Beiträge von Publius Annaeus Domitianus

    Die Thermen erstrahlten im Glanz und endlich hatte Corduba wieder prachtvolle balneae, in denen es sich nach Herzenslaune baden ließ. Die leuchtenden Farben schimmerten mir entgegen und Sonnenlicht durchflutete die Eingangshalle.
    Heute herrschte ein besonderer Andrang, war der Eintritt doch an diesem Tag frei und viele Bewohner drängten auf der Suche nach Entspannung.


    Dann entledigte ich mich meiner Kleider im apodyterium und gab diese zur Aufbewahrung einem Sklaven, bevor ich mit Holzschuhen bestückt zum Schutz vor der Hitze mich ins tepidarium begab.


    Interessiert hielt ich Ausschau, ob ich ein bekanntes Gesicht entdecken würde...

    Ich war der Meinung, daß ich besagten L Annaeus Florus am ehesten in Rom ausfindig machen würde. Diese Annahme wurde durch die Tatsache gestützt, daß der Bote, welche vor einigen Tagen meine Casa merkwürdigerweise aufgesucht hatte, als hätte er gewußt, wen er suchen würde, ebenfalls aus Rom kam, und da ein altbewährtes Sprichwort meinte, daß schließlich alle Wege nach Rom führen würde, beschloß ich mein Glück eben dort zu suchen.


    Ich erreichte das kleine officium auf den Märkten, in denen angeschlossene Ställe für die Boten das Gesamtbild komplettierten.


    "Salve Bürger ! Ich habe einen Brief abzugeben. Ich hoffe, ich bin hier richtig."


    Mit diesen Worten legte ich das zusammengerollte Schreiben auf den Tisch.



    An L Anneus Florus
    Roma



    Sei gegrüßt Lucius Annaeus Florus !


    Sofern Dich dieser Brief erreicht, wird mein Opfer an die Götter seinen Zweck erfüllt haben. Seit ich jenen mysteriösen Brief erhalten und eine Aufzeichnung mit deinem Namen bekommen habe, grübele ich darüber, ob es möglicherweise einen mir unbekannten Zweig der annaeischen Sippe gibt.
    Mein Name ist Publius Anneus Domitianus, ich bin der Sohn des Anneus Mela, und obwohl ich meinen Vater nie kennengelernt habe, bin ich stolz darüber, sein Soh zu sein und jenem großartigen Geschlecht anzugehören.
    Auch Du scheinst ein Annaeus zu sein und so würde es mich glücklich schätzen, wenn meine Bestrebungen vom Glück begleitet werden. So würde ich mich erfreuen, von Dir ein Lebenszeichen zu erhalten, um meine quälenden Ungewissheiten beseitigen zu können.


    Vale


    P Annaeus Domitianus
    Corduba, Baetica


    Den Aushang mit den Preistabellen hatte ich schon gesehen und so holte ich mein Säckchen hervor mit den Kupfermünzen und zählte 5 Sesterzen ab, und legte weitere 5 drauf, damit der Cursus Publicus mir behilfreich sein würde bei der Auffindung jenes weiten Verwandten.

    Das Päckchen hatte mich neugierig gemacht. Erwartungsvoll riss ich die Wolle, in die es eingewickelt war, ab, offenbar wollte da jemand, daß sein Inneres nicht zu schaden kommen sollte.
    Mir offenbarte sich eine dünne, voll beschriebene Wachstafel und eine goldene Brosche oder sowas ähnliches, die ich eingehender begutachtete. Das Emblem kam mir bekannt vor, ein springendes Pferd - das Wappen der Gens Annaea. Aufeinmal ahnte ich, daß diese Packet etwas mit unserer Familiengeschichte zu tun haben sollte und mir vielleicht Informationen preißgeben würde, von denen ich bisher nichts ahnte.
    Sofort griff ich nach der Wachstafel und begann zu lesen.



    An den Abkömmling der annaeischen Sippe !


    30 Jahre sind inzwischen vergangen, 30 Jahre, in denen dieses Packet und diese Worte, die ich als Verfasser jener im Spätsommer des Jahres 65 n. Chr. geschriebenen Worte, unvorhersehbar und ungewiss lagern, in der Hoffnung einst, das anneische Blut wieder zusammenzuführen und es zu großer Stärke zu gereichen.
    Meinem Sohn, Otho, sollte er noch leben, bedaure ich es zutiefst, nie ein besserer Vater gewesen zu sein. Jetzt, in den letzten Atemzügen meines Lebens, bis mich dieser gotteverdammte Geifer von dieser Erde fegen wird, sehne ich mich zu den Tagen, als wir jung waren, die Zeiten der Verbannung auf der Insel Corsica.
    ...
    Für den, den diese Zeilen erreichen, sind sie von großer Wichtigkeit, denn er möge wissen,[SIZE=7]w[/SIZE][SIZE=6]o.[/SIZE][SIZE=5].[/SIZE][SIZE=4].. _[/SIZE]


    Da verlief sich die Schrift und mir wurde schlagartig klar, wer diese Worte geschrieben hatte. Die Erwähnung seiner Verbannung auf Corsica war eindeutig. Kein geringerer als Lucius Annaeus Seneca minor hatte diesen Brief kurz vor seinem Tod verfasst. Doch was wollte er seinen Nachkommen mitteilen ? Welches erschütterliche Ereignisse ?
    Ich seufzte. Da kam mir auf mysteriöse Weise ein solcher Brief in die Finger, doch weitere Anhaltspunkte besaß ich nicht.
    Da rutschte plötzlich ein kleiner abgerissener Zettel auf den Boden. Ich hob ihn auf und versuchte die Schrift darauf zu entziffern. Sie war im absoluten Kontrast zu der Schrift auf dem Brief, konnte also nicht von Seneca geschrieben worden sein.
    Auf dem Zettel standen zwei Namen. Den einen erkannte ich von dem "Brief" des Senecas, ein sogenannter Otho, T. Annaeus Otho, stand auf dem Zettel. Der zweite Name war mir gänzlich unbekannt. Nicht gerade leserlich stand dort der Name L Annaeus Florus. Waren die beiden verwandt ? Wenn ja, in welchem Verhältnis standen sie zueinander ? Waren sie Vater und Sohn, oder waren sie gar Brüder ? Dieser Tiberius Annaeus Otho schien ohne Zweifel jener Sohn des Seneca minor zu sein wie es aus dem Brief ering. Doch so recht glauben, konnte ich dies nicht. Ich beschloß jenen Lucius Anneus Florus ausfindig zu machen. Ein Brief könnte möglicherweise Aufschluß geben.

    Als ich an jenem Abend nach hause kam, hatte Mephisto einen Brief für mich und das Siegel mit dem dieser gezeichnet war, stimmte mich froh, handelte es sich doch beim näheren Erkennen um das Siegel des Provinzialcollegiums von Hispania. Ich hatte mir dieses Siegel gut eingeprägt, bekam ich es schließlich bei meiner Arbeit als Tempeldiener häufig zu Gesicht, wenn neuerliche Anordnungen aus der Provinzhauptstadt eintrafen.
    Noch im Atrium überflog ich die ersten Zeilen. "sandte ich den Antrag ..blabla.. . Bald sollte die Prüfung anzutreten sein...."


    "Bald ? Mir wäre es, diese hohen Priester würden sich präziszer ausdrücken. Was heißt 'bald' ? In einer Woche oder erst in einem Monat ?"
    Aber ich erkannte wohl, daß ich eine genauere Antwort wohl nicht kriegen würde und abwarten müsse, wie der Lauf sich zeigen würde.
    Dann wandte ich mich an Mephisto, meinen treuen Hausverwalter.


    "Gibts sonst noch etwas ?" und dieser nickte. "So ist es, Domitiane ! Hier, das hat ein Reiter heute für Dich abgegeben. Er sagte, es sei vertraulich. Ich habe es für Dich verwahrt." Er reichte mir ein Päckchen. Es wog nicht viel, und doch war mehr drin, als ein gewöhnlicher Brief. "Ich danke Dir für deine gewissenhafte Aufbewahrung." Neugierig auf den Inhalt desselbigen zog ich mich in mein cubiculum zurück, dort wo ich ungestörte Ruhe hatte, obwohl das ganze Haus eigentlich leer stand.

    Ehe der Proconsul die Regia betrat, beschloß er wohl, das Bad in der Menge noch ein Weilchen zu genießen, wo ihn die hiesigen Magistrate in Empfang nahmen. Ein verhängnisvoller Fehler wie sich herausstellen sollte.
    Von dem direkten Attentat auf den Proconsul hatte ich direkt gar nichts mitbekommen. Plötzlich war einer aus der immer dichter drängenden Masse herausgesprungen und hatte den obersten Statthalter mit einem Messer attackiert, so schnell, daß selbst die Wachen des Proconsuls nicht rechtzeitig eingreifen konnte. Aufeinmal entstand ein allgemeines Geschrei und der Tumult breitete sich aus. Der Proconsul war zusammengebrochen und ich konnte nur erkennen wie einige Magistrate stürzend sich zum Senator hinunterbeugten. Ich war mitten in den Trubel hineingesogen und klebte an meinem Nebenmann. Mit beiden Armen kämpfend und rudernd versuchte ich mich aus der panischen Masse zu befreien. Hier ein Ellenbogen, da ein Fusstritt. Ich bekam einiges ab und hoffte, nicht erschlagen zu werden. Ich schwitzte, spürte den Atem meines Nebenmanns in meinem Nacken. Der Schweiß lief mir unter der Tunika den Körper hinunter, was die ganze Sache nicht erträglicher machte. So versuchte mich entgegen die Richtung von dem Pulk zu entfernen, während am Ort des Geschehens die Magistrate und Medici um das Leben des Proconsuls bangten.


    Irgendwann nach dutzenden blauer Flecken mehr, hatte ich es dann auch geschafft. Das Attentat auf den Proconsul würde sich gewiss wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreiten. Ich wischte mir den Schweiß von meinen Händen an der Tunika ab, die wie eine zweite Haut an meinem Körper klebte.


    Durch ein paar Gässchen und über einige Ecken gelangte ich schließlich in Sicherheit nicht weit von der Casa Annaea.

    VILLA RUSTICA ANNAEA
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    Zwei Zypressen im Wind bauschen sich auf.
    Der Eingang eines alten Gestelles,
    erzählt von längst vergessenen Tagen
    der ruhmreichen Geschichte eines Stammes.
    Deren Väter liegen hier begraben in
    heimatlicher Erde.
    Die Luft riecht nach gebrannten Ton, der
    goldgelbe Reigen der Ären kontrastiert
    den blauen Himmel
    Einsam und Verlassen überdauert er
    die Ewigkeit.
    Olivenhaine bis zum Horizont,
    Getreidefelder wie weit das Auge reicht.
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    Die Ankunft des Statthalters blieb natürlich nicht lange geheim, egal wie sich der jeweilige Amtsinhaber anstellte. ;) Irgendeiner hatte was erzählt und schon verbreitete sich wie ein Lauffeuer die Nachricht durch die Stadt.
    Als die berittene Garde mit der Kutsche des obersten Provinzvorstehers die engen Straßen der colonia erreichte und sich ihren Weg zur Curia, dem Versammlungsgebäude der Stadt, bahnte, hatte sich schon eine Menschentraufe gebildet, die den Proconsul herzlich empfing.


    Auch ich stand unter den Leuten, die Ankunft des Proconsuls erwartend. Ich hatte gerade Tempeldienst, aber da an diesem Vormittag ohnehin keiner ein Schwein opfern oder göttlichen Beistand wollte, machte ich mich kurzerhand auf zu der nicht weit gelegenen Curia. Die Reihen waren gefüllt und die Menschen jubelten ihrem Proconsul zu, der durch seine sachliche und zurückhaltende Art viele Freunde in der Provinz hatte.
    In den hinteren Reihen versuchte ich einen Blick auf den Vertreter des Kaisers zu erhaschen. Ich sah einige Männer in blendend weißen Togen, als seien sie nie getragen worden. Einen Purpursaum schmückten diese, und eine von diesen trug einen doppelten Streifen. Das mußte der Proconsul sein. Doch viel bekam ich nicht mit. Nicht mal sein Gesicht konnte ich erkennen. Er drehte sich wohl nur kurz um, winkte den Massen zu und stieg dann die Stufen hinauf in das Gebäude der Curie, in dem die Magistrate verständlicherweise durch den allgemeinen Trubel, der in der Stadt ausgebrochen war, schon auf die Ankunft des Proconsuls vorbereitet waren, auch wenn sie ohne Zweifel überrascht sein mußten. ;) Ihm folgten weitere Honorationen in seiner Gesandtschaft, Provinzbeamte, Ritter oder einfach nur Klienten.

    Ich hatte lange geschwiegen. Bei den Worten des Pompeianers hatte ich nachdenken müssen, sie zu ergründen, den wahren Willen zu ermitteln, fiel mir nicht leicht.


    "Hinter deine Worten verbergen sich andere Absichten. Die Zeit wird weisen, was der richtige Weg sein wird."


    Das Gespräch verlief sich mit der Zeit, so daß wir nach einigen Beiläufigkeiten zum Ende kamen. Ich verabschiedete meinen Gast darauf und wünschte ihm den Segen der Götter, bevor ich mich wieder in mein cubiculum begab, den Brief welchen ich begonnen hatte, fortzusetzen.


    collegio provenciale
    tarraco, provincia hispania


    Geschätztes Collegium,
    die Pflicht und der Wunsch für den römischen Staat, der religio, meinen Dienst gewissenhaft zu erfüllen, lässt mich diese Zeilen schreiben, in denen ich darum bitte, in das Prüfungsverzeichnis der probatio rerum sacrum I eingeschrieben zu werden, um nach erfolgreichen Ablegen der Prüfung als ordentlicher sacerdos meine Berufung zu erfüllen.


    Valete


    Publius Annaeus Domitianus
    casa annaea, corduba

    "Wir dienen alle dem Imperator. Er tut das richtige. Doch inwieweit kann man einer Gruppe Toleranz entgegenbringen, daß sich so dem Staatskult entfernt wie es diese Christen tun. Ich sage Dir, diese Christen stellen eine Gefahr für den Staat da, und wenn der Staat nicht handelt, wird er daran zugrunde gehen."


    Die Melodramatik war mir angeboren. Ob sie annaeischer Abstammung ist, weiß ich nicht. Ich fühlte, daß diese Christen viel zu lange schon den römischen Staat gefährdeten und seid der Kreuzigung und dem Tod jenes Königs der Iuden hätte man diese Sekte längst wieder in ihre Schranken verweisen müssen.

    "Sei Dir versichert, Pompeii, die Annaeer werden immer alles tun, was in ihrer Macht steht, um zum Wohle der civitas ihr Bestes zu geben.
    Ich hörte davon, daß die Thermen gegenwärtig geschlossen sind, aufgrund Umbauarbeiten. Ich hoffe, die Bürger müssen nicht zu lange auf ihre Bäder verzichten."


    Als mein Gast auf das Thema Christen zu sprechen kommt, verzog ich merklich die Augenbraue. Von den Christen hatte ich selbstverständlich gehört, wenn ich auch nie Berührungspunkte mit ihnen hatte. Aber sie waren zweifelsohne auch in Corduba vorhanden, wie in vielen Städten des Reichs.


    "Christen ? Ich hoffe, dieser Kult breitet sich nicht weiter aus. Sie gefährden die staatliche Ordnung. Doch der Kaiser schützt sie. Du stehst ihnen aufgeschlossener gegenüber ? Dein gutes Recht, Pompeii !"

    Ich war zugegeben beeindruckt. Doch Pompeius Magnus war immerhin schon über 100 Jahre tot und ob jener die Gene von seinem berühmten Ahn übertragen bekommen hatte, würde sich erst erweisen.


    Ich nickte anerkennend.


    "Und was sind Deine Ziele für Corduba ? Darf die Bevölkerung von Dir neue Wohltaten erwarten ?"

    Ich nickte, während ich einen tiefen Schluck des Weines nahm.


    "Ich verstehe. Du bist nicht von hier oder ? Die Pompeier sind doch italischen Ursprungs ?"


    Mich interessierten die Ziele des Mannes, der es zum Duumvir von Corduba schaffte, aber scheinbar noch nicht recht informiert über die Stadt war.

    Mephisto stellte auf einen kleinen mensa zwei bronzene Becher und füllte diese bis zum Anschlag mit Wein. Ich ergriff die beiden Becher und reichte den einen dem Duumvir.


    "Prosit."


    Der Mann wurde mir immer verdächtiger. Ein Duumvir, der den Kontakt zum einfachen Volk hält. Wußte doch jeder, daß nicht das einfache Volk die Stimmen garantierte, sondern die einflussreichen und vermögenden Bürger, derer jene hörig waren. Nichtsdestotrotz schmeichelte es mir, daß er in mir scheinbar eine solche Persönlichkeit sah.


    "Ich kann die Lage der Stadt schwer beurteilen. Aus meiner Sicht kann ich nicht klagen. Sollten nicht die Decurionen darüber besser bescheidwissen ?"

    Der neue Duumvir schien mir vertrauenseelig, in gewisser Weise zu vertrauenseelig, und ich wahrte die Distanz.


    "Salve Pompeii, ich danke Dir für deine Schmeicheleien, doch die Bedeutsamkeit der Gens Annaea liegt schon einige Jahrzehnte zurück. Doch ich will alles daransetzen, den Erwartungen gerecht zu werden.
    Ich hegte schon Befürchtungen, mein Sklave hätte etwas verbrochen, in der Regel ist der Besuch eines öffentlichen Magistraten von unangenehmen Begleiterscheinungen geprägt, erst recht, wenn er unangemeldet kommt. - Mephisto, Wein !"


    Und zu Pompeius wieder gewandt "Er ist mein treuer Begleiter, doch er ist kein Sklave, schon lange nicht mehr."

    Sim-Off:

    Domitianus lebt schon seit 30 Jahren in Corduba. ;)


    Mephisto ging selbst zur Tür, um nachzuschauen, wer da klopfte. Überrascht sieht er in das Gesicht des Besuchers. Er stellte sich Mephisto als amtierender Duumvir von Corduba vor und bat eingelassen zu werden. Mephisto zögerte nicht lange und bat den Magistrat ins Atrium. Dann informierte er mich über den unerwartenden Besuch.


    Ich seufzte, als ich die helle Stimme von Mephisto vernahm und ließ den stilus aus der Hand fallen. Ich warf mir den stoffgrünen Umhang über die Schulter, denn ich wollte dem Gast nicht in einfacher Tunika gegenübertreten, befestigte diesen mit einer fibula und betrat das Atrium, wo mein Gast bereits wartete.


    "Salve... - mit wem habe ich das Vergnügen ?"

    Die Casa Annaea lag dicht gedrängt im Zentrum der altehrwürdigen Metropole Baeticas in einem unscheinbaren Gässchen, das man leicht übersehen konnte. Es war ein Tag wieder andere im September des Jahres DCCCLVI A.U.C. Der Lärm spielender Kinder drang vom Hof durch die offenen Fenster des Hauses, eine kühle Brise rauschte durch den Blätterwald und verschaffte so eine angenehme Kühlung von den Temperaturen, welche hier im südlichen Teil der Provinz Hispania teilweise herrschen.
    Mein Name ist Publius Annaeus Domitianus. Ich bin der Sohn des Marcus Annaeus Mela und ein Neffe des legendären Lucius Annaeus Seneca. Trotz meiner Abstammung, dessen Stolz ich natürlich nicht verhehlen kann, habe ich von dem berümtesten aller Aenneer nicht viel erfahren. Er starb kurz nach meiner Geburt wie der Rest meiner Familie, mein Vater und mein Bruder, von dem ich ebenso wenig mitbekommen habe.
    Nichtsdestotrotz war es mir natürlich eine Pflicht und Freude, die Werke meines Onkels und die meines Großvaters eingehend zu studieren, ebensowie das Schicksal meines Onkels und die mysteriösen Umstände seines Todes.


    Das Haus, in dem ich nunmehr seit über 30 Jahren lebe, ist dasselbe, in dem einst mein Großvater schon geboren wurde. Es gehörte über viele Jahre dem ehemaligen Hausverwalter der Aenneischen Sippe, dem alten Corax, bis dieser vor gut fünf Jahren im greisen Alter verstarb. Seitdem pflege ich den Hausvorstand und gebe mir alle Mühe, das Ansehen der Familie in der Stadt hochzuhalten.
    Soeben kam ich von einer cena bei einem Decurionenmitglied, jenen ehrenhaften Männern, welche dem Rat der Stadt angehören und mit ihrer Stimme die Politik derselbigen bestimmen. Eines Tages, so hoffte ich, wenn das Ansehen und der Einfluss der annaeischen Sippe wieder an den vergangener Tage gereichen würde, so hoffte ich, würde ich auch meinen Platz finden, inmitten dieser Stadtväter und das Wort eines Annaeus würde wieder Gewicht bekommen in dieser Stadt.
    Das Essen war nicht von ausschweifender Dauer, als daß man es als eines jener Gelage bezeichnen könnte wie sie Petron in seinen Werken karikarisiert. Der Hausherr kredenze uns andalusische Muscheln in einer würzigen Soße, dazu wurden als Beilage gebratene Fenchel serviert.
    Als Freund des Sohnes der Familie war ich auch geladen und befand mich darauf in einer illustren Runde aus Stadträten, Priestern und einflussreichen Grundbesitzern. Mein eigener Status und meine angeborene Zurückhaltung geboten mir, mich dezent im Hintergrund zu halten und nur wenn man mir eine direkte Frage stellte, darauf höflich und bestimmt zu antworten. Bei diesen Essen war es ohnehin nur von Wichtigkeit "dabei" zu sein und daß die einflussreichen Bürger einen in Erinnerung behielten.


    Ich öffnete die porta und betrat das Atrium und sofort empfing mich Mephisto, ein freigelassener Sklave, der meinen Hausstand besorgte, wenn ich nicht da war. - Achja, ich sollte vielleicht noch sagen, worin mein Auskommen derzeit besteht. Nun, ich arbeite zur Zeit als Tempeldiener und Opferhelfer in den Tempeln der Stadt. Ich assistiere den sacerdotes und bereite alle für das Opfer vor.
    "Salve Domitiane !" begrüßte er mich mit den Worten. "Wie war die cena ?" Ich entledigte mich meines palliums und nickte Mephisto zur Begrüßung zu. "Die ewig sinnlosen Gespräche, die ewig selben Personen. Es hielt sich im Rahmen." Mephisto schien begierig davon, mehr zu erfahren, doch mehr vermochte ich nicht zu berichten und das gab es auch nicht. "Ich bin in meinem cubiculum und brauche meine Ruhe. Ich muß einen Brief aufsetzen. Bitte störe mich nicht !" Mephisto nickte. Er hatte offensichtlich auch besseres zu tun, als mich zu behelligen und so machte ich mich das enge Treppenhaus rauf in mein privates Reich.