Beiträge von Marcus Helvetius Cato

    “Das wolltest du nicht sagen? Worte sind unwiderruflich, ich würde darauf achten, was man sagt und zwar möglichst bevor man es tut!“ erwiderte ich noch immer voller Zorn. Das würde sie nicht noch einmal machen und ich freute mich schon richtig, wieder in der Castra Vigilum zu sein, denn nicht einmal unter Soldaten gab es diese Beleidigungen und wenn doch so gab es ordentliche Bestrafungen dafür. Bei ihren nächsten Worten schüttelte ich einfach nur noch den Kopf. Das durfte alles nicht wahr sein. Meine Schwester wurde auf offener Straße bedroht, überfallen, als Geißel genommen, um Lösegeld zu erpressen und sie sagte mir nichts? Ja sogar eine Narbe hatte sie deswegen ... nein, da konnte ich einfach nur mit dem Kopf schütteln.


    “Ich werde mit Vater reden und wir werden dafür eine Lösung finden. Ohne Begleitung wirst du diese Casa vorerst nicht mehr verlassen! Sollte ich hören, dass du es doch tust ... ich weiß nicht, welche Sanktionen Vater so verteilt.“ Langsam packte ich mit meiner Rechten an die Schläfe und schloss kurz die Augen. Das musste man erst einmal verarbeiten, solche Dinge erfuhr man nicht jeden Tag. “Gibt es sonst noch etwas?“

    Da Traianus den Befehl zum Exerzieren gab, als wir nach dem Brand wieder im Castellum angekommen war, folgte ich natürlich seinem Befehl und gab diesen an die Vigiles weiter, die sich standardmäßig in Reih und Glied anordneten, ich an vorderster Front.


    “Centurio Traianus! Ich, Optio Vigilum Marcus Helvetius Cato, melde die 2. Centurie vollständig anwesend und bereit, neue Befehle zu empfangen!“
    Gespannt wartete ich, was der Centurio zu sagen hat.

    Ich war grad mit einem seltsamen Spiel beschäftigt, welches mir von einigen der Miles hier gezeigt wurde. An sich kein schlechtes Spiel und es würde sicherlich dem ein oder anderen gefallen, ich dagegen fand es todlangweilig und so begrüßte ich es nur, dass man mich rief, denn dies hieß meistens auch Arbeit und so ging ich sofort zu dem Vigilus, der weiter vorne in den Unterkünften stand.


    "Hast du vergessen, wie man einen Vorgesetzten anspricht, Vigilus? Naja egal, merke es dir fürs nächste Mal! Was gibt es?"

    Diese Worte saßen tief. Ich war entsetzt, wirklich entsetzt über die Worte meiner Schwester. Diese Beleidigungen nahm ich noch hin und auch wenn ihre Lügen nicht sehr prickelnd waren, verkraftete ich das nun auch noch, aber das ... das war wirklich die Höhe. Dass sie soetwas zu sagen wagte, hätte ich mir im Traum niemals vorgestellt. Das war nicht mehr die Calvi, wie ich sie kannte, nicht mehr meine liebreizende Schwester, die stets ein Lächeln auf den Lippen hatte und deren Fröhlichkeit nur schwer zu überbieten war. Das hier war jemand ganz anderes und nur äußerlich war sie diejenige, die ich kannte. Nur mit Überwindung sprach ich normal und würde vor mir keine Frau stehen, würde diese Frau nicht auch mein eigen Fleisch und Blut sein und hätte ich ein Gladius dabei, so hätte ich für nichts garantieren können. Der Umstand, dass es nicht so war, ließ die Worte anstatt Taten sprechen: “Das bereue ich nicht, aber ich bereue, es dir erzählt zu haben, denn du hast anscheinend nichts besseres zu tun, als diese schlecht zu machen und in den Dreck zu ziehen! Sieh du zu, wie du deinem Kerl den Brief schickst, seine Casa werde ich niemals betreten und wage es nicht, in mir einmal unter meine Augen zu stellen!“ Der Gedanke, diesen Raum zu verlassen, diese Casa zu verlassen und so schnell auch nicht mehr wiederzukommen wuchs mehr und mehr, aber ihre nächsten Worte hielten mich doch und so verhinderte sie, dass ich ihre Tür mit größter Gewalt zuschlagen würde .... von außen. “So? Das war mit Sicherheit nicht alles!“ Zur Not könnte man immer noch bei der CU nachfragen. Sura war im Aktenanlegen ja äußerst begabt und so war irgendwo dieser Fall wohl auch aufgezeichnet.

    “Dein Zimmer verlassen? Calvi, ich bereue schon so vieles, da würde es auf eine Sache auch nicht mehr ankommen!“ erwiderte ich mit klarer, doch immer noch recht aggressiver Stimme. Ich würde dieses Zimmer nicht verlassen, bis ich zumindest wusste, was noch passiert war und danach würde es Vater erfahren. Ich müsste so bald wie möglich einen kräftigen Sklaven besorgen, der sie bei Schritt und Tritt begleitet, wenn sie nicht in der Casa ist, damit sie nicht ein weiteres Mal in eine solche Lage kam.
    Ihr ziemlich kalter Ton verwunderte mich für einen Moment, aber letztendlich war es nur noch ein Grund, aggressiver zurück zuschlagen, wenn auch diesmal nicht mit der flachen Hand. “Du wirst mir nun verraten, was noch passiert ist!“ Fast hätte ich dieses Glitzern in ihren Augen nicht bemerkt, so geblendet war ich in diesem Moment einfach, aber ich sah er schließlich doch. Ihr kamen die Tränen und ich als ihr Bruder, dessen Pflicht es ja war, sie davor zu bewahren, hatte es soweit gebracht. Wie konnte sie nur so respektlos sein und mich so provozieren. Sie hätte doch damit rechnen müssen, das so etwas geschieht, oder vielleicht auch nicht? War sie davon ausgegangen, ich würde soweit nicht gehen? Ha, da hatte sie sich geschnitten und den Preis dafür hatte sie schon gezahlt.

    Und nun wagte sie mir noch zu drohen? Sie beleidigte mich, drohte mir und log mich ein weiteres Mal an? Für wen hielt sie sich und für wen hielt sie mich? Ich war ihr großer Bruder, von Sorge fast schon zerfressen. Ich sah jeden Tag, wie es in Rom zuging und ich wusste, dass für eine junge hübsche Dame die Welt dort draußen so ganz alleine gefährlich war. Das musste sie doch verstehen?!
    “Ohe, iam satis est“ brüllte ich durch den Raum und beachtete gar nicht weiter, wie sie sich ihre Hand an die Wange hielt, sondern schlug nun ein weiteres Mal zu ... allerdings auf die andere Wange. Mir war es egal, was Vater gemacht hätte, mir war es egal, was er gemacht hätte, wenn er das hier nun sehen würde, aber mir war es nicht egal, was mit meiner Schwester passierte. Welch Ironie, dass ich ihr Leid zufügte, um sie vor welchem zu verschonen, aber auch das war mir in diesen Momenten egal. “Ich sage es nicht ein weiteres mal, also was ist passiert?“ Mit größter Kraft versuchte ich, mich wenigstens ein bisschen zu beherrschen. Die Lautstärke war nicht mehr ganz so hoch, aber der Tonfall blieb unverändert, ebenso wie der Blick. Niemals mehr würde sie es wagen, mich anzulügen!

    Es war schon fast ein Reflex, eine Reaktion ihrer trotzigen Antwort, der Ironie in ihren Worten, die nun einfach fehl am Platz war und die Gewissheit, dass sie anscheinend ein weiteres Mal log. Es war ungewollt, aber in diesem Moment hatte ich jegliche Kontrolle über meinen Körper verloren gehabt, weshalb in meine Hand mit einem rasenden Tempo gegen ihre Wange fuhr und dieses unschöne Geräusch, gepaart mit der Erkenntnis, meiner geliebten Schwester Leid angetan zu haben, aber selbst das brachte mich nicht wirklich auf den Boden der Tatsache zurück.
    “Ich sagte LÜG MICH NICHT AN!“ brüllte ich sie weiter an, nochimmer den Zorn in Augen. Nein, es war nicht wirklich Zorn, es war eigentlich viel mehr verschleierte Sorge. Was hätte alles mit ihr passieren können? Ich mochte es mir garnicht denken. Und Vater wusste es auch nicht? Gut, er war ziemlich tolerant, aber wahrscheinlich hätte ihm das auch nicht gefallen ... sie würde nicht mehr ohne Begleitung aus dem Haus gehen, dafür würde ich sorgen!

    Bei Mars, was war passiert? Sie wurde übefallen? Calvi? Meine kleine Schwester? Und ich wusste nichts davon? Dafür war da irgend so ein Schnösel, der den ganzen lieben langen Tag im Officium sitzt da, um sie zu retten? “Calvi! Du wurdest übefallen und ich weiß erst jetzt davon?“ erwiderter ich mit erzürnter und recht lauten Stimme. Was hätte alles passieren können? Wenn niemand da gewesen wäre, man hätte sie vergewaltigt und sie dann mit durchgeschnittener Kehle in der Tiber geworfen, wo man sie in zwei Jahren als verquollene Wasserleiche wieder rausgefischt worden wäre. Bei diesem Gedanke lief es mir eiskalt den Rücken runter. “Was ist noch passiert? Und lüg mich nicht an, ich will alles wissen! Du weißt, das du mich nicht anlügen kannst!“ Man merkte ihr sofort an, wenn sie versuchte zu lügen, oder etwas zu verheimlichen. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich ihr Bruder war und demnach wusste, wann sie so etwas versuchte, ich wusste es nicht und ich war auch mit etwas anderem beschäftigt, als darüber nachzudenken. Das seltsame Funkeln in den Augen hatte nochimmer nicht aufgehört und das war ein Teil der Seite, die ich ihr eigentlich nie zeigen wollte, aber sie zwang mich förmlich dazu.

    Ein dezentes Nicken war die Antwort auf Traianus Befehl und so eilte ich wieder zu den Vigilen, um ihnen den Befehl weiterzuleiten, den Ort des Geschehens abzusperren. Mehr, als den Eingang zu verrammeln, dass keiner mehr in diese Bruchbude kam, was dann von den Milites auch recht schnell ausgeführt wurde.


    Nachdem das verbarrikadiert war, was verbarrikadiert werden konnte, nickte ich dem Centurio ein weiteres Mal zu und gab dann den Befehl abzurücken, nachdem ich noch einen letzten Kontrollblick über die Brandstelle machte, aber nichts mehr fand, was noch Aufmerksamkeit benötigte.

    "Ich habe etwas gut bei dir? Mhhh ... was könnte ich denn da verlangen? Da fällt mir gewiss was Nettes ein ... " antwortete ich mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und einigen Hintergedanken, die ich aber nicht verraten wollte. "Nein, du bist mir gar nichts schuldig. Wo kämen wir denn da hin? Du bist schließlich meine Schwester, da muss sowas selbstverständlich sein!" Das Ginsen verschwand langsam wieder und machte Platz für ein kleines glückliches Lächeln. Glücklich, weil meine Schwester glücklich war, das bedeutete mir fiel und trotz meiner Worte über Schuld und Selbstverständlichkeit unter Geschwistern, fühlte ich mich für meine langjährige Abwesenheit mit meinem Bruder doch irgendwie Schuldig. Natürlich hätte ich ihr den Gefallen mit der Adressenbeschaffung auch so getan, aber nun sah ich es fast schon als von mir selbst gezwungen an.


    Nein, da stimmte was nicht. So gut kannte ich sie dann doch noch, dass sie log, oder zumindest nicht die volle Wahrheit sagte. "Calviiii..." erwiderte ich, wobei ich den letzten Vokal besonders lang und bestimmend klingen ließ, um ihr auf eine doch recht sanfte Art klarzumachen, dass alles sagen sollte. Keine Lüge, keine Halbwahrheit!

    Plötzlich verschwand die schemenhafte Gestalt in den dunklen Schatten , welcher von dem ein oder anderen Mauersims geworfen wurde. Die Häuserreihen war sehr hoch gebaut, damit auf einer niedrigen Grundfläche viele Menschen eine Bleibe fanden, welche auch für einfache Leute zu bezahlen war. Die insulae waren schlicht gebaut und boten einem kaum Komfort, es war nun einmal das nötigste zum Leben und Arme waren glücklich, überhaupt so viel zu haben.
    Einen kurzen Moment starrte ich dem Schatten noch hinterher, nein, eher auf die Stelle, wo ich ihn vermutete. War es nun überhaupt etwas? Einbildung oder doch Realität? Nein, da musste wer sein, schließlich hatte der Vigil es auch gesehen. Nocheinmal kniff ich die Augen schlitzförmig zusammen, um vielleicht etwas mehr in der Finsternis zu erspähen, aber nicht einmal das Schwenken der Fackel brachte im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel.


    “Verdammt, ich sagte doch stehenbleiben ...“ murmelte ich leicht erzürnt vor mich hin und ging einen halben Schritt zurück, um nicht allzu laut mit meinen Kameraden zu sprechen, oder ihnen etwas zu befehlen. “Kommt mit, aber verhaltet euch ruhig!“ flüsterte ich und machte dann den ersten Schritt in die neue Gasse. Diesmal kein Gleichschritt mehr, jeder versuchte auf seine Art und Weise so wenig Lärm wie möglich zu machen, was aber durch das Bestehen einer Fackel recht sinnfrei war ... wenn man uns nicht hörte, dann sah man uns dafür umso mehr. “Nein Männer, vergesst es ... kommt mit, im Eilschritt!“ befahl ich dann schließlich in einer normalen Gesprächslautstärke. Den ganzen Block musste man deswegen ja auch nicht aufwachen lassen.


    Rasch waren wir nun in der Gasse unterwegs und ließen herrenlose Töpferware, alte Holzkarren und die ein oder andere verirrte Ratte hinter uns. Sie suchten in den nachts unbelebten Straßen nach Essensresten vom Tage und es kam doch schon vor, dass eine ganze Horde, dieser Pestviecher durch die Abwässer ans Sonnen-., beziehungsweise Mondlicht kamen. Und das schlimmste war wohl ihr Gestank, der leicht einen Würgereiz verursachen konnte und wenn dann nun auch noch zwei, drei von den abartig pelzigen Wesen da waren, sollte man lieber flüchten, denn die wenigsten wollten sich das Essen noch einmal durch den Kopf gehen lassen...


    “Optio ... hier ist eine Abzweigung. Sollen wir die Gasse weitergehen, oder in die neue einbiegen?“ fragte der Vigilus mit einer überaus leisen Stimme. Die war man noch vor dem Brand letzte Woche gar nicht gewöhnt. Nein, da war man froh, wenn sie einmal nicht so laut waren, wie sonst, aber jetzt war es ungewöhnlich, überhaupt einen Mucks von den Vigiles zu hören, mit denen ich mich sonst immer Nacht für Nacht durch das dunkle Rom quälte. Das 'Optio' vor dem Namen scheint doch so langsam seine Wirkung auszubreiten ... “Moment ...“ erwiderte ich gelassen und schaute einmal in das schwarze Nichts vor mir und dann in das schwarze Nichts links von mir. Welch grandiose Auswahl man hatte. Wo könnte er oder sie verschwunden sein? Geradeaus, in irgendeiner kleinen Nische versteckt oder noch weiterrennend, während ich mir her darüber den Kopf zermaterte, oder doch in die kleine Gasse links? Nein, es war sinnlos, ich musste die Gruppe aufteilen.


    “Milo, Tulianus, ihr geht geradeaus und folgt der Straße. Schnell, wir müssen diesen Sklaven einfangen und du Pictor, kommst mit mir in die Seitengasse!“ “Natürlich Cato“ Die beiden Vigiles nickten nur leicht und machten sich mit der Hand am Knauf des Gladius auf den Weg ins Ungewisse, während ich mit der Fackel in der Hand, und die andere Hand ebenfalls auf dem Schwertknauf voran ging, um die nächste Seitengasse zu inspizieren. Sie war wesentlich schmaler, als die davor und gar nicht zu vergleichen, mit der davor. Allein das Gerümpel und anderer Unrat an den Seiten verengte es wieder ein Stück mehr und wenn uns jemand entgegen kommen würde, so könnte er uns nicht so einfach umgehen.
    Unabwendbar folgten wir nun den, in den Boden eingelassenen, Steinen, welche Schritt für Schritt die Belastung unserer Körper mühelos aushielt. Es dauerte nicht lange, bis wir am Ende der Gasse eine Wand sahen, eine Sackgasse also. Es waren noch einige Schritt bis dort hin und das fehlende Licht konnte verhinderte das Sichtbarmachen einer dritten Person, falls denn eine hier war. Langsam schwenkte ich meine Fackel, um mehr erkennen zu können, blieb aber stehen ...

    Eine kühle Nacht war es. Wohl die kühlste in letzter Zeit, denn der Herbst löste den Sommer ab und die Bäume warfen ihr Blätterkleid ab, um sich schon so langsam auf den Winter vorzubereiten. Ja, eine Nacht, in der Mann am liebsten in den Unterkünften bleiben wollte, darüber lachen wollte, dass nun andere diese fast schon bemitleidenswerte Aufgabe der Patrouille hatten, aber wie es in solchen Situationen nunmal immer der Fall ist, war ich derjenige, der in einer solchen Nacht den Geschäften der Vigiles nachging. Natürlich nicht alleine. Ein einzelner Vigil, auch wenn er Optio war, konnte im Falle eines Falles so gut wie nichts ausrichten. Eine kleine Unruhe in den Straßen, wo schon mehr wie zwei Personen beteiligt waren, wäre schon ein Problem gewesen, denn auch wenn ich bewaffnet war, konnte ich von drei Männern überwältigt werden und wenn es einer darauf anlegte, konnte es auch ein einzelner schaffen. Bei einem Feuer konnte man alleine gar nichts ausrichten, ja nicht einmal Hilfe aus der Castra konnte gerufen werden, denn das Feuer konnte ja nicht unbeaufsichtigt daherbrennen. Das war der Grund, weshalb eine Patrouille aus mehreren Soldaten bestand ... den Vigilen und ihrem Optio ...


    Eine kühle Nacht war es. Eine besonders dunkle Nacht und es machte sich schon bemerkbar, dass die Sonne sich nun häufiger von den Strapazen des Tages erholte und dem Mond öfters mal den Vortritt ließ. Die Tage wurden kürzer, die Nächte dafür umso länger. Wir mussten mehr arbeiten, während die Urbaner etwas mehr Pause machten. Ausgleichende Gerechtigkeit? Schließlich waren sie im Sommer länger draußen und ehrlich gesagt taten sie mir leid, wie sie mitten im Sommer in ihren Rüstungen marschierten, die stechende Sonne auf die nackte Haut und den schimmernden Metallpanzer, der sich im Laufe einer Sonnenumdrehung bis ins unermessliche an Temperatur anzunehmen schien. Ich wusste, wovon ich redete, ich war ja zu dieser zeit ein Miles der Cohortes Urbanae ... und nun? Nun würde ich mir in der eisigen Kälte des Winters den Arsch abfrieren müssen, den Schnee unter den Füßen, den Schnee auf dem Helm und die Kälte überall. Seltsame Eigenschaften hatte Metall. Der Sommer ließ es unerträglich heiß werden, während der Winter es zu einem Eisgefängnis werden ließ. War das wirklich besser als der Sommer? Nein, aber es war doch auch nicht schlechter?


    Eine kühle Nacht war es, in der wir uns nun fast lautlos durch die Straßen bewegten. Nicht mehr wie das mir wohlbekannte Geräusch der caligae welche im Gleichschritt über die Gepflasterten Straßen Roms glitten war zu vernehmen. Nicht mehr als unförmige Schatten, verursacht durch den ungleichmäßigen Schein, mehrerer Fackeln, war zu sehen und nicht mehr, als der Geruch eines ungepflegten Kameraden war zu riechen. Für jemanden, der nicht darauf aus war uns zu bemerken war es fast unmöglich uns zu erkennen, wenn er nicht gerade das Feuer unserer Lichtspender sah.
    Die Straße war links und rechts von allerlei tabernae gesäumt, welche nun nach Ladenschluss verriegelt waren. Meist mit einer Holztür, die man wie Fensterläden einfach vorklappen konnte, manchmal von Hozplatten, die tagsüber einen Schutz vor der Sonne boten und somit über den Köpfen der Kunden war, oder auch einfach eine leere Theke, mit leerem Hinterraum, weil sich der Inhaber jeden Abend bemühte, seine Waren sorgfältig wegzuräumen. Jeder hatte so seine Art, aber alle hatten eines Gemeinsam: Die Angst vor Räubern, Vandalen und aussetzigen Sklaven und Streunern, die gerne mal den ein oder anderen Laden aufbrachen, um sich deren Inhalt anzueignen. Was war für einen entflohenen Sklaven nur wunderbarer, als ein ganzer Raum voller Speisen? Was war für einen Vandalen nur befriedigender, als eine komplett zerstörte Inneneinrichtung und was war für einen Räuber und Dieb gierstillender, als das verscherbeln teurer Weine und Stoffe?


    Eine kühle Nacht war es, in der sich etwas ereignete, welche die trostlosen Momente einer nächtlichen Patrouille aufhellte. Ja, Arbeit ... entgegen der Vermutung vieler wünschte man sich in solchen Momenten nichts sehnlicher, als irgendetwas zu tun. Diese Langeweile konnte einen förmlich auffressen und so war es doch wie ein Wink der Götter, dass nur eine Ecke weiter eine Sklavin um ihre Zukunft bangte. “Vigiles, wir nehmen heute mal eine andere Route und gehen gleich nach rechts!“ befahl ich mit einer ruhigen, trotzallem aber herrscherischen Stimme. Der Lärmpegel musste unten gehalten werden, wir wurden bezahlt, dass es still war ... im Gleichschritt kamen wir der Biegung Sekunde für Sekunde näher, bis wir sie schließlich erreichten. Einer der Vigilen schwenkte kurz die Fackel um die Ecke und lugte hinterher. Einen kurzen Moment blieb er starr und sah unablässig auf einen Punkt, ehe er den Kopf schüttelte und sich wieder zurückdrehte. “Optio, ich weiß nicht recht. Ich glaub, da war was...“ Der Vigil zuckte kurz mit den Schultern und schaute skeptisch wieder nach hinten. Es war rein symbolisch gemeint, denn von diesem Winkel aus hätte er absolut nichts in der Gasse erkennen können, aber was er vielleicht davor gesehen hatte ...
    “Sicher?“ fragte ich ebenfalls skeptisch nach und ohne auf seine Antwort zu warten, nahm ich eine der Fackeln in die Linke und betrat dann die neue Gasse. Kurz schwenkte ich die Fackel von links nach rechts und wieder zurück, um ein möglichst groß erleuchtetes Gebiet zu haben und tatsächlich, da war jemand. Nein, es war mehr ein Schemen, als die Statur eines Menschen. Kein Mensch war so dürr und abgemagert, so klein. Ganz und gar nicht, wie ein normaler Mensch es sei denn ... “Wer ist da? Sklave, komm raus!“ rief ich in die Richtung des Schemens und wartete auf eine Reaktion. Ein Fluchtversuch würde nicht viel helfen, so abgemagert hatten Sklaven nicht ausreichend Energie, um lange genug zu rennen oder Widerstand gegen vier ausgebildete und bewaffnete Vigilen zu liefern...

    Vom Centurio den Befehl erhaltend, die Umgebung aufzuräumen, wies ich die Vigiles ihre Aufgaben zu. Ein Teil sollte die Ausrüstung wieder zusammenpacken und zurückbringen, während der andere Teil Schutt und Trümmer, die auf der Straße lagen aus dem Weg schaffen sollten. An dem Haus selbst konnten wir nichts machen. Es war instabil und dementsprechend einsturzgefährdet und bis aufs erste nicht mehr bewohnbar – soweit ich schätzen konnte. Das würde sich der Architectus Urbi genauer anschauen müssen und bei Bedarf müsste er es einreisen lassen.


    “Centurio, die Männer haben den Schutt weggeräumt und die Ausrüstung sind sie ebenfalls am Zurückbringen. Beim Haus können wir allerdings nichts machen. Ich würde vorschlagen, mit dem Praefectus Castrorum darüber zu reden, er soll weiteres mit dem Architecus Urbi verhandeln.“

    Ich musste bei ihren Worten lachen. Superlieb wäre das. Natürlich würde ich das für meine Schwester machen, schließlich war ich ihr Bruder und es gab so gut wie nichts, was ich nicht für sie tun würde. "Natürlich werde ich das machen. Von mir aus gleich nachher, bevor ich wieder zur Castra zurück muss."
    Danach würde ich wieder schnell hier vorbeikommen, meiner Schwester die Adresse geben und mich dann wieder auf den Weg zu den anderen Vigilen machen. Ich hatte schließlich Arbeit, die durfte ich nicht vernachlässigen. Ihre nächsten Worte beunruhigten mich allerdings wieder ein wenig. Wieso glaubte sie solche Sachen? Sie musste einfach das Beste erwarten, aber wie es aussah ... fühlte Calvi vielleicht ein klein wenig mehr, als sie zugeben wollte, denn wer sonst machte sich dann solche Gedanken um einen simplen Brief?
    "Er wird schon zurückschreiben. Wie sollte ein Mann denn dich vergessen?" erwiderte ich einige lieb gemeinte Worte und dabei waren sie sogar noch ehrlich. Wahrscheinlich würde sie niemand so schnell vergessen und das machte mich einerseits ein klein wenig Stolz, andererseits sorgte ich mich noch viel mehr um sie, denn das hieß, das auch übel Gesellen möglicherweise die Finger nicht von ihr lassen würden.


    "Gut ..." Ich wollte die Sache eigentlich schon ruhen lassen, da meine Schwester ja alt genug war, solche Dinge dann von alleine zu begreifen, aber als sie dann immer wieder merkwürdig meinen Blicken auswich, machte ich mir doch so meine Gedanken. "... Schwesterherz ... es ist doch wirklich nichts passiert?!"

    Das war's schon? Mehr nicht? Na daran konnte man sich ja doch gewöhnen. Ich nickte kurz, erhob mich dann und salutierte noch einmal. Gewohnheit und Pflicht ließen sich gar nicht so schwer miteinander verbinden, wie manch einer dachte.
    "Natürlich. Vale Praefectus!" Und so verließ ich den Raum und machte mich wieder an meine Arbeit.

    Oh, da hatte ich doch was vergessen. Einen Moment überlegte ich, wann es wohl gewesen war ... es müsste doch fast schon Mitternacht gewesen sein, es war auf jedenfall ziemlich spät.
    "Naja, also ich schätze so etwas vor Mitternacht ..." Genau wusste ich es nicht, es war nur eine grobe Angabe, aber die musste stimmen. Was gäbe ich nur für eine mobile Sonnenuhr, die überall und vorallem auch bei nacht funktioniert .. aber es war ja eine Sonnenuhr.


    "Nein, das müsste stimmen! fügte ich dann noch etwas entschlossener hinzu.

    Ah gut, also doch nur der Bericht. Ein klein wenig Erleichterung breitete sich in mir aus, andererseits .... Bericht, na klasse! Ich kam der Bitte - oder dem Befehl - des Präfekten nach und setzte mich. Dann wartete ich noch, bis Helios alles bereit hatte und antwortete ihm dann.


    "Gut ... ich war mit drei Anderen - Tiberius Milo, Lucius Opellius Turianus und Marcus Ravus - auf unserer normalen Standardpatrouille, wie sie uns zugeteilt wurde. Der Hauptteil verlief relativ ruhig und wir wollten uns langsam auf den Rückweg, als ein Bürger angerannt kam und von einem Feuer berichtete. Natürlich sind wir direkt zur beschriebenen Stelle gelaufen. Dort haben wir auch schon das brennende Haus gesehen. Das Feuer hatte sich bereits weit ausgebreitet. Die oberste Priorität war natürlich das Retten der Bewohner, was auch schnell und unkompliziert ablief. Bis zu eurem Eintreffen hatten wir dann noch die Umgebung gesichert ... den Rest solltest du kennen." Das war jetzt eine grobe Zusammenfassung, aber hoffentlich reichte es...

    Als ich den Aushang sah, wandte ich mich unweigerlich zum entsprechenden Officium, wo Helios wohl auf mich warten würde. Was war jetzt? Ich hatte doch nichts ausgefressen, oder? Nein, an irgendwelche Fehler konnte ich mich jetzt nicht direkt erinnern. Vielleicht wollte er auch wieder einen Bericht, oder es gab wieder was nettes zu tun. Mit einem Schulterzucken ging ich weiter.


    An der Tür des Officiums angekommen, klopfte ich einmal laut gegen und betrat dann den Raum.
    "Praefectus, Optio Vigilum Marcus Helvetius Cato. Melde mich wie befohlen!" salutierte und grüße ich vor dem Praefectus Castrorum.

    Das Feuer war langsam aber ischer mejhr unter Kontrolle, auch wenn das haus nicht mehr zu retten war. Wenigstens war die Umgebung sicher und das Übergreifen eines Brandes schien derzeit äußerst unwahrscheinlich ... natürlich noch mit einem gewissen "Faktor X" eingeplant, denn wie man wusste, war Feuer unkontrollierbar und schon ein wenig Wind konnte das ganze wieder entfachen und die Arbeit erschweren.


    Etwas undeutlich hörte ich die Worte des Centurios und lief eilig zum ihm hin. Bei ihm angekommen salutierte ich knapp und gab die allseitsbekannte Begrüßungsformel wieder:
    "Centurio! Ich, Optio Vigilum Marcus Helvetius Cato, melde mich!"

    Marcus Decimus Mattiacus ... den Namen kannte ich. War er nicht zur Quästur gewählt worden? Ich hatte ihn doch auf der Rostra reden gehört, oder irrte ich mich da? Wenn es denn so sein sollte, würde dann hatte sich meine Schwester ja jemanden großen geangelt.
    "Wieso sollte man das glauben? Geh doch einfach hin und erfrage sie." Es sollte nicht jeder gleich denken, dass sie ein Verhältnis hatten ... also einseitig war ich mir da schon sicher und vielleicht traute sie sich auch einfach nicht. "Oder wenn du willst, kann ich auch nachfragen ... ich ... ähm ... denke nicht, dass man da ein Verhältnis vermuten würde." setzte ich noch leise hinzu.


    "Du hast dich in einer Gasse verlaufen? In Rom? Alleine? Calvi, in Rom ist es alleine und vorallem für eine junge, hübsche Dame nicht sicher. Du solltest zumindest immer einen Sklaven bei dir haben, ich kann ja nicht immer in deiner Nähe sein." Ich war gerade zu erschüttert. Was hätte alles passieren können? Es hätten Schläger auftauchen können und dann hätte man sie vergewaltigen können ... eigentlich könnte man diesem Decimer ja dankbar sein.