Es war spät in der Nacht, und wahrscheinlich war das auch gut so. In der Nacht sind alle Katzen grau, und ein Patrizier sieht aus wie jeder andere Mann auch, die teure Kleidung sah man im Halbschatten der spärlichen Beleuchtung Roms deutlich weniger und einen Betrunkenen ließen die meisten Diebe auch in Ruhe, wenn er genug nach Wein stank und man keinen zu großen Ertrag erhoffen konnte. Vielleicht war es das, was mir meine körperliche Gesundheit bewahrt hatte, aber in diesem Augenblick, in dem ich in den Tempel des Mars Ultor torkelte und den einzigen Ort aufsuchte, an dem in Rom die Stimmen der Umgebung verstummten, der einzige Ort, an dem ich das Gefühl hatte, als der akzeptiert zu sein, der ich war, ohne irgendeinem Familienstolz nachjagen zu müssen, der durch die derzeitigen Mitglieder der Familie ohnehin meist nicht widergespiegelt wurde.
"M...mmamarce! Ichhabdir ...was m...mmmitgebracht!" Meine Hand hob die Amphore mit dem billigen Fusel, von dem ich nicht einmal mehr wusste, woher ich ihn hatte, und eine gute Menge der blutroten Flüssigkeit schwappte bereits auf den Marmorboden, ein mehr als angemessener Teil für ein Trankopfer. Mein schwankender Gang wurde schließlich durch den Sockel der Marsstatue gebremst und ich blieb gleich daran gelehnt stehen, legte einen Arm um den riesenhaften Fuß des Gottes und stöhnte leise vor mich hin. "Mm..mamarce, das Leben is' einfach nur .. Misst. Nichmal selbst umbringen darf man ssich, verstehste? Nichmal einfach gehn, wenn man nimmer mag." Ich nahm einen Schluck des Weins, der mir im nüchternen Zustand wahrscheinlich die Zehennägel aufgerollt hätte, momentan durch den Grundpegel an Alkohol allerdings schmeckte wie süßer Falerner, dann goß ich Mars auch nochmal einen guten Schluck hin.
"Jemanden lieben is einfach nur Mist, der größte Dunghauf'n der Welt, des Impeeeeriums!" verkündete ich und war der Ansicht, eine ultimative Weisheit erkannt zu haben. Liebe war einfach nur Mist. "Weisste, ich lieb den ja schon lange und immer wars gut wies war, aber neiiin, er muss ja heiratn. Scheissweiber! Hasse mit Venus auch immer son Driss? Aller Ärger auffer Welt kommt immer nur durch die Weiber! Prost Mamarce!" Schwapp, da hatte er den nächsten Schluck des Subura-Gesöffs, das irgendwer mit viel Phantasie als Wein deklariert hatte, und ich nahm die doppelte Menge, allein um meine seltsamerweise sehr schnell trocken werdende Kehle zu befeuchten. "Ich weiss nichmehr was ich tun soll, Mamarce, das is alles einfach nur ..." Ich überlegte, und dann wusste ich es wieder: "Das is alles einfach nur Mist! Fühl mich wie tot und als hätt' mir wer den größten Tritt meines Lebens gegebn ... mit vollem Anlauf mitten rein und dann nochmal danach ...ach Mamarce."
Langsam sackte ich zu Boden und blieb da sitzen, knapp neben der letzten Weinlache, den Kopf an den Sockel seiner Statue gelehnt. "Ach Mamarce. Das is alles so ungerecht, ich kann doch nich einfach aufhörn, ihn zu lieben. Was soll ich nur machn ..?" Meine Weinamphore kippte um, und glücklicherweise gab es nicht mehr viel zu opfern, sodass der letzte Schluck für Mars ein großzügiger wurde, dann fielen meine Augen zu und ich verbrachte den Rest der Nacht an seine Statue gelehnt sitzend und mit dem Kopf in irgendeiner sehr verchwommenen Welt, in der es zumindest nicht mehr ganz so furchtbar wehtat, dass die Stimme des Menschen, den ich auf dieser Welt als einzigsten wirklich liebte, mir befohlen hatte, ihn zu verlassen.