Ich fühlte den Blick meines Vetters wie schon früher auf mir liegen, aufmerksam, interessiert, auf diese besondere Weise wach und lebendig wie schon in Athen. Eine gewisse Freude war seinen Augen nicht fremd, und auch ich freute mich, den Gefährten entspannterer Tage wieder in meiner Nähe zu wissen. Wir hatten so vieles geteilt, und von den Möglichkeiten, die einem Mann mit einem gewissen Vermögen in der Fremde gegeben waren, überreichlich Gebrauch gehabt. Fast sehnte ich diese herrlichen Tage unter der Sonne Achaias zurück, die mit einem frugalenh Frühstück begonnen hatten, dann zu den morgenlichen Leibesübungen geführt hatten, um danach mit einem Gang in die Stadt, auf den Markt und zu den Rednern und Philosophen, geendet hatten, meist abends noch mit so mancher Menge Wein und Trauben garniert. So ein unbeschwertes, fast sorgenfreies Dasein würde uns wohl kaum noch beschert sein, aber allein die Gegenwart Gracchus' beschwor den Geist dieser weitgehend sorglosen Tage wieder herbei. Fast wie Brüder waren wir gewesen, und doch auf eine andere Weise verbunden ...
"Nun, mit dem messalinischen Makel wird mein Familienzweig wohl noch eine Weile leben müssen, bis Gras über die ganze Sache gewachsen ist. Ich frage mich immernoch, wie man so dumm sein konnte, aber was will man auch von einem Weib erwarten, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist? In meiner Familie scheint es nicht allzu ungewöhnlich, dass die Frauen Fehlentscheidungen treffen, hast Du von Calpurnia gehört? Sie will unbedingt einen Plebejer heiraten, und das noch in manu - hätte Vater das noch miterlebt, er hätte sie mit Fug und Recht übers Knie gelegt und ihr Verstand eingeprügelt." Dass meine Stimme ziemlich empört und verärgert klang, merkte ich erst am Ende des Satzes, und gab mir Mühe, meinen hochgekochten Zorn durch ein Lächeln abzumildern - aber diese Sache ärgerte mich einfach immernoch unglaublich. "Was Furianus angeht, nun, immerhin hat er es zum Aedilen geschafft, da scheint das Erbe seines Vaters dann doch etwas gewichtiger zu sein als das der Erziehung. Wenn mir allerdings dieser Verrückte noch einmal hier begegnen sollte, wird es ernsthaft Zeit für ein klärendes Gespräch, ein solches Verhalten kann und werde ich nicht dulden, auch wenn ich nicht der Hausherr bin." Achtkantig würde ich diesen Strabo das nächste Mal rauswerfen, und das mit einem doch deutlichen inneren Vergnügen! Kein Wunder, bei den Vigiles diente so mancher seltsame Kerl ...
"In der Zukunft liegt das Ansehen unserer Familie auch in unseren Händen, Gracchus, und ich denke, da liegt es gut - Du als Diener des Iuppiter, ich als ... na, irgendwas schon, auf jeden Fall wissen wir, worauf es ankommt," erklärte ich überzeugt und war mir recht sicher, dass von nun an ein neuer Wind in diesem Hause herrschen würde. Was mein Vetter da berichtete, ließ auch Gutes hoffen, nichts war Furianus mehr zu wünschen, als dass er sich von seinen plebejischen Denkwurzeln lösen konnte. Auch sein Bruder würde sicherlich noch seinen Weg finden, immerhin schien er ein kluger Kopf mit den richtigen Ansichten zu sein.
"Also hast Du Deinen Weg inzwischen gefunden," bemerkte ich zu seinen Worten über den Cultus Deorum und musste kurz beifällig lächeln. Ich konnte mir meinen guten Freund Gracchus sehr gut als würdigen, aufrechten Sacerdos Iuppiters vorstellen, die männliche Erscheinung dafür hatte er, ebenso die notwendige gravitas und dignitas, um überzeugend zu sprechen. Doch, ich war mir sehr sicher, dass er als Sacerdos ein ausgesprochen gutes Bild abgeben würde, gehüllt in eine reinweiße Toga oder ein Priestergewand ... ob er immernoch so trainiert war wie früher? Für einige Augenblicke verloren sich meine Gedanken in der Betrachtung seiner Gestalt, bevor ich bemerkte, dass die eingetretene Pause länger geworden war als gewollt.
"Und verlobt bist Du nun auch, ich hoffe, Du hast eine gutaussehende Braut erwischt? Auch wenn ich mir Dich als würdigen Ehemann kaum recht vorstellen kann, weisst Du noch, wie wir so betrunken waren, dass wir in Athen versuchten, einen Priester zu finden, der uns verheiratet? Ich glaube, der Alte, den wir schließlich aufgetrieben haben, hat noch tagelang danach über uns gelacht. Der Wein an dem Abend war aber auch verflucht gut gewesen," seufzte ich leise und schüttelte den Kopf. Gracchus verlobt, langsam fühlte ich mich wirklich alt. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass er einmal vor mir heiraten könnte. "Was ich hier vor habe, nunja. Eigentlich sollte ich mir wohl über die Politik Gedanken machen, aber um ehrlich zu sein reizt mich diese Schreierei auf der Rostra nicht unbedingt. Du wirst lachen, aber auf meiner Reise hierher habe ich mir überlegt, in den Kult des Mars einzutreten."