Die Sonne erhob sich langsam am Firnament, als ich die Villa Flavia Felix verließ, um meine Sänfte zu besteigen. Dies gestaltete sich etwas schwierig. Denn erstens hatte ich meine beste Toga angezogen und zweitens wollte ich jene weder zerknittern, noch später an meinem ersten öffentlichen Opfer verknirscht aussehen. Als jene Hürde endlich geschafft war und die Träger sich in Bewegung setzten, brachte man mich zum nördlichsten der sieben klassischen Hügel Roms, dem Quirinal. Eben jenen Hügel, wo sich die Tempelanlage des Quirinus befand.
Mein Eintreffen wurde bereits erwartet. Die Opferhelfer hatten den Vorplatz zum Opferaltar geschmückt. Der Bock war präperiert und ein weiteres Tier stand bereit, sollte sich Ersterer als unrein herausstellen. Erneut etwas umständlich verließ ich die Sänfte und ließ mir dabei ausreichend helfen. Dann stand ich vor dem Tempel und blickte die lange Sandsteintreppenanlage nach oben. An ihrem Ende erwartete mich der Opferplatz. Dessen Kernstück ein aus Bimsstein gehauener Altar bildete. Erst als ich ihm später sehr nahe war, erkannte ich die feinen Spurrillen, die das Schlachtblut in angemessen große Amphörchen leiteten. Doch dazu später.
Ich grüßte einen Priester, der sich vorstellte und den Opferablauf überwachen würde. Zwei weitere Helfer hatten sich dem männlichen Tier gewidmet. Ein weibliches wäre für einen Gott unangemessen. Mit langsamen, erhabenen Schritten machte ich mich auf, den Tempel zu erreichen. Die Treppen waren noch gut in Schuss. Immerhin wurde die Anlage erst im Jahre 16 v. Chr neu erbaut, nachdem sie im Spätsommer des Jahres 49 v. Chr. Opfer eines verheerenden Brandes geworden war.
Als ich die obere Ebene, den Opferplatz erreicht hatte, stand ich auf einer rechteckigen Plattform, deren schmale Enden von der Treppe und dem Eingang zum aedes begrenzt wurden. Jener war überdacht, das Vordach jedoch nicht zu weit in Richtung Altar gezogen. Nicht selten verbrannte man dei edlen Teile der Opfertiere, um sie den Göttern darzubringen. Mein Blick schweifte hinüber zu den anderen Hügeln. Der Ausblick war grandios und sollte mein heutiges Opfer erfolgreich sein, würde dies in den nächsten Jahren meine Wirkungsstätte sein.
So ließ ich nichts anbrennen, sondern begab mich näher an den vorhin bereits vorgestellten Altar heran. Man hatte den Bock bereits darauf gesetzt und mit Schnüren befestigt. Das ihm das nicht gefiel, war verständlich. Doch würde ihn sein jehes Ende noch viel weniger passen.
Zuerst trat ich an das bereit gestellte Waschbecken und säuberte mich ordentlich. Dann begann ich mit der Opfereinleitung.
Ich erhob die Hände und Arme zum Himmel. Mein Blick tat es ihnen langsam Gleich. Wobei er die vergoldeten Hörner inspizierte.
"Oh Quirinus, Gott des Trias, Herrscher über die Waffen und Beschützer der Kämpfenden. Ich stehe hier um dir zu dienen. "
Die ministri erklommen den Opferplatz und hielten sich jeweils zu viert an den Seiten. Ihre Aufgabe war das Halten des Weihrauchs. Er war angezündet und seine Schwaden wandten sich empor.
"Das Mahl ist bereitet. Lass es dir durch mich überbringen und nimm es an, so sein Herz rein, seine Leber zart, die Hoden kräftig, die Lunge sauber und die Nieren gespühlt sind."
Meine Hände gingen mit den Schultern leicht nach hinten, um einem Popa das nötige Zeichen zu geben. Er ließ sich auf die Knie nieder und überreichte so mit würdigen Anstand mir das Opfermesser. Es war aus reinem Stahl, mit Verzierungen an des Messers Schneide. Feine Ornamente und einem hochwertig gearbeiteten Griff. Dankend nahm ich jenes Messer an und führte es über den Rücken des Opfertiers. Dabei murmelte ich einige Frasen, Worte die dem Bock als Beruhigung dienen sollten.
Dann schoss meine Hand nach oben, wie ein Blitz schlug das Messer in die Halsschlagader des Tieres. Blut spritze weit, viel weiter als bedacht, so bekamen auch die Knaben mit den Weihrauchstäbchen ihre Suppe weg und meine Toga war dahin. Sanft glitt die Klinge durch den Hals, bog nach hinten ab und offnete den Ranzen des Gamsbocks. Er war passend auf den Rücken gefallen. Mit blutverschmierten Händen fischelte ich in dem Tier herum. Befreite es vom Herzen,. von der Milz,der Galle, die Milz, die Lunge, die Leber und auch die Nieren. Sie alle legte ich in die Opferschale. Bei den Hoden mußte ich stocken. Warum hatte man das nicht früher gesehen? Zu offensichtlich war es. Wer hatte die hostiam probare so schlampig ausgeführt. Unter meiner Regie würde das anders werden. Mit leicht erregten Gesichtsausdruck wandte ich mich um und sprach aus:
"hostia succidanae!"
Worauf mich ein Priester schief von der Seite anschaute. Er war es wohl gewesen, der das Tier ausgesucht hatte. Sein Gesicht würde ich mir merken.
Der Altar wurde geräumt, die Gebeine fortgeschafft, die kleinen Amphoren erneuert, das Blut vom Altar gespühlt. Eine Neue Opferschale bekam ihren Platz. Meine Hände wusch ich erneut sauber, eine Toga war so schnell nicht aufzuziehen. So stand ich erneut vor einem Gamsbock. Diesmal blickte ich ihm weniger auf die vergoldeten Hörner, sondern fühlte die Hoden. Sie waren besser, viel besser.
So schritt ich in die Anfangsstellung zurück und erneuerte meinen Aufruf an Quirinus.
"Oh Quirinus, Gott des Trias, Herrscher über die Waffen und Beschützer der Kämpfenden. Ich stehe hier um dir zu dienen. "
Frische Weihrauchstäbchen erfreuten die Luft mit rauchenden Schwaden und die Ministri taten ihres Gleichen einen Schritt zurück.
"Das Mahl ist bereitet. Lass es dir durch mich überbringen und nimm es an, so sein Herz rein, seine Leber zart, die Hoden besonders kräftig, die Lunge sauber und die Nieren gespühlt sind."
Mit einem gleichförmig rasch geführten, gesäuberten Opfermesser schnitt ich wieder präzise die Halsschlagader durch. Doch fiel der Bock diesmal nicht auf den Rücken, ein Opferhelfer erledigte dies für mich. Als das Tier ausblutend so da lag, wartete ich einen Augenblick. Ließ die Ruhe wirken, hoffte auf saubere Innereien und darauf, das Quirinus das Opfer würde annehmen.
Dann begab ich mich daran, den Gamsbock auszuweiten. Die Lunge, sauber, die Nierchen perfekt. Die Leber zart und Glatthäutig. All das legte ich in die Opferschale und fuhr fort. Die Hoden bestätigten ihr Äußeres und auch das Herz ließ keine Wünsche offen. So allmählich näherte ich mich dem Litatio. Doch wollte ich nichts übersehen, oder überstürzen. Fest stand, die kleinen Amphoren waren zu klein. Das Blut schwappte über und suchte sich seinen Weg die Treppe hinab. Begünstigt wurde dies durch die leicht angeschrägte Plattform. Wohl ein baulicher Trick, um dem Regenwasser nur einen Weg zu lassen.
Als ich das Tier geweidet hatte, nahm ich das Herzen aus der Schale, reckte es in die Höhe und passte dabei unzureichend auf. Das noch anliegende Blut lief mir in den Nacken und ließ mich kurz schaudern. Doch da mußte ich jetzt durch. So erhob ich meine Stimme und schrie ein kräftiges:
"Litatio!"
... aus. Meine Arme senkten sich wieder. Das Herz kam zu den anderen Innereien zurück in die Opferschale und ich legte das Messer, das noch immer meine rechte Hand zierte auf dem Altar ab. Dann verneigte ich mich einen Augenblick vor dem toten Bock und ließ die kurze Ruhephase auf die Teilnehmer des Opfers wirken. Erst dann gab ich den Wink die Opfergaben zum Kochen zu schaffen. Natürlich wurden die Innereien, bestimmt für die Gottheit, getrennt gekocht. Weiterhin würde Quirinus zuerst speisen, bevor die zarten Fleischstücke in einem Opfermahl verzehrt wurden.
Ruhig stand ich neben dem Altar und wartete auf ein Zeichen...