"Ein Sud von der Rinde des Weidenbaumes. Das ist gut bei Fieber, weißt du."
Rutger nahm den erbeuteten Kessel zur Hand, und überließ Phaidra die Reste des Körnerbreis. Sie machte sich begeistert darüber her, während er, am Rande des Fluß hockend, den Kessel mit einer Handvoll Sand ausscheuerte, und dann frisches Wasser schöpfte. Mit ein paar Steinen stützte er den Kessel ab, als er ihn dann ins Feuer setzte. Die Flammen züngelten um das Metall herum, und beleckten es mit Ruß.
Rutger fütterte das Feuer vorsichtig, hielt es niedrig, und betrachtete nachdenklich die schlafende Arrecina.
Sie erschien ihm, so tief schlummernd, auf einmal viel jünger, fast wie ein Kind. Unschuldig sah sie aus, krank, am Ende ihrer Kräfte. Er seufzte, und machte sich Vorwürfe, daß er sie überhaupt mitgenommen hatte, und wegen seiner ungezügelten Gier am Morgen. Er dachte auch über seinen Schwur nach - der war sehr spontan gewesen, und wahrscheinlich nicht gerade klug. Immerhin war sie doch seine Geisel, und was nützte schon eine Geisel, die genau wußte, daß er ihr nichts tun würde? Aber trotzdem erschien es ihm richtig, seltsamerweise.
Das Wasser dampfte ein wenig, machte aber noch lange keine Anstalten zu kochen, und so stand er auf, griff nach seinem Stab und kletterte etwas ungelenk auf einen großen abgerundeten Stein hinauf. Oben angekommen, richtete er sich hoch auf, sah sich in alle Richtungen um, und wirbelte den Stab ein paarmal spielerisch um sich herum. Der lag gut in der Hand, fand Rutger.
Dort, auf dem Stein stehend, sah er die Schwalben fliegen, die Sonne schien ihm warm ins Gesicht, und ihre inzwischen schon schrägen Strahlen legten einen goldenen Glanz um die sattgrünen Wipfel der Kiefern. Harz roch er, und frisches Wasser, Holzrauch mischte sich hinein und sommerwarme Erde. Schön. Rutger ließ diesen Moment tief auf sich einwirken. Er war froh, daß er geflohen war, und nun hier stehen konnte, frei, dem Tanz der Schwalben zusehen konnte, und einem bunten Herbstblatt, das gerade auf dem Fluß vorübertrieb, mit einem fein gekräuseltem Kielwasser hinter sich. Selbst wenn sie ihn fangen würden, und töten - und seine Chancen sahen gerade tatsächlich nicht so überwältigend aus - selbst wenn das geschehen würde, so hatte er doch wenigstens noch einmal die Freiheit spüren dürfen.
Lächelnd ließ er sich auf der Spitze des Stein nieder, streckte die Beine lang aus, und begann, den Stab mit dem Dolch zu bearbeiten. Mit geübten Handbewegungen glättete er den Schaft, spaltete ihn am oberen Ende, und schuf eine Aussparung, in die er später den Griff des Hirschfängers einzufügen gedachte.
Ganz versunken arbeitete er an seiner Waffe, bis ihn das Brodeln des Wassers aus der Konzentration herausriss. Ach ja, der Tee. Er kletterte wieder von seinem Aussichtspunkt hinunter, hockte sich neben das Feuer, und suchte die dicken Stücke der Weidenborke hervor. Mit dem Messer säuberte er sie ein wenig, klopfte eine dicke Käferlarve heraus, und brach die Rinde dann in viele kleine Stückchen. Die warf er in das kochende Wasser hinein, ließ es noch etwas brodeln, und nahm den Kessel dann vorsichtig vom Feuer. Ein paar Kleeblätter, die da wuchsen, warf er mit hinein, damit das Gebräu nicht ganz so bitter werden würde.
Während der Sud vor sich hin zog, widmete er sich wieder seinem Waffenbau, nahm einen Lederriemen, und begann damit, den langen Dolch mit einer festen Umschnürung sorgfältig an der Spitze des Schaftes einzupassen. Das würde zwar eine sehr primitive Frame werden, aber immerhin! Nein, falls ihn die Häscher der Flavier wirklich erwischten, würde er sich ihnen ganz sicher nicht kampflos ergeben.