Eine kühle Nacht war es. Wohl die kühlste in letzter Zeit, denn der Herbst löste den Sommer ab und die Bäume warfen ihr Blätterkleid ab, um sich schon so langsam auf den Winter vorzubereiten. Ja, eine Nacht, in der Mann am liebsten in den Unterkünften bleiben wollte, darüber lachen wollte, dass nun andere diese fast schon bemitleidenswerte Aufgabe der Patrouille hatten, aber wie es in solchen Situationen nunmal immer der Fall ist, war ich derjenige, der in einer solchen Nacht den Geschäften der Vigiles nachging. Natürlich nicht alleine. Ein einzelner Vigil, auch wenn er Optio war, konnte im Falle eines Falles so gut wie nichts ausrichten. Eine kleine Unruhe in den Straßen, wo schon mehr wie zwei Personen beteiligt waren, wäre schon ein Problem gewesen, denn auch wenn ich bewaffnet war, konnte ich von drei Männern überwältigt werden und wenn es einer darauf anlegte, konnte es auch ein einzelner schaffen. Bei einem Feuer konnte man alleine gar nichts ausrichten, ja nicht einmal Hilfe aus der Castra konnte gerufen werden, denn das Feuer konnte ja nicht unbeaufsichtigt daherbrennen. Das war der Grund, weshalb eine Patrouille aus mehreren Soldaten bestand ... den Vigilen und ihrem Optio ...
Eine kühle Nacht war es. Eine besonders dunkle Nacht und es machte sich schon bemerkbar, dass die Sonne sich nun häufiger von den Strapazen des Tages erholte und dem Mond öfters mal den Vortritt ließ. Die Tage wurden kürzer, die Nächte dafür umso länger. Wir mussten mehr arbeiten, während die Urbaner etwas mehr Pause machten. Ausgleichende Gerechtigkeit? Schließlich waren sie im Sommer länger draußen und ehrlich gesagt taten sie mir leid, wie sie mitten im Sommer in ihren Rüstungen marschierten, die stechende Sonne auf die nackte Haut und den schimmernden Metallpanzer, der sich im Laufe einer Sonnenumdrehung bis ins unermessliche an Temperatur anzunehmen schien. Ich wusste, wovon ich redete, ich war ja zu dieser zeit ein Miles der Cohortes Urbanae ... und nun? Nun würde ich mir in der eisigen Kälte des Winters den Arsch abfrieren müssen, den Schnee unter den Füßen, den Schnee auf dem Helm und die Kälte überall. Seltsame Eigenschaften hatte Metall. Der Sommer ließ es unerträglich heiß werden, während der Winter es zu einem Eisgefängnis werden ließ. War das wirklich besser als der Sommer? Nein, aber es war doch auch nicht schlechter?
Eine kühle Nacht war es, in der wir uns nun fast lautlos durch die Straßen bewegten. Nicht mehr wie das mir wohlbekannte Geräusch der caligae welche im Gleichschritt über die Gepflasterten Straßen Roms glitten war zu vernehmen. Nicht mehr als unförmige Schatten, verursacht durch den ungleichmäßigen Schein, mehrerer Fackeln, war zu sehen und nicht mehr, als der Geruch eines ungepflegten Kameraden war zu riechen. Für jemanden, der nicht darauf aus war uns zu bemerken war es fast unmöglich uns zu erkennen, wenn er nicht gerade das Feuer unserer Lichtspender sah.
Die Straße war links und rechts von allerlei tabernae gesäumt, welche nun nach Ladenschluss verriegelt waren. Meist mit einer Holztür, die man wie Fensterläden einfach vorklappen konnte, manchmal von Hozplatten, die tagsüber einen Schutz vor der Sonne boten und somit über den Köpfen der Kunden war, oder auch einfach eine leere Theke, mit leerem Hinterraum, weil sich der Inhaber jeden Abend bemühte, seine Waren sorgfältig wegzuräumen. Jeder hatte so seine Art, aber alle hatten eines Gemeinsam: Die Angst vor Räubern, Vandalen und aussetzigen Sklaven und Streunern, die gerne mal den ein oder anderen Laden aufbrachen, um sich deren Inhalt anzueignen. Was war für einen entflohenen Sklaven nur wunderbarer, als ein ganzer Raum voller Speisen? Was war für einen Vandalen nur befriedigender, als eine komplett zerstörte Inneneinrichtung und was war für einen Räuber und Dieb gierstillender, als das verscherbeln teurer Weine und Stoffe?
Eine kühle Nacht war es, in der sich etwas ereignete, welche die trostlosen Momente einer nächtlichen Patrouille aufhellte. Ja, Arbeit ... entgegen der Vermutung vieler wünschte man sich in solchen Momenten nichts sehnlicher, als irgendetwas zu tun. Diese Langeweile konnte einen förmlich auffressen und so war es doch wie ein Wink der Götter, dass nur eine Ecke weiter eine Sklavin um ihre Zukunft bangte. “Vigiles, wir nehmen heute mal eine andere Route und gehen gleich nach rechts!“ befahl ich mit einer ruhigen, trotzallem aber herrscherischen Stimme. Der Lärmpegel musste unten gehalten werden, wir wurden bezahlt, dass es still war ... im Gleichschritt kamen wir der Biegung Sekunde für Sekunde näher, bis wir sie schließlich erreichten. Einer der Vigilen schwenkte kurz die Fackel um die Ecke und lugte hinterher. Einen kurzen Moment blieb er starr und sah unablässig auf einen Punkt, ehe er den Kopf schüttelte und sich wieder zurückdrehte. “Optio, ich weiß nicht recht. Ich glaub, da war was...“ Der Vigil zuckte kurz mit den Schultern und schaute skeptisch wieder nach hinten. Es war rein symbolisch gemeint, denn von diesem Winkel aus hätte er absolut nichts in der Gasse erkennen können, aber was er vielleicht davor gesehen hatte ...
“Sicher?“ fragte ich ebenfalls skeptisch nach und ohne auf seine Antwort zu warten, nahm ich eine der Fackeln in die Linke und betrat dann die neue Gasse. Kurz schwenkte ich die Fackel von links nach rechts und wieder zurück, um ein möglichst groß erleuchtetes Gebiet zu haben und tatsächlich, da war jemand. Nein, es war mehr ein Schemen, als die Statur eines Menschen. Kein Mensch war so dürr und abgemagert, so klein. Ganz und gar nicht, wie ein normaler Mensch es sei denn ... “Wer ist da? Sklave, komm raus!“ rief ich in die Richtung des Schemens und wartete auf eine Reaktion. Ein Fluchtversuch würde nicht viel helfen, so abgemagert hatten Sklaven nicht ausreichend Energie, um lange genug zu rennen oder Widerstand gegen vier ausgebildete und bewaffnete Vigilen zu liefern...