Beiträge von Quartus Flavius Lucullus

    Die übliche Vorspeise wurde aufgetragen, dazu gehörten natürlich Eier und ich nahm mir anständig wie ich war nur eine Hälfte davon. Da Felix das Gespräch begann, blickte ich ihn eine Zeitlang an und wußte sogleich, das seine Reise zum Landgut ihm nicht nur Entspannung, sondern auch Farbe gebracht hatte. Ich lächelte und wand mich wieder der Vorspeise zu.


    Wie würde die Sache mit seinem Sohn behandelt werden? War ich in jener Position das Thema anzuschneiden? Es schmeckte mir und meinen Idealen der alten Geschlechter nicht, aber wie lange war ich hier in Rom? Wie würden die anderen im Triclinium darauf reagieren? Würde ich Furianus anschwärzen? Fragend und Hilfe suchend wand ich meinen Blick vom Vetter Felix ab und blickte meinen Bruder Gracchus an. Sicher war er in einer intimeren Position zu seinem Vetter Felix. Erstmal wartete ich also ab, hielt mich gelassen, nein! angespannt zurück. Aber schwieg.

    "Oh dann bin ich beruhigt. Die ersten Ofer sind noch sehr aufregend. Obwohl ich in den kleinen Kapellen der Gens Flavia immer schon gern meine Zeit verbrachte. Doch naja die vielen Menschen sind schon etwas besonderes."


    Ich machte eine Geste die meinen Unmut aussprach, das nur so wenige Bewohner der Stadt zur Opferung erschienen waren und konnte doch nur wenig daran ändern.


    "Wenn es uns nicht gelingt die Massen bei unseren Opferungen zu begeistern, wird der Platz um den Altar herum immer nur spärlich gefüllt bleiben. Ich werde mir jedoch die größte Mühe geben, den Einklang zwischen unseren geliebten Göttern und den römischen Bürgern zu verbessern. Meine Hoffnung ist, das sich die Bürger der Stadt wieder mehr ihren Wurzeln besinnen und den Göttern ihren Dank aussprechen beziehungsweise ihnen huldigen, bevor Unheil die Horizonte Roms und des Imperiums überschatten."


    Ein Seufzer entrang meiner Kehle, das Lächeln danach war nur gestellt und meine Miene gab Aussichtslosigkeit wieder.

    Jener Junge fand Lucullus nicht in seinem Cubiculum worauf sich die Suche etwas schwieriger gestaltete. Doch ich war in der Villa. Völlig zurückgezogen erschrak ich fast, als jene jugendhafte Stimme mich von hinten im Lararium ansprach. So eilte ich mich die Worte an die Götter gesprochen zu vollenden und ließ mich in meine Räumlichkeit begleiten. Dort wusch man mich, kleidete mich an und zog den Bart ab. Wenig später, wohl etwas nach den anderen Bewohnern erreichte ich schließlich das Triclinium.


    Mit wenigen Worten begrüßte ich alle. Meinen Vetter zuerst, dann den Bruder, dann die Anderen. Ein Platz war noch frei und wurde durch mich belegt. So nun waren wohl alle anwesenden Bewohner der Villa Flavia Felix vor Ort. Neugierig doch mit ausdruckslosen Gesicht wartete ich ab.

    "Oh salve Septemvirs Valerius Victor." Ich ließ ihm ein besonders schönes Stück Fleisch einpacken und bat ihn dann zur Seite. Derweil wurde weiterhin das Opfertier verteilt.


    "Ich habe dich etwas weiter abseits gesehen, war mein Opfer nicht gut genug, um sich nach vorn zu wagen? Du mußt wissen, das ich alles daran setzen möchte dem Cultus zu dienen. Die einwandfreie Zufriedenstellung der Götter ist dabei mein Hauptaugenmerk."

    Pünktlich erreichte ich in die toga praetexta gehüllt den Tempel des Volturnus in der Nähe des Tiber. Die kleine Prozession war mit Musik und Weihrauchstäbchen vom Mons Quirinal aufgebrochen, um zu Ehren des Volturnus zu opfern. Sie erreichte den Tempelvorplatz, auf dem sich auch die Opferung ausdehnen würde zeitig genug um der Sonne zuzusehen, wie sie ihre Strahlen über den Esquilin hob und jene in der Ferne liegenden pompösen Villen im Dunst der Stadt erleuchtete. Doch ich war hier um meinen religiösen Verpflichtungen und Freuden nach zu gehen. So hatte ich nicht viele Opferhelfer bestellt. Sondern wollte jene Opferung zu Ehren des Volturnus selbst mit jedweder Hingabe durchführen.


    Der Tempel gehörte eher zu den Kleineren in Rom. Fiel aber vorallem durch seine mamorösen Säulen auf und den reich verzierten Eingangsbereich. Meine Augen schweifen umher und sogen die frische Luft am Fluss ein. Dann hob ich das vor mir abgestellte Weihrauchdöschen auf und zündete es an. Sie hing an einer langen Kette, sodas die Schwaden bereits sich verteilten, bevor sie meine Nase erklommen hatten.


    Mit einem Becher Wein in der anderen Hand begab ich mich zum Fuße des Tempels und murmelte einige Liebkostungen vor mich hin.


    Furius Magnus, einer der Priester des Tempels bestellte derweil das Voropfer mit frisch duftenden Opferkuchen, einigen Tellerchen Keksen und einer Schale voll Blumenblüten. Mein Arm hindes verteilte das Weihrauch auf dem Opferplatz. Meine Lippen sangen das Lied des Volturnus. In dessen Silben auch die anderen Priester und Opferhelfer einstimmten.


    Wieder folgte reges Gemurmel und ich erreichte den Opferstein am Tempelaltar.


    "Volturnus, oh Volturnus großer Gott des Wassers, Beschützer der Brunnen und des Tibers. Vater von Juturna wir ehren dich."


    Ein Klagelied wurde angestimmt um die Wichtigkeit Volturnus hervor zu heben. Wieder sangen alle Anwesenden lauthals und mit reiner Stimme. Nach der Beendigung eben jenes führte ich meine Hand nach Oben, reckte den Wienbecher empor.


    "Volturnus, oh Volturnus der Wein ist deine göttliche Gabe, wir danken dir dafür und ehren dich mit dem Saft der Trauben."


    Dabei schüttete ich aus niedriger Höhe den kleinen Teil des Becherinhaltes über den Weihestein und gab Volturnus so ein Trinkopfer dar. Danach führte ich ihn zum Mund und nahm einen winzigen Schluck. Jener Becher wurde von den Priestern und Opferhelfern mit einem kleinen Schluck für jedermann durchgereicht.


    Einer jener Diener entzündete die Kerzen am Fuße, dem Sockel und dem Tisch des Altars und setze dem Tischchen vor dem Opferstein die Voropfergaben auf. Den Weihrauch stellte ich dünselnd daneben.


    Wieder wurde gemurmelt und ein weiteres Lied zu Ehren Volturnus machte die Runde. In dessen Aura führte man einen schwarzen Bock an den Altar. Das Fell war geradlinig und sauber. Die hostiam probare wurde von mir selbst am Vortag mit besten Wissen und Gewissen ausgeführt, der Bock von einem vertrauenswürdigen Diener bis zum jetzigen Opferzeitpunkt bewacht. Ich wollte heute keine Überraschungen erleben, so wie einst bei meinem ersten öffentlichen Opfer.


    Dann hob man das Tier auf den Altar mit fachmännischen Griffen band man es am Altartisch fest und ließ auch nicht zu, das es seinen Willen bekam auszubücksen.


    Zu meiner Linken erschien Furius Magnus. Mit beiden Händen hielt er ein seidenes Kissen in purpurner Farbe. Aus dessen Mitte zog ich das Opfermesser und führte es im Lichte der Gesänge durch die Luft. Als auch die letzten Zuschauerreihen den Stand der Dinge mitbekommen hatten, verstummte abruppt der Gesang und meine rechte Hand führte das Messer über die Rückenhaare des schwarzen Bocks.


    "Volturnus, oh Volturnus wir verehren dich und bringen dir heute diesen Bock als Opfer dar. Möge sein Herzen reiner sein als das Wasser, seien seine Leber, Milz und Lende saftig und gesund. Dann sei auch dieses Opfer dir zu Ehren gerecht und tugendhaft
    Volturnus, oh Volturnus ich führe zu deiner Ehre das Messer und warte auf dein Zeichen. Möge es anerkennend sein, so die edlen Teile des Tieres deine Zustimmung erlangen
    ."


    Dabei fuhr meine Hand von der Halsschlagader abwärts ein. Diesmal hatte ich mich günstiger gestellt und blieb sauber, während sowohl der Altar, als auch der Opferplatz in tiefes Rot getaucht wurde. Wieder wurden kleine Amphoren gefüllt, die ich diesmal auch etwas größer und angemessener wählte. Mit geschickten Händen trennte ich das Fleisch vom Herzen, den Nieren, der Lunge, dem Hirn, die Milz und den anderen Innereien, die zu Ehren des Gottes auf einer Opferschale angerichtet wurden. Mein Blick war angestrengt und nervös, aber nachdem ich auch das letzte Organ, den Hoden abgetrennt hatte, konnte mein Mund verkünden:


    "Litatio!"


    Ich reinigte meine Hände vom Blut und wischte sie mit einem fein gewebten Schafwolltuch rein. Dann ließ ich erneut Gesänge anstimmen, die den Tag des Gottes Volturnus zu einem Fest ausbreiten sollten und würden. Im Mantel der Laute wurde ihm das Mahl dargebracht und jene Statue des Volturnus neben den Opferaltar gestellt. Dann brannten die Innereien in jener Opferschale und die Gesänge wurden lauter, bis sie verstummten und Volturnus Ruhe zum Speise gaben. Als man davon ausgehen konnte, das das göttliche Mahl beendet war, ließ ich jene Fleischberge des Bockes in kleinere Portionen schneiden und gab mit einigen aufmunternden Worten jenen vom Getier, die sich in einer langen Schlange bis zum Opferplatz gereiht hatten.

    "Das werden wir."


    Mein Blick sagte alles und ich machte mich bereit meinen Bruder für das Erste zu verabschieden. Die Villa war recht groß, aber nicht so rießig wie die Landgüter und so würden wir uns sicher täglich über den Weg laufen. Meine Gedanken kreisten hindes zu den Göttern, die mit großen Augen und wachsamen Ohren auf uns herunter schauten.


    "Es wird Zeit, ich werde den Hausgöttern noch ein kleines Opfer bringen und mich dann für die Nacht bereiten lassen. Es war schön mit dir zu reden Gracchus."

    "Ja das möchte ich." Eine Pause war nach jenen Worten angebracht, ich nahm sie mir. "Bruder ich kehrte heim nach Rom in der stillen Hoffnung alte Pfade zu finden. Doch was sich mir bietet ist eine nun wie soll ich sagen, schwache Gens Flavia. Ich hoffte darauf, das die Ahnenreihe geehrt würde, doch was ich sehe ist Verrat an den Urvätern. Seit ich in Rom bin flüchte ich mich in den Schoß der Götter, denn auch ich weiß keinen Rat. Bruder was hat das zu bedeuten?"


    Blickte vor mir zu Boden.

    "Wie hart die Prüfung der Götter auch sein mag, wir werden sie bestehen. Du und ich gemeinsam."


    Ich reichte Gracchus meine Hand. Hoffnungsvoll, das er sie nicht ausschlagen würde.

    "Ein trauriger Zustand ist das." Ich schüttelte angewidert den Kopf und ließ meine weiteren Gedanken unausgesprochen. Nur wie konnte es gelingen die Magistrate zurück zu führen. Sie waren die Ideale des Pöbels, sie würden auch ihn zum Glauben zurück schwenken. Es zermarderte mir den Kopf und ich wollte nicht so recht weiter darüber grübeln. So hob ich meinen Becher und trank etwas.

    Ich nickte bei jenen Worten, wartete bis der Priester von dannen war und ließ mir dann ein Bad einlassen. Einen meiner Sklaven schickte ich zur Villa frische, saubere Sachen zu holen. So wusch ich mich vom Blut rein und zog eine neue Toga auf. Wenig später setzte sich meine Sänfte in Bewegung. Ich hatte die erste Stufe gut gemeistert. Das war zu feiern und wo ginge das besser als in der Villa Flavia.

    Das Opfer war also zur ausreichenen Zufriedenheit durchgeführt. In Zukunft war ich mir sicher einen Schlachtmeister mit an den Altar zu führen und mich auf die Eingeweitenschau zu begrenzen.


    So legte ich ein leichtes Lächeln auf mein Gesicht auf und antwortete:


    "Ich werde mir die größte Mühe geben das Heim Quirinus stehen zu lassen."


    Dann trug man den Kessel mit den fertig gekochten Innereien zurück zum Altar und hob sie mit einer löchrigen Kelle heraus. So floss das überflüssige Wasser ab und die nun nurnoch feuchten Lebensorgane fanden ihren Platz auf dem Altar. Mit Oel übergossen, begannen sie zu brennen und die beigestellte Statue des Quirinus konnte das Mahl annehmen. Mit Stille verfolgte ich der Verbrennung und freute mich schon darauf Morgen in der Früh auf den Quirinal zu kommen...

    Die Sonne erhob sich langsam am Firnament, als ich die Villa Flavia Felix verließ, um meine Sänfte zu besteigen. Dies gestaltete sich etwas schwierig. Denn erstens hatte ich meine beste Toga angezogen und zweitens wollte ich jene weder zerknittern, noch später an meinem ersten öffentlichen Opfer verknirscht aussehen. Als jene Hürde endlich geschafft war und die Träger sich in Bewegung setzten, brachte man mich zum nördlichsten der sieben klassischen Hügel Roms, dem Quirinal. Eben jenen Hügel, wo sich die Tempelanlage des Quirinus befand.


    Mein Eintreffen wurde bereits erwartet. Die Opferhelfer hatten den Vorplatz zum Opferaltar geschmückt. Der Bock war präperiert und ein weiteres Tier stand bereit, sollte sich Ersterer als unrein herausstellen. Erneut etwas umständlich verließ ich die Sänfte und ließ mir dabei ausreichend helfen. Dann stand ich vor dem Tempel und blickte die lange Sandsteintreppenanlage nach oben. An ihrem Ende erwartete mich der Opferplatz. Dessen Kernstück ein aus Bimsstein gehauener Altar bildete. Erst als ich ihm später sehr nahe war, erkannte ich die feinen Spurrillen, die das Schlachtblut in angemessen große Amphörchen leiteten. Doch dazu später.


    Ich grüßte einen Priester, der sich vorstellte und den Opferablauf überwachen würde. Zwei weitere Helfer hatten sich dem männlichen Tier gewidmet. Ein weibliches wäre für einen Gott unangemessen. Mit langsamen, erhabenen Schritten machte ich mich auf, den Tempel zu erreichen. Die Treppen waren noch gut in Schuss. Immerhin wurde die Anlage erst im Jahre 16 v. Chr neu erbaut, nachdem sie im Spätsommer des Jahres 49 v. Chr. Opfer eines verheerenden Brandes geworden war.


    Als ich die obere Ebene, den Opferplatz erreicht hatte, stand ich auf einer rechteckigen Plattform, deren schmale Enden von der Treppe und dem Eingang zum aedes begrenzt wurden. Jener war überdacht, das Vordach jedoch nicht zu weit in Richtung Altar gezogen. Nicht selten verbrannte man dei edlen Teile der Opfertiere, um sie den Göttern darzubringen. Mein Blick schweifte hinüber zu den anderen Hügeln. Der Ausblick war grandios und sollte mein heutiges Opfer erfolgreich sein, würde dies in den nächsten Jahren meine Wirkungsstätte sein.


    So ließ ich nichts anbrennen, sondern begab mich näher an den vorhin bereits vorgestellten Altar heran. Man hatte den Bock bereits darauf gesetzt und mit Schnüren befestigt. Das ihm das nicht gefiel, war verständlich. Doch würde ihn sein jehes Ende noch viel weniger passen.


    Zuerst trat ich an das bereit gestellte Waschbecken und säuberte mich ordentlich. Dann begann ich mit der Opfereinleitung.


    Ich erhob die Hände und Arme zum Himmel. Mein Blick tat es ihnen langsam Gleich. Wobei er die vergoldeten Hörner inspizierte.


    "Oh Quirinus, Gott des Trias, Herrscher über die Waffen und Beschützer der Kämpfenden. Ich stehe hier um dir zu dienen. "


    Die ministri erklommen den Opferplatz und hielten sich jeweils zu viert an den Seiten. Ihre Aufgabe war das Halten des Weihrauchs. Er war angezündet und seine Schwaden wandten sich empor.


    "Das Mahl ist bereitet. Lass es dir durch mich überbringen und nimm es an, so sein Herz rein, seine Leber zart, die Hoden kräftig, die Lunge sauber und die Nieren gespühlt sind."


    Meine Hände gingen mit den Schultern leicht nach hinten, um einem Popa das nötige Zeichen zu geben. Er ließ sich auf die Knie nieder und überreichte so mit würdigen Anstand mir das Opfermesser. Es war aus reinem Stahl, mit Verzierungen an des Messers Schneide. Feine Ornamente und einem hochwertig gearbeiteten Griff. Dankend nahm ich jenes Messer an und führte es über den Rücken des Opfertiers. Dabei murmelte ich einige Frasen, Worte die dem Bock als Beruhigung dienen sollten.


    Dann schoss meine Hand nach oben, wie ein Blitz schlug das Messer in die Halsschlagader des Tieres. Blut spritze weit, viel weiter als bedacht, so bekamen auch die Knaben mit den Weihrauchstäbchen ihre Suppe weg und meine Toga war dahin. Sanft glitt die Klinge durch den Hals, bog nach hinten ab und offnete den Ranzen des Gamsbocks. Er war passend auf den Rücken gefallen. Mit blutverschmierten Händen fischelte ich in dem Tier herum. Befreite es vom Herzen,. von der Milz,der Galle, die Milz, die Lunge, die Leber und auch die Nieren. Sie alle legte ich in die Opferschale. Bei den Hoden mußte ich stocken. Warum hatte man das nicht früher gesehen? Zu offensichtlich war es. Wer hatte die hostiam probare so schlampig ausgeführt. Unter meiner Regie würde das anders werden. Mit leicht erregten Gesichtsausdruck wandte ich mich um und sprach aus:


    "hostia succidanae!"


    Worauf mich ein Priester schief von der Seite anschaute. Er war es wohl gewesen, der das Tier ausgesucht hatte. Sein Gesicht würde ich mir merken.


    Der Altar wurde geräumt, die Gebeine fortgeschafft, die kleinen Amphoren erneuert, das Blut vom Altar gespühlt. Eine Neue Opferschale bekam ihren Platz. Meine Hände wusch ich erneut sauber, eine Toga war so schnell nicht aufzuziehen. So stand ich erneut vor einem Gamsbock. Diesmal blickte ich ihm weniger auf die vergoldeten Hörner, sondern fühlte die Hoden. Sie waren besser, viel besser.


    So schritt ich in die Anfangsstellung zurück und erneuerte meinen Aufruf an Quirinus.

    "Oh Quirinus, Gott des Trias, Herrscher über die Waffen und Beschützer der Kämpfenden. Ich stehe hier um dir zu dienen. "


    Frische Weihrauchstäbchen erfreuten die Luft mit rauchenden Schwaden und die Ministri taten ihres Gleichen einen Schritt zurück.

    "Das Mahl ist bereitet. Lass es dir durch mich überbringen und nimm es an, so sein Herz rein, seine Leber zart, die Hoden besonders kräftig, die Lunge sauber und die Nieren gespühlt sind."


    Mit einem gleichförmig rasch geführten, gesäuberten Opfermesser schnitt ich wieder präzise die Halsschlagader durch. Doch fiel der Bock diesmal nicht auf den Rücken, ein Opferhelfer erledigte dies für mich. Als das Tier ausblutend so da lag, wartete ich einen Augenblick. Ließ die Ruhe wirken, hoffte auf saubere Innereien und darauf, das Quirinus das Opfer würde annehmen.


    Dann begab ich mich daran, den Gamsbock auszuweiten. Die Lunge, sauber, die Nierchen perfekt. Die Leber zart und Glatthäutig. All das legte ich in die Opferschale und fuhr fort. Die Hoden bestätigten ihr Äußeres und auch das Herz ließ keine Wünsche offen. So allmählich näherte ich mich dem Litatio. Doch wollte ich nichts übersehen, oder überstürzen. Fest stand, die kleinen Amphoren waren zu klein. Das Blut schwappte über und suchte sich seinen Weg die Treppe hinab. Begünstigt wurde dies durch die leicht angeschrägte Plattform. Wohl ein baulicher Trick, um dem Regenwasser nur einen Weg zu lassen.


    Als ich das Tier geweidet hatte, nahm ich das Herzen aus der Schale, reckte es in die Höhe und passte dabei unzureichend auf. Das noch anliegende Blut lief mir in den Nacken und ließ mich kurz schaudern. Doch da mußte ich jetzt durch. So erhob ich meine Stimme und schrie ein kräftiges:


    "Litatio!"


    ... aus. Meine Arme senkten sich wieder. Das Herz kam zu den anderen Innereien zurück in die Opferschale und ich legte das Messer, das noch immer meine rechte Hand zierte auf dem Altar ab. Dann verneigte ich mich einen Augenblick vor dem toten Bock und ließ die kurze Ruhephase auf die Teilnehmer des Opfers wirken. Erst dann gab ich den Wink die Opfergaben zum Kochen zu schaffen. Natürlich wurden die Innereien, bestimmt für die Gottheit, getrennt gekocht. Weiterhin würde Quirinus zuerst speisen, bevor die zarten Fleischstücke in einem Opfermahl verzehrt wurden.


    Ruhig stand ich neben dem Altar und wartete auf ein Zeichen...

    "Oh wie Recht du hast uns trennen Welten. Bist du reinem Geschlechtes oder ebenso wie dein Bruder Furianus in pleibischer Kinderstube aufgewachen?"


    Mir kam das so vor, denn wäre er ein Vollmitglied wüßte er um meinen Stand, meine Bande zur Gens Flavia und auch wo er meinen Namen einordnen mußte. Naja Geduld war meine Stärke, so beratschlagte ich ihn darin:


    "Meine Mutter ist die ehemalige Procuratrix der Provincia Aegyptus Diva L. Flavia Nyreti, mein Vater kein geringerer als Titus Flavius Vespasianus der lange Jahre als Praefectus Urbi von sich Reden machte und diente."


    Ich hoffte das würde ausreichen, um jene Gedanken anzuspornen. Zu seinen Worten zum Opfer fühlte ich mich angeregt erneut Aufklärung zu betreiben.

    "Ein Opfer wird von dem Priester geleitet. Er führt das Messer durch das Tier. Da ich dem Gott Quirinus opfern werde, muß es ein männliches Opfertier sein. Ich werde das Tier nichts selbst vorbereiten, dafür stehen die Opferhelfer bereit. Sie werden die Hörner vergolden, die Hufe zusammen binden und das Tier zum Altar führen und es für die Opferung bereit machen. Eine kleine Dosis Beruhigungsmittel bietet sich an, damit er nicht vom Sims springt."


    Fragend blickte ich mein gegenüber an.

    "Deine Unterlagen sind fast komplett. Du weißt ob des Gottes dem ich mein Geiste schenke und kannst nachvollziehen, das ich jene Aufnahmeprüfung an der Schola Atheniensis Phoebi Apollonis Divinis abgelegt habe. Trotzdem gelingt es dir nicht meinen Namen auszusprechen? Hm für den Fall das es dich wundert: Ich entstamme dem reinen Genus der Gens Flavia. Mein Vater gab mir den Namen Quartus Flavius Lucullus." ;)


    Ich verschrenkte meine Arme vor dem Bauch und blickte den Schreiberling eine Weile an, dann nachdem seine Worte verhallt waren und er stumm blieb, fragte ich: "Die Opferhelfer werden das Tier, ich bevorzuge einen Bock, nach meinen Wünschen präparieren?"

    Mit der kleinen Urkunde unter dem Mantel erreichte ich wieder jene Stube, wo ich vor einigen Tagen um meine Aufnahme bat.


    Ich grüßte den Schreiber und fragte: "Salve, ich habe die Prüfung schriftlicher Natur bestanden. Nun steht noch das Opfer zu Ehren von Quirinus an. Mit viel Leidenschaft und Hingabe möchte ich es ausführen, doch bitte ich darum, mir jenen Weg zu zeigen, der zu Tempel des Quirinus führt... dann will ich im Geiste wie im Manne ihm sein."

    Ich hatte davon erfahren, das sich mein Bruder aufmachte, um dem Plebs Rede und Antwort zu stehen. In meiner Sänfte erreichte auch ich bald jenes Forum, wo üblicherweise die Kandidaturen ausgetragen wurden.


    Sicher hatten wir nicht den besten Start gehabt, aber die äußere Einigkeit war mir sehr wichtig. Vorallem weil unser Vater stets darauf geachtet hatte, das wir uns niemals dem hingeben, was der Gens schaden könnte und Tatenlosigkeit gehörte mitunter natürlich dazu.


    So stand ich etwas jenseits der Rosta und hörte mir seine Worte an. Natürlich hatte der erste Plejber etwas zu sagen und klar war auch, das er sich mit seinen eigenen Worten widersprach. Trotzdem wollte ich nicht Gracchus ins Wort fallen, denn ich wußte sehr wohl, das er dieser Sache ohne Probleme zu bekommen, gewachsen war.

    Oh nein so kann ich dir dabei nicht zustimmen. Der Pöbel lenkt nicht die Götter, sondern offenlegt uns die Wahrnehmung. Kein Gott läßt sich von irdischem Versagen lenken, sondern führt seine Schlacht, wenn der Gabenteller leer wäre. Wenn wir uns jener Frage stellen und fragen, wo ist Quirinus, wo ist Mars in Rom geblieben, dann fragen wir dies unbegründet, denn die heiligen Stätten exsistieren! Sie werden betreut und beide Götter müssen befriedigt sein, wenn sie nicht das Kapitol in Brand setzen oder sich sonstwie bemerkbar machen.


    Ihre Zuneigung durch das Volk ist gespalten, ihre Teller nur halb gefüllt. Doch so frage ich dich, wie optimistisch können wir in die Zukunft schauen? Indem wir sagen der Teller ist halb voll oder halb leer?
    Die Frage ist nicht: Wie ehren wir jene Götter? Sondern: Wie rücken wir sie zurück ins Licht dieser Welt?


    Und wenn du sagst, das die Plebse opfern, weil sie sich davon Segen erhoffen. So ist dies nicht auf Habsucht und Gier gebaut, sondern auf Blind- und Dummheit. Wer wenn nicht wir können es ihnen zusagen, wer wenn nicht wir können zeigen was wir wirklich an den Göttern haben, wer wenn nicht wir müssen dem Plebs den rechten Weg zum Opfern zeigen, sie zurückbringen auf jenen Weg. Doch bei all jenen Fragen, stellt sich mir nur eine, wer brachte sie davon ab?"


    Meine Gedanken waren verwirrt.

    "Quirinus." wiederholte ich nicht weniger neutral und zog die Stirn in Falten, als Gracchus auf den Pöbel zu sprechen kam.


    "Die Götter lassen sich nicht vom Pöbel lenken. Quirinus gehört zum alten patrizischen Trias und wird seinen Platz behalten egal was der Pöbel schreit."


    Ich nahm einen Schluck vom Wein. Doch nicht zuviel. Meine Gewohnheit war jener der Stadtmenschen weit entfernt und eigentlich war es noch viel zu früh für mich zum gegorenen Traubenmost zu greifen.


    "Das unsrige Landgut in Oberitalien hat durch meine Feder die letzten Jahre gute Gewinne erwirtschaftet. Ich habe durch den Anbau von Oliven, Wein, Getreide und Obst ein kleines Vermögen machen können und kann mit Stolz sagen nicht jenem unrömischen Tun verfallen zu sein, das nicht die Früchte und die Saat der Mutter Erde beinhaltet. Doch warum fragst du?"