Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Nachdenklich wirkte er, und nachdenklich war auch ich. Hatte mein Vater mir wirklich so viele Steine in den Weg gelegt, wie es mir schien? Der Ruf des hispanischen Zweigs der Flavier war desolat, und ich hatte Zeit meines Lebens dagegen ankämpfen müssen - früher war es mir egal gewesen, jetzt war es dies nicht mehr. Aber so vieles lag in einem dunklen Nebel des Vergessens, und war meiner Erinnerung vollkommen entglitten. Letztendlich würde ich mich an meinen eigenen Rat halten müssen, um irgendwo einen Halt zu finden, denn im Augenblick schien ich eher der Haltepunkt für andere geworden zu sein. "Ich bin mir sicher, wenn sie auch nur einen geringen Teil Deiner Begabungen besitzen, werden sie sehr erfolgreich sein." Seine Worte über seine Hoffnung, irgendwann seine Last nicht mehr alleine tragen zu müssen, ließen mich melancholisch lächeln - denn ich glaubte inzwischen nicht mehr daran, dass es so etwas geben könnte. Selbst Gracchus war eine solche Ehe nicht vergönnt gewesen, und er schien mir durch diese Verbindung mit Claudia Antonia nur noch sorgenschwerer als zuvor. Mochte meinem Freund ein anderes Schicksal beschieden sein, ich wünschte es ihm wirklich - und so behielt ich meine Zweifel am Leben allgemein und an der Ehe im besonderen für mich.


    Für einige längere Momente tauschten wir Blicke, und ich musste wieder einmal feststellen, wie sehr er vom Jungen zum Mann geworden war. Fast beneidete ich ihn um die Gelegenheiten, die erst vor ihm lagen, und die ich längst verschenkt hatte. Die andere Erinnerung, die blitzartig zurückkehrte, war gänzlich anderer Natur, schmeckte vertraut, verlockend und doch vollkommen ungenießbar, gerade diese Erinnerung musste ich unterdrücken, so willkommen sie vielleicht auch gewesen sein mochte:
    Das Gefühl seiner Lippen auf den meinen, im Heim seiner Eltern, an einem heißen Sommertag, ein Ausritt, aus dem mehr hätte werden können ... nein, nicht mehr, nicht jetzt. Ich blinzelte einige Male, fühlte dem Druck seiner Hand nach und quittierte sein Lächeln mit einem leichten Nicken. Vielleicht war es ganz gut, dass er seine Hand schließlich fortnahm und mir die Qual ersparte, mich vor Erinnerungen schützen zu müssen, die ich mir verbieten musste. Dennoch, ein Teil von mir wünschte, er hätte es nicht getan.
    "Warum nicht? Eine private cena bietet sicherlich mehr Gelegenheit, sich ein wenig kennenzulernen als eine lärmende Festivität mit was weiss ich wievielen anderen, bei denen man dann neben dem Knüpfen neuer Kontakte auch dauernd glänzen und interessant wirken muss. Manius und seine Gemahlin sind sicherlich gerne mit von der Partie, ich werde sie gleich nachher fragen - oder möchtest Du ihnen schreiben?"

    Es hatte lange gedauert, bis sie eingeschlafen war, und ich lag noch länger wach, die Gedanken schweifen lassend. Obwohl hier in Roma eigentlich nicht viel geschah, passierte doch immer wieder etwas, das meine Entscheidungen und meine Ziele in Zweifel zog, den eigentlich geradlinig gedachten Weg plötzlich verschlungen gestaltete und vor allem nicht so funktionierte, wie ich es mir wünschte und geplant hatte. Welcher Feldherr auch immer es gewesen war, der festgestellt hatte, dass der Schlachtplan selten den ersten Kontakt zum Feind überlebt, ich musste ihm rechtgeben. Geplant war auch der Kauf Bridhes nicht gewesen und schätzungsweise lachten sich die restlichen Sklaven der Villa gerade über mein Talent tot, immer irgendwelche Sklaven anzuschleppen, die gewiss wenig für den Dienst geeignet waren. Severus' Widerspruchsgeist, Bridhes Vergangenheit als freie Frau - das waren Dinge, die sich schlecht tilgen ließen, und mir sicherlich in Zukunft neue Schwierigkeiten beschaffen würden. Aber was wäre das Leben ohne Abwechslungen? In jenen Grübeleien über Vergangenheit und Zukunft gefangen, übermannte mich schließlich doch Morpheus' Umarmung, und der Rest der Nacht glitt ohne nennenswerte Zwischenfälle vorüber, zumindest ohne jene, an die ich mich hätte erinnern können.


    Der nächste Morgen allerdings ...es mochte einige Zeit bereits hell gewesen sein, die Aussicht auf einen recht trüben, nebligen Tag war auch nicht gerade dazu angetan, mich zu frühem Aufstehen zu bewegen. Und da war noch etwas: Im Lauf der Nacht musste ich mich meiner Sklavin gegenüber zugewendet haben, denn ich fand mich hinter ihr liegend erwachen, einen Arm um ihren Oberkörper gelegt, als hätte ich sie im Schlaf schützen wollen, den Körper eng an den ihren geschmiegt - meine typische Schlafhaltung mit Nefertiri, nur mit dem Unterschied, dass es nicht meine kleine ägyptische Wildkatze war, sondern meine Neuanschaffung, die sicherlich auch wenig Verständnis dafür haben würde, dass sich ereignet hatte, was jedem Mann in der Nacht während des Schlafs geschah - zweifelsohne, jegliches zur Zeugung eines Kindes notwendiges Gerät war vorhanden, einsatzbereit und schmiegte sich ebenso wie mein restlicher Leib warm und lebendig an ihren Körper. Ich beschloss, mich schlafend zu stellen und abzuwarten, wie sie reagieren würde ...

    Geduld ist keine Tugend, Geduld ist die reinste Qual, wollte ich ihm entgegenwerfen, aber dieser Anflug leidenschaftlicher Verzweiflung verbat sich angesichts des Augenblicks von selbst. Schätzungsweise hätte er nicht nachempfinden wollen, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, und es war besser, dies nicht ausgesprochen zu haben. Seine Worte über Eltern und Herkunft ließen mich innerlich innehalten, und ich wandte meine Gedanken schnell von dem ab, woran ich mich in meiner Erziehung noch entsann - es war herzlich wenig, das Vergessen des Fiebers hatte mir viel dessen genommen, was andere sich von ihren Eltern wohl ein Leben lang bewahren konnten. War es ein Verlust? Oder ein Gewinn? Unschlüssig über die Beantwortung dieser Frage lauschte ich lieber den Worten meines Vetters, meines Ge ... nein, nicht in diese Richtung, ich hatte es geschworen! Solange er sich seinem Schwur beugen würde, musste ich es ebenso tun, alles andere wäre vor den Göttern Eidbruch gewesen.


    "Manchmal tut auch der unverdünnte Wein wohl, Manius, es bedeutet ja nicht gleichermaßen, dass Du Dich nun der Trunksucht ergeben müsstest, um dann irgendwann zu enden wie so mancher unseres Standes, unfähig, seinen eigenen Weg zu gehen." Solche Schandflecke gab es schon lange, und es würde sie immer geben, solange an einen Römer von hoher Geburt dieselben Maßstäbe gelegt wurden, die uns von unserem ersten Atemzug an begleiteten. Milde sollten wir üben, großzügig sein, prachtvoll leben, doch nicht zu übertrieben, den alten Tugenden zugewandt, doch nicht zu unflexibel ... welchem Jüngling mochte man es da verdenken, dass er dem Druck nicht standhielt? Ich hatte schließlich auch mehr als ein Jahr meines Lebens mit Wein und Weib zugebracht und es nicht wirklich bereut. "Wir werden die beste Orgie feiern, die Rom jemals gesehen hat, wenn Aristides wohlbehalten zurückgekehrt ist. Du kennst ihn, so leicht ist er nicht unterzukriegen, vielmehr sollten uns die Parther leid tun," sagte ich mit dem Unterton der Überzeugung. Wenn ein Soldat aus dem Krieg zurückkehren würde, dann war es mein Vetter Aristides.


    Und wieder ließ ich ihn gehen, mit nur einem Nicken, einem Lächeln, und so vielen unausgesprochenen Gedanken, Wünschen und Sehnsüchten, die sich niemals in das Gefängnis leerer Worte würden pressen lassen. Es war unser Schicksal, unser Fluch, und vielleicht auch die Bürde, welche die Götter als angemessen für uns erachtet hatten, um uns daran zu prüfen und zu wägen. "Du weisst, ich habe es gern getan," flüsterte ich, als die Tür hinter ihm geschlossen war, die weiteren Worte herunterschluckend wie auch alle anderen Gedanken, die weit mehr mit einem 'wir' denn dem ganzen Rest unserer Familie zu tun hatten. Und wieder warteten Schriftstücke auf mich, geduldige, stets bereite Freunde, die mir genug Müdigkeit verursachen würden, damit ich schnell einschlafen würde, ohne zu träumen oder gar zu hoffen ...

    Ich hatte kaum glauben können, welche Wahrheiten mir die aktuelle acta verkünden wollte - nein, glauben würde ich es niemals können, denn für ein Können bedurfte es eines Willens, und den besaß ich derzeit nicht. Es war ein eiliger Einkauf, und ich hatte für gute Waren eindeutig zuviele Münzen herausgeworfen, aber am heutigen Tag war es mir gleich, denn meine Frage war wichtig, vielleicht die wichtigste, die ich seit Jahren hätte stellen wollen. Meine Schritte trugen mich eilig in den Tempel des Mars hinein, und ich hatte glücklicherweise eine Zeit erwischt, in der nur wenige Menschen opferten, mein präferierter Altar war leer und so konnte ich ohne Verzögerung vortreten, das stattliche Häufchen Kekse ausbreiten, und dann die elend teuren Weihrauchkörner im der Brennschale deponieren. Erst jetzt fand ich wieder so etwas wie Ruhe, aber dennoch blieb mein Innerstes von jenen Fragen und Zweifeln durchdrungen, die nicht verstummen wollten. Aristides tot .. nein, das durfte nicht sein. War er nicht der einzige Soldat unserer gens, dem man solches wirklich glauben mochte? War er nicht in den Krieg gezogen, um der Familie Ehre zu machen?


    Sicherlich, ein gewisser Teil von mir war sich auch dessen gewiss, dass die schönen parthischen Frauen bei dieser Entscheidung auch eine Rolle gespielt haben mussten, aber hauptsächlich ... hauptsächlich hielt ich Aristides für einen guten Soldaten. Langsam schenkte ich einen Becher des vollmundigen Falerners ein, den ich Mars als Trankopfer darzubringen gedachte, und vergoss diesen Wein dann auf dem Boden vor dem Altar, während der süßherbe Geruch des Weihrauchs langsam begann, in der unbewegten Luft empor zu steigen.
    Mit gemessener Handbewegung zog ich einen Zipfel meiner toga über den Kopf und verharrte schweigend eine ganze Weile, bis ich mir sicher zu sein glaubte, dass Mars die Tatsache, dass hier guter Weihrauch verbrannt wurde und ein guter Wein zu holen war, zur Kenntnis genommen hatte. Erst dann hob ich zu sprechen an, gut vernehmlich, denn für meine Frage schämte ich mich nicht, musste es doch in diesen Zeiten viele Menschen geben, die sich mit ähnlichen Fragen quälten.


    "O Mamarce, großer Feldherr, Vater Roms und Beschützer der Frauen und Schwachen, mächtiger Kämpfer und erbitterter Streiter, höre die bescheidene Bitte Deines Dieners, der um seinen Vetter bangt - Flavius Aristides ist es, der als tot gemeldet wurde, und mein Herz ist es, welches dies nicht glauben will. Bitte lass mich wissen, ob es wahr ist, ob er wirklich tot ist, und ob wir wahrhaft um ihn trauern müssen - oder ob es noch nicht zu spät ist für Hoffnung. Denke an seine Verlobte, die auf ihn wartet, denke an seine Familie, an seine Kinder, die auf ihn warten, die hoffen, dass ein geliebter Mensch zurückkehrt .. und vielleicht denkst Du auch an Deinen Diener, der seinen Freund und Vetter vermisst und sich nichts weiter wünscht, als ihn lebendig wiederzusehen."
    So verharrte ich und betrachtete den Weihrauch, dessen dunkler Rauch sich mit der Luft zu vermischen begann und sich im Raum zefaserte, als sei graues Blut in Wasser geflossen ...

    Ein klein wenig erinnerte sie mich in ihrer Art, mit möglichst vielen fremdartigen und literarisch sicherlich hochwertigen Ausdrücken um sich zu werfen, an meinen Vetter Gracchus - zweifelsohne hätten sich die beiden gut unterhalten, und ich hätte dem Gespräch mit einem gewissen innerlichen Vergnügen gelauscht. Im Augenblick jedenfalls hatte ihre Art etwas ansteckendes, und mir wurde bewusst, dass meine letzte Missetat - oder etwas, das auch nur ansatzweise irgendwie in diese Richtung ging - schon sehr lange zurücklag. War ich denn so langweilig geworden, gefangen zwischen der Pflicht im Tempel, meinen Verpflichtungen als Patrizier, und einem recht aussichtslos gleichbleibenden alltäglichen Leben, das aus wenig mehr bestand als der Nahrungsaufnahme, Schlaf, gelegentlichem Lesen aus Spaß an der Freude, der ein oder anderen Nacht mit irgendeiner Frau, die ich danach wieder vergaß und der Notwendigkeit, mich mit unausweichlichen Tatsachen anfreunden zu müssen? Hatte mich die Liebe zu einem unerreichbaren Menschen tatsächlich zu einem biederen Langweiler gemacht? In ihren Augen schien ich das zumindest momentan nicht zu sein, und allein dieses Echo tat schon ein bisschen gut.


    "Roms Schrecken lauern verborgener, denn was würde Dich schon mehr erschrecken können als etwas das man nicht sofort sieht? Es ist wie mit einer wunderschönen Frau: Sieht man sie zu oft ohne Kleidung, verliert die Perfektion irgendwann an Reiz, ohne geringer geworden zu sein. Dagegen sind verhüllte Gestalten, die einen raten lassen, viel verlockender," meinte ich auf ihre Worte Rom betreffend und musste innerlich schmunzeln. Entweder sie würde nun entrüstet sein oder amüsiert - die wenigsten Frauen reagierten gar nicht auf einen solchen Vergleich. "Vielleicht giert es uns nach Blut, aber wo ist bei einem Kampf irgendwelcher Tiere gegen irgendwelche Sklaven der Reiz? Ich sehe die Ehre in einem solchen Kampf nicht, mir liegt der Kampf gleichwertiger Gegner eher." Dass sie mir einen ihrer Sklaven als Leiterersatz anbot, nahm ich natürlich gerne an - es machte die Kletterpartie durchaus angenehmer, als ich sie vor mir gesehen hatte, gelang es mir doch, die Höhe nun schneller und sicherer zu erreichen. Ich stellte fest, dass sich zumindest diese Fähigkeit nicht über die Jahre verloren hatte, meine Hände fanden festen Halt in den Mauerritzen, und ich zog mich schließlich über die Mauerkante hinüber, um auf der anderen Seite nach einem geeigneten Abstiegweg zu suchen.


    "Wärst Du eine Nachtigall, werte Claudia Callista," rief ich ihr nach unten zu, kurz bevor sie mit ihrer kleinen Gefolgschaft meinem Blick durch die Mauer entschwand. "..wäre dies doch ein höchst unerquicklicher Umstand, hieße es doch, Deinen Gesang nur während der Nacht vernehmen zu können. Würde es Dir gefallen, auf wenige Stunden der Schönheit beschränkt zu sein, stets nur in Lunas Angesicht?" Rauh schrammte mein Oberschenkel an einem hervorstehenden Mauerstück entlang, und kurz fühlte ich den Schmerz heftig in mein Bein stechen, dann allerdings war der Boden erreicht. Hinunter ging es doch stets schneller als hinauf, wie im Leben auch, dachte ich bei mir und blickte nach oben. Erst als ich oben ihren Umriss erkennen konnte, atmete ich leise auf.
    "Ich bin hier unten, siehst Du mich?" Ich winkte, damit ihr das Offensichtliche auffallen möge, der Mond war uns zumindest im Augenblick noch ein guter Verbündeter und erhellte unser Unterfangen gnädigerweise mit hellem Licht. Würde sie hinabsteigen, oder würde sie sich fallen lassen? Wobei, wenn ich bedachte, was ich bisher von ihr kennengelernt hatte, vermutete ich eher zweiteres - sie hatte einen nicht zu unterschätzenden Hang zu gefährlichen Dingen, und war schon einmal sicher in meinen Armen gelandet.

    Ihr Eifer, ihre Lieblingsfeste zu erklären, ließ mich einen kurzen Augenblick lang lächeln, und ich lauschte Severas Worten mit Interesse, denn sie verrieten einen halbwegs intakten Familienhintergrund, etwas, was den wenigsten Menschen wirklich vergönnt war.
    "Damit hast Du eine der wichtigsten Aufgaben eines sacerdos schon genannt, Octavia Severa. Denn es ist nicht nur wichtig, die öffentlichen Opfer zu zelebrieren und unseren Pflichten vor dem Volk, dem Staat und den Göttern nachzukommen - nein, ein sacerdos muss vor allem die Hingabe an die Götter und die Wichtigkeit der Opfer und aller damit verbundenen Pflichten anderen vorleben und ihnen damit Anleitung und Inspiration bringen."


    Damit wandte sich mein Blick von Severa ab und galt nun wieder beiden Schülerinnen gleichermaßen, die ich freundlich betrachtete. So jung, und doch voller Eifer, ihre Aufgaben richtig abzuschließen, was wollte man sich mehr wünschen? Nun, was sich ein Mann mehr wünschen könnte - gutaussehende, angenehme Schülerinnen - war ebenso eingetreten.
    "Und da wir diesen Bogen schon elegant geschlagen haben, wollen wir uns gemeinsam überlegen, welche Aufgaben und Pflichten einen sacerdos auszeichnen. Claudiana Dolabella, was meinst Du, welche Aufgaben könnte ein sacerdos noch haben ausser jenen, die wir gerade bereits besprochen haben?"

    "Manius! Manius, beruhige Dich!" sagte ich, doch mehr um der Form willen denn aus einer Überzeugung heraus. Er war stets so beherrscht, so ruhig, dass ein Teil meines Inneren davon überzeugt war, dass es ihm nicht schaden würde, sich einmal Luft zu verschaffen. Bevor er noch an all dem Zorn zugrunde gehen würde, den er zweifelsohne irgendwann einmal angesammelt haben musste, bedachte man all das, was er bisher für die Familie getan hatte, die es ihm niemals wirklich zu danken gewusst hatte.
    So ließ ich ihn fluchen und toben, wenngleich er immernoch eine sehr patrizische Art hatte, sich zu echauffieren, ich hätte wohl eher einige Teller und Vasen an die Wände geworfen und mir hinterher Felix' Strafpredigt über den Umgang mit Dekorationsgegenständen anhören müssen. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in mein Fleisch, und doch, es schmerzte nicht halb so sehr, wie es dies vielleicht hätte tun müssen, einen zornigen Manius zu sehen, der seinem Innersten einmal freien Lauf ließ, wog diesen Schmerz bei weitem wieder auf. Würde er diese Fesseln um sein Herz öfter lösen, bei Mars, was hätte er für ein Feldherr sein können, was für ein Senator, was für ein Mann! In diesem Augenblick fiel es mir schwer, ihn zu genau anzusehen, denn der alte Schmerz tief im Inneren kehrte zurück. War ich der einzige, dem er sich so zu zeigen wagte?


    Als er innehielt, wurde mir mein träumerisches Abgleiten in Regionen, die ich eigentlich geschworen hatte, nicht einmal mehr anzudenken, nur zu bewusst, und ich schüttelte hastig den Kopf.
    "Dein Zorn ist durchaus berechtigt gewesen, Manius, und ich denke, es war gut, dass diese Worte einmal ausgesprochen wurden. Immer warst Du das Rückgrat dieser Familie, auf dem sich alle bereitwillig ausgeruht haben, ohne zu bedenken, dass viele der entstandenen Schwierigkeiten nicht hätten passieren müssen. Ich wüsste nicht, ob ich dieselbe Geduld aufwenden könnte, die Du mit all diesen Menschen hast, nicht zuletzt, weil ich mit den wenigsten wirklich noch eng verwandt bin. Die Werte einer patrizischen gens zu wahren fällt den Meisten wohl nicht leicht, auch, weil viele ihre Eltern früh verloren haben oder sie sich niemals recht um ihre Kinder gekümmert haben - selbst Felix war Furianus kein guter Vater, und Du weisst, was daraus geworden ist. Aber nun lass die ratio zurückkehren, mein werter Vetter, ira ist nicht der richtige Ratgeber für die Zukunft, und er war es niemals in der Vergangenheit."
    Ich wusste selbst nicht, warum ich ruhig blieb, wieso ich nicht mit schimpfte, mich fühlte, als ginge mich all dies nicht mehr wirklich viel an. In den letzten Wochen wa ich gleichmütig geworden, gleichmütiger als jemals zuvor in meinem Leben, und was immer früher mich noch zu unbeirrten Taten getrieben haben mochte, es schwieg nun.


    Mit erstaunlich ruhigen Händen füllte ich einen Becher Wein für Gracchus, und achtete darauf, dass er ihn auch entgegen nahm, um mir selbst einen Wein einzuschenken. Es war wieder einmal ein Falerner - Felix' Weinkeller hatte durch meine Gegenwart im Haus ziemlich gelitten, aber wofür war Wein sonst da, wenn man ihn nicht gerade opferte?
    "Einer Sache jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, Manius: Wenn Du im guten Glauben gehandelt hast, Arrecina von einem Fluch befreien zu wollen, auch wenn es nie einen gab, dann werden Dir die Götter für Deinen guten Willen nicht zürnen. Iuppiter ist ein strenger Herr, doch niemand, der ungerechtfertigt straft, wenn es darum geht, dass jemand versucht hat, einen anderen zu retten. Vielleicht mag Dir vieles im Augenblick als dunkel erscheinen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass nach einigen Tagen Regen nicht auch wieder die Sonne für Dich scheinen wird. Wenn einer hier kein Unbill verdient hat, dann bist Du das."

    Ich nickte leicht, das Geschäft war gemacht, und gar nicht einmal so schlecht, wie ich geglaubt hatte, abschließen zu müssen. "Dann besiegeln wir unseren Handel mit einem Handschlag - und den schriftlichen Vertrag lasse ich Dir aufsetzen und zusenden, wenn Du mir sagst, wo ich Dich antreffen kann."
    Ich streckte kurzerhand meine Rechte in seine Richtung aus und wartete darauf, dass er einschlagen würde.

    "Du kannst die anderen Sklaven um Hilfe bitten, dir die Grundbegriffe unseres Glaubens zu erklären, und wenn Du die Namen der wichtigsten Götter und Göttinnen kennst, werde ich Dich selbst unterrichten," sagte ich und überlegte für einen Moment, ob ich ihn zum Unterricht der beiden Schülerinnen mitnehmen sollte, die man mir zugeteilt hatte. Aber eingedenk der Wirkung, die er einst auf Arrecina gehabt hatte, entschied ich mich dagegen, sie würden sich wohl eher gegenseitig ablenken und am Ende würde ich mitempörten Vätern verhandeln müssen, welche die Ehre ihrer Töchter verletzt sahen - nein, das musste nun wirklich nicht sein.


    Der heftige Gefühlsausbruch Rutgers ließ mich dann doch kurz zusammenzucken - hatte er denn immernoch nicht verstanden, hatte ich mich für ihn so unverständlich ausgedrückt? Aber dann fiel mir ein, dass er nicht als Sklave geboren und aufgewachsen war, dass er immer nur den eigenen Weg gesehen hatte und ihm das Einfühlungsvermögen in die Gedankenwelten anderer - zumindest der Römer - schwerzufallen schien. Innerlich seufzend stellte ich wieder einmal mit nicht geringer Frustration fest, dass wir trotz all der Ereignisse anscheinend noch keinen wirklichen Schritt weitergekommen waren. Lohnte es sich überhaupt, ihm so viele Gedanken und Zeit zu opfern? Bemüht, eine ruhige Miene zu wahren, blickte ich zu ihm herüber und nahm erst noch einen Schluck Wein, der mir die nötige Zeit zur Beruhigung verschaffen würde. Der Geschmack lenkte wenigstens für einige Lidschläge ab, auch wenn der Grundtenor meiner Gedanken sich nicht wesentlich änderte.


    "Das einzige, was ich von Dir erwartet habe, als Du noch Rutger warst, das einzige, was ich jetzt von Dir erwarte, da Du nun Severus bist, sind Loyalität und ein Grund, dir zu vertrauen, Severus! Glaubst Du nicht, ein Paar Muskeln könnte ich mir an jeder Ecke kaufen, wollte ich sie? Glaubst Du nicht, jeder Idiot könnte eine solche Arbeit verrichten? Überlege Dir gut, wer Du bist, und warum ich Dich wohl an meiner Seite zu sehen wünsche, dass ich dieses Possenspiel mit einem toten und einem lebenden Sklaven vollführt habe!" Ich drückte die Fingerkuppen beider Hände aneinander und blickte ihn über dieses Konstrukt hinweg sinnierend an. "Ich glaubte in dir einen Menschen zu erkennen, der mehr ist als nur ein Krieger, der klug genug ist, auch zu wissen, wann ein Kampf nicht lohnt, und wann er sinnvoll ist - und vor allem jemanden, der aufgrund dieser Charaktereigenschaften einmal es verdienen wird, den Namen einer kaiserlichen Familie in dem seinen zu führen. Sei mir ein Gefährte, der mir ehrlich seine Meinung sagt, sei mir ein Schild gegen den Wahnsinn dieser Stadt, und ich werde Dich eher früher als später zu einem freien Mann machen. Das hier ist doch kein dummes Spiel für Kinder, die ihrem Geist noch nicht trauen können."

    Sie stellte sich gar nicht einmal so ungeschickt an, die toga würde wohl auch weiterhin ihre Dienste leisten und nicht unter Löchern leiden müssen - bei neuen Sklaven erwartete ich alles und nichts zugleich - und zumindest zögerte sie auch nicht allzu lange, sich zu mir unter die Laken zu begeben. Es hätte schlechter laufen können, aber sie schien inzwischen zumindest ansatzweise verstanden zu haben, dass man ihr hier nichts Schlechtes wollte. Bei anderen Familien hätte sie es schlechter treffen können - diesen Gedanken allerdings schob ich mangels wirklicher Relevanz für den Augenblick schnell beiseite. Ihrem Geruch nach war sie frisch gewaschen, auch das Haar mochte noch feucht sein - zumindest glaubte ich das zu erahnen, ich prüfte es nicht nach - und diese erfreuliche Einfühlung in meine Bedürfnisse (wer hätte sich schon einen schmutzigen Sklaven im Bett gewünscht?) schrieb ich Cungah zu, der klugen und vor allem erfahrenen Nubierin, die schon seit langen Jahren für die Flavier tätig war und sich so gut sie konnte, um neue Sklaven kümmerte.


    Im Halbdunkel konnte ich ihren Körper kaum erkennen, dennoch war ich mir der Wärme ihrer Anwesenheit sehr wohl bewusst. Wie lange war es her, dass Nefertiri diesen Dienst für mich geleistet hatte, wenngleich natürlich mit mehr Sicherheit und mit dem Wissen einer Sklavin, die sich nichts anderes vorstellen konnte, als ihrem Herrn gut zu dienen? Es schien mir ein halbes Jahrhundert zurückzuliegen.
    "Du hast Dich gereinigt, das ist gut - das sollst Du jedes Mal sein, wenn Du bei mir liegst. Lösch das Licht .." ich deutete auf die Öllampe und tat so, als wolle ich sie auf die Entfernung auspusten, "...und komm, es ist spät geworden." Damit schlüpfte ich unter das Laken, legte mich auf die Seite und beobachtete ihren schattenhaften Umriss gegen das von draußen noch hereindringende Mondlicht - wenig von ihr konnte ich wirklich sehen, und vielleicht war es besser so, dass ich ihr Gesicht nicht erkennen konnte, musste dies für sie doch mehr als befremdlich sein.

    Im Grunde hatte dieses Gespräch an Grundlage verloren - denn diese Verständigung mit Händen und Füßen war es nicht, die mir vorschwebte, wenn ich an eine Unterhaltung mit einem Sklaven dachte, und sicherlich wären andere Besitzer ungeduldiger gewesen, als ich es war. Vielleicht war ich in solchen Punkten wirklich zu geduldig, zu weich, zu sehr bereit, im Sklaven auch den Menschen zu sehen, doch zumindest einer Sache hatte mich Rutger belehrt - einem Sklaven zu vertrauen. Ein zweites Mal würde ich sicher nicht mehr bereit sein, von einer drakonischen Strafe abzusehen.


    "Geh, Bridhe, und lerne das Haus kennen, und die anderen Sklaven. Wir werden uns wieder unterhalten, wenn Du unsere Sprache besser verstehst," sagte ich gelassen, während ich sie im Blick behielt. Das Wesentliche schien sie begriffen zu haben, und wenn sie nicht dumm war, würde sie in den nächsten Tagen versuchen, sich anzupassen - wenn nicht, gab es noch genug andere Orte, an denen eine für mich wertlos gewordene Sklavin würde arbeiten können. Zumindest eine wichtige Lektion musste sie nun auch verstanden haben - dass ich es war, der unsere Gespräche beginnen und beenden würde, zumindest vorerst.

    Da hier im Büro derzeit die Luft brennt, kann ich Antworten auf Threads nicht in der Schnelligkeit der letzten Zeit garantieren - nicht sauer sein, wenn es ein bisschen dauert, ich muss einen Meeting-, Schaubild-, Grafikberg abtragen, wenn ich nicht darunter ersticken will ;)

    "Dann danke ich für Deinen Besuch - möge Dein Tag ruhig vonstatten gehen, Decimus Subrius. Vale!"
    Ich nickte dem miles freundlich zu und erhob mich, als er aufbrach - ein weiterer Wink folgte, und der Sklave, der uns eben bedient hatte, führte meinen Besucher in Richtung der porta, auf dass er sein Tagewerk fortsetzen konnte. Und während der Decimer zweifelsohne wieder auf den Pfaden der Tugend weiterwandelte, trank ich in aller Ruhe meinen Wein aus und nahm mir vor, herauszufinden, was es mit diesem Edikt auf sich hatte, das mir einen Besuch der CU ins Haus gebracht hatte.

    Das weiche Beben ihrer Stimme ließ eine Saite in meinem Inneren anklingen, die lange hatte schweigen müssen - wie oft kam es vor, dass ich Komplimente machte, mich darum mühte, ein guter Freund zu sein, der nicht zuviel forderte, ein standhafter Mann zu sein, wenn es um irgendwelche familiären oder geschäftlichen Missliebigkeiten ging, aber wie oft hatte ich die Gelegenheit, Gleiches mit Gleichem vergolten zu erhalten? Dieses sicherlich schmeichelhafte Kompliment wärmte mir im ersten Augenblick das Hezr, ohne dass ich mit dem üblichen patrizischen Argwohn gefragt hätte, ob es denn auch ernst gemeint war. Man musste ihr nur in die Augen blicken, die mir reichlich umwölkt erschienen, um zu erkennen, dass sie wohl nicht mehr vollständig Herrin ihrer Sinne war, und vielleicht war es in der heutigen Zeit das Beste, sich nicht alle Facetten der Realität anzutun. Meine Zeit des Rausches allerdings war längst vorbei, die dauernde Betäubung meiner Sinne, um den Realitäten meines Daseins zu entfliehen, lag weit fort in Achaia, und seitdem war es immer irgendwie voran gegangen.
    Was hielt ich hier für einen Menschen in meinen Armen? Indes, es war mir nicht unangenehm, aber wie es mit allen schönen Momenten war, sie hatten die dumme Angewohnheit, irgendwann zu enden.


    "Die Götter sind doch zu jedem Augenblick aufmerksam, werte Claudia Callista, und alle Worte, die uns zur Nachtzeit erreichen könnten, sind ebenso am Tage zu hören, wenn man denn hören will. Vielleicht ist es gerade dies, was für jeden Menschen tröstlich sein dürfte - dass er jederzeit gehört werden kann, wenn er nur bereit ist, dem Wunsch der Götter entsprechend sein Dasein zu fristen," entgegnete ich mit der Geduld eines Priesters, der oft genug solcherlei Fragen beantworten musste, ohne zu verstehen, warum sich so viele Menschen an Zeiten und Augenblicke klammerten. Aber nicht jeder konnte das Glück haben, sicher zu wissen, dass die Götter uns zuhörten, wenn wir sie angemessen um Beistand baten. "Du scheinst Rom nicht gut genug zu kennen - oder ich kenne Alexandria nicht gut genug. Indes, vertraue mir ruhig, wenn ich Dir versuche, die Gefährlichkeit dieses Ausflugs in Augenschein zu rücken, denn in jeder Stadt gibt es dunkle Subjekte, und hier scheinen sie sich zu sammeln, da sie kostenlos nach Blut geifern dürfen." Wieder schmeichelte sie mir, und ich musste zu meinem persönlichen Missvergnügen feststellen, dass es mir gefiel. Wer wurde nicht gern für stark und mutig gehalten, vor allem mit diesem begleitenden Blick?


    Ob es nun Wagemut sein mochte oder meine uralte Neigung, willensstarke Frauen irgendwie reizvoll zu finden und erst einmal nicht an allzu großen Dummheiten zu hindern, ich ließ mich von ihr an der Hand greifen und mitziehen, über diesen dunklen Platz, um dann in der Nähe der nächsten Häuser nach einem Garten zu suchen. So wie ich mein Glück bisher kennengelernt hatte, musste eigentlich gleich eine Cohorte der CU um die Ecke biegen und uns fragen, was wir da täten - aber noch schien unser kleines Abenteuer keine Störung zu erfahren. Der Garten lag still da, und das leise Gezwitscher ferner Vögel verlieh den dunklen Hecken und Sträuchern ein sehr geheimnisvolles Ambiente, wie ein verwunschener Ort, irgendwelchen uralten Göttern geweiht, die unsere Zivilisation nie gekannt hatten. Ein Spalt in der Mauer hatte mir Einblick auf den mondlichtverzauberten Ort gewährt, und auch wenn es nicht um die Rosen gegangen wäre, ich wollte mit einem Mal dort sein, wenigstens für einen Augenblick lang glaubend, in einer fernen Welt zu sein.
    "Hier drüben ist ein Mauervorsprung, da sollten wir eigentlich gut hochkommen," meinte ich im verschwörerischen Ton, wohl wissend, der Dummheit des Ausflugs gerade die Krone aufzusetzen. "Ich klettere besser voraus, und Deine starken Mannen könnten Dich dann anheben - auf der anderen Seite fange ich Dich dann auf, was meinst Du?"

    "Da bist Du ja. Hilf mir," sagte ich nur schlicht und trat zu ihr heran, dabei mühsam ein Gähnen unterdrückend. Der Tag war lang gewesen, fast zu lang, und morgen früh würde ich es zweifelsohne merken. Dass sie unsicher dastand, wunderte mich nicht, und ich hatte beschlossen, so zu tun, als würde ich es nicht merken, je schneller sie diese Situation als normal zu empfinden begann, desto besser. Ich deutete ihr an, sie möge mir aus dem Umgetüm meiner Toga helfen, dann schnürte ich selbst meine Sandalen auf und streifte die Tunika locker vom Körper, bevor ich mich auf die Kante meines Betts setzte und mich langsam, die Muskelpartien des Oberkörpers nach und nach streckend, entspannte. Zumindest im Augenblick schien ich von der ewigen Gier verschont geblieben zu sein, die mir so oft einen Streich spielte, und ich konnte Bridhe als das sehen, was sie für mich sein sollte: Ein warmer Körper in der Nacht, mehr nicht. Es gab schon genug Wirrungen wegen anderem in meinem Leben, sie musste nicht auch noch hinzukommen. Wahrscheinlich war sie auch noch unberührt oder was auch immer, es sollte mir im Augenblick gleich sein.


    "Setz Dich zu mir, Bridhe," sagte ich und lehnte mich zurück, schwang die Beine auf das Bett und streckte mich auf der Decke aus. Es war noch immer warm, fast zu warm, um gut schlafen zu können, aber ich wollte jetzt nicht noch einen Sklaven zum Fächeln rufen, also musste es so gehen, wie es war. So blickte ich zu ihr auf und bedeutete ihr, sich zu mir auf die freie Fläche des Betts zu gesellen.

    Ich nickte dem Sklaven zu, er möge meinem Gast seinen Wunsch erfüllen, und schon erhielt dieser einen Kelch Falerner eingeschenkt, dessen vollmundiges Aroma allein schon durch seinen Duft offenkundig war. Mir selbst ließ ich eine schwache Mischung bereiten, denn mein Tag würde noch lange nicht mit diesem Gespräch enden, und für die meisten ausstehenden Tätigkeiten brauchte ich einen klaren Kopf.
    "Das sollte kein Problem darstellen." Welche Betriebe auch immer geschlossen werden mussten, es würde mir nicht allzu sehr wehtun, auf die Einnahmen zu verzichten - allerdings musste ich bald herausfinden, worum es in diesem verdammten Edikt eigentlich ging. Manius würde sich totlachen, dachte ich, wüsste er, was mich gerade hier so kalt erwischt hatte - zweifelsohne wäre mein Vetter besser informiert gewesen.

    Es schien sie beruhigt zu haben - glücklicherweise. Wo mein Zimmer war, wusste sie auch, nun, alles weitere würde wohl darauf warten müssen, bis sie sich besser ausdrücken konnte, ich war auch nicht unbedingt gewillt, bis in alle Ewigkeit einen mehr schlechten als rechten Komödienschauspieler zu geben, ein kleiner Rest an patrizischer Würde durfte schon sein.
    "Hast Du denn eine Frage? Willst Du etwas wissen?"

    "Ianus ist ein Gott, Severus, und das soll Deine erste wirkliche Aufgabe sein neben Deiner Pflicht, auf mein Leben zu achten - lerne unsere Götter kennen, unsere Riten, unsere Feste. Du musst sie nicht feiern, aber doch kennen, denn es gibt genug fromme Menschen, die sich beleidigt fühlen könnten, wenn sie das Gefühl haben, ein Sklave würde sich nicht auskennen. Es wird Dir in der Zukunft einigen Ärger vom Hals halten, über unsere Gesellschaft Bescheid zu wissen," sagte ich ruhig, noch immer nicht wirklich von seinen Worten berührt. Sein Fast-Tod hatte mir einen Zugang zu Gefühlen versperrt, die tiefer reichten als ein momentaner Augenblick, und ich ertappte mich selbst dabei, wie seine Nähe auf mich noch immer wie verschleiert wirkte, als sei dies alles nicht real. Wollte ich ihn überhaupt als Sklaven behalten? Oder war er für mich inzwischen wirklich austauschbar geworden, einer unter vielen, die mir wenig mehr als Unbekannte bedeuteten?


    "Du besitzt noch immer denselben Geist, wie mir scheint, und wer weiss, wie ich als Sklave gewesen wäre - diesen Einblick haben uns die Götter nicht gewährt, in sofern könnte ich nur vermuten. Ich kann Dir nur sagen, dass ich mich in den vielen Monaten, in denen ich vergessen habe, wer ich war, und woher ich stammte, glücklicher und zufriedener gelebt habe als jemals zuvor, und dass auch ein Patrizier von Banden gefesselt sein können, die einen unfrei machen. Es mag Dir wie Hohn klingen, und schätzungsweise wirst Du auch diese meiner Worte verächtlich abtun wie stets, dennoch - es ist eine Frage des Blickwinkels. Willst Du denn in die Arena und um Deine Freiheit kämpfen?" Wenn ich ehrlich war, dauerte mich diese ganze Sache langsam aber sicher doch ein wenig, und wenn er vor die Entscheidung gestellt wurde, dann konnte er sich am Ende wenigstens nicht darüber beschweren, er hätte nie die Möglichkeit erhalten. Im Augenblick jedenfalls kam ich mir ein wenig vor wie ein Vater, der mit seinem Nachwuchs nicht allzu viel anfangen kann, nachdem er festgestellt hatte, dass die gewünschten Erziehungsziele offensichtlich nicht erreicht worden waren.

    Wieder nahm ich einen entspannten Schluck Wein, ließ das Aroma auf meiner Zunge rollen und entgegnete schließlich ohne Eile: "Fünfhundert - bedenke, Du bekommst einen ausgezeichneten Verwalter mit dazu!" Fünfhundert war ein Angebot, das ich bereits schon einmal gehört hatte, und im Augenblick sah es auch danach aus, dass der andere Bietende damit mehr meinen Wünschen entsprechen würde als der Caecilier - man würde sehen.