas in der Art, solche Kenntnisse waren immer gefragt.


    "Danke," sagte ich und betrachtete das 'Sonnenrad' eingehender. Nunja. Wenn es sie beruhigte, warum nicht. Frauen waren, was solche Dinge anging, ohnehin sonderbar. "Sei so gut und leg es auf den Tisch am Fenster, damit es hier nicht herunterfällt," meinte ich nach einer Weile und reichte es ihr zurück. Direkt neben dem Bett musste ich so etwas wirklich nicht haben, es würde sich noch ein Platz dafür finden lassen, damit es nicht im Weg war. Wie immer ein Kompromiss, wie ich ihn auch schon mit meiner Mutter letztendlich hatte eingehen müssen. Vielleicht sollte ich eine Mars-und-Venus-Statuette aufstellen lassen, beizeiten.
    "Was Deine Kleidung angeht, bin ich nicht zufrieden, in den nächsten Tagen werden wir dem abhelfen und dich neu einkleiden, wie es diesem Haushalt angemessen ist."

    "Es ist wahr," meinte ich amüsiert. "Wir werden in der nächsten Zeit einmal einen kleinen Ausflug nach Ostia unternehmen, und da werde ich Dir meinetwegen zeigen, wo ich damals gelebt habe. Es ist eine lange Geschichte, und eine sehr verwirrende noch dazu - vielleicht erzähle ich sie Dir einmal, irgendwann." Dann deutete ich auf die Narben auf meinem rechten Unterarm, die noch nicht allzu alt sein mochten. "Auch dies habe ich aus meiner Zeit als Fischer behalten - aus einem Kampf gegen Räuber, die versuchten, uns unseren Fang abzunehmen." Still blickte ich auf meinen Arm herunter, die Bilder niederkämpfend, die sich mit diesen Narben verbanden. Orestilla, ihr Lachen, die einfachen Freuden eines einfachen, harten Lebens, geprägt von Sorgen, aber auch von einem Gefühl der familiären Gemeinschaft, das es in der Welt der Patrizier nicht gab. Kurz presste ich die Lippen aufeinander, verbannte die Gedanken mit einem Ausatmen in den hintersten Winkel meiner Erinnerung und blickte ihr nach, als sie sich erhob.


    "Wenn es Deinem Glauben entspricht, kannst Du Dir ein solches Sonnenrad flechten und über Deinem Bett anbringen," sagte ich schließlich. "Solange Du die römischen Götter respektierst, werde ich Deinen Glauben ebenso respektieren, das ist die Art unseres Volkes, und so war es stets. Der Schutzherrin der Künste zu dienen ist gewiss kein schlechter Weg." Ich würde sie wohl einmal in unsere Tempel mitnehmen müssen, damit sie den römischen Glauben kennenlernte, und letztendlich war es wohl auch nicht verkehrt, ein bisschen mehr Schutz und Hilfe zu haben.


    In der Truhe, die sie geöffnet hatte, lag ein schlichter Kasten - ein Holzkasten, dessen Deckel die Aufschrift BRIDHE in lateinischen Buchstaben aufwies, sauber eingetrieben durch eine kundige Hand. Im Kasten selbst befanden sich zwei Wachstafeln, wie sie von jedem Schreiber in Rom benutzt wurden, daran jeweils ein stilus befestigt, der Griffel, mit dem man die Buchstaben in das Wachs schrieb.
    "Es ist von Vorteil, wenn Du Lesen und Schreiben lernst, wie es derzeit auch Severus tut - eine der Wachstafeln ist für Dich, um zu üben, die andere ist für Severus bestimmt. Du wirst sie ihm morgen geben und dann gemeinsam mit ihm in der Bibliothek lernen und üben." Welche der beiden Tafeln für wen bestimmt war, verriet eine schlichte Aufschrift auf der jeweiligen Rückseite. "Der Kasten selbst ist Dein Eigentum und für die Dinge bestimmt, die Dir gehören und gehören werden. Ich halte wenig von der Sitte, einem Sklaven keinen Besitz zu gestatten, und mit der Zeit sammeln sich immer irgendwelche kleinen Dinge an, die man nicht wegwerfen will und die ansonsten nur herumliegen."

    Ich hob den Blick, als die beiden das atrium betraten - und amüsanterweise boten sie mir einen ausgesprochen ianusgefälligen Anblick. Severus bestens gelaunt, und Bridhe ein wandelnder Schatten. Haderte sie immernoch mit der Strafe, die sie berechtigterweise erhalten hatte? Nun, Frauen ihres Volkes sagte man seltsame Stimmungsschwankungen nach, was wunderte es mich also. Ich beschloss, auf diese üble Laune nicht einzugehen - zudem war ich zu erfreut über Severus' anscheinendes Bemühen, sich mit Schrift und Sprache vertraut zu machen, seine tintenfleckigen Finger verrieten den Eifer - und nickte den beiden wohlwollend zu.


    "Ihr erinnert euch sicher an die Feierlichkeiten in der villa der gens Aurelia," hob ich an und verbannte die Erinnerung an dieses furchtbare Theaterstück in den hintersten Winkel meiner Gedanken. "Ich habe diese Einladung nicht ohne einen Hintergedanken angenommen, denn für mich wird es, wie für einen jeden Römer in einem gewissen Alter, Zeit, mir eine angemessene Braut zu suchen, die an meiner Seite alle Pflichten wahrnimmt, die uns Patriziern auferlegt sind." Lange Rede, kurzer Sinn, dachte ich mir. Begann ich mich jetzt schon bei eigenen Reden zu langweilen? Keine gute Aussicht für einen angehenden Politiker.


    "Ich möchte, dass ihr beide heute zur villa Aurelia geht und dies hier," damit deutete ich auf einen Holzkasten, der mit Perlmuttintarsienarbeiten und Schnitzereien reich verziert war und auf einem Beistelltischchen lagerte, "an Aurelia Prisca übergebt, als ein Zeichen meiner Aufmerksamkeit ihr gegenüber. Bridhe, Du wirst diese Aufgabe übernehmen und ihr zudem einen Brief von mir übergeben - Severus, Du wirst für Bridhes Sicherheit sorgen. Der Inhalt ist wertvoll, und ich fände es ausgesprochen unangenehm, einen von euch oder das Geschenk selbst an irgendein Gesindel in den Straßen Roms zu verlieren." Damit legte ich die Schriftrolle beiseite, löste von meinem Gürtel einen Beutel mit klimperndem Inhalt - hundert Sesterzen - und warf ihn in Severus' Richtung. "Den Rest des Tages könnt ihr beide euch frei nehmen, das Geld hier könnt ihr ausgeben, wie ihr möchtet."


    Die Hände ineinanderlegend, blickte ich die beiden einige Momente lang ernst an. "Es ist ein wichtiger Auftrag und ich möchte, dass ihr das ernst nehmt. Entgleisungen wie die auf dem Fest sollte es diesmal nicht geben, denn das Ansehen der gens Flavia darf unter solchen Dingen nicht leiden. Wenn diese Verbindung zustande kommt, wird es eine der wichtigsten Hochzeiten des Reiches werden, da sie zwei lange Zeit sehr voneinander entfernte Familien zusammenführen wird - eine politische Verbindung. In sofern tut euer Möglichstes, einen guten Eindruck bei Aurelia Prisca und dem Haushalt der villa Aurelia zu hinterlassen."

    Ihre Miene zeigte recht deutlich an, was sie denken mochte - ja, sie haderte wie alle frisch gefangenen Sklaven mit ihrem Schicksal. Wahrscheinlich war es ein Fehler gewesen, sie zu kaufen, letztendlich wurden Menschen, die in Freiheit geboren worden waren, selten mit einem solchen Schicksal glücklich, und jene, die ihr Leben lang daran gewöhnt waren, den Schutz und die Sicherheit einer reichen gens zu genießen, stellten es viel weniger in Frage.
    "Vielleicht erfüllen Dir die Götter nicht immer den größten Wunsch, den Du haben magst, Bridhe, denn dann wären sie kaum jene, die uns anleiten, die uns zu Taten inspirieren - sondern nur jene, die uns einen bequemen Weg ebnen, an dem wir nichts lernen, nichts erkennen. Ich habe eine ganze Zeitlang als Fischer gelebt, ohne zu wissen, wer ich war, jeden Tag hinaus zu fahren, Fische zu fangen, um eine Familie zu ernähren - nie hätte ich mir das erträumt, nie hätte ich zuvor gedacht, dass so etwas möglich wäre. Aber ... vielleicht gibt es inmitten aller dunklen Dinge auch etwas Helles. Etwas, das es lohnt, voranzuschreiten." Damit deutete ich träge in Richtung meiner Kleidertruhe. "Ich habe etwas für dich mitgebracht - schau in die Truhe und hol es Dir ruhig."


    Zumindest war sie in dieser Sache deutlich klüger und bedachter als Severus - er hätte mich wieder in eine dieser unsäglichen 'ihr gemeinen Römer' Diskussionen verwickelt, sie schien zu ahnen, wann es besser war zu schweigen. "Erzähle mir von Deiner Göttin, Bridhe, denn von ihr weiss ich bisher noch nichts." Zudem schickte es sich für einen Priester, über andere Kulte Bescheid zu wissen, selbst wenn es nur der Glaube einer Sklavin war.

    Gemächlich schlüpfte ich auch aus der Tunika und warf sie irgendwohin in den Raum, die Sandalen waren längst auf dem Boden gelandet - es war Bridhes Angelegenheit, das Ganze aufzuräumen, wenn sie am morgen aufgestanden war, und ich legte mich schließlich wieder bequem zurück, den Kopf ihr zugewandt, als sie mir den Liedtext übersetzte. Allzu fröhlich war er wahrlich nicht, aber das hatte schon der Klang des Liedes selbst angedeutet, und schätzungsweise war das ihre Art, mir mitzuteilen, dass sie mit ihrem Leben derzeitig nicht unbedingt glücklich war. Aber wer war schon beständig und dauerhaft glücklich in seinem Leben? So etwas gab es meiner Erfahrung nach nicht, und damit musste man zurecht kommen.


    "Du solltest nicht zu sehr um Deine Jugend weinen, Bridhe," sagte ich nach einer Weile nachdenklich. "Du bist jung, schön, und es steht Dir noch vieles offen, das Du vielleicht nicht ahnst. Die Welt ist längst nicht so traurig, wie sie Dir scheinen mag, auch wenn es bisweilen so aussieht. Niemand kennt das Morgen wirklich, und niemandem ist es vergönnt, das Morgen wirklich zu bestimmen, das liegt allein in den Händen der Götter. Kennst Du unsere Götter, Bridhe?"
    Zweifelsohne war sie eine Anhängerin einer dieser seltsamen Naturgottheiten, wie es bei Menschen ihres Volkes oft der Fall war - aber solange sie an den Göttern Roms nicht frevelte, war es mir gleich, was sie glaubte, woran sie glaubte, so hatten wir Römer es immer gehalten. Nur wer die römischen Götter leugnete, musste mit Konsequenzen rechnen.

    "Ich bin sacerdos publicus," meinte ich gelassen. "Die fünfhundert Sesterzen Gebühr sind noch aktuell, nehme ich an?" Dann begann ich in einer Falte meiner toga zu kramen, denn was man gleich erledigen konnte, sollte man nicht verschieben - und was Geldangelegenheiten anging, erledigte ich die lieber sofort.