Warnend und flüsternd rauschten die Bäume am Rande des Weges. Der Wind strich durch ihre in der Nacht grauen Blätter, versuchte die Zweige wie eine Laute zum Schwingen zu bringen und die junge Flavierin eindringlich zu warnen, vor dem, was sie sich in ihre Sänfte geholt hatte. Doch die Sprache der Nacht war nur den Ohren offen, die selber ein Teil dieser Schwärze waren. Die finsteren Klauen von Finistere umfing die kleine und scheinbar zerbrechliche Sänfte, die den Reisenden in ihrem Inneren eine schützende Höhle vorgaukelte. Doch ein Wolf eingesperrt mit einer Luxuskatze vertrug sich nicht gut, der raubtierhafte Instinkt in Tullius sträubte sich gegen die sanftmütige Fassade, der er, um Leontia zu täuschen, aufrecht erhielt, selbst als sie nach seiner Hand griff und ihm von ihrem Schönheitsmitteln andrehen wollte. Seine Lippen verzogen sich zu einem falschen Lächeln.
„Zu freundlich!“
, fiel seine knappe Antwort aus und in einem Moment, derer Leontia ihre Aufmerksamkeit einer anderen Materie schenkte, wischte sich Tullius schnell die klebrigen Hände an dem Tuch neben sich ab und rümpfte angewidert die Nase.
„Noch sämtliche Nacht werden wir über die Wege und Pflaster eilen müssen, ehe die Hafenstadt Ostia in Sicht kommen wird. Womöglich magst Du ein wenig ruhen, ich werde über Deinen Schlaf persönlich Sorge tragen, meine liebste Leontia!“
Und er würde inbrünstig Furrina danken, dass jenes Weibe endlich zum Schweigen gebracht wurde durch den Segen Morpheus und ihn nicht länger mit ihrem aufreibenden Geplapper stören würde in seinen Gedanken, über die er sann, um seine Pläne und sein Streben zu vervollständigen, damit die Ranken um Gracchus sich fester strickten und er simultan seine Freude an dem perfiden, aber doch höchst inspirierenden Spiel finden könne.
Zügig wie der Wind des Nordens, die Vögel, die sich nach Afrika aufmachten, um den kalten Winter fern ihrer Brutplätze zu verbringen oder wie ein flüchtender Dieb und Räuber kam die Sänfte auf der nächtlichen Straße weiter. Die großen flavischen Wappen an der Seite der Sänfte bahnte ihnen auch den Weg vorbei an den kleinen Stationen einiger Soldaten, die mit kleinen Laternen stumm an ihren winzigen Häusern warteten. Verheißungsvoll kroch die Sonne in ihrem Rücken über den Horizont und schickte die rosagoldenen Strahlen auf die Hafenstadt Ostia, illuminierte die Dächer in eine ätherische Corona, getrübt nur durch die grausilbernen Wolken, die sich im Westen auftürmten und wie ein Ungeheuer gleichend danach suchten sich gegen das Festland zu drücken. Doch in der Stadt war keiner besorgt ob jenes Wetters, das muntere Treiben brach aus als die Sänfte an dem Tor und den wachenden Augen weiterer Soldaten in die Stadt kam und schließlich zu dem Kleineren der beiden großen Häfen von Ostia gelangte. Eiseskalten Ausdrucks musterte Tullius das engelsgleiche Antlitz der jungen Patrizierin in der Sänfte, die sich dem Schlaf irgendwann ergeben hatte. Ihr schlanker Schwanenhals lockte Tullius Finger an, sie darum zu legen und ohne Gnade zuzudrücken, doch statt sich den Mordlüsten zu ergeben, die Tullius nur im Rausche des Kampfes nicht unter Kontrolle hatte, schwang er sich aus der Sänfte, um ein Schiff zu erbeuten, wenn auch nur mit seinen Münzen und lediglich Plätze für eine Überfahrt. Nicht eine Hora und noch rechtzeitig vor dem Auslaufen konnte Tullius die Pegasus als ihr Transportschiff anheuern, ein kleines, aber wendiges Handelsschiff, was seltene Luxuswaren aus Ägypten nach Ostia brachte und Passagiere zurück in die Provinz trug. Für ihn, Manius Flavius Gracchus, und die junge Flavia Leontia fanden sich durchaus noch ein Platz an Bord. Bewusst hatte Tullius die beiden Namen genannt, denn er wollte nicht, dass sein Bruder die Spur verlor. Fortuna meinte es gut mit ihnen und schon kurze Zeit später war das viele Gepäck der jungen Dame verladen, die beiden Flavier an Bord der Schiffes. Ein tiefes Glücksgefühl stieg in Tullius auf als er endlich erneut auf dem Deck eines Schiffes stand und eine Zufriedenheit als auch noch sein Amicus, Dardarshi, getarnt als ein fernöstlicher Händler an Bord kam. Nun waren sie komplett und die Reise ins ferne Ägypten konnte von statten gehen. Dumpf dröhnten die Trommeln von dem Deck mit den Ruderern, die Sklaven ächzten in den Ketten und stemmten sich gegen die Wogen des Wassers nachdem der Anker gelichtet wurde. Und schon entfernte sich der Pegasus aus dem Hafen Ostias und bereitete seine weißen Schwingen auf dem Meer aus, um flink in die blauen Wogen des weiten Ozeans zu tauchen. Ein sardonisches Lächeln trat auf Quintus Tullius Gesicht als er einen letzten Blick auf das Festland warf und das Schiff entschwand über die blaue Weite, bald eingeholt von den silbriggrauen Wolken im Westen.
Und es verging einige Zeit-
Schwül drückten die Wolken eines nahenden Sommergewitters auf die Stadt Ostia. Ein dicker, verschwitzter Mann saß über einige Wachstafeln gebeugt und schob an einer Rechentafel die hölzernen Murmeln hin und her, flüsterte leise Zahlen vor sich hin und kratzte sich an seiner Halbglatze. Ein eiliges Klopfen riss ihn aus seiner Konzentration, die an jenem Tage nur suboptimal ihn ereilen wollte.
„Ja?“
Ein schlaksiger Mann trat in den Arbeitsraum hinter einer großen Lagerhalle. Die Fensterläden standen weit offen und boten den Blick auf viele Masten, die in den Himmel stachen.
„Es ist verschollen! Die Pegasus...ein Sturm.“
Mit offenen Mund starrte der dicke Mann den Jüngeren an.
„Was? Sicher?“
Der junge Mann nickte.
„Sie haben keinen Hafen erreicht und schon gar nicht Alexandria.“
Mit einem wütenden Laut packte der Besitzer der Pegasus eine Wachstafel und schleuderte sie gegen die Wand. Das Holz zerbrach und fiel in zahlreichen Splittern auf den Boden. Der Schrei einer Möwe erklang, das Lachen einiger Kinder, die das Tier drangsalierten und dann das bitterliche Seufzen des geschädigten Händler. Und niemand wusste, wohin die Pegasus verschollen war und ob einer der Passagiere jenen schlimmen Sturm vor kurzem überlebt hatten. Doch womöglich lüftet sich jenes Geheimnis zu einer anderen Zeit.
To be continued...