Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    "Äh ja, Großmutter ..." Unsere Familienverhältnisse, so verworren und diffus wie stets, hatten mich wieder einmal auf den Holzweg geführt, aber was machte es schon, Agrippina war Serenus so nahe gewesen, dass die Grenzen zwischen Mutter und Großmutter sicherlich verwischt waren. Wie auch immer, sie hatte eindeutig zuviel Einfluss auf ihn ausgeübt, und sicherlich nicht nur zu seinem Vorteil. Kaiser zu werden mochte für einen Patrizier ein hohes Ziel sein, aber man sollte sich stets vor dem Fehler hüten, es zu laut auszusprechen.
    "Sie waren ineinander verliebt, Manius, das war meines Erachtens nach der einzige Fluch, an dem sie litten. In Arrecinas Alter ist es nicht erstaunlich, sich in einen stark wirkenden Mann zu verlieben, und dass Rutger alle Gelegenheiten nutzte, seinen Vorteil zu erhalten, dürfte ebensowenig erstaunen. Sie ist nicht die erste Frau, die sich in einen Sklaven verliebte, und er ist sicher nicht der letzte Mann gewesen, dem dies zu schmeicheln wusste." Ich hob etwas die Schultern, mehr gab es für mich zu dieser Sache im Grunde nicht zu sagen, es war gewöhnlich genug, und es passierte Tag für Tag.


    "Ach Manius, nimm dies doch nicht so schwer. Nicht jedes unschuldig wirkende Geschöpf ist dies auch, das ist alles - und auch Patrizierinnen sind vor unpassenden Liebschaften nicht gefeit. Glaube mir, ich bin nicht ohne Grund misstrauisch, wenn mir die Unschuld einer Frau beschrieben wird, die meiste Zeit steckt recht wenig dahinter - ebensowenig, wie die meisten als tugendsam beschriebenen Männer dies wirklich sind. Die meisten verstecken ihre Untugenden nur sehr geschickt. Nimm den Menschen ihre Schwächen nicht zu krumm, Manius, es ist einfach viel zu oft viel zu leicht, schwach zu sein und Fehler zu begehen. Niemand ist perfekt, Perfektion ist allein den Göttern vorbehalten."
    Es war eine traurige Einsicht, aber doch eine realistische, und ein wenig wunderte ich mich schon, dass sich mein Vetter bisher anscheinend seinen Glauben an die Menschheit bewahrt hatte - bei alledem, was ihm bisher zugestoßen war, war das höchst erstaunlich. Aber vielleicht gehörte er auch zu den Menschen, deren Hoffnung schwer zu zerstören war - ich war über diesen Punkt allerdings inzwischen weit hinaus.

    Ich bemerkte nur aus den Augenwinkeln, wie die Sklavin dem Befehl meines Freundes folgte, und ließ mir selbst von ihr nachfüllen, ein solches Gespräch über Zukunft und Vergangenheit verlangte einfach nach Wein, und noch mehr, nach bedingungsloser Offenheit. Wann blieb einem Patrizier denn die Freiheit, einem anderen zu vertrauen? Wann durfte man wirklich ehrlich sein, ohne zu tief bereuen zu müssen? Ich konnte es nur auf die Probe stellen und hoffen, mehr blieb mir nicht, und auch ihm nicht.
    "Mein Vater hat leider nicht die vorausschauende Art des Deinen besessen, mir Steine aus dem Weg zu räumen, ich darf hingegen gegen sein Erbe und den schlechten Ruf meines Familienzweigs ankämpfen, wo immer ich stehe - letztendlich kommt es doch wohl eher an, dass man sich seinen Weg wählt und ihn nach bestem Können und Wissen beschreitet. Wann immer ich einen Blick meiner Ahnen spüre, ist es eher der Unwillen meines Vaters, dass ich nicht der große Politiker wurde, wie er es sich gewünscht hat, und die Nachsicht meiner Mutter. Indes, bei Dir und den Deinen dürfte es anders sein, und ich kann gut verstehen, dass Dir dies wie eine große Last vorkommen muss, gibt es doch sonst kaum einen Mann Deiner Familie, der sich in irgendeiner Form ausgezeichnet hätte, und die Last der Verantwortung für mehrere Frauen und Vetter liegt auf Dir."


    Ruhig legte ich ihm meine Hand auf die Schulter und lächelte ihm aufmunternd zu. "Meine Mutter sagte mir einst, ein Mensch erhielte von den Göttern immer das rechte Maß an Last, um ihn zu prüfen, und auf dass er sich daran verbessere. Wärst Du ohne Zweifel, ohne Furcht, würdest Du Fehler machen und diese nicht einmal sehen, die Zweifel sorgen für sorgfältigere Vorausplanung und genaueres Besinnen auf die wichtigen Punkte eines Plans. Ich denke, wenn diese Last Dir gegeben ist, dann nicht ohne Grund, und auch nicht ohne die Möglichkeit, daran zu wachsen und reifer zu werden. Bedenke, was Du vor zwei Sommern warst, und was Du nun bist - der Familienvorstand, ein geachteter Mann, der glücklich verlobt ist und dem alle Türen offen stehen. Du wirst sicherlich Deinen Weg machen, auf Deine Weise, und wenn diese nicht hunderprozentig dem entspricht, was Dein Vater getan hätte, wirst Du damit leben müssen, dass es ihm vielleicht nicht recht ist - hast Du Erfolg, wird er Dir recht geben müssen. Und ich bin mir sicher, dass Du die Kraft, die Intelligenz und das rechte Herz hast, um Erfolg zu haben." Meine Worte klangen sicher und überzeugt, und so war ich auch sicher, dass er sich der Verantwortung als wert erweisen würde, die er trug - immerhin war er, wer er war, und er hatte schon vieles erreicht. Doch auch der stärkste Mensch brauchte bisweilen einfach etwas wohlmeinenden Zuspruch.

    Edikt? Was für ein verdammtes Edikt? Ich blinzelte mehrfach und versuchte mich daran zu erinnern, ob mir ein solches in den letzten Wochen irgendwie untergekommen war - und ich konnte mich keines Momentes entsinnen, in dem ich über dergleichen nachgedacht hätte, geschweige denn davon erfahren. Dass dieser Mann sicher nicht zum Privatvergnügen hergekommen war, verriet der amtliche Ton samt Uniform. Innerlich seufzte ich. Ich hätte der Tagspolitik hier wirklich mehr Beachtung schenken müssen - und würde dies zweifelsohne auch in Zukunft tun müssen, um solche Sachen zu vermeiden.
    "Nun, Du kennst sicherlich die geschäftlichen Gegebenheiten in Roma - und auch, dass es bisweilen etwas länger dauert, einen Betrieb angemessen an den Mann zu bringen. Derzeit ist der Mark überschwemmt von ehemals patrizischen Betrieben, und obwohl ich sowohl zuerst versucht habe, im Bekanntenkreis und dann öffentlich meine Betriebe zu veräußern, geht dies doch leider nicht von heute auf nachher, wenn man nicht gerade mit großem Verlust an einen Preisdrücker verkaufen will. Ich achte das ausgegebene Edikt in jedem Fall, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der praefectus urbi dabei im Sinn hatte, die Patrizier per se zu enteignen. Wer mit zuviel Hast an ein Geschäft geht, verdirbt es meist. Kann ich Dir etwas zu trinken anbieten?" Mit einem leisen Zorn dachte ich an den unverschämten Caecilier, der, einer Schmeißfliege gleich, die Situation wohl auszunutzen gedachte, um meinen Betrieb unter Wert zu erwerben.

    "Dido mag eine wunderschöne Frau gewesen sein, doch welches Schicksal traf sie? Der reisende Aeneas verließ sie, und der Schmerz, den sie dadurch erfuhr, sollte Dir erspart bleiben. Zudem, wärest Du Dido, und wäre ich Aeneas, so wäre ich sicherlich in Carthago geblieben, und dem römischen Volke wäre eine viele Jahrhunderte dauernde Feindschaft erspart geblieben, falls es überhaupt existiert hätte," gab ich schmunzelnd zu bedenken, denn mir diese reizvolle Frau als Selbstmörderin vorzustellen war ein abwegiger Gedanke, sie schien so vom Leben erfüllt zu sein. Vielleicht war sie wie die meisten Patrizierinnen ein wenig überspannt, vielleicht tändelte sie ja auch wie so manche junge Frau mit der Vorstellung eines romantischen Todes aus Liebe, aber das war nichts, womit ich mich würde jemals anfreunden können. Die Liebe war schlimm genug, man sollte sich deswegen nicht auch noch etwas antun - wohl wissend, dass ich selbst schon aus reiner Verzweiflung über eine unerfüllbare Sehnsucht auf dem tarpeischen Felsen gestanden hatte.


    Vielleicht hätte ich nicht erwähnen sollen, dass ich Priester war, denn es brachte sie auf den denkbar unpraktischsten Gedanken, den man des Nachts haben konnte - 'lass uns einfach noch ein bisschen hier herumlaufen, damit die restlichen herumlungernden Schurken uns auch bemerken, und dann spielen wir noch ein bisschen mehr mit unserem Leben' - aber gesagt war gesagt. "Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Claudia Callista, es ist sehr erstaunlich, wen man des nachts doch bisweilen treffen kann. Zudem dies eine der angenehmen Überraschungen ist, die, wie Du sicher weisst, leider nur sehr selten geschehen. Allerdings, wenn dies ein Zeichen der Götter ist, meinst Du nicht, dass wir unsere Suche auch tagsüber fortsetzen könnten? Denn es dürfte wenig Sinn tragen, wenn wir glücklich genug sind, das Mausoleum zu finden, um dann von irgendwelchen Straßenräubern niedergestochen zu werden." Aber irgendwie hatte ich das vage Gefühl, dass meine Worte - wie sie es bei eigensinnigen Frauen so gern taten - überhört werden würden, denn sie schien mir doch einen sehr starken eigenen Willen zu besitzen. Wider Willens musste ich zugeben, dass mir das gefiel, denn eine Frau, die 'nur' schön war, aber ansonsten nichts an sich hatte, das einen zu fesseln vermochte, verströmte in etwa den Charme einer vollendet gehauenen Marmorbüste, doch nicht mehr.


    Die Opfergaben hatte sie auch noch vergessen - es war doch ein Kreuz mit diesen jungen patrizischen Damen, die in ihrer Gedankenwelt bei Sagenheldinnen schwebten, aber das Wesentliche vergaßen. ich zwinkerte ihrer sicherlich leidgeprüften Sklavin aufmunternd zu, bevor ich mit all meiner mühsam zusammengerafften gravitas verkündete:
    "Nachdem ich das Gefühl gewonnen habe, Dich ohnehin nur dadurch von Deinem Vorhaben abbringen könnte, indem ich Dich mir kurzerhand über die Schulter würfe - und ich fürchte, das würde ich nicht überleben - werde ich Dir zur Seite stehen, auf das Schlimmeres verhindert werden möge. Würden es wilde Rosen auch tun oder bestehst Du auf einheitlichem, geradem Wuchs?"
    Frauen würden irgendwann noch mein Verderben sein. Ein vergnügliches Verderben sicherlich, aber ohne Zweifel, ein Verderben.

    Der Tag war einigermaßen lang gewesen, und meiner Gewohnheit folgend, bis spät in die Nacht hinein noch zu lesen, um müde zu werden, hatte ich wieder einmal zuviel Zeit mit meinen Büchern verbracht. Dabei war mir vollkommen entfallen, dass in dieser Zeit Bridhe sicherlich schon gewartet hatte, um meinem Wort vom heutigen Nachmittag Folge zu leisten - sie fiel mir erst wieder ein, als ich die Türe zu meinem cubiculum sah und darauf zu trat. Nun, ein klein wenig Geduld zu üben, konnte ihr nicht schaden, war nicht zuletzt Geduld die Tugend der Kaiser? So mochte es auch einer Sklavin nicht allzu schlecht bekommen. Ich drückte die Tür auf und blickte in meinen privaten Raum hinein, konnte sie aber nicht sofort ausmachen - andere Sklaven hatten aufgeräumt und alles so gerichtet, wie ich es zu schätzen wusste, zwei einsame Öllampen erhellten mein cubiculum nicht zu sehr, denn um diese Stunde waren meine Augen müde und ich mochte zu grelles Licht nicht mehr.


    "Bridhe? Bist Du hier?" ließ ich mich vernehmen und straffte meine Gestalt, um nicht so müde auszusehen, wie ich mich fühlte. Es war seltsam, nach so langer Zeit alleine wieder jemanden in diesem Raum zu haben, und sei es nur, um mein leeres Bett zu füllen, dass ich ruhiger schlafen konnte. Es wurde wohl wirklich Zeit, mir endlich eine Frau zu suchen, dachte ich bei mir und war heilfroh darum, dass diese Gedanken niemand lesen konnte, klang ich doch bald wie ein frustrierter alter Mann, der ich noch lange nicht war. Ich ging weiter in mein Zimmer hinein und blickte mich nach ihr um.

    Von einem einfachen Gespräch kippte die Stimmung ausgesprochen schnell in etwas undefinierbares - hatte ich etwas falsches gesagt, dass ihr plötzlich die Tränen in den Augen standen? Wenn es etwas gab, mit dem ich nicht so leicht fertig wurde, dann waren es weinende Frauen, sie taten es viel zu oft und viel zu gerne, und immer musste man raten, ob es nun ein ernstes Problem war, das sich hier äußerte, oder nur eine vorübergehende Laune. Frauen waren, wie ich mal wieder feststellen musste, einfach ein Rätsel ohne dazugelieferte Auflösung. Wenngleich dieses Rätsel mit beiliegender Auflösung nur halb so interessant gewesen wäre.


    "Weine doch nicht. Was immer es ist, Du wirst sehen, morgen schon sieht die Welt wieder anders aus," hörte ich mich in freundlichem Ton sagen - in etwa in dem Tonfall, wie man auf ein Kind einredete, das sich eine Schramme am Knie geschlagen hatte - und blickte sie dann direkt an. "Heute abend wirst Du zu mir kommen, Bridhe," führte ich fort, um sie abzulenken, bedeutete ihr den Zeitpunkt anhand des Sonnenstandes und damit, dass dann die Sonne weg sein würde. "Weisst Du, wo mein cubiculum ist?"

    Und so, als die neue Sklavin im Haushalt noch dabei war, alles zu verinnerlichen, was ihr an diesem Tag gesagt worden war, schob Cungah sie kurzerhand wieder in Richtung ihres Quartiers, was ihr aufgrund deutlich größerer Körpermasse nicht allzu schwer fallen sollte - einmal in Schwung gekommen, war sie kaum mehr aufzuhalten, ausser sie wollte aufgehalten werden.
    "Jetzt aber musste schlaf'n, Schätzchen, hast sicher einen langen Tag gehabt, und morgen musste früh raus, wie wir alle hier," erklärte die Nubierin mit dem Brustton der Überzeugung, gewonnen in vielen Jahren des Dienstes für das flavische Haus. "Morgen isste mit uns zusammen das erste Mal und dann machen wir Dich wieder hübsch, dasste Deinem Herrn auch gefällst, ja?" Fröhlich plappernd ließ Cungah nicht nach, bis sie nicht die Tür zu Bridhes neuem Quartier erreicht hatten, die allerdings verschlossen war, anscheinend befand sich inzwischen auch jemand im Zimmer, ein vager Duft nach irgendeiner Blütenessenz hing in der Luft.
    "Nu geh schlaf'n, Kleines, morgen früh komm' ich wieder und weck' Dich!" Gutmütig öffnete die Nubierin die Tür, bedeutete Bridhe, hinein zu gehen und zwinkerte ihr ein letztes Mal aufmundernd zu, bevor sie sich abwandte und zweifelsohne neuen Pflichten zustrebte.

    Ah, es hatte also doch geklappt. Bei Verkäufen war es immer das amüsanteste zu sehen, wie das Gegenüber reagierte - und das ausgesprochen niedrige Beginnangebot war dann doch bezeichnend für den Verwandten eines Mannes, der seinem Namen alle Ehre machte.
    "Ein gutgehender Betrieb mitsamt einem fähigen Verwalter sollte Dir schon mehr als zweihundertfünfzig Sesterzen wert sein, Caecilius Metellus - aber ich will Dir entgegenkommen. Fünfhundertfünfzig sind auch immernoch ein guter Preis, und Du sollst mich schließlich nicht als Wucherer in Erinnerung halten."

    "Warum lässt Du Dich nicht hinaustragen? Kräftige Arme gibt es in diesem Haushalt genug, und ich sehe keinen Grund, wieso Dir frische Luft und eine ansprechende Umgebung in der Genesung so abträglich sein sollten," überlegte ich und lächelte leicht. Vielleicht würde sich die Laune meines Vetters so bessern, dass seine Genesung weiter fortschreiten würde, wenn er erst einmal wieder aus dem tiefen Sog des Abgeschiedenseins heraus kommen durfte. "Spätestens, wenn Du wieder auf den Beinen bist, müssen wir einmal eine kleine Landpartie unternehmen - vielleicht nehmen wir auch Gracchus mit? Ein kleiner Ausflug unter Männern bringt einen doch immer wieder auf andere Gedanken, und danach ist man dann wieder frisch und frohgemut für alle Irrungen des Alltags, die uns so gern beschäftigt halten. Ich habe unlängst ein Grundstück in Ostia erstanden, das könnten wir besuchen, und ein angenehmer Ritt bis dorthin ist es auch."


    Er schien mit einem gewissen Appetit zu essen, und das wertete ich als gutes Zeichen. Wenn ein Kranker mit gutem Hunger aß, dann war er schon wieder auf dem Weg der Besserung, und das Obst sah wirklich zum anbeißen aus. "Nun, das Essen, das sie miteinander hier hatten, wirkte für mich eher wie eine Verabredung denn wie ein Freundschaftsbesuch, und Du weisst, dass junge Frauen von einem rasselnden gladius und einer schicken Uniform leicht zu beeindrucken sind. Was immer daraus erwächst, es könnte uns Ärger entstehen, den wir nicht unbedingt wollen."

    "Ich sagte doch, verzogenes Balg. Ob nun durch Weichheit seiner Werte oder durch die viel zu überzogenen Ansprüche seiner Mutter, kommt auf dasselbe hinaus, er wird es schwer haben mit diesem Anspruch, und ist der Keim erst einmal in jungen Jahren gelegt, opponiert er entweder irgendwann energisch gegen diesen Wunsch seiner Mutter, oder aber er sucht mit aller Gewalt ihren Anspruch zu erfüllen - und beides wäre nicht gut für seine weitere Entwicklung. Ich hoffe doch, er reißt nicht wieder aus, sobald er erst einmal hier ist, und wir können einen mäßigenden Einfluss auf ihn ausüben. Einige Wochen im Dienst des Cultus Deorum, im Kontakt mit den Sorgen der einfacheren Menschen, könnten vielleicht helfen, einiges gerade zu rücken," überlegte ich und schüttelte dann den Kopf. Dass Aristides kein Mustervater war, lag auf der Hand, als Angehöriger der Legion konnte man nicht zuhause sein und auf die Kinder aufpassen - aber dass Agrippina anscheinend ein so schlechtes Werk getan hatte, war dann doch zuviel des Guten. Serenus' Verhalten bei der Verlobung hatte uns einen Vorgeschmack gegeben, wozu er fähig war, und ich befürchtete, wenn ich ehrlich war, weitaus schlimmere Eskapaden.


    Dass Gracchus seine Schwester verteidigte, ließ kurz meine Mundwinkel zucken, es war so ritterlich und gleichzeitig sinnlos, konnten wir uns denn nicht immer alles sagen? "Manius, Du weisst, wie sich Stuten aufführen, wenn sie rossig sind, und wie wenig sie dann davon zurückhält, sich zu nehmen, was sie wollen. Mit Frauen in einem gewissen Alter ist es nicht anders, ihr Körper erwacht, und sie nehmen die Bereicherung ihrer Empfindungen nicht so klar wahr, wie es ein Mann gezwungen ist zu tun, um eine gewisse dignitas zu wahren. Verliebtheit ist gefährlich, entsinne Dich Arrecinas Schicksal! War sie nicht auch eine Flavierin, wohlerzogen, ganz der Stolz ihres Vaters? Und doch wurde sie zur Gespielin eines Sklaven, und das mit Gefühl und Genuss dahinter. Ich bitte Dich, sei vorsichtig, vor allem, wenn es um jene geht, die Du liebst - sie braucht unsere Zustimmung zu einer Ehe nicht, und das macht die Sache ungleich gefährlicher." Wenn es jemanden gab, dem ich sicherlich niemals trauen würde, war es meine Familie, denn ich kannte die Schwächen der Flavier nur zu gut. Sie würden sich immer Lücken und Möglichkeiten suchen, um sich elegant und gewinnbringend durch die Schwierigkeiten des Lebens zu lavieren.


    "Ich kann nur sagen, was mir mein Instinkt verrät - und dieses Abendessen war alles, aber sicher kein Freundschaftsbesuch. Tagsüber war sie aufgeregt und auch erregt, scheuchte die Sklaven hin und her, wie ich später erfuhr, damit alles perfekt ist - und sie suchten beide die Einsamkeit des Gartens sehr schnell. Was, mein werter Vetter und engster Freund, was würdest Du bei solchen Dingen denken? Zudem - Minervina brächte etwas in eine Ehe mit ein, was der Caecilier niemals gewinnen wird: Wahre Abstammung, das Blut eines Kaisergeschlechts." Damit lehnte ich mich gelassen zurück und betrachtete ihn genau. Vielleicht war mein Misstrauen unbegründet, aber von uns beiden kannte ich Frauen besser, und noch besser ihren Hang, irrationale Entscheidungen zu treffen.

    Es war kein guter Tag bis heute gewesen, und meine Laune war dementsprechend nicht die allerbeste - im Tempel war mir ein Kollege wieder einmal stundenlang in den Ohren gelegen, wie und ob er seinen Sohn endlich dazu bringen konnte, irgendeine reiche Plebejerin zu heiraten, obwohl er doch seine Lieblingssklavin liebte - mein Vater wäre bei so etwas sehr entschieden zu Werke gegangen, aber im Gegensatz zu meinem Vater war mein Priesterkollege weder durchsetzungsfähig noch entschlussfreudig, und so war ich in allen unerquicklichen Einzelheiten über seine familiären Probleme informiert. So war die Nachricht, als ich endlich glaubte, den unangenehmen Tag in meinem Arbeitszimmer hinter mir lassen zu können, nicht gerade erfreulich - was wollte die CU von mir?


    Ich konnte mich keines Gesetzverstoßes erinnern, und hätte irgendein wütender Ehemann Grund gehabt, mir auf den Leib zu rücken, wäre das sicherlich anders erfolgt. Seufzend - noch immer in der toga und mit der blütenweißen Tunika angetan, die ich zu meiner Arbeit im Marstempel trug - fügte ich mich in mein Schicksal und ging ins Atrium, um den Besucher in meinen Blick zu nehmen.
    "Salve, miles ..." Warum hatte man mir einen miles geschickt? Oder wollte er einen meiner Betriebe kaufen? Die Sache wurde immer verwirrender und so beließ ich es bei einem höflichen, aber distanzierten Lächeln. "Was kann ich für Dich tun?" Dem Sklaven bedeutete ich, noch stehen zu bleiben, immerhin galt es, auch beim einfachsten Besucher noch Stil zu bewahren, würde er länger bleiben, müsste ich ihm etwas anbieten lassen.

    "Nun, im Preis inbegriffen wäre der Verwalter, der seine Arbeit schon seit Jahren gewissenhaft ausübt und sicherlich ein Gewinn für das Unternehmen ist, wenn er dort weiter eingesetzt wird - er ist schon lange Sklave unserer Familie, und stammt aus einer alteingesessenen Sklavenfamilie, Du wirst sehen, dass er Dir hilfreicher sein wird als zwanzig junge starke Arbeitssklaven. Arbeiten können sie alle mehr oder minder, aber er weiss, worauf man bei Ton achten muss und wie man die Geschäfte führt. Über eine gewisse Menge Ton können wir indes verhandeln, ich verfüge über einen nicht geringen Lagerbestand, allerdings ... frage ich mich, wozu Du gelagerten Ton willst, wenn Du frischen haben könntest," entgegnete ich gutgelaunt. Natürlich war der Preis happig, und irgendwie hatte ich auch erwartet, dass er handeln würde - jeder vernünftige Mensch hätte das getan. Aber anscheinend gehörte er zu jenen, die sich ausschließlich nach Preisschildern richteten.

    Sim-Off:

    Leider reserviert ;)


    Vor einiger Zeit hatten wir es in einer sommerlichen Überschwangslaune miteinander vereinbart, und heute hatte ich endlich die Zeit gefunden, meine Tempelpflichten auf einen meiner Mitpriester abzuwälzen, wie wir es wechselseitig immer mal wieder taten, sollte Not am Mann sein. Und heute sollte endlich der Tag des lange angekündigten Einkaufs sein, der Claudia Antonia aus ihrem doch sehr langweilig klingenden Alltag reißen sollte - die meisten Frauen gaben gern Geld aus, und ich hatte ohnehin genug auf der hohen Kante liegen gehabt, sodass ich eventuellen Eskapaden gegensteuern konnte, ohne mich vor Gracchus allzu sehr rechtfertigen zu müssen.


    Ich war mir sicher, dass es ihm nicht unrecht sein würde, wenn ich seiner Frau ein bisschen Freude bereiten würde, letztendlich war beider Ehe nicht glücklich, und die mangelnde Abwechslung in der Villa Flavia musste nach einer gewissen Zeit auf jeden Fall bedrückend wirken. So hatte ich mich etwas später als die Mittagsstunde auf den Markt begeben und wartete auf meine charmante und hoffentlich gutgelaunte Begleiterin, die mir helfen sollte, mich neu einzukleiden. Nichts in meinem Schrank gefiel mir derzeit gut genug, um es bei Festen anzuziehen, und Antonia hatte schon immer mit ihrer Kleidung einen guten Geschmack bewiesen.


    Während ich also an einer der Säulen lehnte, gut und weithin sichtbar, mit einer schlichten weißen Tunika angetan wie die meisten anderen Bürger, die um diese Zeit unterwegs waren, beobachtete ich die umher eilenden Träger, aber auch die gutsituierten Marktbesucher, die sich alle Mühe gaben, mit dick beringten Fingern Eindruck zu schinden. Am schlimmsten allerdings waren die schlecht geschminkten Plebejerfrauen, die glaubten, durch die Farbe im Gesicht ihre niedere Geburt wettmachen zu können - sicher, es gab auch senatorische Plebejerfamilien, aber diese hätten es niemals nötig gehabt, ihre Töchter, Frauen und Schwestern so billig herauszuputzen, sodass ich kaum glaubte, hier Familienmitglieder der besseren Plebejerfamilien vor mir zu sehen. Als mir eine dieser Frauen zuzwinkerte, gab ich mir große Mühe, mein vages Lächeln nicht entgleisen zu lassen - aber ziemlich viele Abende mit Saufkumpanen in Achaia und das Leben in Rom überhaupt hatten mich in dieser Hinsicht gestählt.


    Ich rettete mich dadurch, nicht allzu einladend auszusehen und wandte den Blick in aller Ruhe ab, um die Vorzüge der ausgelegten Ware eines billigen Schmuckhändlers zu betrachten. Danach wusste ich zwar die Preise irgendwelcher obskur aussehenden Schmuckanhänger auswendig, aber ich war auch von der Aufmerksamkeit der scheusslich aussehenden Frau gerettet. Eine mir viel angenehmere Frau indes tauchte in einiger Entfernung samt Gefolge auf - die ersehnte Antonia, anscheinend noch nicht einmal schlecht gelaunt. Ich hob die Hand und winkte ihr zum um sie auf mich aufmerksam zu machen, und harrte dann darauf, dass sie mich entdecken würde.

    Anscheinend hatte sich die Erkenntnis darüber durchgesetzt, was ich meinte, zumindest war dieser erschrecktes-Reh-Gesichtsausdruck gewichen und machte einem eher amüsierten Aussehen Platz. "Nun, ich habe Dich noch nicht gefragt, was Du kannst, Bridhe - was hast Du bisher gemacht? Kochen? Waschen? Kinderhüten? Kämpfen?" Jede Tätigkeit untermalte ich sicherheitshalber mit einigen passenden Gesten, denn die Worte konnte sie unmöglich bereits kennen. Im Grunde hatte ich gewusst, dass sie eigentlich für nichts besonderes nütze sein würde, als ich sie kaufte, denn ein erst gefangener Sklave unterschied sich von jenen, die seit Generationen einer Familie dienten, ziemlich deutlich - sie erinnerten sich an ihre Zeit in Freiheit, sehnten sich zurück, und die eigenen Bedürfnisse standen immernoch vor denen des Herrn. Dennoch ... vielleicht war es ganz gut so, dass mich allzu eifrige Dienstfertigkeit abstieß.

    Der Sklave schenkte den verdünnten Wein mit kunstfertiger Sicherheit ein, bevor er den Becher an meinen Besucher weiterreichte, auch ich erhielt meine bevorzugte Tagsüber-Weinmischung, wobei bei mir im Haus bekannt war, wie ich meinen Wein trank und der Sklave mich nicht hatte fragen müssen.
    "Nun, ich dachte an sechshundert Sesterzen - es gibt nicht viele Lieferanten an Ton hier in der Gegend von Roma, und wenn ich es recht sehe, gibt es einen germanischen Importeur, der Dir auf dem hiesigen Markt kaum wirklich Konkurrenz darstellen dürfte."

    Mein Leben schien mit den Göttern einen geheimen Pakt eingegangen zu sein - oder waren es die Parzen, welche auf Iuppiters Befehl hin Irrungen und Wirrungen in mein tägliches Ach und Weh einbauten, auf dass es mir nicht langweilig werden sollte? - mir immer wieder reizvolle Dinge vor meine aristokratische Nase zu halten, ein wenig damit davor herumzuwedeln und sie mir dann wieder zu nehmen, kaum dass ich auf den Geschmack gekommen war. So musste ich wieder einmal eine interessante Parallele zu vorherigen Begegnungen mit reizvollen Frauen ziehen, sie waren stets zufällig erfolgt, meist sogar mit einem eher beiläufigen Anrempeln, oder aber eine Frau fiel aus mannigfachen Gründen in Ohnmacht und mir kam, ganz heldenhafter Priester des Mars, die Aufgabe zu, sie aufzufangen, bevor Körperteile eine unangenehme Bekanntschaft mit dem meist steinernen Boden machten. So auch dieses Mal, und ich gebe zu, einige Augenblicke lang wusste ich die Nähe einer Unbekannten mit duftigem Geruch, zarter Kleidung und anscheinend noch zarterer Haut sehr zu schätzen, ich hielt sie länger im Arm, als es unbedingt notwendig gewesen wäre, ohne es zu auffällig zu gestalten.
    "Solange Du mir nicht zur rachsüchtigen Dido wirst," konterte ich schmunzelnd, "will ich mich gern einige Augenblicke im Schatten einer höchst angenehmen Tat ausruhen."


    Und wie es in den meisten Komödien war, musste spätestens jetzt der störende Sklave auftreten, sich Sorgen machen oder vermuten, ich sei ein Strauchdieb, der die edle Dame entführen wollte - wie auf das passende Stichwort hin näherten sich auch gleich Wachsklaven, die zudem bewaffnet waren. Eindeutig, meine schöne Unbekannte kam aus einem nicht unvermögenden Haus, hätte mir nicht ihr blumiges Parfum schon genug gesagt, spätestens jetzt wusste ich Bescheid. Auch mein Wächter trat näher und nahm die anderen in seinen Blick, aber ich nickte nur, ging ich doch davon aus, zumindest noch ein Weilchen die Freuden meiner Existenz genießen zu dürfen. Sanft half ich ihr, sich aufzurichten, und gönnte mir dann diskret und mit einiger Übung ihren gesamten Anblick in mich aufzunehmen.
    "So sei mir gegrüßt, Claudia Callista, ich bin Caius Flavius Aquilius, sacerdos Martialis - und wie Du anscheinend doch ein großer Freund nächtlicher Spaziergänge. Indes, dies hier ist sicher keine gute Gegend für eine schöne Frau, zu leicht hätte Dir Schlimmeres geschehen können als ein unfreiwilliger Absturz." Ich versuchte, nicht allzu tadelnd zu klingen - die meisten Frauen hörten ohnehin nicht auf die sorgenvollen Worte ihrer Verwandten oder Freunde, hatten sie sich etwas in den Kopf gesetzt. Zudem, dieses kleine amüsante Abenteuer hatte etwas für sich.


    "Mein einziger Wunsch ist, Dich sicher bis zu Deinem Heim geleiten zu dürfen, denn die Schrecken Roms sind vielfältig bei Nacht, vielleicht hattest Du bisher das Glück, sie nicht allzu genau kennenzulernen - und ich hoffe sehr für Dich, dass es so bleibt," fügte ich meiner Vorstellung lächelnd an, denn ein kleiner Spaziergang mit dieser augenscheinlich nicht gewöhnlichen Frau mochte mir die Erinnerung an meine unangenehmen Träume schneller austreiben, als es etwas anderes gekonnt hätte. Eine Claudierin ... zudem eine, deren Namen ich nie zuvor gehört hatte. Wenn mich nicht alles täuschte, würde sich in naher Zukunft der eingefahrene patrizische Heiratsmarkt enorm bewegen, eine Exzentrikerin versprach interessante Wirrungen.

    Sie schien mir noch so jung zu sein, fast einem Kind näher als einer Frau - denn ihr Gesicht verriet viel von ihren Regungen, etwas, was unseren Kindern sehr früh beigebracht wurde, zu verbergen zu lernen. Man hätte in ihr in diesem Augenblick lesen können wie ein Buch, und dass ihr der Gedanke, bei mir zu liegen, anscheinend nicht gefiel, war offenkundig - aber wie hätte er auch gefallen können, was mochte sie schon dabei denken? Sie kannte unsere Sitten nicht, und von jetzt auf sofort ein neues Leben lernen zu müssen war mehr, als die meisten Menschen verkrafteten.
    "Du hast mich nicht verstanden," sagte ich ruhig und langsam, dabei den Kopf schüttelnd. "Es ist einfach, und es wird Dich nichts kosten, Bridhe, nicht mehr, als Du zu zahlen bereit bist."


    Sie würde mich nicht verstehen, das wusste ich, aber die Worte dienten auch eher zu meiner Beruhigung denn zu ihrer. Ich deutete mit meinen Händen den Umriss meines Bettes an, das gut und gerne für drei gereicht hätte, würde ich dies wollen und tat dann so, als würde ich auf der einen Seite schlafen, indes, ohne mich groß zu bewegen. Dann deutete ich auf sie, vollführte die Schlaf-Gestik ein weiteres Mal und deutete neben meinen imaginären, schlafenden Umriss - in der vagen Hoffnung, sie würde es so nun auffassen, wie es gemeint war, als nebeneinander miteinander in einem Bett liegen, nur eben nicht aufeinander. Solches zu erzwingen hatte ich nicht nötig, wenn sie sich dazu einnmal entscheiden würde, dann aus eigenem Willen, nicht aus dem meinen.
    "Verstehst Du? Nicht das hier .." Ich machte eine ausgesprochen unmissverständliche Gestik und schüttelte den Kopf dazu, um dann mit zufriedener wirkendem Gesichtsausdruck meine nebeneinander-schlafen-Gestik zu wiederholen. Insgeheim hoffte ich, es würde uns niemand beobachten, schätzungsweise hätte sich jeder Sklave im Haushalt inzwischen totgelacht.

    Ich runzelte die Stirn und überlegte, denn auch dazu hatte mir der Verwalter Informationen hinterlassen. "Wenn ich mich recht entsinne, wurde bisher ein Viertel der vorhandenen Vorkommen abgebaut, drei Viertel stehen also noch zur Verfügung - zudem scheint es in der Umgebung noch andere Grundstücke zu geben, die Du, solltest Du wirklich mehr Abbaugrund brauchen, aufkaufen könntest, im Augenblick scheinen sie zu wenig mehr genutzt zu werden als das Vieh darüber zu treiben, um angrenzende Wiesen zu erreichen."
    Der Sklave kehrte mit einem Tablett, zwei Kelchen und einem Krug Wein und einem Krug Wasser zurück, servierte uns beides auf dem Beistelltisch und blieb dann wartend stehen, ob er meinem Gast ein Gemisch anbieten sollte.

    Wenn es doch nur immer so gewesen wäre wie im Augenblick - eine stumme, unerfüllbare Hoffnung, denn unser stilles Übereinstimmen im Geiste war ein seltenes, kaum zu genießendes Geschenk, welches uns die Götter höchst selten gewährten. Gäbe es diese Augenblicke nicht, wäre ich inzwischen wohl längst an unserem Gefühl verzweifelt, das uns so wenig Hoffnung ließ, sich jemals erfüllen zu dürfen, doch so war es erträglich, verlängerte die Qual zwar, doch auf einem Standpunkt, der nicht so grausam und unwirklich schien wie der einer vollkommen verzweifelten Liebe. Manchmal glaubte ich, in uns beiden zwei Pole eines Ursprungs zu erblicken, denn beide hatten wir die flavischen Erbteile mehr als reichlich erhalten, die Unbeständigkeit, der vorauseifernde Geist der alten Flavier war uns ebenso zueigen wie die Ruhelosigkeit, die uns nicht verweilen lassen mochte, wenn wir glaubten, einen kurzen Augenblick des Verschnaufens erreicht zu haben.


    Und doch - wo Manius, dessen hervorragendes Wissen, dessen Integrität und Lauterkeit ihn zu einem hervorragenden Senator gemacht hätten, seine eigenen Wege und Motive oftmals einmal zuviel als zuwenig bezweifelte und überdachte, sich der dunklen Verzweiflung über Dinge anheim gab, die er nicht ändern konnte, war ich derjenige, der vorauseilte, ohne sich Gedanken zu machen, der die Position des Beobachters lieber einnahm als die des Machers, der lieber kommentierte als veränderte, und damit leichtlebig und unentschieden wirken musste - eine Mischung aus uns beiden indes hätte wohl einen neuen imperator hervorgebracht. "Ich werde so lange Dein Caius sein, solange Du mein Manius bist," schloss ich den Gedanken ab und lächelte unwillkürlich. Es war, wie es eben ist, und ich hatte mich daran gewöhnt.


    Dann allerdings kamen die Themen des Alltags zurück, und ich nickte zu seinen Überlegungen, schien es mir doch auch angemessen, bei Quintus nicht zu übertreiben - Leontia hingegen, die ein geachtetes Familienmitglied gewesen war, musste alle Ehren erfahren, die wir ihr zu geben fähig waren. "Serenus ... womit uns das nächste Problem ins Haus steht, denn er ist unstet und sein Vater hat bei der Erziehung offenkundig das Wichtigste versäumt zu tun, darum werden wir uns kümmern müssen, sobald er längere Zeit hier weilt. Er soll nicht, wie zu viele andere unserer Familie als verzogenes Balg enden, das nicht zu schätzen weiss, was ihm durch seine Geburt für Türen geöffnet wurden." Das Benehmen des jungen Flaviers bei der Verlobung seines Vaters war absolut undenkbar gewesen, auch wenn es diese sterbenslangweilige Feier wenigstens unterhaltsam gemacht hatte - so durfte er sich der Öffentlichkeit nicht präsentieren.


    "Was Minervina angeht, glaube mir, ich erkenne eine brünftige Stute, wenn ich sie sehe. So verträumt schauen Frauen, wenn sie verliebt sind, und ich denke, dieser Emporkömmling hat es geschafft, ihr flavisches Herz zu erweichen, wenn nicht bisher schlimmeres geschehen ist. Er hat keinen guten Ruf, und ich traue ihm nicht weiter, als ich ihn werfen könnte. Vielleicht erscheint es ihr als standesgemäß, einen reichen Plebejer zu heiraten, der derzeitig einiges an Einfluss besitzt, hast Du einmal daran gedacht? Frauen denken bei solchen Sachen ausgesprochen selten rational und logisch." Ich strich mir mit der Hand durch mein Haar und überlegte, dass ich bisher keine Frau kennengelernt hatte, die nicht im Moment der fleischlichen Erhitzung, gepaart mit der Verwirrung des Cupido, alle Vorsicht hätte fahren lassen - was mir nicht zuletzt eine Menge Schlafzimmertüren geöffnet hatte. Wenn es in der Villa Flavia einen Experten für Fehlverhalten aus ungestillten Begierden heraus gab, dann war das zweifellos ich.