Beiträge von Publius Iunius Brutus

    Die Pferde schienen genauso müde zu sein wie die Reiter, als das Nachkommando endlich im Dorf eintraf. Vor einigen Hütten und dem Stall waren Pferde angebunden, scheinbar gab es nur wenig Platz.
    Cupidus kam mit seinen Männern in der Dorfmitte an und befahl:
    "Absitzen, versorgt die Pferde und dann könnt ihr euch ausruhen."


    Viel mehr als zustimmendes Gemurmel kam nicht mehr von den Männern, als sie sich auf den Weg machten, um sich eine Unterkunft zu suchen. Die Nacht wurde bereits alt, im Osten konnte man schon einen heller Schimmer erkennen. Mehr als vier Stunden Ruhe war den Männern nicht mehr vergönnt.


    Cupidus machte sich auf die Suche nach einer Unterkunft. Als er an den Hütten vorbeikam, in denen die Verwundeten lagen, und er leises Stöhnen hörte, machte sich eine Gänsehaut über seinem Rücken breit. Noch mal Glück gehabt, alter Junge, dachte er sich.
    Nach kurzer Suche fand er eine Hütte, vor der das Pferd des Decurio Tuto stand, zusammen mit zwei anderen. Scheinbar waren hier auch die Duplicarii untergebracht.


    Mit geübten Handgriffen band er Stratos an der Hütte fest und befreite ihn vom Sattel, den er mit ins Innere nahm. Nur die Decke ließ er zum Trocknen draußen hängen.
    Im Schein des Feuers, das im Inneren brannte, sah er Tuto im Gespräch mit den beiden Unteroffizieren, an deren Namen sich Cupidus aber nicht mehr erinnern konnte.


    "Decurio, wir sind zurück. Wir haben alles verbrannt..."
    Der Decurio nickte nur und wies auf einen kleinen Nebenraum, in dem die Männer ihre Ausrüstung abgelegt hatten.
    Cupidus legte seinen Sattel und seine Waffen ab und zog sich das Kettenhemd über den Kopf. Aufatmen, endlich nicht mehr das Gewicht auf den Schultern.
    Aus einer Satteltasche suchte er sich noch ein Stück Brot und eine lukanische Wurst heraus und setzte sich zu den anderen ans Feuer.
    Er merkte plötzlich, wie hungrig und erschöpft er war. Gierig schlang er sein Essen in sich hinein und fühlte sich merkwürdigerweise glücklich. Er war noch am Leben, war halbwegs satt und saß in einer warmen Hütte.


    "Hey, Cupidus, richtig?" Der älteste der dreien hob einen hölzernen Becher hoch und schüttelte ihn. Das Klappern verriet den Inhalt. "Wollen wir eine Runde würfeln vor dem Einschlafen? Ist gut, um sich von den ganzen Leichen abzulenken."

    Etwas verwirrt nickte Cupidus und setzte sich in die Runde. Nach einigen Spielen konnte er kaum noch die Augen offen halten und legte sich nahe der Feuerstelle in einen Berg mit Felldecken, die ranzig rochen. Nach wenigen Augenblicken fielen ihm die Augen zu.

    Plötzlich musste Cupidus lachen. Die Anspannung der Schlacht und nun die Freude, überlebt zu haben, brachen aus ihm heraus, als er sich Merowech in den Thermen vorstellte.


    "Da bin ich dabei, ein großes Opfer für Mars und dann ein heißes Bad. Bei den Göttern, wie freue ich mich, dass wir überlebt haben."
    Dann bließ der Cornicen zum Sammeln und Cupidus machte sich auf den Weg zu Crispus.


    "Gut Centurio, wir werden alles bis auf die Grundmauern niederbrennen," antwortete er, als die Legionäre sich in Marsch setzten.
    Einige Reiter waren noch ins Lager gekommen, der Rest war wohl schon unter dem Befehl von Tuto zu Wigands Dorf zurückgekehrt.


    Cupidus winkte die Männer zusammen.
    "Los, brennen wir das Lager nieder. Seht zu, ob ihr etwas Öl als Brandbeschleuniger findet. Bringt die Tiere und die Ausrüstung vors Lager und legt dann die Brände."

    Cupidus nickte abwesend.
    "Genau so ist es. Die Gunst der Götter... Sie haben mir eine Frau gezeigt, für die es sich zu kämpfen lohnt und das werde ich auch."


    Er leerte seinen Becher in einem Zug. Bier wäre wirklich besser, dachte er für sich, aber er spürte schon langsam ein warmes Gefühl in der Magengegend und ein leichter werden seines Kopfes.


    "Weißt du, ich finde es gut, dass du dich zum Militärdienst melden willst, irgendjemand muss die Krämerseelen ja beschützen. Aber warum kommst du nicht zur Ala? Deine Aufstiegschancen wären mit Sicherheit größer und gekämpft wird auch bei uns.
    Seit wir in Borbetomagus gegen die Banditen gekämpft haben, sind unsere Reihen etwas lichter geworden."

    Cupidus konnte die Energie förmlich spüren, die von Brutus ausging.
    Er sah überrascht auf und seine Miene verdunkelte sich.


    "Du weißt nicht, wie es ist ein Peregrinus zu sein, oder? Wenn ich römischer Bürger wäre, hätte ich mich längst entschuldigt... Aber ich bin es nicht. Natürlich tut es mir leid, dass es zu diesen Missverständnissen gekommen ist. Ich mochte die Menschen sehr und mag sie auch jetzt noch.
    Wenn ich mich entschuldige, dann als vollwertiger Mensch, aber als solcher werde ich nicht angesehen, ich bin nur ein halbwegs zivilisierter Wilder."


    Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, wie ein Wasserschlauch, der zu lange unter Druck stand.
    Seine Augen wurden feucht.


    "Das Einzige, das ich tun kann, ist mein Leben für eine Gesellschaft zu riskieren, die dieses Opfer wahrscheinlich nicht einmal zur Kenntnis nehmen wird, wenn es geschieht. Weil ich nicht als Römer geboren wurde, Brutus...."


    Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Cupidus hatte Brutus´Familie beleidigt und nun schüttete er einem Duccier sein Herz aus. Verrückte Welt.

    Cupidus nickte ein wenig verlegen.
    "Das wollte ich dem Bären sicher nicht antun... Zumindest nicht absichtlich. Aber so wie ich das verstanden habe, wollte Clara Loki doch überhaupt nicht.
    Na egal, wenn es denn mal einen Grund geben sollte, werde ich mich entschuldigen. Aber erst wenn ich das Bürgerrecht habe... So in 20 Jahren.."


    Er lächelte etwas wehmütig. So lange war es noch bis zum Ende seiner Dienstzeit.


    "Du willst also wirklich zur Legio? Das ist schön. Ich hätte mir jetzt eher gedacht, dass dir das Handelskonsortium deiner Verwandten weiterführst?"

    Nun war es an Cupidus, etwas betreten auszusehen.
    Er nahm noch einen Schluck, weniger, um den Mund zu wässern, als vielmehr, um ein wenig Zeit zu schinden.


    Schließlich hob er doch den Kopf und sah Brutus unverwandt an.
    "Ich bin allein, Brutus, meine Familie habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen, ich weiß nicht einmal mehr, ob sie noch am Leben sind.
    Mein Leben gehört dem Kaiser... Aber was ist danach? Ich will nicht vergessen werden, verstehst du?
    Ich habe vor kurzem das erste Mal in meinem Leben getötet und es war nicht berauschend. Ich habe gesehen, wie meine Kameraden fielen, das Schicksal meinte es noch einmal gut mit mir.
    Wenn ich jemals fallen sollte, orge bitte dafür, dass ich ein anständiges Begräbnis bekomme. Der Vexillarius meiner Einheit verwahrt eine Kasse, die die Kosten für Beerdigungen deckt.
    Aber es muss sich jemand darum kümmern und außer Clara vertraue ich nicht vielen Menschen..."


    Bei diesem Namen kamen die Gewissenbisse zurück.
    "Und das zweite ist die Sache mit deiner Familie. Sie sind wohl immer noch schlecht auf mich und Clara zu sprechen?"

    Ich würde sagen, dass der Beginn der klassischen Antike bei 800 v. Chr. liegt, als die homerischen Epen entstanden und die Stadtstaaten vorherrschten.


    Der Streitpunkt ist nur der, dass man über das dunkle Zeitalter von 1200- 800v. Chr. sehr wenig weiß. Nach dem Ende der mykenischen Kultur klafft eine Lücke von fast 400 Jahren, die nur ganz allmählich enthüllt wird.
    Die meisten Bücher geben 800 v. Chr. an.

    Einen Moment lang sagte Cupidus nichts. Das musste er erst einmal verarbeiten.
    Nach einer Minute blickte er seinen Gegenüber an.... Und begann zu lachen.

    "Weißt du, ein Grund, warum ich zum Militär gegangen bin, ist der, dass ich als Händler eine Niete bin. Bisher ist mir noch kein Geschäft gelungen, das wirklich Profit gebracht hätte. Und dir scheint es nicht besser zu gehen,"
    prustete er los.
    "Mach dir wegen des Geldes keine Sorgen, ich werde Chimerion nach Rom schicken, zu Clara. Ein schmieriger Typ aus Confluentes schuldet mir noch einen Gefallen. Ich werde ihn also Bitten, Chimerion mit nach Rom zu nehmen. Vielleicht behält ihn Clara oder verkauft ihn an einen guten Herrn weiter....
    Jedenfalls danke ich dir trotzdem für die Mühen, die du auf dich genommen hast, um ihn wieder einzufangen.
    Was das Geld angeht...Lass gut sein, verbuchen wir es als Lehrgeld. Vielleicht kannst du mir ja mal einen Gefallen tun bei Gelegenheit."


    Er nahm einen Schluck von seinem Wein. Brutus hatte recht, er musste dringend für Bier sorgen, aber seit dem Einsatz in Borbetomagus war er noch zu nichts gekommen.


    "Wie geht es jetzt mit dir weiter? Willst du immer noch eine Gladiatorenschule aufmachen? Oder Händler werden wie Loki?"

    Nun musste sich Cupidus auch noch vor dem Mann ausziehen...
    Murrend zog er sein Kettenhemd über den Kopf und raffte die Tunika hoch, damit der Capsarius etwas sehen konnte.
    Dieser tastete vorsichtig die Rippen ab, drückte und quetschte hier und dort ein wenig und entlockte Cupidus´Lippen ein gequältes Stöhnen.


    "Ist ja schon gut, nun stell dich mal nicht so an Duplicarius. Gebrochen scheint nichts zu sein, nur eine ordentliche Quetschung und ein Bluterguss. Wenn du wieder im Lager bist, lass dir einen Verband mit Salbe draufmachen, dann ist Muttis Liebling bald wieder ganz der Alte."
    Der Mann lachte genüsslich und wandte sich dann an Merowech.

    Kopfschüttelnd zog sich Cupidus wieder an. Wie konnte man nach so einem Tag nur Witze reißen...
    Der Capsarius musste schon sehr abgebrüht sein.

    Schließlich fragte Merowech ihn, was nun noch zu tun sei.
    Achselzuckend schaute Cupidus den Kameraden an.
    "Wir schauen mal, ob wir noch was helfen können, damit wir schneller hier wegkommen und dann hoffe ich, dass wir morgen das Lager abbrechen können und verschwinden. Ich hab genug arme Schlucker getötet."

    Cupidus betrat in Begleitung von Brutus seine Unterkunft.
    Im hinteren Teil, den er als Officium benutzte, türmten sich schon wieder die Schirftrollen.


    Er wies Brutus einen Stuhl zu und nahm zwei Becher von einer Anrichte. Er füllte sie mit Wein und reichte einen davon Brutus. Dann ließ er sich gegenüber seines Freundes auf einen Stuhl fallen.


    "Was kann ich für dich tun mein Freund?"

    Cupidus nickte und erhob sich.
    "Ich komme mit dir, meine Seite brennt, ein Speerstoß ist an meiner Lorica abgeprallt. Jetzt fühlt es sich an, als wäre ich zwischen Hammer und Amboß geraten," meinte er.


    Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach dem Capsarius.
    "Wir brauchen ebenfalls einen fähigen Capsarius in unserer Einheit. Unserer ist heute gefallen... Sag mal, hättest du Interesse, dich als Capsarius ausbilden zu lassen? Wenn wir im Lager sind, werden einige personelle Änderungen anstehen und ich habe gesehen, dass du und Brigio hervorragende Soldaten seid."

    Cupidus, Merowech und Brigio sahen den Männern zu, die eine Grube für die Toten ausheben mussten. Es schien garnicht einfach zu sein, den harten, kalten Boden aufzubrechen, aber alle arbeiteten schweigend in der Dunkelheit.


    Nach und nach trafen die restlichen Gruppen der Turma II ein, manche brachten noch Tote oder Verwundete mit. Ein junger Eques lebte noch, als man ihn vom Pferd trug, seine Tunika war vom Bauch abwärts rot getränkt, er atmete flach und würde nicht mehr lange zu leben haben.


    "Einar, bei den Göttern...", stammelte Cupidus, als er den jüngsten Reiter seiner Turma erkannte.
    "Cu...Cu....Cupidus....," stammelte der junge Mann, "alles so kalt..."


    Seine Lippen formten Worte, die aber keiner mehr verstand. Die geöffneten Augen blickten starr in den sternenverhangenen Himmel und sahen doch nichts mehr. Zwei Equites brachten den Toten weg und bereiteten ihn auf den Transport zu Wigands Dorf vor.


    Cupidus setzte sich mit dem Rücken an die Holzpalisade und zog sich den Helm vom Kopf. Jeder Knochen tat ihm weh, er war müde und fror erbärmlich. Was für ein besch.... Tag, dachte er, zu viele gute Männer waren gefallen. Von den 31 Mann seiner Turma waren 3 tot und fünf verletzt, zwei davon schwerer als zuerst gedacht. Bei den anderen beiden Turmae sah es nicht besser aus. Hoffentlich wartete Tuto schon bei Wigands Dorf auf die Männer.


    Mit gedankenverlorenem Blick starrte Cupidus vor sich hin.

    Cupidus führte sein Pferd mit dem Toten und Merowech im Schlepptau zu Crispus, der gerade dabei war, Anweisungen zu geben.


    "Centurio, wir haben deinen Optio mitgebracht, scheint doch nicht so schlimm zu sein, wie es erst schien... Er ist ziemlich zäh.
    Und einen toten Reiter haben wir auch noch gefunden...
    Ich kümmere mich mal um die Verlustmeldungen."


    Als er sich gerade umdrehen wollte, fiel sein Blick auf den Berg mit den Leichen der toten Banditen.
    Fragend blickte er den Centurio an.
    "Wie lange wird das hier noch dauern?"

    Cupidus schleppte den Toten an beiden Armen mit sich, er hatte den gefundenen Militärmantel um den Kopf des Toten gewickelt, damit er nicht alles vollblutete.
    "Ja Mamercus, sorg dafür, dass er heil ins Lager kommt, am besten setzt du ihn auf dein Pferd. Ich komme auch mit und lade den Toten am Sammelplatz ab. Ich glaube das ist einer von den Ducciern, aber ich bin mir nicht sicher. Komm Merowech, helfen wir die Verwundeten und Toten zurückzubringen. Der Decurio muss halt noch warten."


    Wohl war ihm nicht bei der Sache, aber wie sollten sie auch einen gefangenen Decurio ausfindig machen, der womöglich schon tot war?
    Cupidus legte den Toten über seinen Hengst Stratos und führte ihn an den Zügeln zurück zum Lager, das nicht weit entfernt war.