Die Zeilen flogen über das Pergament, als ich an meinem Schreibtisch zu später Stunde saß und jenen Brief verfasste, in dem ich haarklein die Not aufschrieb, die uns in Corduba ereilt hatte. Meine Hand zitterte dabei und mein Atem vibrierte. Die aufgeheizte Aktivität überspielte meine in mir verborgene Nervösität. '...und so kommen wir nicht umhin, durch unser Bitten unsere dringendste Hilfe zu erflehen, wenn Blut und Verderben über das Land ziehen...' verfasste ich die letzte Zeilen dieses Schreibens. Ich hatte Blut und Wasser geschwitzt und atmete schwer.
Plötzlich klopfte es. Ich drehte mich ruckartig um und lief zur Tür hinaus auf die Ballustrade des Atriums. Es war Mephisto. Doch er kam nicht allein und das ließ mich aufatmen. Mit ihm waren zwei Herren, zwei Würdenträger von hohen Ansehen und Ehre, gehüllt in einen langen Mantel zum Schutze der Nacht. Ich eilte die Treppenstufen hinab und begrüßte die beiden herzlich, Mummius und Fabius.
"Verehrte Herren, lass mich euch begrüßen in meinem Haus, ich danke für euer schnelles Kopfen." - "Was ist los, Annaeus ?" fragte Mummius in direkten Tonfall. "Dein Diener klopfte an unserer Haustür, sagte, du würdest nach uns schicken. Er hatte deinen Ring bei sich. Also nahm ich an, daß etwas passiert war." Aus dem Dunkel der Nische trat eine dritte Person ins düstere Licht des Mondschein, welche ich zuerst gar nicht wahrgenommen hatte. Sie hatte langes blondes Haar zu einem Dutt hochgesteckt, ihre Augen spiegelten das Wesen ihrer Seele, so gülden und rein, die Haut weiß wie Alabaster und ihr Mund so unschuldig wie ihr Gewissen. Sie trug einen langen Mantel von feinster Hand genäht. Die Kapuze hatte sie nach hinten geschlagen, und ich war sofort verzaubert, als ich sie wiedererkannte. "Darf ich vorstellen, meine Tochter, du kennst sie ja bereits, Scantilla." sprach Mummius mit stolz erfüllter Stimme. "Sie kam zufällig vorbei, während ich mich gerade auf den Weg machte. Als ich ihr sagte, wohin ich gehe, wollte sie unbedingt mit. Sie hat den Willen ihrer Mutter."
Ich war vollkommen fasziniert von dem jungen Mädchen, das ich einst kennengelernt hatte, und so sehr in ihren Bann geschlagen, daß ich darüberhinaus beinahe alle Formen der Höflichkeit unterschlug und es fast versäumte meinen zweiten Gast, den ehrenwerten Marcus Fabius Pulcher zu begrüßen.
Nachdem ich diesen Umstand beseitigt hatte, widmete ich wieder dem eigentlichen Geschehen, weswegen ich gerade jene Herren zu mir gebeten hatte. "Der amtierende Comes hat sich am heutigen Abend gegen Rom und gegen den Kaiser gestellt. Vor einer stattlichen Anzahl vön Männern Cordubas verkündete er seine Ziele, die Stürzung des Kaiserhauses und der Errichtung der Republik. Ihr müßt mir glauben, daß ich die Wahrheit spreche, nichts läge mir ferner, als euer Vertrauen in jeglicher Weise zu mißbrauchen." Mein Mut stieg, oder war es nur das Anzeichen einer überhöhten Selbstüberschätzunh ? "Ich habe einen Plan gefasst, für den ich eure Hilfe brauche und der Corduba vor einem verderblichen Blutvergießen bewahren kann." Meine Blicke schielten zwischendurch immer wieder zu der süßen Tochter des Mummius. Sie stand ganz ruhig dabei und hörte den Worten zu und ich so bestärkte es mein Gefühl, das richtige zu tun. Zu was Frauen doch Männer immer in der Lage waren, anzutreiben. Ich fasste den Gedanken, daß all die Höchstleistungen, all die Heldentaten, die von großen Männern verübt wurden, imgrunde nur möglich waren, weil stets Frauen dahinter standen, die sie zu diesen Leistungen anspornten. "Diesen Brief, den ich in den Händen halte, wird durch einen zu beauftragenden Boten aus der Stadt geschleust werden. Zwei Tagesmärsche von hier, liegt die Stadt Emerita, Garnisionstützpunkt der Cohors II Balearum. Wenn es uns gelingt, dem Kommandanten eine Nachricht zu übermitteln über die Zustände, die hier ausgebrochen sind, können wir schlimmeres vermeiden."
Ich hatte geendet. Für einen kurzen Augennlick herrschte ein Moment der Stille.