Ein wilder, sehnsüchtiger Rausch erfasste mich, als er zu mir trat, mich berührte, ich ihn so nahe spüren konnte wie schon lange nicht mehr. Sein Geruch war mir vertrauter als jeder andere, selbst als der Orestillas, als der jedes Weibes, mit dem ich irgendwann einmal im Bett gelegen hatte, selbst der Geruch meiner zu früh verstorbenen Mutter war vor dieser Erinnerung verblasst wie ein Häufchen Asche im Wind verging.
Er war real, keine Erinnerung, seine Hand war es, die meinen Nacken berührte, sein Körper war es, den ich an meinem so warm und lebendig fühlen durfte, als sei ich direkt von der Erde ins Elysium aufgestiegen, um mich mit allen meinen laren zu vereinigen. In diesem Augenblick war ich zuhause, egal, wo wir uns nun befanden, sei es inmitten einer luxuriösen Patriziervilla oder irgendwo in der ärmlichsten Hütte an einem Strand. Das Schlimme an diesem Gefühl war, dass ich es nicht aussprechen durfte, ohne wieder Gefahr zu laufen, ihn zurückzuweisen. Und dann sprach er, sagte die Worte, die gleichzeitig die schönsten und schrecklichsten waren, die zu hören ich gehofft hatte.
Er erwiederte meine Gefühle, aber nachgeben wollte er ihnen nicht. Mein Manius, der Einzige. Ich zitterte unwillkürlich, versuchte es zu verbergen, aber es gelang mir weit weniger gut, als ich gehofft hatte, ich konnte einfach nicht anders, als bis ins Mark zu erschauern, hatte mich dieser ewige Zwiespalt doch einmal zum Äußersten getrieben. Seine Lippen waren weicher, als ich erwartet hatte, und ich schämte mich dafür, dass meine Haut wohl nach Salz und Schweiß schmecken musste, weil ich noch nicht gebadet hatte, nicht so parfümiert, wie er es verdient hätte, wenn er mich schon berührte. Ihm hätte immer nur das Schönste, das Beste gelten sollen, nicht ein abgerissener Zielloser wie ich.
Dann war der vollkommene Moment vorbei, in dem ich einfach nur genossen hatte, seine Wärme gespürt, als könnte er mich für den Rest meines Lebens erhellen - er trat ans Fenster, und ich blieb stehen, unfähig mich zu berühren, fühlte ich doch noch das Echo seiner Lippen auf meiner Haut. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass es nie enden sollte, nicht vor unser beider Tod ... aber es war vorüber, und ich konnte nur versuchen, diese Erinnerung in mein Innerstes einzuschließen, sie auf ewig zu bewahren. Mehr unbewusst als bewusst lauschte ich ihm, hörte die bittere Selbstanklage aus seinem Mund, und je mehr er sprach, desto mehr verblasste die Wärme in mir, machte Kälte Platz, die voller Furcht und Mitgefühl war. Ich wusste, Mitleid hätte er nicht ertragen, aber ich fühlte mit ihm, versuchte es zumindest, denn diese hoffnungslose Einsamkeit aus seinen Worten, ich kannte sie genauso gut wie er, vielleicht musste jeder Patrizier sie kennen lernen, wenn er begann, sich auf den glatten Marmorböden der ewigen Stadt zu bewegen. In Hispania war vieles leichter gewesen, aber das Prinzip blieb stets dasselbe, egal, wo man sich befand.
"Ich habe das Leben nicht genommen, wie es kam, Manius, ich habe einfach genommen, was ich bekommen konnte und mir keine Gedanken über die Zukunft gemacht. Ich habe vor mich hin gelebt und getan, wonach mir war, aber glaubst Du, das ist der richtige Weg? Irgendwann ist alles hohl und leer, und es erfreut einen nichts mehr, und niemand."
Langsam sog ich den Atem ein, und sprach leiser, aber durchaus bestimmt. Wenn ich eines wusste, dann, dass ich niemals zulassen würde, dass er sich selbst zerfleischte, dass er so einsam wurde, dass es nichts und niemanden mehr für ihn geben würde. Dafür ... liebte ich ihn zu sehr.
"Manius, wir waren damals Kinder und Kinder spielen nun einmal, sie träumen nun einmal, denn auf diesen Träumen wird Rom immer wieder neu erbaut. Du und ich, wir haben damals unsere Träume geteilt und ich hoffe, wir werden es wieder. Es gibt niemanden sonst hier, bei dem ich mich nicht verloren fühlen würde, wenn wir miteinander sprechen, und wenn ich Dich sehe, dann sehe ich in Dir nicht nur den Mann, der sich redlich bemüht, unserem großen Namen durch seine Taten gerecht zu werden, sondern auch den Freund, an dessen Seite ich immer stehen werde, was auch immer geschieht, egal, wie sehr es schmerzt. Ich hatte die Wahl, Manius, und ich bin nicht gesprungen." Der Wind hatte damals an meiner Toga gezerrt, ich wusste es wieder, als sei es gestern gewesen, aber ruhige bedachte Worte hatten geholfen, die Worte eines Mannes, dem ich noch danken musste. Der vielleicht irgendwann Freund sein würde, aber das war in diesem Moment weniger von Belang.
"Ich verrate Dir etwas, ich war selten zufrieden in meinem Leben, denn ich hatte nie ein wirkliches Ziel. So lange gut zu leben, bis einem das Geld ausgeht, ist weder ein Ziel noch eine sinnvolle Existenz, sich bei den Verwandten durchschnorren noch weniger, während alle anderen den Weg der Politik gehen, berühmt werden und was auch immer. Allein wenn ich Furianus mit seiner minderen Geburt, seinem Verhalten und seiner absolut fehlenden rethorischen Begabung betrachte, dass er dennoch seinen Weg macht, während ich lange Zeit vor mich hin trieb wie ein Stück Holz im Meer ... man fühlt sich irgendwann nutzlos. Erst jetzt beginne ich langsam zu erkennen, wo ein Platz für mich sein könnte, und ein guter Teil dessen ist bei Dir. Du warst mein Marcus Antonius damals und ich Dein Iulius Octavianus, und vielleicht wären sie ewig Freunde geblieben, wäre der Lauf der Geschichte ein anderer gewesen. Für mich klingst Du, als stündest Du auf einem inneren tarpeischen Felsen, und ich kann Dich nur bitten, Manius, nur hoffen, dass Du meine Worte verstehst, die ich Dir nun sage."
Ich machte eine kleine Pause, trat näher auf ihn zu und legte meine kräftig gewordene, schwielige Hand auf seine Schulter, drückte diese und blickte ihm direkt in die Augen, diese tiefen, kummervollen Augen.
"Spring nicht. Gib Dich nicht auf, Manius, gib den Marcus Antonius in Dir nicht auf. Ich werde bei Dir sein."