An: Redaktion der Acta Diurna
Betrifft: Artikel "Ostia - Italia: Jüdische Sekte in Ostia erwacht zum Leben"
Sehr geehrte Redaktion,
obwohl ich die Acta stets für ein gutes und informatives Periodicum halte, das für seinen hohen Standard an Qualität und Neutralität bekannt ist, musste ich enttäuschend feststellen, dass einer eurer Autoren in der Ausgabe diesen Standard nicht gerecht wurde. Die Rede ist von dem Artikel "Ostia-Italia: Jüdische Sekte erwacht zum Leben". Dort wurden nämlich einige Halb- und Unwahrheiten in einen Ton verbreitet, dem es meiner Ansicht nach gänzlich an der notwendigen Neutralität mangelte und der darüber hinaus dazu beitragen könnte, den öffentlichen Frieden zu gefährden, indem er falsche Meinung über Leute verbreitet, die seit Jahrhunderten unter der weisen Schirmherrschaft des römischen Volkes leben, ihre Steuern zahlen und wie alle anderen nichts wollen, als in Ruhe und Frieden leben.
Das römische Reich ist schon seit langer Zeit ein Ort, in dem unzählige Kulturen und Religionen miteinander leben, deren Miteinander sogar seit jeher von Rom garantiert wird und wir Juden sind da keine Ausnahme. Ich selbst z.B. bin lange Zeit meines Lebens am berühmten Museion in Alexandria tätig gewesen, habe griechische Kultur und Erziehung genossen und viele römische Freunde und der von euch angedeutete ehemalige Architectus Urbi kümmert sich schon seit langer Zeit um das Gebäude, ohne dass sein Römertum und seine Beachtung des mos maiorum jemals in Frage gestellt wurde. Die jüdische Religion ist nicht verboten und extremistische Auswüchse unseres Glaubens, wie die Zeloten oder die Christianersekte werden von den meisten von uns aufs schärfste abgelehnt und der Zugang ihrer Mitglieder zur Synagoge, wird ihnen, soweit sie sich als solche zu erkennen geben, verwehrt.
Ferner ist es mein höchstes Anliegen, einige Dinge die jüdische Gemeinde und den hebräischen Kult betreffend klar zu stellen:
Erstens halten wir Juden keine Opfer ab. Der Gottesdienst in der Synagoge dient einzig und allein dem Gebet des Gläubigen und dem Dialog mit Gott. Die Synagoge ist kein Tempel in eurem Sinne, sondern ein offener Versammlungsort der Gemeinde, an dem sich jeder beteiligen kann, egal ob Jude oder Römer. Wir haben nichts zu verbergen, im Gegenteil: Jeder, der sich mit unserer Religion auseinandersetzen will, ist herzlichst dazu eingeladen, einmal unserem Gottesdienst zu besuchen.
Auch entwächst unserer kleinen Gemeinde keine Gefahr, dass Römer oder andere Menschen des Imperiums bekehrt oder von ihren eigenen Glauben abgehalten werden könnten. Wir Juden sehen unsere Religion als einen persönlichen Weg zu Gott, der nicht über den anderen Religionen steht. Wir wollen niemandem bekehren und davon abhalten, seine eigenen Sitten und Bräuche zu pflegen. Die Autoren des fraglichen Artikels hätten sich doch ruhig lieber einmal in einen unserer Gottesdienste hineinsetzen und sich selbst ein Bild von unserem Handeln machen können, anstatt sich beim Schreiben einfach ihren Vorurteilen hinzugeben.