Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Es war spät in der Nacht, und wahrscheinlich war das auch gut so. In der Nacht sind alle Katzen grau, und ein Patrizier sieht aus wie jeder andere Mann auch, die teure Kleidung sah man im Halbschatten der spärlichen Beleuchtung Roms deutlich weniger und einen Betrunkenen ließen die meisten Diebe auch in Ruhe, wenn er genug nach Wein stank und man keinen zu großen Ertrag erhoffen konnte. Vielleicht war es das, was mir meine körperliche Gesundheit bewahrt hatte, aber in diesem Augenblick, in dem ich in den Tempel des Mars Ultor torkelte und den einzigen Ort aufsuchte, an dem in Rom die Stimmen der Umgebung verstummten, der einzige Ort, an dem ich das Gefühl hatte, als der akzeptiert zu sein, der ich war, ohne irgendeinem Familienstolz nachjagen zu müssen, der durch die derzeitigen Mitglieder der Familie ohnehin meist nicht widergespiegelt wurde.


    "M...mmamarce! Ichhabdir ...was m...mmmitgebracht!" Meine Hand hob die Amphore mit dem billigen Fusel, von dem ich nicht einmal mehr wusste, woher ich ihn hatte, und eine gute Menge der blutroten Flüssigkeit schwappte bereits auf den Marmorboden, ein mehr als angemessener Teil für ein Trankopfer. Mein schwankender Gang wurde schließlich durch den Sockel der Marsstatue gebremst und ich blieb gleich daran gelehnt stehen, legte einen Arm um den riesenhaften Fuß des Gottes und stöhnte leise vor mich hin. "Mm..mamarce, das Leben is' einfach nur .. Misst. Nichmal selbst umbringen darf man ssich, verstehste? Nichmal einfach gehn, wenn man nimmer mag." Ich nahm einen Schluck des Weins, der mir im nüchternen Zustand wahrscheinlich die Zehennägel aufgerollt hätte, momentan durch den Grundpegel an Alkohol allerdings schmeckte wie süßer Falerner, dann goß ich Mars auch nochmal einen guten Schluck hin.


    "Jemanden lieben is einfach nur Mist, der größte Dunghauf'n der Welt, des Impeeeeriums!" verkündete ich und war der Ansicht, eine ultimative Weisheit erkannt zu haben. Liebe war einfach nur Mist. "Weisste, ich lieb den ja schon lange und immer wars gut wies war, aber neiiin, er muss ja heiratn. Scheissweiber! Hasse mit Venus auch immer son Driss? Aller Ärger auffer Welt kommt immer nur durch die Weiber! Prost Mamarce!" Schwapp, da hatte er den nächsten Schluck des Subura-Gesöffs, das irgendwer mit viel Phantasie als Wein deklariert hatte, und ich nahm die doppelte Menge, allein um meine seltsamerweise sehr schnell trocken werdende Kehle zu befeuchten. "Ich weiss nichmehr was ich tun soll, Mamarce, das is alles einfach nur ..." Ich überlegte, und dann wusste ich es wieder: "Das is alles einfach nur Mist! Fühl mich wie tot und als hätt' mir wer den größten Tritt meines Lebens gegebn ... mit vollem Anlauf mitten rein und dann nochmal danach ...ach Mamarce."


    Langsam sackte ich zu Boden und blieb da sitzen, knapp neben der letzten Weinlache, den Kopf an den Sockel seiner Statue gelehnt. "Ach Mamarce. Das is alles so ungerecht, ich kann doch nich einfach aufhörn, ihn zu lieben. Was soll ich nur machn ..?" Meine Weinamphore kippte um, und glücklicherweise gab es nicht mehr viel zu opfern, sodass der letzte Schluck für Mars ein großzügiger wurde, dann fielen meine Augen zu und ich verbrachte den Rest der Nacht an seine Statue gelehnt sitzend und mit dem Kopf in irgendeiner sehr verchwommenen Welt, in der es zumindest nicht mehr ganz so furchtbar wehtat, dass die Stimme des Menschen, den ich auf dieser Welt als einzigsten wirklich liebte, mir befohlen hatte, ihn zu verlassen.

    "Arrecina, bist Du denn wahnsinnig geworden?" presste ich mühsam hervor und rutschte an den Beckenrand, sie eilig loslassend, um bloß mit nichts mehr irgendeinen Kontakt unserer Körper zu gewährleisten. Ich kannte mich zu gut, ich fühlte jetzt noch das Sehnen meines Leibes danach, ihren unter mir zu fühlen, sie ganz zu meinem Geschenk zu machen - deswegen der Abstand, um sicher zu sein, dass ich nicht nachgeben würde, nicht nachgeben musste, weil die Stimme meiner Lust lauter wurde als die des Verstandes.


    "Ich glaubte, Du seiest meine Sklavin und Du hast es auch noch so gespielt, in aller Götter Namen, Du weisst doch, dass uns dies verboten ist!" Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass es ihr egal sein musste. Eine Frau, die sich so an einen Mann drängte, die sich ihm so anbot, wie sie sich mir angeboten hatte, der war es gleich, ob wir miteinander verwandt waren und wie weit wir miteinander verwandt waren. In diesem Moment erkannte ich, dass dieses Spiel immer so weitergehen würde, bis ich ihr anheim fallen würde, irgendwann, früher oder später würde ich nicht mehr widerstehen können.


    "Täubchen, ich nehme an, ich kann sagen, was ich will, Du wirst immer wieder meine Nähe suchen, aber das muss enden. Du wirst irgendwann heiraten, irgendwann den Mann finden, den Du liebst und dem Du wirklich gehören willst, und dann wirst Du Deinen Onkel vergessen und auch das, was Du Dir wünscht und ich Dir nicht geben darf," fügte ich eilig an und betrachtete sie doch eingehender, als ich es wollte. Ihr Körper war eine so süße Frucht, die nur gepflückt werden wollte, und ich durfte nicht, durfte den dunklen Abgrund, in den unsere Familie so gern stürzte, nicht noch größer machen, nicht auch noch die Blutschande meinen Gelüsten hinzufügen, die mir bisher nichts als Leid und oberflächliches Vergnügen gebracht hatten.

    Wieder zupfte und zerrte der Wind an meiner Toga, ließ den Saum meiner Tunika flattern und gab mir einen Eindruck dessen, wie es wohl wäre, dort hinab zu fliegen, die letzten Augenblicke vor dem Ende zu erleben. Es wäre die vollkommene Freiheit, die Freiheit von allem, was mich noch hielt. Eine Familie, die sich gegenseitig belauerte und beargwöhnte, eine Nichte - oder Großcousine, wie auch immer, letztendlich waren wir zu nahe verwandt, so oder so - die versuchte, mich zu verführen, ein Vetter, dessen Hauptbeschäftigung im Leben zu sein schien, möglichst viel zu trinken und der Bildung weitläufig aus dem Weg zu gehen, ein weiterer Vetter, der seine Hochzeit nicht auf die Reihe brachte und stattdessen sich mehr wie ein Plebejer aufführte denn wie ein Patrizier, ein weiterer Vetter, den ... warum endeten denn alle meine Gedanken bei ihm, nur bei ihm? Es konnte nicht wahr sein, gab es denn nichts mehr, was für mich sonst zählte? Konnte ich diesem Schmerz denn niemals entkommen?


    "Meine Sonne muss ihr Leben leben," sagte ich leise und verschwieg dabei klugerweise, dass es sich um einen Mann handelte. "Ich habe darin wohl einfach keinen Platz mehr. Es ist schlimm genug, jeden Tag dieses geliebte Gesicht zu sehen und zu wissen, dass wir einander niemals haben werden, nicht haben dürfen, dass ich dabei zusehen muss, wie meine Sonne eine Ehe lebt, in der sie nicht glücklich wird, nicht werden kann - verstehst Du das? Es ist, als ramme man mir täglich, immer wieder aufs Neue, einen Dolch in die Brust und drehe ihn darin, damit es richtig gut wehtut, immer wieder. Ich weiss nicht, wie lange ich das noch ertragen kann. Ob ich nun auf Raten sterbe, jeden Tag ein wenig, oder es gleich ganz erledige, letztendlich ist es dasselbe Ergebnis," fuhr ich in meinen Gedanken fort. Wie lächerlich, 'irgendwann wird der Schmerz vergehen'. Wie konnte er wissen, was mich und Manius alles verband? Niemand konnte das wissen, niemand konnte es verstehen.

    Zitat

    Original von Claudia Prisca
    Kaum dass man es merkte, hoben sich meine Augenbrauen, als ich einen gespannten Blick in den Kelch warf. WEIN … Die meisten Mädchen meines Jahrgangs meideten ihn. Was jetzt tun? Erwachsen spielen? Zugeben, dass ich noch ein junges Mädchen war? Gut, alt genug für eine Ehe wäre ich schon, auch wenn es neuerdings üblich war, sehr spät zu heiraten.


    Ich lächelte in dem Versuch, meine Unschlüssigkeit zu überspielen. Wieder und wieder schwenkte ich das edle Nass im Kelch herum. Wie gut, dass bald eine Frage kam, die es galt zu beantworten.


    "Ich gehöre zur Verwandtschaft der Braut." Und du offensichtlich zu der des Bräutigams, dachte ich bei mir. Suchend blickte ich mich um, weil ich noch immer nicht gratuliert hatte. Außerdem konnte ich so diesen Augen entgehen. Ob man im Laufe des Lebens wohl etwas selbstsicherer wurde? Ich antwortete nicht eben einfallsreich und auch ohne aufzublicken: "Mars ..., hmhm."


    Ich vermied tunlichst den Blick in Richtung des Brautpaars und konzentrierte mich lieber auf diese junge Schönheit vor mir, auch wenn mir der sonstige Elan, mit dem ich mich um weibliche Wesen bemühte, in diesen Stunden abging, zu sehr schmerzte es, diese Farce einer Eheschließung ertragen zu müssen.
    "Dann weilst Du sicher noch nicht lange in der urbs aeterna," sagte ich, überlegend, für welche Themen sie sich wohl interessieren mochte, oder war sie vielleicht einfach nur nicht daran gewöhnt, von einem fremden Mann angesprochen zu werden und deswegen eher stiller? "Zumindest kann ich mich jetzt nicht erinnern, Dich schon einmal bei einem Empfang oder einem sonstigen gesellschaftlichen Ereignis gesehen zu haben - und ein Lächeln wie Deines hätte ich gewiss nicht vergessen."


    Sie trank nichts, mochte sie den unverdünnten Wein vielleicht nicht? Zeit für die nächste charmante Notlüge. "Was meinst Du, ob wir einen Sklaven finden, der uns etwas Wasser zukommen lässt? Mir scheint, in diesem Haus spricht man dem unverdünnten Wein sehr gerne zu und ich möchte schließlich den Brautzug noch in nüchternem Zustand mitbekommen," sagte ich und blickte mich suchend um. Mir wäre zwar nach einem ordentlichen Besäufnis gewesen, aber was tat man nicht alles, um den schönen Schein zu wahren. "Verrätst Du mir Deinen Namen, Claudia? Es wäre schön zu wissen, mit wem ich spreche ..."

    Es war still in meinem Raum, so still, dass ich das Vergehen der Zeit zu spüren glaubte. Ab und an blitzte eine Unterbrechung dieser Stille in der Form eines Rufes oder eines entfernten Geräusches auf, das davon kündete, dass irgendein Sklave gerade arbeitete oder irgendein Familienmitglied einen Sklaven gerufen hatte. Aber dennoch, das Gefühl von Leere war allgegenwärtig und ich konnte es weder durch meine Gedanken noch durch irgend etwas anderes füllen. Nicht einmal die Klassiker, die ich sonst so gerne gelesen hatte, um mir Stunden der Muße zu vertreiben, konnte ich heute in die Hand nehmen, ohne mir zu wünschen, ich hätte sie nicht angefasst. Cicero, Caesar, all die herausragenden Denker und Schriftsteller vergangenen Zeiten, sie vermochten mir keinen Trost zu spenden, nicht einmal Ovids nicht enden wollender Sermon über unglückliche Liebe hatte etwas Hilfreiches für mich zu bieten.


    Warum hatte er das getan? Warum? Diese Frage konnte er mir nicht beantworten, denn ich konnte sie ihm nicht stellen, wir hatten uns seitdem auch nicht gesehen, weil ich es tunlichst vermieden hatte, mich in den Räumen der Familie zu zeigen, ich war früh gegangen und spät zurückgekehrt, glücklich darüber, niemandem Rede und Antwort stehen zu müssen. Irgendwie war es voran gegangen, im Inneren war ich so taub gewesen, dass ich meinen Tempeldienst weitgehend schweigend verrichtet hatte, und man hatte mich auch nicht angesprochen. Mehr hatte ich nicht gewollt, denn es war schon schwer genug gewesen, das alles irgendwie zu ertragen. Selbst Nefertiri musste in diesen Tagen bei den Sklaven schlafen, ich ertrug ihre Nähe nicht, ich wollte sie nicht sehen, wollte niemanden mehr sehen, weil mich alles an ihn erinnerte, ihn, meine Sonne, meine Sterne.


    Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von dir
    Jeder Lufthauch erzählt mir von dir
    Jeder Atemzug, jeder Schritt
    Trägt deinen Namen weit mit sich mit*


    So blieb mein Blick im Kerzenschein an die Decke gerichtet, folgte den Vertiefungen und Schattierungen, die erst durch diese Form warmen Lichtes überhaupt an der Decke sichtbar wurden, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Wie sollte ich nur mit ihm umgehen, wenn ich ihn denn wiedersehen würde? Wie sollte ich den Schmerz verhehlen, den sein Anblick in mir auslöste, wohl wissend, wie seine Lippen gebebt hatten und er mich doch zurückgewiesen hatte? War unsere Jugend, unser Erwachen, die gemeinsame Zeit so unwichtig, so unbedeutend gewesen, dass er selbst des Göttervaters Namen nutzen musste, um uns zu trennen? Oder war das Gefühl in ihm so stark, dass er sich nicht mehr anders zu helfen gewusst hatte? Ich wusste es nicht, und ich wusste gleichzeitig, dass ich ihn nicht fragen würde, nicht einmal fragen konnte.


    Ich war so hilflos wie nie zuvor in meinem Leben. Langsam erhob ich mich, blickte mich in diesem Zimmer um, in dessen Mauern die Seufzer Nefertiris hingen wie eine Anklage, in dessen Stoffen der Gestank unserer gegenseitigen Befeuchtung klebte wie eine stetige Mahnung, dieser Raum atmete die Leidenschaft, die ich genossen hatte, ohne zu lieben, ohne lieben zu dürfen, ohne berühren zu dürfen, was ich berühren wollte, und es ließ in mir einen Zorn erwachen, den ich nie zuvor gekannt hatte. Schnell war ich auf den Beinen, griff nach dem Beistelltisch neben meinem Bett, die darauf liegenden Dinge krachten zu Boden, dann donnerte ich den Tisch gegen meinen Schreibtischstuhl, wütete gegen den Schreibtisch, den erst ein kräftiger Tritt umstürzen ließ, alle Dokumente und Schreibgeräte mit sich reißend. Einem tobenden Stier gleich hieb ich mit dem Tisch auf mein Bett ein, dieses falsche Bett, die Stoffe der Vorhänge rissen unter meinem Wüten, hingen nur mehr in Fetzen herunter, die dünnen Federn im Kissen stoben auf und wirbelten durch die Luft, als ich es an einem der zersplitterten Tischbeine aufriss und durch den Raum warf, selbst mein Tuschfass landete an der Wand und zerborst dort in einem hellen Klirren, verschmierte die Wandfarbe und das Schwarz lief die Wand wie Blut herab, so dunkel, wie ich mich fühlte.


    Heftig atmend blieb ich in meinem Werk der Zerstörung stehen, blickte mich darin um, schwer atmend, keuchend, das Blut raste durch meine Adern, dann ein letzter Hieb, der meine Lagerstatt durchbrechen ließ und ebenso zerstört zurückließ wie das restliche Mobiliar - es war alles so kaputt, wie ich mich fühlte, so verloren, unbrauchbar, wie mich diese Liebe gemacht hatte, zu einem Stück Mensch, das niemand mehr wollte und lieben würde. Ich warf den Tisch an die Wand, wo er mit einem donnernden Poltern letztendlich zerbrach und ging hinaus, die Arme von Holzsplittern gezeichnet, die Tunika verschwitzt und halb zerrissen, und es war mir egal, wer mich sah und wohin ich ging. Irgendwohin. Ich war fertig mit allem, fertig mit mir, mit meinem Leben, mit dieser Familie, mit der Welt an sich - und so führten mich meine Schritte aus der Villa hinaus und nichts nahm ich mit mir, nicht einmal meine Nefertiri oder Kleidung, nicht einmal Geld.


    Sim-Off:

    *Zitat aus: "Dein Anblick" - Schandmaul

    Erst als er meinen Namen nannte, wandte ich ihm meinen Blick zu, gleichermaßen erstaunt wie erschreckt. Musste ich denn hier ausgerechnet an jemanden geraten, der mich kannte und es womöglich in der halben Stadt herumtratschen würde, dass es mir einfach nur schlecht ging? Und dann erkannte ich ihn gleichermaßen, Tiberia Calvinas übellauniger Vormund, dessen eisige Höflichkeit mir schon auf dem Markt den Wunsch erweckt hatte, ihn so bald nicht wiedersehen zu wollen. Es schien der heutige wirklich nicht mein Glückstag zu sein, aber seit Gracchus mir gesagt hatte, dass ich gehen sollte, waren alle Tage Pechtage gewesen, überall hatte nur noch Dunkelheit gewohnt. Selbst jetzt fühlte ich diese Leere um mich und in mir, als sei sie greifbar wie der Stoff meiner Toga und Tunika.


    "Tiberius Vitamalacus." Und schon verfiel ich in die Eigenart unserer Schicht, meine Gefühle so weit als möglich zu verbergen, denn ein Patrizier war dem anderen sicherlich kein Freund. Es gab zu vieles, was er erraten konnte, zu vieles, mit dem er meiner gens nun schaden konnte, ich hatte schon viel zuviel gesagt, zu viel offenbart. "Letztendlich gibt es wohl keine Lösung, ausser es zu ertragen oder dem allem irgendein Ende zu setzen, so oder so. Es ist mir lieber, ehrenhaft zu gehen, mit allen Dingen so geregelt, wie sie geregelt sein sollten, wenn ein Mann das Leben verlässt, auf eigenen Wunsch, als jahrelang dabei zusehen zu müssen, wie der Mensch, den ich liebe, sein Leben lebt, an dem ich keinen Anteil habe, wohl wissend, dass mein Gefühl erwiedert wird und nicht erwiedert werden darf. Wir lieben uns schon so lange. Man kann ein Gefühl nicht einfach .. töten. Und doch gibt es keinen Ausweg, nichts, das meiner Sonne gleichkäme."

    Wenigstens hielt er den Mund. Irgendwelche Bewertungen meiner Seelenpein hatte ich jetzt genauso wenig nötig wie eine weitere Zurückweisung durch den, den ich liebte, den ich noch immer liebte wie ein Verrückter. War das meine Strafe, dass ich so viele in meinen Armen gehalten hatte, um ihn zu vergessen? War das Venus' Strafe für geheuchelte Gefühle den Frauen gegenüber, die ich verführt hatte, deren Seufzen mir wenigstens die Nächte still und stumm gemacht hatte? An den Tagen konnte man den Geist mit anderem ablenken, aber in der Nacht war ich lange wach gewesen, jeden Tag aufs Neue, und hatte nicht schlafen können, mich erinnern müssen - bis ich begonnen hatte, diese Gedanken zu ersticken, wo immer ich nur konnte. Und nun, jetzt, da ich ihm so nahe gewesen war, dass ich noch immer seinen süßen Atem roch, das Beben der Lippen unter meinen schmeckte, jetzt sollte alles umsonst gewesen sein, jeden Tag, an dem ich gehofft und geharrt hatte?


    "Die Nacht. Ohne meine Sonne ist jetzt alles Nacht," sagte ich leise, denn seine Worte hatten mich aufhorchen lassen. Hatte auch er jemanden verloren, den er geliebt hatte? Eine Liebe an die Götter zu verlieren musste schrecklich sein, aber wie war es erst, wenn man liebte und diese Liebe lebte, man diese Liebe fast jeden Tag sehen würde müssen, ihr vielleicht zufällig begegnen konnte? Rom war mir zu einer Prüfung geworden, und ich hatte sie nicht bestanden.
    "Wenn es wenigstens einen eindeutigen Schnitt gäbe. Aber ich darf nichts empfinden für meine Sonne, denn wir stehen einander zu nahe. Es ist verboten, es wird immer verboten sein, und wir fallen ewiger Verdammnis anheim, sollten wir es wagen, dieses Gefühl zu leben. Ich frage Dich, ist der Sprung dann nicht besser? Damit wenigstens meine Sonne leben kann, wenn ich es schon nicht vermag?"

    Mein erster Reflex, als ich dann doch wahrnahm, dass sich mir jemand von hinten genähert hatte, war der Wunsch, alleine mit meinen Gedanken zu sein. Konnte man denn in dieser verfluchten Stadt nicht wenigstens einmal auf einem verdammten Felsen stehen, ohne dass sich irgendwer bemüßigt fühlte, einen zu stören? Konnte man sich in dieser Stadt nicht einmal gepflegt selbst bemitleiden und mit dem Tod liebäugeln, ohne dass irgendwer zu einem heran trat und meinte, alles besser zu wissen? Ich hatte in dem Moment, in dem der Unbekannte seinen ersten, harschen Satz losließ, das dringende Bedürfnis, den Schritt nach vorn auch schon ohne Hilfe zu machen, nur um meine Ruhe zu haben. Das allerletzte, was ich im Moment brauchen konnte, waren Belehrungen von irgendwelchen fremden Leuten, und ich atmete tief aus. Was wusste er schon! Wie konnte er auch verstehen, was in mir vorging, wieviel kaputt war.


    Dann kam der zweite Satz, versöhnlicher, freundlicher. Aber ich drehte mich nicht um, denn ich wollte auch nicht wissen, wer er war. Ich wollte mein Gesicht ebensowenig zeigen wie die Spuren der Tränen, die mir irgendwann wohl herunter gelaufen waren und die ich niemandem offenbaren wollte. Ein Mann weinte nicht. Und schon gar nicht laut. Worte meines Vaters, und ich entsann mich seiner Hand auf meinem verlängerten Rücken, als er mir diese Weisheit in jungen Jahren sehr nahe gebracht hatte.
    "Ich weiss es nicht," sagte ich nach einer langen Zeit, in der ich geschwiegen hatte. "Ja und nein wahrscheinlich. Einerseits wäre es besser. Andererseits, wer weiss das schon. Nihil sum sine sole." Nichts bin ich ohne die Sonne, meine Sonne. Meine Sonne hieß Manius, und sie war von den düsteren Wolken der Zeit verschluckt und verdunkelt worden. Ich konnte ihm nicht einmal für diese Entscheidung zürnen, die mich aus dem Himmel in den Hades gestürzt hatte, denn Glück wäre uns so oder so nur gestohlen beschieden gewesen. Aber er hatte es nicht einmal versucht ... wieder blickte ich hinaus, ohne mich auch nur einen Schritt bewegt zu haben, weder nach vorn, noch zurück.

    Die Sonne war längst untergegangen, doch herrschte auf dem Capitol noch lebendiges Treiben, wie es doch stets bei Nacht in dieser schmutzigen, furchtbaren und alles verschlingenden Stadt der Fall war. Rom hatte mir kein Glück gebracht, wie ich es auch geahnt hatte, wie ich es vielleicht schon zuvor gewusst hatte, und es konfrontierte mich jeden Tag aufs Neue mit meinen Unzulänglichkeiten, mit all jenen Dingen, die ich aus tiefster Seele zu besitzen wünschte und niemals haben würde.


    Warum mich meine Schritte ausgerechnet zu diesem Ort geführt hatten, wusste ich nicht einmal sicher. Ich hatte eine weiße Toga angelegt, eine dunkelrote Tunika und einfache Sandalen, keinen Schmuck, nichts, das mich aus der Masse herausgehoben hätte ausser vielleicht der sorgfältige Schnitt meines Haars und die gute Stoffqualität meiner Kleidung. Wenigstens in dieser Nacht schien das Gesindel Roms einen Bogen um mich gemacht zu haben, warum es das tat, war mir auch egal, wahrscheinlich hätte ich mich nicht einmal mehr gewehrt, wäre ich überfallen worden.


    Noch hob und senkte sich meine Brust schneller vom Aufstieg, das letzte Mal, dass ich hier gestanden hatte, war eine Weile her. Der tarpeische Fels, jener Ort, an dem man zuletzt unter Kaiser Claudius Reichsverräter mit dem Felssturz bestraft hatte, lag ruhig und gravitätisch vor mir, als gäbe es hier, wo so viele ihr Leben ließen, weil sie sich gegen Volk und Rom selbst vergangen hatten, keinen Schmerz mehr, keine Sorgen, keine Gedanken an all jene höchst alltäglichen Dinge, an denen ein Mensch verzweifeln konnte. Tagelang war ich seit der Hochzeit wie eine falsche Münze in der Villa Flavia umher gestrichen, gefangen zwischen Wein, Schlaf und den sinnlosen Versuchen Nefertiris, mich irgendwie aufzumuntern, bis ich es nicht mehr ausgehalten hatte, den Menschen, den ich bis zum Wahnsinn liebte, in meiner Nähe zu wissen, nur einige Zimmer weiter, ohne ihn doch jemals erreichen zu können.


    Seine Worte hatten mich von sich getoßen und ich konnte nicht mehr kämpfen. Er hatte auf Iuppiter geschworen und welches Recht hatte ich Mensch, dagegen noch anzugehen? Welches Recht besaß ich, den Mann unglücklich zu machen mit meiner Liebe, den ich zufrieden und lebenssatt sehen wollte, dessen Lächeln mir den Tag erhellen würde, wann immer ich es sah? Welches Recht hatte ich, mein Unglück vor mir her zu schleppen, wohl wissend, dass es ihm hinterbracht würde und er ebenso leiden musste, wie ich es tat? Vielleicht war es besser, alles zu beenden, ein sauberer Schnitt eines bisher ausgesprochen sinnlosen Lebens.
    Was für einen Sinn hatte es alles noch, wenn selbst der, den ich liebte, mic zurückwies? Ich würde nur noch mehr Männer und Frauen in meinen Armen haben, sie seufzen lassen, ihr Stöhnen hören und doch niemals die letztendliche Befriedigung finden, weil sie nicht der waren, den ich lieben wollte.


    So ging ich einige Schritte nach vorn, unter dem schwachen Licht des Mondes, unter dem Fackelschein der nahen Tempel und öffentlichen Gebäude. Scribae suchten ihren Heimweg, die Menschen verließen die Räume, an denen sie tagsüber beteten und dienten, und doch nahm ich von jenen ebensowenig Notiz wie von dem pulsierenden Leben unter mir. Rom verschlang einen, nahm einem alles, um dann irgendwann eine leere, müde Hülle auszuspucken, die vielleicht einige wenige glückliche Stunden verlebt hatte - vielleicht auch nicht. Es wäre so einfach, nur noch einige Schritte, nur ein wenig voran, dann ein Flug und ich wäre endlich von alledem frei. Die Unterwelt erschien mir in diesem Moment als besserer Ort denn die Welt, in der ich keinen Weg mehr fand, keinen Weg mehr sah.


    Und letztendlich, war ich nicht ein Verräter an unserer stolzen gens, dass ich es wagte, einen der unseren zu lieben? Der Tod eines Verräters für einen Verräter ... ein lauer Wind kam auf und zog ein wenig an meiner Toga, ließ den Stoff dem Licht einer Fackel gleich flackern, und meine Gedanken schweiften in die Ferne, als ich in der Nähe des Abgrunds stand und die Bilanz eines Lebens zog, eine erschreckend kurze, eindeutige Bilanz, die einen Buchhalter sicherlich erfreut hätte:


    "Ama te, Manius ..."


    Sim-Off:

    Wer mag, der darf.

    Ich konnte ihn nicht ansehen, nicht mehr seine Stimme hören, diese geliebte Stimme, von deren Klang ich mir so viel anderes erhofft hatte als gerade diese Worte, ich wollte ihn auch nicht mehr sehen, jeder Augenblick seiner Gegenwart schnitt mir mit scharfen Kanten so tief in mein Innerstes, dass es dort nur noch Blut und Leid geben konnte. Hätte er mich nicht einfach töten können, erdolchen, vierteilen, ersticken, ersäufen? Alles wäre besser gewesen als die gemurmelten Worte, die seine Lippen kaum verlassen wollten, die meine Hoffnungen, Sehnsüchte und alles, was ich war und jemals sein würde, töteten und zu Boden trampelten, was einst im sonnigen, warmen Sommerlicht so vollkommen und wunderschön gewesen war. Ich schmeckte noch immer seine Lippen, roch seinen vertrauten Duft und doch war alles eiseskalt geworden, war ich in diesem Augenblick gestorben, als die Türe zu Gracchus' Zimmer hinter mir zufiel, ich an Sciurus vorbeischritt, ohne ihn zu sehen und nur noch fortlief, fort von ihm, von mir, von allem, was zerbrochen und zerstört war ...

    Warum? Seine Worte gruben sich in mein Innerstes wie reinste Säure, fraßen sich durch mein Herz und ließen nur noch den Schmerz zurück, mit dem ich seit Jahren gelebt hatte. Seit er nach Roma gegangen war, seitdem er mich alleine zurück gelassen hatte, meinen Weibern, meinem Wein und dem sinnlosen Geldausgeben anheim fallend, hatte es für niemanden mehr Platz in meinem Herzen gegeben, in jedem leisen Stöhnen, das über die Lippen einer Frau oder eines Mannes quoll, durch meine Zärtlichkeiten geboren, hatte ich ihn gehört, und ihn alleine.


    Als er sich erhob, ihn seine Schritte fort von mir trugen, war es, als wäre ich ein zweites Mal verlassen worden, und dieses Mal für immer. Nicht nur, dass er bald verheiratet wäre, nein, er wollte selbst, aus eigenem Wunsch, mir nicht mehr nahe sein. Dafür hatte ich all die Jahre gelebt, ihn wiederzusehen, ihm wieder nahe zu sein, dieses Lächeln noch einmal zu sehen, die halb geschlossenen Augen, das Kräuseln der Lippen, wenn er nachdachte und ihn etwas amüsierte - und nun sagte er mir, ich solle gehen? Es war das zweite Mal, dass er mir dies sagte, und dieses Mal konnte ich gar nichts mehr fühlen, als hätten seine Worte einen Mantel aus Eis auf mein Herz gelegt, in dem ich nun ersticken musste, ob es mir nun gefiel oder nicht.
    "Wenn ich meine Augen schließe, Dein Gesicht vor mir sehe, Manius, dann ist es mir gleich, ob Du Mann bist oder Frau, dann ist es mir gleich, dass wir derselben gens entstammen, dann ist nur Dein Lächeln wichtig, das Wissen darum, dass Du mich anblickst, als könntest Du erwiedern, was ich für dich empfinde, verstehst Du das? Dann kann mir kein Gott, kein Mensch nehmen, was ich fühle, was ich sehe, was ich höre und rieche. Glaubst Du, das alles hier ist jugendlicher Überschwang oder die Langeweile eines Mannes, der nicht hundert andere haben könnte?"


    Ich erhob mich langsam, eine knappe Geste in seine Richtung formend. "Ich kann damit leben zu wissen, dass Du heiratest, vielleicht auch noch irgendwie damit klarkommen, dass wir einander nicht gehören dürfen, aber verbiete mir nicht, dass ich für Dich fühle, Manius, denn ich würde mich lieber vom tarpeischen Felsen stürzen als dieses einzige Gefühl zu verlieren, das mich leben lässt, das mich nicht zur seelenlosen Hülle macht, die unter anderen Hüllen wandelt und sich nur noch mit luxuriösem Essen, teuren Frauen und noch teurerem Schmuck und Kleidung, mit in der Arena vergossenem Blut daran erinnern kann, dass man lebt, dass es etwas gibt, das darüber hinausgeht, was bloße Existenz ist." Mein Blick suchte den seinen, ich betrachtete seine Haltung, die mir mehr die eines Flüchtigen denn wie die eines aufrechten Mannes schien, vor mir flüchtend? Vor sich selbst geflohen? Ich wusste es nicht, ich wusste es nicht mehr, aber er würde es mir wohl auch nicht sagen.


    "Ich liebe Dich, Manius, und ich stehe dazu, und es ist mir gleich, ob mich die Götter dafür einen verdorbenen Menschen heißen, ob mich die Welt dafür hassen wird, ob die Menschen auf mich zeigen und mich einen schlechten Mann nennen, der nur nach seinem Verlangen agiert. Ich werde Dich immer lieben, solange ich noch atme, Manius, und Dein Wort allein soll mir gelten, wenn es um Nähe geht. Wenn Du die nicht ertragen kannst, will ich Dich nicht zwingen oder drängen, aber bitte, bitte verbiete mir nicht, zu lieben. Dann könntest Du mir gleich einen Dolch ins Herz rammen und hoffen, dass alles Gefühl mit mir stirbt." Langsam schritt ich in Richtung Tür, auch wenn ich bei jedem Schritt glaubte zu stürzen, ich es kaum vermochte, meine Füße zu heben, so elend und weh fühlte ich mich in meinem Inneren. Aber was sollte ich tun, gegen was sollte ich kämpfen, wenn er um sich selbst fürchtete durch mein Gefühl?

    Ihr Seufzen mischte sich mit dem meinen, und wie hätte ich verhehlen können, dass mir ihr Körper angenehm war? Am liebsten hätte ich mich sogleich in diesen warmen, anschmiegsamen Leib geschoben, sie mir zu eigen gemacht, um sie gänzlich zu spüren, aber noch sollte sie ihren Willen haben, mit meinem Körper spielen, wie es ihr gefiel. So, wie ich mich zu beherrschen suchte, so genoss ich gleichzeitig, dass sie mit meinem Leib umging, als sei er der ihre, mir schien es fast, als hätte meine süße kleine Ägypterin ein Selbstbewusstsein gewonnen, das ich zuvor an ihr nicht allzu oft hatte entdecken können. Eine meiner Hände ließ ich über ihren Rücken gleiten, als sie sich halb auf mich gelegt hatte, die andere Hand schob sich über ihre Pobacke, tiefer zwischen die Schenkel, um den süßen Hort der Verlockung zu streicheln, den ich mir so bald schon zueigen machen wollte. Ach, manchmal waren die fleischlichen Freuden etwas, das einen abzulenken wusste, wenigstens für einige Momente, wenn nicht gar für eine Stunde, doch konnte ich den Gedanken nicht vertreiben, wie es wäre, einen bestimmten Menschen in meinen Armen zu halten, sein Atmen zu hören ...


    Unwilkürlich öffnete ich meine Augen, als wollte ich mich dessen versichern, dass es noch immer Nefertiri war, nicht er, die ich hielt, dann schien die Welt um mich herum zu explodieren und mich inmitten des Hades wiederzufinden, denn ich kannte das Gesicht, das so nahe an dem meinen war, ich kannte es fast so gut wie das meine, hatte es mich doch die letzten Tage immer wieder bei gewissen Gedanken begleitet. Arrecina! Wie um aller Götter Willen kam sie in das balneum, wieso lag sie in meinen Armen, wieso hatte ich nicht früher bemerkt, dass es sich nicht um Nefertiri handelte, hatte mich mein Kummer bisher so blind gemacht? Ich hätte sie fast ...
    "Was machst Du hier!?" presste ich die Worte über meine Lippen, bei Venus, so schnell war mir mein pilum nicht umgekippt wie in diesem Augenblick! Und schon hatte ich sie losgelassen, ihre Schultern gegriffen und sie energisch von mir weg gestemmt, als könnte sie eine Krankheit übertragen, oder schlimmer noch, diese uns verbotene Leidenschaft.

    Klug?! Eher leichtsinnig und männerliebend, aber diese Gedanken sprach ich wohlweislich nicht aus, Aristides war einer der recht schnell erzürnten dieser Familie und ich konnte gerade auf ein gladius zwischen den Rippen ausgesprochen gut verzichten. Seufzend nahm ich einige der Gräser und begann, mein Pferd trocken zu reiben, was Lapsus mit einem zufriedenen Schnauben zur Kenntnis nahm. Zumindest würde mir heute nicht kalt werden, denn bis ich es geschafft hatte, dem mächtigen Kaltblüter den Schweiß vom Fell zu reiben, schwitzte ich selbst nicht gerade wenig. Gerade jetzt hätte ich ein wenig Entspannung von Nefertiris schlanken Fingern gebrauchen können, aber die befand sich noch in Rom - es wurde einem eben nichts gegönnt, dachte ich und warf die Gräser schließlich irgendwohin, um dann dankbar das entfachte Feuer zu betrachten. Ich setzte mich neben Aristides auf seine Satteldecke, die Beine etwas anziehend.


    "Das werden wir morgen sehen, aber ich muss gestehen, ich glaube nicht daran. Rutger ist nicht dumm, und sollten sie in der Wildnis unterwegs sein, wird er sich zurechtfinden. Diese Germanen sind doch halbe Wildniskinder, die bekommen das Wissen über die Natur schon mit der Muttermilch eingesogen," sann ich nach und kratzte mich am Unterschenkel des rechten Beines, wo mich eine nervende Mücke gepiekt hatte. Das würde morgen jucken wie der Hades selbst, diese Art Stechmücken hatten immer ihre Folgen, aber im Moment war es durchaus befriedigend, mich zu kratzen, sonst gab es ja kaum etwas zu tun.
    "Wie hast Du ihn eigentlich genau gefangen? Er schien mir ausserordentlich verbittert und aufsässig ist er auch noch. Das hat doch irgendeine Ursache, mal abgesehen davon, dass er für einen guten Sklaven fast zu alt ist."

    Ich warf einen kurzen Blick auf Rutger, der sich mit Canus wahrlich kein leichtes Pferd ausgewählt hatte, aber so würde sich meine aufsässige Neuerwerbung wenigstens während der Reise nicht langweilen, soviel war sicher. Dass er mit dem widersinnigen Frauen zurecht kommen würde, daran zweifelte ich nicht, zumindest nicht nach seinen eigenen Worten über seine Vergangenheit. Ein germanischer Krieger, der nicht reiten konnte, war eine Unmöglichkeit, und schon auf dem Hinweg zum Treffpunkt hatte er sich gut auf dem übellaunigen ehemaligen Armeepferd gehalten. Dann allerdings wurden meine Gedanken abgelenkt, und das sehr deutlich, denn ich fühlte den Körper meines Gefährten allzu deutlich an den meinen sich schmiegen. Es würde ein langer Ritt nach Ostia werden, soviel hatte ich bereits im Gefühl, und wahrscheinlich würde es mehr eine Marter denn ein Vergnügen werden, wenn ich ihn so deutlich fühlen musste, aber nun hatten wir es so schon begonnen, es gab kein Zurück mehr.


    Ich lenkte meinen Lapsus Rutger nach, der vorausgeprescht war, und ließ ihn Geschwindigkeit aufnehmen, denn was das Armeepferd konnte, das konnte mein breitschultriger, hühnenhafter Kaltblüter schon lange. Wir hatten ihn nach kurzer Zeit bereits eingeholt, während der ich die Arme des Corvinus um meinen Körper so deutlich fühlte wie die Wärme seines Leibes an meinem. Ich würde wirklich stark sein müssen, nicht des Nachts über den jungen Aurelier herzufallen, überlegte ich und vertrieb den Gedanken alsbald aus meinem Hinterkopf. Es war ein strahlender Herbsttag, und trotz der wärmenden Strahlen der Sonne konnte man schon fühlen, dass die Intensität des Sommers vergangen war. Ein perfekter Tag für einen Ritt nach Ostia, und ich bereute es nicht, ihn begonnen zu haben. "Geht es? Kannst Du Dich gut festhalten? Denn dann werden wir ein bisschen schneller," rief ich nach hinten, meinem Reisegefährten zu, während Lapsus langsam, aber sicher aufzuholen begann, einigen Reisenden auf der via ausweichend.

    Ihr leises Seufzen ging mir durch Mark und Bein, bestätigend, was ich ohnehin schon vermutet hatte - dass ihr unser kleines Spielchen gefiel, und dass ihr Körper, wenn nicht ihre Worte, nach mehr verlangten. Mehr, das ich ihr nur zu gern geben wollte, denn inzwischen war es mir recht gleich geworden, dass sie einmal eine lupa gewesen war. Ich hielt es normalerweise nicht mit den lupae, der Gedanke daran, bei einer Frau zu liegen, die täglich mit einer großen Menge Männer zu tun hatte, war für mich nichts anregendes, so dringend musste ich mein Bedürfnis auch wieder nicht stillen - aber diese junge Frau hatte mir mit ihrem unterdrückten Stöhnen mehr gesagt, als es ihre Worte hätten tun können. Sie war nicht abgestumpft, sie war noch fähig, Lust aus eigenem Willen zu empfinden, wenn ihr die Stimmung danach war, und das genügte mir für diesen Moment. Ausserdem war die Nähe ihres Körpers viel zu verlockend, um zu viel darüber nachzusinnen, was und warum sie es tat.


    Sachte bewegte ich meine Hände und damit auch ihren verlockenden Po in Richtung meiner Lendengegend, ließ sie ein Stückchen herab, nicht ohne sichergestellt zu haben, dass wir uns noch nicht vereinten, sondern sie recht mittig auf eben jener Stelle zu sitzen kam, an der ich die Hitze ihrer Scham nun so direkt wie nur möglich zu fühlen begann. Auch mein Atem ging nun schneller, aber noch konnte ich an mich halten, nicht diesem Wunsch nachgeben, der mir stetig und fühlbar gewachsen war, seit sich ihr Leib an den meinen geschmiegt hatte.
    "Was wünscht Du Dir, Camryn?" raunte ich ihr leise zu, meinen Kopf in ihre Richtung gedreht, sodass meine Lippen ihr Ohr für einen flüchtigen Augenblick lang berührten und ein wenig der Hitze hinterließen, die ich im Augenblick fühlte.

    "Verzeih mir, das lag nicht in meiner Absicht," sagte ich zu der jungen Frau, und erst jetzt fiel mir ihr schüchternes Lächeln wirklich auf. Innerlich seufzte ich, ich hätte wirklich besser auf meinen Weg achten sollen, eigentlich wollte ich gerade alleine sein, mich alleine betrinken und vergessen, einfach nur irgendwie vergessen - aber ich hatte sie angerempelt, jetzt galt es den Fauxpas mit ein wenig gesellschaftlicher Konvention auszubügeln. "Aber ich bin mir sicher, die Götter nehmen das Opfer mit Freuden an." Ich winkte einem der herumstehenden Sklaven mit Tablett herrisch zu uns beiden heran und nahm ihr und mir jeweils einen der mit Wein gefüllten Kelche herunter, bevor mein knappes Nicken den Sklaven wieder hinforteilen ließ.


    "Ich hoffe, Du nimmst dies als Ersatz für Dein Getränk an," sprach ich und überreichte ihr ihren Becher mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, bevor ich ihr den Kopf zuneigte, eine vage Verneigung andeutend. "Verrätst Du mir, zu welchem Teil der Familie Du gehörst? Ich muss gestehen, die meisten der hier anwesenden Menschen sagen mir herzlich wenig, und auf die ein oder andere Weise sind die meisten der Leute hier wohl nun miteinander verwandt. Wenn ich mich vorstellen darf - Caius Flavius Aquilius, sacerdos publicus im Dienst des Mars." Hoffentlich waren wir nicht verwandt, die nächste aufreizende Schönheit, die ich nur als höflicher naher Verwandter ansehen durfte, hätte ich jetzt nicht wirklich ertragen.

    [Blockierte Grafik: http://img214.imageshack.us/img214/1711/marsultor4cd.jpg]


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    Meldungen sind schriftlich oder persönlich erbeten an


    C. Flavius Aquilius
    Sacerdos Publicus
    im Auftrag des Cultus Martialis