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Original von Marcus Aelius Callidus
Wenn man sich allein die res gestae einmal anschaut, sieht man, dass die Propaganda einzig auf einen Mann ausgelegt ist, nämlich auf Octavian/Augustus. Er selbst hebt die Ehrungen hervor, die ihm zugekommen waren, insbesondere der Titel Augustus. Nach 41 Jahren Alleinherrschaft dieses Mannes, der den Prinzipat institutionalisierte und sich in den Mittelpunkt dieses Konstruktes stellte, wird es schwierig, Caesar als ersten Augustus einzuflechten. Zumal die im Bewusstsein der Römer verankerte Titulatur des princeps und des Augustus nicht auf Caesar zutreffen. Und auch, weil schon zwischen dem Aufbau des Prinzipats und dem Ableben Caesars knappe 20 Jahre vergangen sind.
Augustus war zwar der erste Kaiser und hat das Prinzipat erschaffen, aber ich bezweifle, dass er sich bereits der Konsequenzen seines Tuns für die spätere Zeit bewusst war. In gewisser Weise war er noch sehr im Weltbild des Bürgerkriegszeitalters gefangen, d.h. ist in die Reihe der zahlreichen Versuche einflussreicher Politiker und Heerführer einzuordnen, die mit verschiedenen Mitteln versuchten, die Alleinherrschaft über die Republik zu verlangen. Damit steht er noch in einer Reihe mit Marius, Sulla, Pompeius, Cäsar und Marc Anton. Neu war an Augustus, dass er sich als erster dabei keiner festen verfassungsmäßigen Institution bediente.
Augustus eigener Bezug auf Cäsar erfolgte allein durch die Tatsache, dass er dessen Adoptivsohn war und dessen Cognomen trug. Allerdings hatte auch Augustus den Selbstanspruch, die Republik wieder herzustellen und Cäsars Werk zu vollenden. Die Vergöttlichung Cäsars ist doch z.B. auch auf seinem Mist gewachsen.
Aber wie gesagt, erstmal wichtig ist, dass Augustus zwar der erste Princeps war, aber noch nicht wusste, wie die Sache mit dem Princeps weitergehen wird. Das wussten erst die Nachfolger. Und die haben alle den Titel Cäsar übernommen.
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Es ist zwar kaum haltbar, aber wenn man nun möchte und sagt: Der dachte so, aber der Rest der Bevölkerung hat das vielleicht alles ganz anders gesehen... dann sucht man weiter und findet die nächste eindeutige Quelle bei Sueton. Da könnte man sagen: vielleicht haben nur Tacitus und Sueton das so gesehen, aber der Rest der Bevölkerung dachte ganz anders…
Halt! Was ich gemeint habe, ist nicht, dass Tacitus allein mit seiner Meinung da stand. Aber man muss immer auch beachten aus welchen Verhältnissen Tacitus stammte. Er war Mitglied der Oberschicht und hatte eine gewisse intellektuelle Vorbildung, im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerung. Für Sueton gilt übrigens das gleiche! Und dass zwischen der Meinung der Intelligencia und der der großen Masse ein Unterschied besteht, ist ja kaum zu bezweifeln. Ich halte es deshalb für aufschlussreicher, sich die zeitgenössische Propaganda des Herrschaftsapparates anzusehen, die mehr symbolhaft und weniger intellektuell funktioniert. Und da findet sich sehr oft der Bezug zu CJC.
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Schwieriger wird es aber, wenn man sich dann die lex de imperio Vespasiani anschaut, die in jedem Paragraphen die zuvor herrschenden principes aufzählt, und dabei stets, und in jedem Paragraphen auf´s Neue, Octavian/Augustus als ersten benennt.
Cäsar war ja auch nicht der erste Princeps sondern der erste Cäsar! Die Funktion des Princeps ist zwar in einem gewissen Zeitrahmen untrennbar mit der Funktion des Kaisers, aber nicht mit ihn deckungsgleich. Die Kaiser ab Diokletian bis Konstantinos Palaiologos nannten sich nicht mehr Principes, allein deswegen, weil der freie Bürger nicht mehr existierte, trotzdem führten sie die Kaisertradition fort.
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Was die Autoren angeht…Die Rolle der Selbstdarstellung der Autoren ist ja gut und schön und macht bei Plinius z.B. auch großen Spaß, interessiert bei der Fragestellung hier aber eigentlich gar nicht.
Sagte ich doch. Inschriften etc. sind da viel wichtiger und ich kenne keinen Kaiser, der nicht auch den Namen Cäsar in seinen Titel hatte.
Die Definition von „res publica“ ist klar. Es ist der Staat an sich, aber du hast ja die Unterscheidung vorgenommen und selbst gesagt: „…hauptsache er beruft sich auf die Tradition der Vorväter.“ Eben das tat die „neue“ Republik nicht mehr, wobei die Adelsschicht diesen Kompromiss eingehen musste.[/quote]
Die Tradition der Vorväter hatte für die Politik nur den tollen Vorteil, dass sie niemals niedergeschrieben, deswegen auch nach Gutdünken modifiziert werden konnte. Man wusste zwar, dass der Senat irgendwann die Könige verjagte und man wusste von den Ständekämpfen, aber es wurde immer stillschweigend angenommen, dass früher alles so war, wie der jetztige gewünschte Zustand aussehen sollte. Das Mos Maiorum kann man nur kulturell erklären, es steht im tatsächlichen Widerspruch zur geschichtlichen Entwicklung, in der sich die Institutionen und Funktionsweisen des Staates, aber auch der Sitten und der Kultur veränderten. Die Optimaten der Bürgerkriegszeit hatten eine andere Vorstellung dessen, was das Mos Maiorum betraf als die Republik vor ihnen. Cäsar war auch der Meinung, er würde die Republik wieder herstellen. Und Augustus hat sich auch auf die Vorväter berufen, ebenso wie alle Kaiser nach ihn. Die einzigen zwei politischen Strömungen Roms, die mir einfallen und sich nicht auf ihre wie auch immer konstruierten Vorväter beriefen, waren die frühen Popularen wie die Gracchen und Marc Anton, der ja irgendwie vorhatte, das hellenistische Königtum nach Rom zu importieren. Beide hatten ziemlich wenig Erfolg.