Beiträge von Flavia Epicharis

    Epicharis stimmte in das Lachen ihres Vaters mit ein und schüttelte schließlich den Kopf. Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das tun würde. Das traute sie ihm nicht zu. Und trotzdem war da das unerklärliche Gefühl der Unsicherheit, doch sie spülte es zusammen mit einem Schluck aus ihrem Becher hinfort. Hunger hatte sie nun keinen mehr, das Abendessen war sehr nett verlaufen und wirklich köstlich gewesen. Sie nickte bestätigend.


    "In Ordnung, dann lasse ich dir die Pergamente zukommen", sagte sie und wirkte im nächsten Moment schon bedauernd überrascht.
    "Oh, heute abend schon?" Sie war sich sicher, dass er länger geblieben wäre, wenn ihre Mutter noch gelebt hätte. Vermutlich aber wäre Vesuvianus auch gar nicht erst zur Legion gegangen, überlegte sie bei sich. Ein tiefes Seufzen folgte, und darauf weitere Worte.
    "Dann will ich hoffen, dass ich dich demnächst häufiger sehen werde. Ich denke, ich werde gleich morgen aufs Gut fahren und dort nach dem Rechten sehen. Wirst du vor dem Fest noch einmal nach Hause kommen, Vater?"

    Mit leicht geneigtem Kopf vernahm Epicharis die Worte der Tiberierin. Dass deren Vetter sich Sorgen machen und ihr vermutlich eine Moralpredigt halten würde, konnte sie sich bildhaft vorstellen. Dann fügte Albina eine Einladung in die Villa Tiberia an und Epicharis lächelte erfreut.


    "Mein Weg führte ebenfalls nach Hause, wenngleich dort auch niemand auf meine baldige Rückkehr warten wird. Ich nehme deine Einladung also recht gern an", sagte sie und winkte die Sklaven herbei, die sie begleiteten und die immer noch gebannt die Unschicklichkeiten des Papageies verfolgten. Gerade war das Tier auf seinem Baum auf den höchsten Punkt des Wipfels geflogen. Vermutlich war es derart gescheit, dass es seinen Häschern auf diese Weise den Weg nach oben zu erschweren suchte, vielleicht gab es dort oben aber auch nur schmackhafteres Getier als weiter unten.


    "Gehen wir besser, ehe wir verhört werden", meinte Epicharis mit einem Blick auf zwei Soldaten der CU, die inzwischen ebenfalls auf das Szenario aufmerksam geworden waren.


    "Hohlkopf! Hungari-Kussi ist ein Hoooohlkopf!" kreischte der Papagei flügelflatternd.

    "Nein", sagte Epicharis.
    "Sie sind Freunde meines Vaters und er wünscht, dass sie ebenfalls geladen werden. Na, dann bin ich gespannt, was du aufs Pergament zauberst. Ah, und die Anschriften einiger Gäste habe ich leider nicht, die müsstest du herausfinden. Vermutlich weiß Deandra sogar Bescheid."

    Wenn Dolabella etwas veränderte, so ließ sie sich nicht das geringste Bisschen davon anmerken, wie Epicharis bedauernd feststellte. Schämte sich das Mädchen so sehr oder hatte es in der Tat nichts bemerkt? Epicharis seufzte sehr leise, erhob sich schließlich und wandte sich nach rechts, um das Gebet richtig zu beenden. Dann griff sie nach dem Korb und sah ihre Großcousine an.


    "Nun denn", sagte sie und wirkte leicht enttäuscht. Doch mit der nächsten Frage überspielte sie es.
    "Erzählst du mir nun von Achaia?"

    "Das ist bemerkenswert", sagte Epicharis und wippte mit dem Fuß.
    "Dann wird dir die Aufgabe sicher nicht schwer fallen, die ich dir zugedacht habe. Sieh mal hier. Das ist eine Liste aller Patrizier und Senatoren, die zu einem Fest geladen werden sollten. Es wird am KAL FEB DCCCLVII A.U.C. (1.2.2007/104 n.Chr.) auf unserem Landgut stattfinden. Ich mätte gern, dass du je einen Text verfasst, einen für die Senatoren, einen für die Patrizier und einen für die Familia. Die Familenmitglieder kannst du ruhig zusammenfassend erwähnen, ich denke, ein Brief nach Rom sollte genügen. Vorerst reicht auch eine Rohsfassung, bei der du die Namen aussparen kannst.Auf die Formulierung kommt es an, aber ich werde ohnehin noch einmal drüberschauen."


    Epicharis hielt Aintzane die Liste hin.
    "Denkst du, du wirst das hin bekommen, Aintzane?"

    Glücklicherweise kam in diesem Moment auch Aintzane herein. Epicharis fand diesen kleinen Auflauf in ihrem Zimmer sehr amüsant, lächelte Assindius an und sprach:
    "Danke, Assindius, dass du gekommen bist. Aber du kannst jetzt gehen. Komm ersteinmal zu Atem, Aintzane. Ich hörte, du bist sehr geschickt im Umgang mit Sprache und Schrift?" fragte sie die Sklavin, während sie eine Ecke des Pergaments unbewusst zerknitterte.

    Auch Epicharis dachte noch einmal an die Begegnung auf dem Markt zurück, die wirklich nett begonnen hatte, dann jedoch durch diesen Schnitzer beim Händler etwas ins Negative abdriftete. Nun, sie hatte für sich beschlossen, Tiberius Vitamalacus' als Soldaten zu betrachten, der nun einmal nicht anders konnte, als einzugreifen, wenn er es für nötig erachtete, es aber eigentlich nicht nötig war. Sie hatte dieses Kapitel abgeschlossen und ad acta gelegt, und dabei sollte es auch bleiben. Aus diesem Grund ging sie nicht mehr auf die Worte diesbezüglich ein.


    Wieder gab der Papagei eine neue Schandtat von sich. Und in der Tat, Albinas Zweifel am Besitzer dieses Vogels gab auch Epicharis zu denken. Was, wenn es wirklich eine Frau war, der dieser Prachtkerl gehörte? Vermutlich war es gar Vinicius Hungaricus' Eheweib selbst, und vielleicht hatte sie den Vogel auf die Allgemeinheit losgelassen, damit dieser ihre Meinung über ihren Ehemann verbreitete? Epicharis schmunzelte hinter vorgehaltener Hand. Nein, das passte vielleicht zu einem rachsüchtigen Eheweib, aber nicht zu Tiberia Livia, die Senatorin und angesehen war. Auch, wenn man als Patrizierin nichts im Senat zu suchen hatte, wie Epicharis fand. Das war eine Männerdomäne, die Frauen sollten da nicht mitmischen. Livia hatte vermutlich ein Motiv (denn man munkelte, dass sie und ihr Mann nicht gerade ein glückliches Paar waren), aber keine Ambitionen, derart gegen ihren Mann vorzugehen. Ihr fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass sie Tiberia Livia besser nicht in der Gegenwart ihrer Verwandten so schändlich erwähnte, und so zuckte Epicharis nur die Schultern und sagte:


    "Da magst du recht haben. Vermutlich täten wir besser daran, uns von hier zu entfernen. Zum Schluss kommt noch jemand auf die Idee, wir hätten den Vogel hier freigelassen, um den Senator zu diskreditieren..."

    Nachdem sie einen verwunderten Blick mit Antonia getauscht hatte, beeilte Epicharis sich, dieser zu folgen. Augenscheinlich kannte sie die Frau so wenig wie sie selbst. Noch während die Frau sich als Flavia Leontia vorstellte und nach der Katze forschte, fiel es Epicharis siedendheiß ein: Die Katze, die der Spatz und seine Sklavin gequält hatten, gehörte augenscheinlich dieser Frau. Sie beschloss, sich da herauszuhalten. Das war nicht ihre Katze und das war auch nicht ihr Verwandter, der im übrigen auch kein süßer Spatz war, sondern es faustdick hinter den Ohren zu haben schien. Nein, Epicharis würde nichts verraten und sich damit am Ende noch unbeliebt machen. Außerdem war sie sich sicher, dass die kleine Katze mit dem Namen Sphinx auf sich selbst aufpassen würde nach dieser Tortur im Garten. Zumindest hoffte sie das. Ein Blick zu Serenus und die Erinnerung an den Befehl, den er seinem stattlichen Hund gegeben hatte, ließ diese Sicherheit allerdings zugunsten einer vagen Hoffnung schwinden. Hoffentlich hatte Sphinx sich auf einen Baum gerettet.


    Lächelnd stand sie nun neben Antonia und neigte grüßend den Kopf.
    "Salve auch dir, man nennt mich Claudia Epicharis, ich bin die Tochter des Claudius Vesuvianus aus Mantua. Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich glaubte vorhin auch, eine Katze gesehen zu haben, im Garten. Vermutlich ist sie noch dort."


    Antonias Blick hatte sie bemerkt, doch es hatte dessen nicht bedurft, um Stillschweigen zu bewahren. Stattdessen richtete Epicharis ihre Palla und warf Serenus einen Blick zu. Vermutlich würde der Junge ihnen nicht einmal dankbar sein, dass sie nichts gesagt hatten. Auch sah sie auf die Hühnerleber und erinnerte sich daran, wie die Katzen der Tante in Tarraco beim Geruch von Fisch nicht schnell genug ins Haus kommen konnten. Vielleicht erwies sich dieses Wissen hier als nützlich, und so schlug sie vor:
    "Die Katzen meiner Tante fanden den Geruch von Fisch sehr anziehend. Vielleicht wäre das noch einen Versuch wert?"

    Epicharis' Lippen kräuselten sich. Das war ja nicht gerade wünschenswert. Sie seufzte und zuckte mit den Schultern.


    "Das ist schlecht, Assindius", begann sie.
    "Es geht darum, mir bei Einladungsschreiben zur Hand zu gehen, also bräuchte ich wirklich Aintzane. Könntest du nicht ihre Verpflichtungen an ihrer Stelle übernehmen und sie mir schicken? Ich bezweifle, dass du im Formulieren so geschickt bist wie sie."


    Hart, aber ehrlich. :D

    Eine Tiberia also. Epicharis nickte verständig.
    "Ja, Tiberius Vitalamalacus habe ich selbst vor kurzem kennen gelernt. Er war mein Retter in der Not, als meine Sänfte zu Bruch ging", erzählte sie, wenn das wohl auch etwas übertrieben war. Wieder kreischte der Papagei. Inzwischen hatten sich noch mehr Leute eingefunden, teils empört, teils mit deutlich schadenfrohem Ausdruck auf den erheiterten Gesichtern. Kaum hatte Albina diesen deutlichen Satz gesagt, sah Epicharis sie erstaunt an, musste sich kurz darauf aber schon die Hand vor den Mund halten, damit man das Lachen nicht sah. Grinsend neigte sie den Kopf.


    "Ich möchte wetten, dass es bald vor Soldaten nur so wimmelt, die den armen kleinen Kerl einfangen und richten wollen. Man kann nur hoffen, dass sein Besitzer ihn eher fängt. Aber du hast vermutlich recht, kein Mann klaren Verstandes würde sich nun die Blöße geben, sich zu dem Vogel zu bekennen. Er würde mit Strafen rechnen müssen."

    Als eine weibliche Stimme hinter ihr erklang, wandte sich Epicharis um und erblickte eine Frau, die etwa in ihrem Alter sein musste. Flüchtig streifte sie deren Knöchel mit ihrem Blick und bemerkte so das Zeichen der Patrizier, einen Halbmond aus Elfenbein. Sie lächelte die Fremde freundlich an und blickte dann erneut zu dem Papagei.


    "Salve. Oh, nein, das ist nicht meiner. Ich kam zufällig hier vorbei und hörte sein Tun. Und nun frage ich mich, wem er wohl gehören mag. Bei seinen Äußerrungen möchte man meinen, sein Herrchen sei jemand, der Senator Vinicius Hungarivus nicht ausstehen kann", schmunzelte Epicharis und wandte sich wieder der Frau zu.


    Der Papagei wippte mit dem Kopf und krächzte noch einige Male vor sich hin.
    "Hungi ist ein Lüstling! Krah! Hungi ist ein Lüstling!"


    "Wenn er so weiter macht, fürchte ich, dass er nicht mehr lang auf seinem Ast sitzen wird", fügte sie bedauernd an.
    "Dabei schau dir nur mal die kostbaren blauen Federn seiner Flügel und die gelben Daunen auf seiner Brust an. Es wäre schade, wenn man ihm wegen seiner anklagenden Worte den Garaus macht. Aber verzeih, ich bin Claudia Epicharis - und wer bist du?" fragte sie freundlich.

    Epicharis folgte einem Weg, den sie bisher noch niemals gegangen war. Eigentlich wollte sie zur Villa Claudia zurückkehren, doch dann hatte ein Vogel sie in ihren Bann gezogen, wie er in einiger Entfernung auf einem Ast saß. Ein Papagei, augenscheinlich. Vermutlich war er jemandem entflogen, nun saß er auf seinem Ast, krahte mal laut, mal leise vor sich hin und rief in einigen Abständen unzusammenhängende Sätze.


    "Gaius ist ein kleiner Scheißer! Krah!"


    Die Claudierin blieb verwundert unweit des knospenden Baumes stehen, außer ihr schien niemand sonst den prächtigen Vogel bemerkt zu haben. Verwundert fragte sie sich, wie man einem Tier das Sprechen beibringen konnte, und ob das auch bei anderen Tieren funktionierte oder nur bei Papgeien.


    "Knüppel aus dem Sack! Gnaah..... Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!"


    Fragend wandte sie sich an einen der sie begleitenden Sklaven, doch der zuckte bezüglich ihrer Frage auch nur mit den Schultern.
    "Na, aber irgendjemandem muss er doch gehören. Schau, wie gepflegt er ist", beharrte sie darauf, dass einer ihn vom Baume pflückte.


    "Spießer! Senator Hungaricus ist ein Spießer!"


    Epicharis riss erstaunt die Augen auf. Na hoffentlich hatte das niemand gehört. Obwohl, witzig war es durchaus.

    Epicharis grinste bei der wüsten Aufzählung an dingen, die Serenus ganz unbedingt noch brauchte. In Gedanken sah sie schon die Sklaven unter der Last an Einkäufen zusammenbrechen. Angesichts dieser Vision, die durchaus zur Realität werden konnte, schmunzelte Epicharis und wandte sich an Antonia.


    "Nun, vielleicht sollten wir noch ein paar fleißige Hände mehr mitnehmen, ehe der gute Serenus gar die Ziegen allein nach Hause führen muss", sagte sie und blickte Serenus belustigt, aber warmherzig an. Etwas in seiner Erziehung war falsch gelaufen, vermutete sie, aber nichtsdestotrotz mochte sie den kleinen Flavier. Das würde sie beizeiten zeigen.


    "Wir können meine Sklaven noch dazunehmen, dann ziehen wir nicht zu viele der euren von der Arbeit ab. Cerrus! Greife dir Pernus und die anderen drei und kommt hierrüber. Wir gehen in die Stadt und ihr kommt mit", rief sie dann leise den wartenden Sklaven zu.


    "Fertig?" fragte Epicharis abenteuerlustig.

    "Er ist Tribunus Angusticlavius", gab Epicharis verwundert zur Auskunft. Irgendetwas stimmte nicht, denn wenn Onkel Vitulus nicht einmal wusste, was sein Bruder gegenwärtig tat... Sogleich lieferte er auch die Erklärung für seine Unwissenheit. Epicharis setzte einen betrübten Gesichtsausdruck auf und seufzte.


    "Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns alle einmal wiedersehen. Das täte dir ganz gewiss gut, Onkel. Vater wird ein Fest veranstalten, du kommst doch auch oder? Er denkt, dass man meine Rückkehr feiern sollte und die Hinzugewinnung einer weiteren Tochter", sagte Epicharis und kicherte kurz.
    "Und er möchte bedeutende Senatoren und Patrizier einladen. Es geht vermutlich nicht nur um meine Rückkehr, sondern auch um meine Heirat."


    Kurz verstummte Epicharis und dachte an das bevorstehende Fest. Die Einladungen waren in Arbeit und würden sehr bald ausgesandt werden. Sie würde sich überraschen lassen.


    "Oh, ich hab das Ludus Latrunculorum mitgebracht! Es ist aus Hispania, ganz neu und bisher unbespielt. Ich wollte es mit dir einwehen, wenn du magst."
    Geschäftig holte Epicharis das Spiel herbei und baute es behende auf einem kleinen Tischchen in ihrer beider Reichweite auf. Dabei plapperte sie drauflos, ihren Onkel so aus seiner Lethargie zu holen suchend.


    "Schau mal, die Steine sind aus Elfenbein, mit eingesetzten Edelsteinen. Es hat mir so gut gefallen, dass ich den Händler an drei aufeinander folgenden Tagen aufgesucht habe, nur um das Spiel zu bestaunen. Von dem Geld, was Vater mir geschickt hat, habe ich zwei solcher Ludi erstanden, eines habe ich Antonia geschenkt, du weißt doch, sie lebt jetzt bei den Flaviern. Ach, was hat sie sich gefreut! Und schau dir mal das Spielbrett an, siehst du, hier und hier ist Permutt eingearbeitet und auf der Rückseite......"


    So ging es in einem Fort, bis Epicharis sich schlicßlich daran erinnerte, dass ihr Onkel sich vielleicht überrumpelt fühlen würde. Entschuldigend sah sie ihn an, zwischen ihnen war das Spiel bereits aufgebaut.


    "Oh, ich würde schrecklich gern etwas aus deiner Feder lesen!" versicherte sie mit glänzenden Augen.

    Überrascht wandte Epicharis den Kopf. Es mochte zwar sein, dass sie durch das Einschreiten des Tiberiers nun dreißig Sesterzen weniger zahlen musste, und doch schätzte sie dieses unerwartete Eindringen nicht gerade, denn es drückte doch unweigerlich aus, dass er nicht von ihrer Handelsart überzeugt und der Meinung war, es besser zu können. Der Vorteil, den ihm seine vormaliges Aedilat eingebracht hatte, wirkte fehl am Platze, befand Epicharis. Doch kräuselten sich nur ihre Lippen unmerklich bei seinem Eingriff in ihr Handeln, mehr ließ sie sich nicht anmerken und jemand, der sie nicht gut kannte, würde es auch nicht als das deuten, was es war, nämlich leichte Enttäuschung gepaart mit Missbilligung. Sie hatte den Tiberier schließlich nicht darum gebeten, sich hier einzumischen. Dennoch ließ sie dem Händler durch einen der Sklaven die ausgehandelte Menge an Münzen zukommen und wartete, bis er die Tunika verpackt und übergeben hatte.


    "Nun, ich denke, damit wäre das erlefigt. Ich würde nun gern nach Hause gehen", sagte sie und lächelte, wenn auch nicht mehr so einnehmend wie kurz zuvor. Vermutlich konnte der Soldat nicht anders, als dein kühl berechnenden Genius herauszukehren. Sie sah es ihm nach und ging nicht darauf ein.


    "Besteht das Angebot noch, eine sänftenlose Dame nach Hause zu geleiten?" fragte sie höflich und zugleich verschmitzt.

    Keine vorlobten Männer, keine verheirateten, machte sich Epicharis gedanklich eine Notiz. Zu den ganzen Namen kamen nun noch einige hinzu, dann vereinfachte Epicharis' Vater die ganze Angelegenheit, indem er kurzerhand alle Senatoren einlud, auf die seine Auswahlkriterien zutrafen, mit Ausnahme eines Mannes. Epicharis leerte ihren Becher und stellte ihn fort, wo man ihr sogleich nachschenkte. Sie dachte nach. Das würde eine Menge an Schreibkram erfordern. Auf Nordwin würde sie sich nicht verlassen können, der konnte gerade mal seinen eigenen Namen schreiben, sonst aber nichts. Vielleicht Aintzane. Ja, doch, das war eine Idee. Von dem, was Epicharis bisher mitbekommen hatte, war die Sklavin recht gescheit was Schrift und Sprache betraf. Im Grunde würde Epicharis nur eine Namensliste aufzusetzen haben, alles weitere konnte die Sklavin erledigen. Sie nickte zu sich selbst, wurde dann wieder ihres Vaters gewahr und schmunzelte ebenfalls.


    "Vielleicht sollte ich mich schrecklich ungehobelt geben auf dem Fest", stichelte sie augenscheinlich mit vollem Ernst zurück. Natürlich würde sie das nicht tun, denn sie wusste ja, was sich gehörte. Trotzdem sah sie den Feierlichkeiten mit einer gewissen Anspannung kennen. Vermutlich lernte sie dort ihren baldigen Ehemann kennen. Sie schüttelte den Gedanken ab und dachte an das Landgut.


    "Ich nehme an, das Gut muss noch hergerichtet werden. Ich werde das gleich morgen in Angriff nehmen und die Sklaven einkaufen schicken. Ich bin mir sicher, dass der Termin eingehalten werden kann. Das wird eine Herausforderung werden, der ich mich gern stelle. Ah, was die Einladungen betrifft, so willst du sie sicher selbst signieren. Gehe ich recht in der Annahme, dass du gleich morgen ins Castellum zurückkehren wirst? Dann würde ich dir Nordwin oder Assindius zum signieren schicken."

    Epicharis wandte kurz den Blick zu Assindius, der sich grimmig wie ein germanischer Nahkämpfer vor der Tür aufgebaut hatte, dann zogen das Buch und diese ominöse Aufzeichnung sie wieder in ihren Bann.


    Kein Text also. Was dann? Eine Zeichnung? Vielleicht doch Stichworte? Ungeduldig wartete Epicharis darauf, dass Deandra endlich die Stelle mit dem Pergament erreichen würde. Allerdings hätte sie selbst das Buch auch nicht schütteln wollen, dazu sah es viel zu marode und einfach zu alt aus. Die Götter allein wussten, wem es auffallen würde, dass dieser erotische Band nicht mehr in dem Zustand war, in dem man ihn zurückgelassen hatte. Hinterher war es gar ihr Vater, und das Donnerwetter wollte sie sich lieber nicht ausmalen.


    Dann lag der Zettel frei, und Epicharis spähte wieder an Deandra vorbei auf das Schriftstück, konnte sich aber ebensowenig einen Reim darauf machen wie Deandra. Fragend sah sie Deandra an. Mit der Zeichnung an sich konnte Epicharis nichts anfangen, doch als Deandra den Zettel herumdrehte, schnappte Eoicharis nach Luft und deutete mit dem Finger auf das vergilbte MCM.


    "MCM - das kann eigentlich nur für Marcellus Claudius Macrinius stehen!" entfuhr es ihr.
    "Vielleicht ist s der Plan des Kastells? Oder der der Academia Militaris?"


    Sie gluckste und kicherte. DieVermutung, Macrinius hätte einen Plan gebraucht, um sich nicht zu verlaufen, war einfach nur amüsant.

    An einem kleinen Tisch sitzend betrachtete Epicharis die Namensliste, die vor ihr ausgebreitet lag. In ihrer engen, geschwungenen Handschrift fanden sich dort viele Namen untereinander aufgereiht. Sie versuchte sich, hinter den fremden Namen Gesichter vorzustellen, kam jedoch auf kein Ergebnis. Sie hatte nach Aintzane schicken lassen und erwartete nun gedankenverloren deren Eintreffen.


    Epicharis grinste nun verhalten. Kaufe nach Gutdünken.... Wenn sie das in die Tat umsetzte, war ihr Vater morgen ein armer Schlucker. Sie würde sich also ihm zuliebe doch auf das nötigste beschränken und die teuren Tuniken und Stolen, die Pallae und die Cabatinae und die ganzen Schminkutensilien sowie Haarschmuck, Ketten und Ohrringe weglassen, die soeben vor ihrem geistigen Auge erscheinen waren. Aber nur ihm zuliebe.


    Seiner Aufzählung lauschte sie mit doppelt gespitzten Ohren, beinhaltete sie doch direkte Anweisungen, die es nicht zu vergessen galt. So schnell folgten Namen auf Namen, dass sie sich bald eine Tabula wünschte, um nichts zu vergessen. Doch irgendwie bewerkstelligte Epicharis es, keinen Namen zu vergessen. Glerich nach dem Abendessen würde sie auf ihr Zimmer eilen und die Namen niederschreiben, um sie nicht durcheinander zu bringen. Schnell erkannte die Claudia, dass hinter der Aufzählung ein Muster lag. So kam es, dass sie außer einem verständigen Nicken selbst auch einen Namen beisteuern konnte.


    "Octavius Victor?" warf sie einen Namen in den Raum, weil sie wusste, dass er Senator war und die Cohortes Urbanae leitete. Vermutlich würde Vesuvianus ihn ebenfalls einladen wollen, sofern es da nicht etwas zwischen ihnen gab, was eine EInladung verbot. Ansonsten wusste Epicharis nicht viel anzufangen mit den Senatoren Roms. Natürlich hatte sie den ein oder anderen Namen gelesen, aber es interessierte sie nicht so sehr wie andere Dinge.


    "Und dein Legat, ist das nicht ein Decimus? Und soll ich die Würdenträger auf das Landgut laden? Was hieltest du vom KAL FEB DCCCLVII A.U.C. (1.2.2007/104 n.Chr.)?"

    Kaum hatte Deandra diese Worte an Corvinus gerichtet errötete Epicharis leicht und warf ihrer Schwester einen ermahnenden Blick zu. Corvinus schien das allerdings gelassen zu nehmen und überschüttete nicht nur sie, sondern auch Deandra mit Komplimenten. Das machte ihn irgendwie sympatisch, befand Epicharis.


    Während Deandras Sklavin den Befehl erhalten hatte, das Essen heranzuschaffen, wandte sich Epicharis nun an Assindius. Wo Nordwin steckte, wusste sie nicht, doch sie vermutete ihn in den Stallungen.
    "Assindius, schenke dich bitte unserem Gast und uns etwas zu trinken seiner Wahl ein. Ich hätte gern etwas von diesem germanischen Apfelsaft", sagte sie.
    "Ich hoffe doch, das nichts wichtiges an Arbeit liegen bleibt", fuhr sie dann an Corvinus gewandt fort."


    Bald hatten alle einen Becher in der Hand, worüber Epicharis recht glücklich war, denn so hatte sie etwas, woran sie herumnesteln konnte, wie auch jetzt.
    "Für jeden anderen Mann? Dann ist es für dich also keine Herausforderung? Nun ja, dann wollen wir mal sehen, wie du den Abend bewältigen wirst", sagte sie, drehte den Becher und schmunzelte Corvinus keck an. Gottlob wusste er nichts von Deandras und ihrer Aktion in der Bibliothek.