Beiträge von Caecilia Marcella

    Marcella nickte eifrig, obwohl sie nicht einmal verstand, aus welcher Sache er herausgemusst hatte. Sie konnte nur raten. Seine Tunika verriet, dass er ein Soldat war. Deshalb? War ihm bei den Truppen irgendetwas widerfahren, weshalb er unbedingt einmal seinem Soldatenalltag etnfliehen musste? Oder seiner Familie? Oder gar einer Frau?
    "Weißt du", begann sie und sah einen Moment an Mela vorbei, "manchmal tut es gut, wenn man mit jemandem redet, der rein gar nichts von einem weiß. Manchmal ist es sogar besser, als wenn man die Einsamkeit sucht und einfach alles vergisst."
    Sie sagte nicht, dass sie dieser jemand sein könnte. Das lag allein bei Mela, sie wollte sich nicht aufdrängen. Manchmal war es eben auch so, dass die Seele eines Menschen einfach Ruhe brauchte. So hatte sie ihm immerhin unterschwellig das Angebot gemacht. Ob jetzt, ob später oder nie - sie würde sich freuen, wenn er davon Gebrauch machte und nicht enttäuscht sein, wenn er es nicht tat. Wie konnte sie auch.


    "Ach wirklich?" fragte sie lächelnd, als er schon wieder grinste. Scherzte er oder meinte er es ernst? Sie entschied sich zu scherzen, erstens schien es ihm gut zu tun und zweitens sah sie ihm gern ins Gesicht, wenn er grinste, denn dann lachte wirklich alles, selbst die Augen. "Und? Wie war es?"

    Ach, hatte sie friedlich und fest geschlummert. Ihr wahr mollig warm, es war ruhig, sie hatte keine Verpflichtungen an diesem Tage, nichts. Also durfte sie getrost ausschlafen.
    Dachte sie.
    Ihre Sklavin, ein Mädchen etwa in ihrem Alter, war da scheinbar anderer Meinung. Mit ihrer hohen Stimme und dem verstümmelten Latein tauchte sie scheinbar aus dem Nichts auf und versuchte lautstark, ihre Herrin zum Aufwachen zu bewegen. Da diese sich jedoch weigerte und sich einfach auf die andere Seite drehte, als würde sie damit die Geräusche einfach abstellen können, wurde ihr schließlich die Decke weggezogen. Wie frech! Wie gemein!
    "Mimithe, es ist noch viel zu früh..." murmelte sie verschlafen und schrimte mit den Händen die lichtempfindlichen Augen. Im nächsten Augenblick hatte die Sklavin sich schon nächste Gemeinheit ausgedacht und kitzelte Marcella. Und damit hatte sie eine Art der Folter gefunden, die bei Marcella Wunder bewirkte. Sie war sehr kitzelig.
    "Mimithe!" quietschte sie da, saß urplötzlich aufrecht in ihrem Bett und blinzelte aus müden Augen heraus. Aber ehe sie sich wachkitzeln ließ, stand sie lieber auf. Oder tat zumindest erst einmal so, denn immer noch war sie der Meinung, dass es fürs Aufstehen noch viel zu früh war.
    "Was gibt es denn?" fragte sie schlaftrunken und versuchte sich die Decke wieder zu angeln.

    Marcella faltete die Hände hinter dem Rücken ineinander und ließ Mela nicht aus den Augen. Wenn sie sich nicht ganz täuschte, dann waren seine Augen irgendwie traurig. Sie mochte sich täuschen, aber wenn sie genauer darüber nachdachte, fiel ihr ein, wie er auf der Bank gesessen hatte, bevor sie sich zu ihm gesetzt hatte. Den Kopf in beide Hände gestürzt, den Rücken gekrümmt.
    War ihm am Ende einfach nicht nach Gesellschaft? Marcella beobachtete seine Bewegungen und wie er ihrem Blick auswich, obwohl sie nur eine Fremde für ihn war.


    "Ich würde mich sehr freuen." antwortete sie ihm mit einem warmen, gar nicht mehr frechen Lächeln, überlegte einen Moment und zog leicht die Schultern hoch, während sie ihn kleinlaut aber nicht ohne Sinn und Zweck hinter diesem Blick ansah.
    "Falls ich dich gestört habe, tut mir leid. Ich bin häufig etwas ungestüm und neige dazu, die Menschen einfach über den Haufen zu laufen. Meistens macht ihnen das keinen großen Spaß, aber... naja. Du sahst nicht unbedingt glücklich aus...? Ist etwas passiert?"

    So schrecklich klein war sie nun auch wieder nicht. Er war etwas größer als der Durchschnittsrömer, sie etwas kleiner als die Durchschnittsrömerin. Etwa zwei Köpfe. Wenn Marcella sich auf die zehenspitzen stellte, dann wurde daraus fast nur noch ein Kopf. Fast.


    So wirklich ganz hatte sie sich noch nicht entschieden, weshalb er das Säckchen eventuell mit Absicht hatte liegen lassen. Da er offensichtlich aber nicht abgeneigt war, einen Grund zu erfahren und ihr sein Grinsen gut gefiel, musste nun schnell einer her. Da fiel ihr auf: Schade, dass ihm keiner eingefallen war, so auf die Schnelle. Sie biss sich kurz auf die Unterlippe, sah kurz in eine abzweigende Gasse und lächelte den Mann dann wieder an.
    "Da hätte es aber noch ein paar taktvollere Antworten gegeben." sagte sie, zwinkerte ihm zu und reichte ihm das Geldsäckchen.

    Mit ihren dunklen Augen folgte Marcella jeder Bewegung des Fremden und ließ das Säckchen oder besser gesagt den Inhalt leise klimpern, als er an sich heruntersah und sein Säckchen nicht mehr vorfand. Sie lächelte und zog einen Mundwinkel nach oben, bis er schließlich vor ihr stand und sie um gut zwei Köpfe überragte.
    Sein Grinsen, war es auch von noch so kurzer Dauer gewesen, fand sie lustig. Es wollte nicht zu diesem Schrank von Körper passen, denn dann sah sein Gesicht völlig ungefährlich aus, was nicht bedeutete, dass es das im Normalzustand tat. Nein, wirklich bedrohlich wirkte er nicht, auch nicht wegen seiner enormen Körperlänge. Marcella lächelte und schüttelte etwas den Kopf, vielleicht in Antwort auf sein Necken oder aber wegen ihrer Gedanken.


    "Marcella. Caecilia Marcella." stellte sie sich ihm vor, unternahm jedoch keine Anstalten den Fund wieder rauszurücken, sondern sah ihn prüfend und kess zugleich an. "Hast du das etwa mit Absicht getan?"

    Sie fand seine Blicke, von denen er wohl glaubte, sie würde sie gar nicht bemerken, irgendwann ja ein wenig nervend, sagte aber nichts. Ein Bein überschlagen saß sie da und entspannte sich gut, denn hier war es schon nicht mehr so unerträglich laut, sodass man die Vögel zwischtern hören konnte.
    Nach einer Weile, in der er gerade mal nicht zu ihr sah, wanderten ihre Augen ganz unauffällig in die Augenwinkel und musterten ihren Bankpartner ebenso verstohlen wie er eben sie. Er war kräftig gebaut, seine Oberarme mochten im Umfang beinahe so breit wie ihre Oberschenkel sein und seine Gesichtszüge waren männlich markant. Er wirkte nicht sonderlich glücklich. Hatte sie ihn bei irgendetwas gestört?
    Als er aufstand, sah sie schnell wieder weg und tat so, als hätte ihr Armband ein wenig Pflege nötig. Aber als er ein paar Schritte getan hatte, sah sie ihm hinterher und wollte sich gerade etwas breiter auf der Bank machen, als ihre Hand gegen das kleine Säckchen stieß, das auf der Bank lag. Verwundert hob sie es hoch, sah an ihre Taille und dann dem Mann hinterher. Eigentlich konnte nur er es verloren haben.


    "Entschuldige!" rief sie ihm nach und sprang von der Bank auf, um ihm ein paar Schritte nachzueilen. "Du hast etwas verloren."

    Es gab Dinge, die mochte Marcella an ihrem Leben und wieder andere, denen sie rein gar nichts abgewinnen konnte. Hausarbeit war eins dieser Dinge. Sie konnte nicht verstehen, wie manche Frauen das Leben im Haus den Erlebnissen auf Romas Straßen vorziehen konnte. Zumindest hin und wieder musste man doch unter Leute gehen, neue Menschen kennenlernen und die staubige Luft Atmen.
    Sie hätte eigentlich daheim sein und sich mit einer kleinen Webarbeit beschäftigen müssen, doch war es untrüglich Caecilia Marcella, die sich in Begleitung ihrer Leibsklavin Mimithe gerade auf dem Weg zurück vom Markt befand. Dort hatten sie sich mindestens eine Stunde lang mit den vielen Menschen mittreiben lassen, hatten viel beobachtet und manches auch probiert.


    Hinterher taten Marcella die Füße weh, sodass sie sich, in einer der vielen Nebenstraßen angelangt, eine Bank suchen wollte. Am Straßenrand sah sie eine, die vor einem trocknen Brunnen stand, der von Grünzeug umwuchert war. Zur Hälfte war die Bank zwar besetzt, das bedeutete Mimithe würde stehen bleiben müssen, aber so lange hatte sie gar nicht vor sich aufzuhalten.
    Also setzte sie sich auf die freie Seite der Bank und entspannte ihre Füße. Am liebsten hätte sie sie ja noch massiert, aber das besser nicht hier auf der Straße. Auch so taten die Füße gleich weniger weh. Den Mann neben sich ignorierte sie noch.