Beiträge von Felicia Scintilla

    Zitat

    Original von Artoria Medeia
    Mactator beachtete die Frau auf der Bühne in keinster Weise. Stattdessen sah er Scintilla stumm an. Sein markantes Kinn hob sich ein wenig als Scintilla an ihm entlang strich, die Bartstoppeln fühlten sich unter ihren Fingern ein wenig rau an. Mactators Hand, die über Scintillas weiche und zarte Schulter hinweg geglitten war, ruhte an ihrem Oberarm und fuhr wieder zurück und durch ihre Haare.


    An ihrem Nacken angekommen, ließ er seine, von Schwielen gezeichnete Hand, dort ruhen. „Schöne Scintilla, ich bin nicht außergewöhnlicher als jeder Mann dort draußen. Nur Fortuna gab mir das Los, ein Todgeweihter zu sein. Fasziniert Dich das?“ Mit einem sanften Druck zog er Scintilla näher an sich heran und beugte sich nach vorne. „Oder ist es der Hauch des Ruhmes, den man erlangen kann?“ flüsterte Mactator leise. Doch er gab Scintilla keine Gelegenheit zum Antworten. Stattdessen presste er seine Lippen auf ihre und küsste sie leidenschaftlich. Seine Zunge drang zwischen ihren weichen Lippen hindurch und suchte ihre. Die freie Hand schlang er um ihre Taille und zog sie noch fester an sich.


    Auf der Cena libera ging es hoch her. Es wurde getanzt, gelacht, gesoffen, gefressen und sich gepaart. Und irgendwo prügelte sich wohl auch irgendwer. Poltern, Krachen, und Schreie hallten durch den Hof.
    Nichts davon drang bis zu Scintillas Aufmerksamkeit vor, denn sie versank gerade in den Armen ihres über alles verehrten Helden: Mactator...
    Mit einem wohligen Aufseufzen öffneten sich ihre Lippen, gewährten seiner Zunge Einlass, und temperamentvoll erwiderte sie den Kuss ihres Idols, schlang einen Arm um seinen Nacken, und spielte aufreizend mit den Fingernägeln an seiner herrlichen, genau richtig muskulösen Brust.
    Der rauhe Druck seiner schwieligen Hand ließ sie schaudern, und ganz schwindlig vor Behagen rutschte sie noch näher, saß schon auf seinem Schoß, spürte seine Wärme, seine Kraft, seine Lust... und wirklich, die Vorstellung, daß dieser lebende, atmende, begehrende Mann vielleicht morgen schon tot und kalt im Sand der Arena liegen würde... die hatte ihren ganz eigenen morbiden Reiz... Vielleicht war sie die letzte Frau, die diese rauhen, fordernden Lippen küssen durfte? Wie aufregend! Und alle würden sie beneiden...
    Geschmeidig kostete Scintilla den Kuss ganz aus, und presste sich feurig an ihren Helden heran. Ein Träger ihres Kleides rutschte unaufhaltsam tiefer und tiefer, und der rot schimmernde Stoff enthüllte Stück für Stück mehr von ihrem üppigen Busen, der unter ihren schnellen Atemzügen heftig wogte.


    An ihren extravaganten Halsschmuck, die 'Giftschlange' beziehungsweise Ringelnatter, dachte Scintilla gar nicht mehr. Der wurde es nun zu eng und zu ungemütlich. Ganz leise raschelten die Schuppen, als der dunkle Leib der Schlange unbemerkt von Scintillas Hals glitt, und sich über den Rand der Kline hinunter wand.
    Von dort schlängelte sich das Tier flink über den Boden hinweg, und führte mit seinem gefährlichen roten Zickzackband auf dem Rücken zu einigen erschrockenen Aufschreien. Elegant wich die Schlange dem Stiefel eines Gladiators aus, der sie zertreten wollte, und verschwand schließlich in einem Abflußrohr. Mit trockenem Schaben kroch sie dort entlang, und gelangte zuletzt in einen breiten Kanal. Sich schlängelnd schwamm die Ringelnatter an der Oberfläche entlang, das Wasser wusch die schwarze und rote Farbe von ihr, sie züngelte und folgte zielstrebig dem appetitlichen Geruch eines Frosches. Tief hinein tauchte sie in das weitverzweigte Netz der Kanäle unter Rom. Und somit entschwindet sie nun unseren Blicken.

    Mit dem leisen Tippen von Fingerspitzen auf einem Tympanon setzte die Musik wieder ein, das feine Rasseln eines Sistrums mischte sich hinein, die Töne rieselten und rannen, und gemahnten an das leise Plätschern eines sanften Regenschauers.
    Danaë, in ihrem Gefängnis verzweifelt zusammengesunken, erwachte aus der Erstarrung. Sie reckte sich wie nach einem langen Schlaf, hob lauschend den Kopf, und erhob sich mit einer fließenden Bewegung. Ein Schleier glitt von ihren Schultern herab, und einige feurig schimmernde Locken hatten sich aus den Flechten gelöst. Wie rote Schlangen schmiegten sie sich nun an Danaës delikat geschwungenen Nacken, als sie suchend, immer wieder lauschend, den Raum ihres Gefängnisses durchschritt. Ruhig und sinnlich waren ihre Bewegungen, Sehnsucht sprach aus ihrem Blick.


    Mit einem Mal fielen die anderen Instrumente mit ein, die Musik schwoll an und wurde zu einem frischen Sommerregen. Ein feiner golden glimmender Strahl rann von der Decke herab, und streifte leicht Danaës bloße Schulter. Sie stockte in der Bewegung, erschrak, stand einen Augenblick lang in anmutiger Pose erstarrt wie eine mamorne Statue aus Achaia. Doch dann ging eine Verwandlung mit ihr vor, sie erschauderte, und ein genussvolles Seufzen entrang sich ihrer Kehle. "Iuppiter..."
    Lasziv bog sie den Kopf in den Nacken, auch die übrigen Schleier glitten nun auf den Boden, und nur den durchscheinenden Chiton trug Danaë noch, als nun von der Decke herab wie sanfter Schneefall der Goldregen schwebte, funkelnd und wundersam. Der Ursprung dieses Phänomens lag gut verborgen unter den drapierten Deckenbehängen über der Bühne.


    Ein leichter Windstoß fuhr in diesem Moment in den Innenhof hinein, ließ die goldenen Flocken tanzen, und umherwirbeln, und trieb sie bis zu den Zuschauern hin. Wie kleine Sternschnuppen hoben sie sich märchenhaft vom nachtblauen Himmel ab, und sanken dann sacht zu Boden. Überall, zwischen den Klinen, auf den Gästen, landeten die kleinen Funken. Dort entpuppten sie sich allerdings bloß als feine golden bemalte Flocken aus Papyrus, so hauchzart, daß sie bei der Berührung zwischen den Fingern zerfielen.


    Inmitten des Goldregens stand Danaë. Dessen 'Tropfen' flossen über sie hinweg wie eine Liebkosung, blieben teils an ihr hängen, und setzten kleine Glanzlichter in ihre feuerrot schimmernden Locken.
    Wie ein tosendes Unwetter erhob sich die Musik, und brandete immer stürmischer auf, als Danaë nun, wild und entfesselt, in fast schwerelosen Figuren und Sprüngen die lustvolle Vereinigung mit dem Göttlichen tanzte.
    Bis ins letzte durchdrungen von Iuppiters Lebenskraft erschien sie, als sie mühelos die Mauern des "Bronzeturms" niedertanzte. Akrisios' schwarze Schergen flohen vor ihr, und der König selbst barg in panischem Schrecken sein Gesicht vor der Macht des Göttlichen.


    Im Ausdruck heiliger Ekstase gipfelte der Tanz, dann sank Danaë ermattet auf den goldglänzenden Boden nieder, umspielt von ihrem roten Haar. Eng lag das dünne Gewand am schweißnassen Körper, der noch leicht bebte, wie von genossenen Liebeswonnen. Ein seliges Lächeln lag auf ihren Lippen.
    Die Musik erstarb. Noch einmal erhob der Sänger kraftvoll seine Stimme, pries die alles bezwingende lebenspendende Macht des Götterkönigs, und kündete von der Geburt des Heros, der aus jener Vereinigung entstand: Perseus, der vielgerühmte Bezwinger der Medusa, der einst durch einen verirrten Diskuswurf seinen Großvater Akrisios töten, und damit den Spruch des Orakels erfüllen würde.
    Seine letzten Worte verklangen, und Stille legte sich über den Innenhof.


    Dann ließen die Musikanten ihre Instrumente sinken, die bunten Feuer wurden gelöscht, die Fackeln entzündet, und verbreiteten wieder hell ihren Schein.
    'Danaë', die tragische Königstochter, erhob sich, und wurde wieder zu Scintilla, der lebensfrohen Tänzerin, die sich nun, sehr erleichtert wie immer nach einem Auftritt, mit strahlendem Lächeln vor dem Publikum verneigte.
    Auch die anderen Tänzer und Musiker verbeugten sich, der Sänger ließ es sich nicht nehmen, Tiberia Livia noch einen feurigen Blick aus seinen dunklen Glutaugen zuzuwerfen, dann verschwand das Ensemble hinter der Bühne.

    Während sich die Platten mit den Vorspeisen immer weiter leerten, nahm das Schauspiel von Iuppiter und Danaë seinen Lauf - auf der Bühne ausdrucksstark getanzt, und zugleich von dem Sänger klangvoll und in wohlgeschliffenen Versen vorgetragen.


    Unbarmherzig verurteilte Akrisios, Tyrann von Argos, seine Tochter Danaë zu ewiger Gefangenschaft in einem Bronzeturm. Kein Mann sollte sich ihr jemals nahen, auf daß der Spruch des Orakels niemals in Erfüllung gehen würde.
    Mit herrischen Gebärden, und von pompösen Klängen begleitet, befahl der König, und sogleich gehorchten seine Schergen. Huschende Gestalten, ganz in Schwarz, gesichtslos durch dunkle Masken, umzingelten die verzweifelte Danaë. Fast verschmolzen die düsteren Schergen mit dem dunklen Hintergrund der Bühne, als sie das schöne Königskind umringten, und unheilvoll bedrängten. Längst waren Danaës junge Gefährtinnen geflohen. Näher und näher rückten die schattenhaften Figuren.
    Weiß und rein leuchteten dagegen die wehenden Schleier der Königstochter, als sie mit anmutigen Gesten der Verzweiflung ihren Häschern zu entkommen suchte... Vergeblich! Noch einmal reckte sich die schlanke weiße Gestalt und hob in höchster Bedrängnis flehentlich die Hände gen Himmel, noch einmal brandete die Musik wild auf.
    Dann erstarb sie, Danaë sank besiegt zusammen, und die Schergen verschluckten sie mit ihrer lebendigen Schwärze.


    Triumphierend rieb sich der König die Hände. Schnell griffen seine Schattengestalten nun ein großes bronzefarbenes Netz, legten es um die reglose Gefangene herum aus, hielten es hoch, und entfalteten es auf einen gebieterischen Wink des Königs hin.
    Leise raschelnd fächerten sich die Maschen des Netzes auf, und funkelnde Reflexe des bunten Feuerscheins huschten darüber hinweg, als die "Mauern des Bronzeturms" sacht in der Abendbrise wogten.

    Platsch! Und in der Mulde im Tisch vor Caius schwappte trübe Brühe. Ein welkes Kohlblatt trieb darauf, und an einem gespaltenen Knochen hing noch ein großer Brocken Mark.
    "Für mich auch, bitte." bestellte Scintilla, und bekam ebenfalls einen Schwung.
    "Wir haben über die Parade neulich geredet, und über das Wesen des Tanzes!" sagte sie dann patzig zu den Zweifler. "Und darüber wie sich der Charakter besonders im Kampf zeigt. Er hat sehr interessante Ansichten." Hoheitsvoll wandte sie sich dem Eintopf zu, fischte etwas heraus, schnippte es in die Ecke, und tunkte den Löffel ein.


    Eine breite weiße Schnauze stupste gegen Caius Knie. Mit großen treuen Augen sah der gewaltige Molosserhund zu ihm auf. Eifrig wedelte sein Schwanz hin und her, und erwischte dabei den Weinkrug - der schwankte, rutschte, und drohte über den Rand des Tisches zu kippen...

    "Auf den Goldregen! Hoch die Becher!" Scintilla trank den beiden anderen zu.
    "Pah! Natürlich glaubt mir mal wieder keiner! Aber es ist die reine Wahrheit." Schnippisch erklärte sie Caius: "Ich bin Tänzerin, Künstlerin, verstehst du? Und bei dieser Arbeit komme ich immer wieder mit sehr hochstehenden Personen in Kontakt, ob du´s mir nun glaubst oder nicht!"
    "Aber, ach!" Sie raufte sich dramatisch die Haare. "Es ist ein brotloser Beruf! Langsam frage ich mich, ob ich mir nicht vielleicht was anderes suchen soll...muss..." Sie winkte Hannibal streng ab, obwohl der noch gar nichts dazu gesagt hatte: "Versuch es gar nich erst. Eins von deinen Pferdchen werd ich gewiß nicht!"
    "Und du? Was machst du so?"
    fragte sie Caius dann neugierig.


    Aranea schnaufte ungeduldig. "Kost nurn As, die Kelle. Also willste was oder nich?"

    Scintilla erschauerte wohlig bei der Berührung ihres Helden, und bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut.
    "Oooh, Mactator..." säuselte sie verzückt. Wie war er doch bescheiden! Und sooo charmant! Und dieser romantische Hauch von Schwermut! Wieder verlor sie sich in seinen Augen, neigte dann leicht den Kopf, atmete warm über seine Hand an ihrer Schulter, und hauchte einen schmelzenden Kuß auf seine Fingerknöchel.
    Dann lachte sie leise, ein wenig rauchig. "Aber Mactator! Soll ich etwa jetzt behaupten, ich wäre wegen Fulmineus hier? Oder Quadratus? Oder wegen dem Wein? Nein, natürlich wegen Dir...! Schon so lange habe ich Dich aus der Ferne bewundert, und mir soo gewünscht, Dich einmal kennenzulernen..." Etwas verzagt sah sie ihn unter gesenkten Wimpern an. "Aber das hörst du sicher auch ständig."
    Scintilla versank in der Betrachtung seines Kinns. Sie hatte schon immer ein Faible für schöne, männlich ausgeprägte Kiefer gehabt. Langsam hob sie die Hand, rote Steinchen funkelten in den verschlungenen Armspangen, und andächtig berührte Scintilla sacht das Kinn ihres Idols. Hingebungsvoll verfolgte sie dessen Linie mit den Fingerspitzen. Einfach perfekt. Und dazu dieser verwegene Dreitagebart... Himmlisch!

    "Ich überlegs mir!" rief Scintilla freundlich durch den Raum zu Damus hinüber, und murmelte leise: "Ganz sicher nicht! Mieser Halsabschneider!"
    Theatralisch seufzend stützte sie den Kopf in die Hände und sah Hannibal wehleidig an. "Wieviel? Bei meinem Unglück brauch ich wahrscheinlich ein ganzes Fass bis es mir besser geht!
    Oder... ach so, du meinst Geld! Na das wäre toll, wenn du mir was leihen könntest! So ein paar Denare halt. Weist du, Larinus und ich, wir haben uns getrennt... dieser Versager, ich will nichts mehr von ihm wissen! Jedenfalls hat er sich mein ganzes Geld gekrallt, und die Kostüme und alles! Und dabei hatte ich gerade ordentlich was verdient, beim letzten Auftritt, das war eine tolle Feier, lauter vornehme Leute, und stell dir vor..."

    Scintilla sah bedeutungsvoll in Hannibals Augen, und vertraute ihm an: "Ich habe dort den Prätorianerpräfekten kennengelernt, Caecilius Crassus, höchstpersönlich, ehrlich wahr!" Sie nickte stolz. "Ein toller Mann! Nur ein bisschen schüchtern."
    Und sie seufzte wieder schwer, sah dann neugierig von Hannibal zu Caius. "Und, arbeitet ihr zusammen?"
    Dankend nahm sie den Becher entgegen. "Ich weiß nicht...vielleicht darauf, daß es plötzlich Gold regnet?"


    Die glatte Oberfläche des Weines kräuselte sich. Die Dielen erbebten. Aranea nahte.
    Sie trug einen großen verbeulten Kessel im Arm, und eine lange hölzerne Schöpfkelle, rührte einmal um, und füllte schwungvoll den Napf im Tisch vor Hannibal mit einer sämigen Brühe, in der matschiges Gemüse, und ein bleicher Suppenknochen schwammen. Ganz leise und verstohlen raunte sie ihm dabei zu: "Arius Ruber sucht dich, Herzchen. Allerdings noch immer in Trans Tiberim. Es heißt er hat schon nen Stock für dich angespitzt."
    Und wieder mit dröhnender Stimme: "Mahlzeit! Wer will noch? Is gut heute, mit Fleisch." Sie füllte die Kelle erneut, und hielt sie Caius unter die Nase. Fettiger Dampf stieg auf. "Probier mal."
    Flosculus' Nase zuckte, und er erwachte wie ein Dornröschen. Flink griff er nach dem an den Tisch geketteten Löffel, und begann hungrig, den Eintopf in sich hinein zu schaufeln.
    "Nonus! Bring Brot!" kommandierte Aranea noch.


    Doch der Kleine hörte sie gar nicht. Glücklich kauerte er unter dem Tisch, und streichelte sanft das kleine Frettchen. Vorsichtig nahm er das Tierchen auf den Arm, kicherte als der Schwanz ihn kitzelte, und kraulte ihm ganz behutsam den Nacken.

    "MAC-TA-TOR!!! MAC-TA-..."
    Schlagartig verstummte der Chor. Scintilla wurde totenblass, als sie ihren Helden so still auf dem Sand liegen sah. Das "MACTATOR SEMPER VINCIT"-Transparent wankte, entglitt ihren eisigen Händen, bauschte sich kurz im Wind, und fiel zu Boden.
    "Nein..." flüsterte Scintilla entsetzt, "Nein...!"
    Sie sah Mactator vor sich wie er, am Vorabend, der ihr jetzt unendlich weit entfernt vorkam, so melancholisch gelächelt hatte, und gesagt hatte:
    „Auf mich? Nein, schöne Scintilla. Auf mich zu trinken wäre ein Verschwendung. Trinken wir doch eher auf all jene, die eine wunderbare Zukunft vor sich haben."
    Bei allen Göttern! Mit namenlosem Schrecken erkannte sie: er hatte seinen Tod vorhergesehen!
    Tränen traten ihr in die Augen, und wie gelähmt starrte sie auf das Furchtbare, das da in der Arena geschah - aber nur einen Augenblick lang, dann riss sie sich zusammen, sprang hoch auf ihren Sitz, reckte die Daumen hoch in die Luft, und schmetterte mit klarer Stimme, so mitreissend und so laut sie nur konnte:
    "Fulmineus, verschone ihn! LE-BEN!!! LE-BEN!!! LE-BEN!!!..."


    :dafuer::dafuer:

    Ruppig drängte Scintilla sich an zwei Besoffenen vorbei und erreichte nun auch den Tisch der Protagonisten.
    "Hannibal! Schön dich sehen!" Sie beugte sich vor und küsste ihn, ohne Widerstand zu dulden, mit südgallischer Herzlichkeit auf die Wange.
    "Endlich mal ein feiner Mensch, hier, zwischen dem ganzen Abschaum... und Flosculus! Grüß dich, mein Süßer!" Sie wuschelte ihm durchs Haar. Flosculus öffnete kurz die Augen, sah Scintilla verschleiert an, und dämmerte wieder weg.
    Scintilla setzte sich an die freie Seite des Tisches.
    "Wein, Hannibal? Bist du gar zu Geld gekommen? Ich krieg doch auch was ab, hmm? Das brauch ich jetzt, echt. Männer! Die sind echt das Letzte!" Melodramatisch verdrehte sie die Augen gen Himmel, richtete dann den Blick ihrer grünen Katzenaugen neugierig auf Caius. "Oh, ein neues Gesicht? Wer ist denn dein Freund?" Quer über den Tisch hinweg lächelte sie Caius verschmitzt an. "Salve, Fremder! Ich bin Scintilla."


    Ganz leise und etwas verwaschen murmelte der süße Flosculus, der sich gerade so anhänglich an Hannibal schmiegte, in dessen Ohr: "Amator, ich kann nich!" Innig strichen seine Lippen über Hannibals Schläfe, etwas Lippenrot färbte ab und hinterließ eine verwischte Spur. "Kaufst du mir was zu essen, bitte?"


    Am Nebentisch wechselte gerade ein großer Haufen von Münzen den Besitzer. Neben dem Flötenspieler kletterte ein dralles Mädchen auf den Tisch und wiegte sich schwerfällig im Takt seiner Musik.
    Aranea nickte Damus erfreut zu. "Hm, is gut. Nur zum Rattenbeißen, oder auch zum Duell? ... He, Damus, ich hab dich was gefragt!" Aber der war schon weg und suchte sein Frettchen.
    Barsch blaffte die Wirtin dann den kleinen Nonus an: "Ein Krug vom kleinen Faß, na los du Faulpelz! Und die guten Becher dazu!"
    Bald darauf erschien der Schankjunge mit dem Gewünschten. Sein spitzes bleiches Gesicht war ganz starr vor Konzentration, als er Hannibal aus dem großen Krug den, diesmal sauberen, Becher füllte. "Zum Wohl" wisperte er kaum hörbar, und hastete schon weiter. Dann stutzte er, und lächelte freudig, als er unter einem Tisch das kleine Frettchen entdeckte, das sich gerade das blutige Schnäutzchen putzte.
    Achtlos lies Nonus sein Tablett stehen, und krabbelte unter den Tisch. "Ultor!" flüsterte er, kramte eine trockene Käserinde hervor und lockte das kleine Tierchen. "Ultor, komm doch ma her!"

    Ganz benommen von der Nähe ihres Helden ließ Scintilla sich geschmeidig neben ihm auf der Liege nieder. Wie freundlich er war! Und so natürlich! Ihr Herz hämmerte wild, als er sie anlächelte, und die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Sie nahm den Becher entgegen, flüsterte mühsam "Ich danke dir.", und starrte Mactator, den großen Mactator, völlig überwältigt an.
    Fulmineus' Worte brachen dann ihre Erstarrung. Sie grinste, als er sie eine "scharfe Braut" nannte, und war auch von seinen weiteren Bemerkungen in keinster Weise beleidigt. So waren eben die Männer. Scintilla freute sich wenn sie gefiel. Und sie fand auch, daß ihre Brüste recht wohlgeraten waren.
    Aber daß Mactator sie dann so gallant beschützte, das haute sie gänzlich um. Wie nobel von ihm! Ein wahrer Gentleman! Sie strahlte, einfach nur überglücklich, und ganz ungekünstelt. Davon würde sie noch ihren Enkelkindern erzählen. Falls sie mal welche hatte.
    Ganz berauscht von diesem wunderbaren Moment, hob Scintilla elegant den Becher und beugte sich ein wenig näher an ihren Schwarm heran. Eine blutrote Hibiscusblüte löste sich aus ihren duftigen Locken, und glitt über ihre bloße Schulter hinunter auf die Liege. Träge wand sich die Schlange, ihre schwarzen Schuppen schienen das Licht zu verschlucken.
    Über den Rand ihres Bechers hinweg sah Scintilla dem Mann ihrer Träume tief in die Augen, versank darin, und hauchte überwältigt:
    "Ich trinke... auf Dich... und auf diesen Moment!"
    Ihre Lippen bebten. Ihr Busen wogte. Ihr Herz klopfte. Tausende von Römerinnen hätten alles dafür gegeben, um jetzt an ihrer Stelle zu sein.

    "Nieder mit den Barbaren!"
    feuerte Scintilla die Soldaten an, und sah zufrieden wie die Zwerge niedergemacht wurden. Ja, so sollte es sein.
    "Mactator! Mactator!"
    jubelte sie ihrem Helden zu, und hielt erschrocken den Atem an, als Fulmineus so mühelos die restlichen Soldaten niedermachte und auf Mactator zuhielt.
    Wie tragisch! Waren sie nicht Freunde? Und mußten nun auf Leben und Tod gegeneinander antreten!! Ein wohliges Schaudern lief ihr über den Rücken. Hier ging es richtig zur Sache. Mactator würde natürlich triumphieren.


    Um sie herum verbreitete sich die Massenhysterie, Scintillas Rufe mischten sich in die von vielen tausend anderen, und ohrenbetäubend dröhnte es von den Rängen:


    MAC-TA-TOR!!! MAC-TA-TOR!!!

    Eine leise, verspielte Hirtenweise lag nun schon eine Weile in der Luft, zuerst kaum hörbar, dann näherte sie sich, wurde lauter, fröhlicher, und nun hielt eine Gruppe von Musikanten zu diesen melodischen Klängen ihren Einzug in den Innenhof. Ihre Instrumente waren mit goldgelben Weinranken geschmückt, und ihre griechisch anmutenden Gewänder schimmerten in dem satten Blauviolett der reifen Traube am Rebstock. Ein hagerer Mann mit langem dunklem Haar und melancholisch umschatteten Augen ging vorneweg und entlockte seiner Lyra herzzerreißend schöne Töne, andere bliesen die Auloi, die griechischen Doppelflöten, und die Syrinx, zupften das Trigonum oder schlugen die Tympani. Sie gruppierten sich um die Bühne, das Lied endete in einem getragenen Dreiklang, und die Musiker verneigten sich ehrerbietig.
    Der Lyraspieler bestieg die Bühne und wandte sich mit weit tragender Stimme und ausdrucksstarker Gestik klangvoll an das illustre Publikum:

    "Verehrte Gäste! Heute, am Ehrentag des großen Iuppiter, des Leben spendenden Vaters von Göttern und Heroen, zeigen wir Euch, werte Gäste, eines seiner schönsten Meisterstücke... in der Kunst der Verführung!"


    Er machte eine Kunstpause, ließ seine dunklen Augen über die versammelte Damenschaft schweifen, und schenkte besonders Tiberia Livia einen glutvollen Blick, bevor er weitersprach:


    "Danaë, die schöne Königstochter von Argos, hatte das heiße Begehren des Gottes geweckt. Doch ihr Vater hütete sie gut... Verehrte Gäste, seht und hört nun, wie Iuppiter sie gewann!"


    Es wurde dunkel im Hof als die Fackeln erloschen, und von der Bühne hörte man ein leises Rascheln.
    Dann flackerten plötzlich zwei Feuerschalen an den Seiten der Bühne blendend hell auf. Salze vergingen knisternd in der Glut und färbten die Flammen zitronengelb, kupfergrün und karmesinrot.
    Von den unwirklichen Licht beschienen, stand Scintilla als Danaë reglos und erhaben auf der Bühne. Auf ihren vollen Lippen lag ein sphinxhaftes Lächeln. Ein feiner weißer Chiton und eine Vielzahl durchscheinender Schleier umspielten sacht ihren sinnlichen Körper. Das rötlich glänzende Haar war auf griechische Weise kunstvoll zurückgeflochten und mit weißen Hyazinthen geschmückt.


    Eine Syrinx setzte ein, anfangs leise, ein wenig schüchtern, dann übermütiger. Anmutig setzte Danaë einen Fuß vor den anderen, wiegte sich wie ein schlankes Schilfrohr im Takt der Musik, begann leichtfüßig und wie selbstvergessen zu tanzen.
    Weitere Instrumente stimmten mit ein, und die Musik gewann eine überschäumende, mitreißende Fröhlichkeit. Zwei liebreizende junge Mädchen in blaßgrünen Gewändern traten aus dem Hintergrund der Bühne hinzu und gesellten sich mit der Königstochter in einen unschuldigen pastoralen Reigen voll Ausgelassenheit und Lebensfreude.


    Vom Rande der Bühne trug der Lyraspieler und Sänger in kraftvollen Versen die Geschichte der Danaë vor, während sie sich nun, tänzerisch und pantomimisch dargestellt, vor aller Augen entfaltete.
    Während der Reigen etwas in den Hintergrund rückte, sah man Akrisios, den König von Argos, gewichtig über die Bühne stolzieren, den Gang untermalt von schweren Trommelschlägen. Er trug die Maske mit dem herrischen und verdrießlichen Antlitz des Tyrannen aus der Pantomime, und war, wie der Sänger kundtat, auf dem Weg, um das Orakel zu befragen. Schaurige Klänge, schrille Flöten und grabestiefes Ächzen wie aus Plutos Reich begleitete dessen Auftritt. Das Orakel , dargestellt mit einer unheimlichen weißen und konturlosen Maske, weissagte dem König schlimmes: er würde von der Hand seines eigenen Enkels sterben!
    Großes Wehklagen war in der Musik, und Schreck und Zorn des Tyrannen spiegelten sich in seinen barschen, abgehackten Bewegungen, als er sich zu den Mädchen wandte, und unheilvoll die unbeschwert tanzende Danaë ins Auge fasste....

    Bei allen Göttern! Mactator hatte sie angelächelt! Der große Mactator hatte ihr ein Lächeln geschenkt!
    Scintilla lief es heiß und kalt den Rücken hinunter, sie wurde ein wenig blass und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Und nun? Hingehen und sagen: 'Mactator, du bist der Mann meiner Träume' ? Scintilla war ja nun nicht gerade schüchtern, wenn es um Prätorianerpräfekten und andere verlockende Mannsbilder ging... aber dies hier war Mactator! Der Mactator!
    Was, wenn er gar nicht sie gemeint hatte, sondern... jemanden neben ihr, zum Beispiel? Sie wandte den Kopf und sah den süßen Flosculus, der bis über beide Ohren strahlte.
    Selig verriet er Scintilla den Grund: "Mactator hat mich angelächelt..."
    "Das kann nicht sein. Er hat mich gemeint!"
    "Nein, mich!"
    "Das wolln wir doch mal sehn!" Scintilla war empört. Mactator, der große Mactator, durfte einfach nicht für die Frauen verloren sein! Mochte man von der Griechischen Liebe halten was man wollte, aber das wäre nicht fair!
    "Venus obsequens , du bekommst von mir ein blütenweißes Lamm und ein Jahr lang Blumen wenn er mich für diese Nacht auswählt!" gelobte Scintilla großspurig, und dann faßte sie sich ein Herz, ließ Flosculus stehen, und trat unerschrocken auf ihren großen Schwarm zu. Hach, aus der Nähe sah er ja noch sooo viel besser aus. Scintillas Knie wurden wieder weich. Wie er die Zähne in den Hähnchenschenkel grub! Wie ein Raubtier... sicher war er auch im Bett ein Raubtier... oh Venus, lass es mich herausfinden!
    Mit temperamentvollem Hüftschwung legte Scintilla leichtfüßig die letzten Meter zurück. Ihr karmesinroter Hauch von einem Gewand schmiegte sich an ihre Kurven, ihre wogenden Locken glänzten rötlich, und ein verführerisches Lächeln spielte um ihre vollen Lippen, als sie sich geschmeidig zu Mactator beugte.
    Sie entschied sich für einen Klassiker: "Mactator..." sie sprach den anbetungswürdigen Namen mit ihrer weichen, etwas rauchigen Stimme, langsam und hingebungsvoll aus, "...darf ich dir ein wenig Gesellschaft leisten?" Ganz leicht lehnte sie sich auf die Kline, gekonnt entblößte das Gewand dabei eine Schulter, und unter dem durchscheinenden Stoff schimmerten die rot gefärbten Knospen ihrer Brüste lockend hindurch. "Ich bin Scintilla." hauchte sie und liebkoste lasziv die schwarzrote Schlange um ihren Hals. Die hob gerade das Köpfchen und züngelte.
    Scintillas Herz klopfte heftig. Venus steh mir bei! Jetzt bloß keinen Korb bekommen! Sie war sich sicher, daß sie sich dann auf der Stelle aus Verzweiflung im Tiber ertränken würde.

    "Mactator! Mactator!"
    jubelte Scintilla begeistert. Hach, wie unglaublich, phantastisch, unschlagbar gut er doch aussah, so auf dem Streitwagen.
    Sie entrollte schnell ihr Transparent, hielt es hoch, und schwenkte es enthousiastisch hin und her.
    MACTATOR SEMPER VINCIT
    war in riesigen Lettern darauf zu lesen.
    "Mactator! Mactator!"

    Scintilla fieberte begeistert bei dem Kampf mit. Fest hielt sie das kleine Täfelchen mit dem Antlitz ihrer großen Schwarms Mactator gepackt, für das sie eben ihre allerletzten Münzen hingegeben hatte. Sie johlte beim Erscheinen der Zwerge, klatschte, als die Frau in der Arena so erbittert um ihr Leben kämpfte, und buhte als Fulmineus in das Rund einritt. Diesem Fleischberg konnte sie ja mal gar nichts abgewinnen!
    "Mactator! Wir wollen Mactator!" brüllte sie enthemmt.
    Den Daumen hielt sie nach oben. Die Frau hatte schließlich eine Überraschung geboten.


    :dafuer:


    "MAC-TA-TOR! Wir wollen MAC-TA-TOR!!!"

    Als ihr Anschlag auf Belasa so reibungslos glückte, genoß Scintilla diese kleine Rache in vollen Zügen.
    Sie und ein germanischer Akzent? Pah! Diese Schlampe hatte sich mit der Falschen angelegt! "Mitleidig" seufzte sie: "Was für ein Jammer! Koischer Stoff ist doch so empfindlich..." Und als die Rivalin dann vom Schlachtfeld zog, nicht ohne dabei noch eine letzte Breitseite abzufeuern, frohlockte Scintilla.
    Mit liebreizendem Lächeln wandte sie sich ihrer "Beute" zu, und drehte sich dabei instinktiv so, daß ihr üppiges Dekollete im Fackelschein voll zur Geltung kam. Kokett sah sie zu Caecilius Crassus auf, und griff das letzte Thema wieder auf: "Ja, im Tanz zeigt sich das Innerste eines Menschen, da hast du recht," stimmte sie ihm leidenschaftlich zu.
    "Aber ich habe auch gehört, daß sich das Wahre Wesen nirgends so deutlich enthüllt wie im Kampf? Ist das wahr?"
    Mit leuchtenden Augen, und ganz leicht geöffneten Lippen blickte Scintilla zum Prätorianerpräfekten auf, so als wolle sie seine kostbare Antwort gleich ganz tief in sich aufnehmen... - als sie ein weiteres mal unterbrochen wurde!
    Eine ältere Frau trat nämlich heran, und fasste Scintilla am Arm. "Scintilla, da bist du ja!" Die Frau senkte entschuldigend den Kopf vor Crassus. "Hast du deinen Auftritt vergessen? Es ist schon knapp, komm jetzt."
    Erschrocken sah Scintilla sie an. "Oh."
    Niedergeschlagen lächelte sie Crassus an, und schien sich gar nicht von ihm losreißen zu können. "Schade, irgendwie sind wir gar nicht dazu gekommen, ein richtiges Wort miteinander zu wechseln. Tut mit leid, ich muß mich jetzt fertigmachen." Sie lachte leise auf. "Ich habe in deiner Gegenwart ganz die Zeit vergessen, Caecilius Crassus... "
    Und mit einem lasziven Blick aus funkelnden grünen Katzenaugen fügte sie natürlich noch hinzu: "Ich hoffe wir sehen uns noch... später..."
    Einen Wimpernschlag lang streiften ihre schlanken Finger ganz leicht über seinen Handrücken, dann entschwebte Scintilla.

    Durch das Gelächter angelockt, schlenderte Scintilla auf die Puppenbühne zu. Sie hielt in der einen Hand einen Tonkrug, und ein Büschel Trauben, balancierte in der anderen ein Fladenbrot und eine dampfende Wurst, und biß im gehen mal vom einen, mal vom anderen ab. Was für ein Glück, daß gerade Ludi waren! Sie hätte sich sonst wohl mit trockenem Brot begnügen müssen, wo doch Larinus, dieser Schuft, all ihre mühsam ertanzten Sesterzen verschleudert hatte.
    Sie verschlang genüßlich noch ein Stück Wurst, lachte bei der schlüpfrigen Szene lauthals auf, und blieb schräg neben der Bühne stehen, um die Fortsetzung nicht zu verpassen.

    Scintilla war völlig abgekämpft, bis sie endlich ihren Platz erobert hatte. Sie hätte vielleicht früher kommen sollen, aber das Fest am Vorabend war ein ganz besonderes gewesen, und außerdem hatte sie doch noch das 'Banner' fertigmachen müssen.
    Sie sank zufrieden auf ihren Sitz, strich sich ein Strähne aus der verschwitzten Stirn und zog ihren Schleier über den Kopf, den Teint wollte sie sich nämlich nicht verderben. Die Holzstäbe, an denen das noch zusammengerollte 'Banner' befestigt war, lehnte sie an eine Brüstung, und verschnaufte erst mal.
    Hach, gleich würde sie IHN kämpfen sehen... Mactator...
    Da erschienen schon die Herolde. Scintilla reckte sich, jubelte mit, und sah gierig auf die Loskugeln. Es sollte ja unglaubliche Preise geben! Das wäre jetzt genau das richtige, so völlig abgebrannt wie sie zur Zeit war.
    "Hierher!"
    Sie sprang auf ihren Sitz, und streckte sich nach einer Kugel, die viel zu hoch über sie hinwegflog, und in den Reihen hinter ihr einen Tumult verursachte.
    "Hierher! Zu mir, ihr Trottel!"
    Da kamen wieder welche angeflogen! Scintilla fasste eine ins Auge, setzte mit einem tänzerischen Hechtsprung über die Köpfe der vor ihr sitzenden hinweg, rollte über den Boden, sah die Kugel ganz nah, und hatte sie schon fast gepackt, als irgendwer sie an den Haaren packte und nach hinten riss.
    "Aua! Das ist meine, du Rabenaas!"
    Sie hämmerte auf den Rücken des Mannes ein, der sich gerade ihre Kugel geschnappt hatte, und dann selbst plötzlich von einer Woge gieriger Menschen überrannt wurde.
    Scintilla rappelte sich auf, und stieg wieder zu ihrem Platz zurück.
    Pah! Fortuna konnte lange warten bis sie wieder mal ein Opfer von ihr bekäme! Sie zupfte ihre Tunika zurecht, warf das Haar in den Nacken, und setzte sich wieder, bückte sich dann, um das Banner vom Boden aufzuheben... da! Da rollte ihr eine Kugel fast über die Füße! Blitzschnell griff sie zu, und verbarg die kostbare Beute unter den Falten ihres Gewandes. Ha! Sie faßte schnell das Banner, um sich zur Not mit den Holzstangen zu verteidigen. Aber niemand versuchte, es ihr zu entreißen, sie schienen alle von der Prügelei in der Reihe darunter gebannt zu sein.
    Na gut. Scintilla beschloß gnädig, daß Fortuna doch bald wieder mit einem Opfer rechnen durfte. Aber nur wenn auch ein Preis darin steckte!

    Felicia Scintilla schritt beschwingt die Straße zum Ludus Magnus entlang. Die Absätze ihrer Sandalen klackten energisch auf das Pflaster. Ein Hauch von einem karmesinroten Nichts umschmeichelte ihren rassigen Körper, und in die duftig wogenden Locken waren große blutrote Hibiscusblüten eingeflochten. Um ihren schlanken Hals wand sich träge ein ganz besonderer Schmuck: eine pechschwarze Schlange, auf deren Rücken ein gefährliches düsterrotes Zickzackband entlanglief... Scintilla hatte die harmlose Ringelnatter eigenhändig und mit viel Liebe bemalt.
    Neben Scintilla ging ihre Freundin Fortunata, kleine Kristalle funkelten wie Sterne in ihrem dunklen Haar, und die Vorfreude rötete ihre Wangen. Die beiden hatten außerdem den süßen Flosculus mitgenommen, er hatte sie 'so süß' darum gebeten, daß sie es ihm nicht hatten abschlagen können. So folgte der schöne Jüngling nun den beiden Frauen, dafür mußte er aber die Tasche mit ihren Instrumenten tragen, und außerdem einen großen Korb mit Deckel, daraus erklang das trockene Schaben von Schuppen, und von Zeit zu Zeit ein scharfes Zischen.
    "Ach," schwärmte Scintilla, "ich hoffe ich komm ganz nah an ihn ran... Mactator..."
    "Ich auch!" Flosculus verdrehte träumerisch die Augen. "Er sieht sooo gut aus!"
    "Hmhm... unglaublich gut..."
    "Nein, Fulmineus schlägt ihn bei weitem." , erklärte Fortunata ketzerisch. "Dieser irre Torso... dagegen verblaßt Mactator völlig.
    Empört schnappte Scintilla: "Der ist doch nur ein Fleischberg! Mactator macht ihn mit links fertig!"
    Sie erblickte in der Nähe den Beinahe-Weinkönig vom Vinalia-Fest, und winkte ihm kurz fröhlich zu.
    "Jaa...Mactator..." hauchte Flosculus noch, und dann waren sie schon am hell erleuchteten Eingang, wo das farbenfrohe Grüppchen gleich hineingelassen wurde.
    Scintilla zwinkerte einem der geölten schwarzen Männer beifällig zu, und lachte leise, als das Wasser sie besprengte. Herrlich, Safran! Zwar mochte sie den Geruch nicht besonders, aber es gab ihr so ein wahnsinnig luxuriöses Gefühl...
    Sie wuschelte einem der kleinen Sklaven heiter durch den dunklen Schopf, und trat erwartungsvoll, die träge Natter um ihren Hals sanft liebkosend, in das Amphitheater hinein.