Beiträge von Flavia Epicharis

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    ...


    Dieses Mal war sie schlauer gewesen und hatte sich eher darum gekümmert, dass sie und ihr Gemahl nicht wie zwei bunte Vögel auf einer Festivität erschienen. Sie hatte den Sklaven, der Aristides einkleiden sollte, wissen lassen, dass sie selbst gedachte, eine dunkelblaue Seidentunika zu ihrem goldenen Saphirschmuck zu tragen. Und der Sklave hatte daraufhin etwas Passendes gewählt, sodass die beiden - Eheleute wie Farben - nun harmonierten und sich nicht abstoßen, wie das zuletzt der Fall gewesen war, als Epicharis etwas Rosafarbenes und Aristides ein schillerndes Grün getragen hatte. Auf die Bitte des Sklaven hin gingen Aristides und Epicharis also hinein, wobei die Flavia es sich nicht nehmen ließ, sich bei ihrem Gemahl unterzuhaken.

    "Oh schau nur, der Haruspex ist schon da", sagte Epicharis in eben diesem Moment zu ihrem Gemahl, als sie ins Haus kamen. Interessiert betrachtete sie die Einrichtung. Epicharis war bisher nur einmal zu einer Plebejerhochzeit geladen gewesen, und das war die von Artoria Medeia und Matinius Plautius gewesen. Plötzlich musste sie kurz kichern. "Weißt du eigentlich, dass wir bisher nur auf kuriosen Hochzeiten waren?" erzählte sie Aristides. "Damals die von deinem Präfekten Matinius im Kastell, dann unsere eigene und nun diese hier." Keine der drei hatte auf herkömmliche Weise stattgefunden, zumindest was die Orte betraf. "Warum feiern sie eigentlich in der Casa Sergia und nicht bei den Furiern?" wollte sie leise von Aristides wissen. Immerhin erklärte sich dieser Umstand auch nicht mit einem Streit oder ähnlichem, denn dann hätte man doch gleich die Casa Annaea gewählt und nicht das Haus einer eigentlich gar nicht involvierten Familie. Oder?

    Sim-Off:

    Auf mich hast du ja auch warten müssen ;)


    "Nein, das hast du nicht. Ich hoffe nur, du findest, was du suchst. Es tut mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen konnte", erwiderte Epicharis ein wenig ratlos und zuckte mit den Schultern. Die Sache mit der Wohnung hatte er gar nicht noch einmal angesprochen, obwohl sie ihn danach gefragt hatte. Naja, vielleicht war es auch nicht so wichtig gewesen, überlegte sie. Ein letztes Lächeln warf sie dem Fremden zu, dann deutete sie mit einem nachdrücklichen Blick der versammelten Mannschaft hinter, neben und um sich herum an, dass sie nun weitergehen würden. Und so machten sich Epicharis und ihre Sklaven über einen kleinen Umweg bei Guccius schließlich auf den Heimweg zur Villa Flavia.

    Im Gegenzug für die restlichen Fäden hatte Fiona Epicharis drei Münzen gegeben. Kühl fühlten sie sich an. Als Epicharis kurz auf sie hinunter sah, schimmerte der Kopf des vergangenen Kaisers auf dem metallenen Rund. Auf Hochglanz poliert und so ebenmäßig rund als möglich, würden sie ein geeignetes Münzopfer darstellen, nachdem sie dein zweitwichtigsten Schwur dieses zu Ende gehenden Tages geleistet haben würde. Doch zuvor kam noch die Bekanntmachung mit den flavischen Hausgöttern, die gewiss doch auch Gracchus übernehmen würde, als Pontifex. Oder war es Aristides' Part? Epicharis war sich plötzlich nicht mehr so sicher, und diese Unsicherheit ließ ihre Aufregung rapide in die Höhe schnellen. Sie warf dem schmucken Soldaten noch einen Blick zu. Wollte er nicht?


    Im nächsten Moment trat Gracchus an Epicharis' Seite. Sie blickte zu ihm auf, und seine feierliche Miene ließ ein wenig Zuversicht und Ruhe in ihrem Gemüt einkehren, wenngleich sie noch immer aufgeregt war. Er und ihr Arbeitgeber postierten sich zu ihrer Rechten und Linken. Epicharis legte ihre Arme um die Nacken ihrer beider Träger. Und dann verloren ihre Füße den Kontakt zum Boden und sie schwebte förmlich über die Schwelle ihres zukünftigen Heimes. Epicharis strahlte. Und als ihre Füße den blitzblanken Boden im Inneren des Hauses zum ersten Mal an diesem Tage berührten, warf sie Gracchus und Corvinus nacheinander je einen dankbaren Blick zu. Die wenigen Schritte hin zu ihrem Ehemann, der vor dem Impluvium Aufstellung genommen zu haben schien, tätigte Epicharis nun wieder selbst. An jeder zweiten Säule des Atriums war eine Feuerschale platziert worden. Die züngelnden Flammen tauchten den Raum in ein verwunschenes Licht. Sie würde nach der Bekanntmachung mit den Göttern nun Feuer und Wasser von Aristides erhalten, jeweils in einer kleinen Schale, die genau in die Hand passte.

    So, wie sie den Mann eingeschätzt hatte, hätte sie gedacht, dass ihm einhundertundsieben Sesterzen zu viel Geld waren. Doch er winkte ab und Epicharis zog mit einem Schmunzeln ihre Hand mit den Anzeigen zurück. "Voraussichtlich ANTE DIEM V KAL FEB DCCCLIX A.U.C. (28.1.2009/106 n.Chr.)." Dann nahm sie das Geld.



    Sim-Off:

    Sorry, plattes Rollenspiel ist nicht so meins. Schade drum.

    Der Sklave wandte sich fragend nach seiner Herrin um, die in diesem Moment Ursus flüchtig zulächelte. Epicharis nickte daraufhin dem Sklaven zu, der sich wieder zur Rostra umwandte. "Meine Herrin dankt dir für die Beantwortung ihrer Frage", sagte er höflich, deutete eine Verbeugung an und begab sich dann zurück zu Epicharis. Kurz darauf wandten sich beide zum Gehen, und nur wenig später waren sie zwischen den hastenden Menschen verschwunden.

    "Also", erwiderte Epicharis gespielt entrüstet. "Wenn ich dir helfe, dann bestehe ich aber darauf, dass du mir nichts schenkst! Ich habe kein eiegenes Gewerbe, aber ich kann mir vorstellen, dass man sich zuerst im Wettbewerb behaupten muss. Und gerade hier in Rom gibt es ganz sicher viele Bäckereien. Du müsstest also etwas Besonderes anbieten. Vielleicht so eine Art wie dieses Früchtebrot?" schlug Epicharis vor und deutete auf das Bisschen Brot, das übrig geblieben war. "Ich muss natürlich erst mit Marcus darüber reden. Aber wenn wir es geschickt anstellen, sollte das kein Problem darstellen." Und Epicharis würde es geschickt anstellen. Viele Dinge waren einfacher, wenn die Männer dachten, es wäre ihre eigene Idee. Genau das hatte Epicharis vor. Sie würde nur den passenden Zeitpunkt abwägen müssen.


    "Ich glaube, in der Via Lata gibt es eine Bäckervereinigung. Wir könnten dann dort einmal nachfragen, ob sie wissen, wo man geeignete Räume anmieten kann, was meinst du?" sagte Epicharis. Sie wusste selbst nicht so genau, warum sie eigentlich schlagartig so von Vorfreude erfüllt war, doch es war so, obwohl sie Bridhe und ihr Kind eben erst kennengelernt hatte. Und was konnte man denn falsch machen, wenn man einer jungen Frau und ihrem Sohn ein wenig Hoffnung schenkte und von dem großen Kuchen abgab, den man selbst besaß? Außerdem war sie schließlich eine Klientin der Flavier. Es gab also nichts, was man falsch machen konnte. "Du bräuchtest natürlich auch einen aussagekräftigen Namen. Nicht so etwas wie 'Bridhes Bäckerei'", bemerkte Epicharis.

    Wie der Sklave seinem Herren die Augen ersetzte, war ein faszinierendes Schauspiel. Epicharis verfolgte jede Bewegung mit großer Aufmerksamkeit, und sie war beinahe froh darum, dass Tucca diese Unhöflichkeit nicht bemerken konnte. Wieder kam sie zu dem Schluss, dass der Claudier aufgeschmissen war, wenn sein Sklave nicht zugegen war. "Rom ist groß. Es gibt selbst heute noch für mich Orte, an denen ich noch nicht war. Und damit meine ich nicht nur die Subura. Vermutlich ist die Stadt einfach zu groß", erwiderte sie auf Tuccas Widerspruch hin. "Aber Rom ist auch unpersönlich und unhöflich. Ich stelle das immer wieder fest. Wenn die Leute nicht gleich wissen, mit wem sie es zu tun haben, sind viele einfach unmöglich. Sobald du ihnen dann deinen Namen verrätst, sieht es ganz anders aus. Sie katzbuckeln um die Wette, sobald sie erfahren, dass du aus gutem Hause stammst. Seitdem ich eine Flavia bin, ist das sogar noch ein wenig schlimmer geworden - und mein Mann ist noch nicht einmal Senator - obwohl es natürlich nach wie vor auch das Gegenteil gibt." Epicharis zuckte mit den Schultern und seufzte leise. Erst neulich hatte sie einen ungehobelten Mann im Gebäude der Acta empfangen und ihm bei seinen Inseraten geholfen.


    Epicharis betrachtete Tucca aufmerksam. Seine Lider hielt er nicht geschlossen, er blinzelte ab und an. Und doch sah er nichts. Ein wenig drehte er den Kopf seitlich in ihre Richtung, vermutlich, um sich besser auf das Gesagte konzentrieren zu können, überlegte sie. Jemand hatte ihr einmal erzählt, dass sich die anderen Sinne schärften, wenn einer ausfiel. Ob das stimmte? Epicharis blinzelte, sah Tucca dann ein wenig zerknirscht an. Es gab wirklich etwas, das sie gern wissen wollte, aber wäre es nicht unhöflich, das zu fragen? "Ich gebe mir Mühe", versicherte sie ihm. "Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen wie es für dich sein muss... Konntest du denn früher sehen?" fragte sie ihn, als ein Kindergebrabbel um die Ecke bog. "Antonia kommt gerade", bemerkte Epicharis unnötigerweise, denn hören konnte Tucca sicherlich gut, und der kleine Gracchus war nun einmal nur schwerlich zu überhören. "Salve Antonia...und salve keiner Mann", sagte Epicharis und wackelte zum Gruß an Minors Fuß. Ein Kichern folgte, als die Ex-Claudia Antonias gut gelaunte Worte vernahm. Amüsiert begann sie, dem kleinen Flavius Grimassen zu schneiden.

    "Dafür war man leider ein wenig zu spät dieses Jahr", erwiderte Epicharis auf Celerinas Frage hin und schmunzelte schief. Sie ahnte schon, dass man dieses Jahr wirklich froh darüber sein würde, wenn die Saturnalien erst einmal vorbei waren. Den Sklaven aber musste es Genugtuung sein, dass es in diesem Jahr wirklich die Herrschaften waren, die anpacken mussten. Epicharis schwante, dass die heutige Cena das einzige warme Essen für die Dauer der Feiertage sein würde. Wäre sie davon nicht selbst betroffen, hätte sie gegrinst.


    Im nächsten Moment trat Fiona ein. Epicharis hatte sie zunächst nicht vemerkt, erst auf Celerinas Frage wandte sie sich Fiona zu und musterte sie irritiert. Grausig sah sie aus, wie eine Wilde! Epicharis' Brauen rückten näher zusammen und sie seufzte lautlos. Seit ihrer Auseinandersetzung im Garten hatte Fiona sie gemieden, wann immer es ging. Epicharis bedauerte das. Andererseits war sie auch ganz froh darüber, sich nicht noch einmal mit ihr auseinandersetzen zu müssen, im wahrsten Sinne des Wortes. "Fiona, eine meiner Sklavinnen", sagte sie, obgleich ihr Besitz nun genaugenommen der Aristides' war. Epicharis wandte den Blick ab und taxierte nun einen der schimmernden Flecken Celerinas. "Hast du mal Bleiweiß versucht? Nicht nur beigemengt, sondern als Grundierung", schlug sie der Flavia vor, denn man sollte erst viele Jahrhunderte später herausfinden, dass Bleiweiß in Wirklichkeit giftig war.


    Was Cassim über Epicharis dachte, ahnte diese zum Glück nicht. Denn wenn es etwas gab, das sie ihm übel genommen hätte, so wäre es der Vergleich mit einem wissbegierigen Kind gewesen, obwohl das genaugenommen des Öfteren haargenau gepasst hatte, beispielsweise bei ihrem Gespräch mit Antonia im Garten. Trotzdem war sie spätestens seit der Hochzeitsnacht eine vollwertige römische Frau. Fand sie. "Du sagst also, dass der Vogel dann die Beute nicht frisst, wenn er sie geschlagen hat? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Du treibst Schabernack mit mir! So ein Raubvogel wird doch gewiss von seinen ureigensten Instinkten geleitet, nicht? Und wenn er einmal Blut an seinen Krallen hat, wird er doch ab und an ein Stückchen herauspflücken aus dem Opfer..." Epicharis schüttelte schmunzelnd den Kopf, betrachtete Cassim dann verschmitzt. Einsam war er also wirklich. "Ich werde sehen, was ich tun kann", versprach sie ihm leise. Es mussten ja nicht unbedingt alle Anwesenden mitbekommen, dass sie für Cassims Kurzweil sorgen lassen wollte. Dann wurde das Schmunzeln wieder breiter. "Aber nur, wenn du mir deinen Vogel einmal vorführst!" sagte sie.


    Der Geruch von gebratenem Speck ließ Epicharis aufblicken. Im nächsten Augenblick schon betrat Bridhe schwungvoll das Esszimmer und lud ein riesiges Tablett auf dem Tisch ab. Mit hungrigen Augen und nach innen gesogenen Lippen betrachtete Epicharis flüchtig die Auswahl, dann lächelte sie der Freien zu. "Bona Saturnalia, Bridhe! Das schaut aber gut aus... Braucht ihr noch Hilfe in der Küche?" Immerhin sollten die drei auch etwas vom Essen haben und nicht ständig nur für Nachschub sorgen müssten, dachte sie sich, als plötzlich noch einer im Raum stand. Ein Sklave, den sie nicht kannte und der nur Grüße überbrachte. Ach, es war ein Sklave von Furianus... Zu den Saturnalien schickte man also jemanden, bei der Hochzeit hatten Aristides und sie nicht einmal eine läppische Tabula bekommen. Sie rümpfte kurz die Nase, nickte ihm nur zu und schob sich dann eine Feige im Speckmantel in den Mund. "Mmmh..."

    Überrascht darüber, in ein im Dunkel liegendes Zimmer hineinzublicken, sah Epicharis sich erst einmal um. Dann erkannte sie Celerina, beachtete die Sklavin nicht weiter und schritt an ihr vorbei zu Celerinas Bett, wo sie sich auf der Bettkante niederließ. Ein wenig verwunderte sie Celerinas fast schon zu höflicher Ton. Epicharis wusste nicht, wie sie reagiert hätte, aber vermutlich hätte sie weitaus weniger höflich reagiert, wenn auch nicht gerade unfreundlich. Epicharis zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht und stellte das mitgebrachte Tellerchen samt Gebäck auf Celerinas Kommode neben die Öllampe. Das weiche Licht ließ das Honigteilchen gleich noch einmal Verführerischer wirken, fand sie. Die Honigkruste schimmerte zuckrig. "Ich habe dir etwas mitgebracht. Zucker hilft bei mir, wenn ich traurig bin. Ich dachte, dass ich da vielleicht nicht die einzige bin, der es hilft", erklärte sie, als plötzlich die Tür ein weiteres Mal aufging. Epicharis wandte sich überrascht um, denn en Klopfen hatte sie nicht gehört. Der Zausel war es, der plötzlich im Zimmer stand und zum Bett kam, direkt an Epicharis vorbei und hin zu Celerina. Vielsagend wanderten deren Augenbrauen nach oben, als sie hörte, wie der Sklave seine Herrin ansprach. Und Celerinas Reaktion darauf ließ den Sämling der Erkenntnis in ihr keimen. Epicharis sagte nichts. Es war Celerinas Angelegenheit, wenn sie Trost in den Armen eines Sklaven suchte. Dass sie es missbilligte, verriet nicht einmal ein winziges Zucken ihrer Lider. Verwundert war sie nur darüber, dass sie dem Sklaven gestattete, im Raum zu bleiben. Epicharis hatte gedacht, dass Celerina ihr Gewissen würde erleichtern wollen und sich bereitwillig dafür zur Verfügung gestellt. Doch ob sie es vor dem Sklaven tun wollte, der ihr ja nun doch ganz offensichtlich näher stand, wusste sie nicht. "Er ist dein Sklave, Celerina", erwiderte sie lediglich auf die Frage hin und lächelte ein wenig.

    Sie wusste, dass es sich nicht gehörte, wie ein Marktweib an der Rostra zu stehen und als Frau eine Frage an einen Orator zu stellen. Doch wozu gab es schließlich Sklaven, wenn nicht dafür? So trug sie einem der ihren auf, eine Frage statt ihrer an den Magistraten zu richten. Der Sklave lauschte genaustens der Worte, nickte dann zum Zeichen des Verstehens und wandte sich nach vorn. Allzu viele Zuhörer schien es ohnehin nicht zu geben.


    "Herr! Meine Domina würde gern in Erfahrung bringen, ob du mit "Zuarbeit" meinst, dass du auch an vielen Gesetzestextänderungen mitgewirkt hast, die neuerdings per Dekret in der Acta Diurna publiziert werden!" Epicharis wartete und musterte den Aurelier. Für sie war die Überwachung des Reiseverkehrs ohnehin nichts, das man in einer Abschlussrede als Leistung erwähnte, da sie stark bezweifelte, dass der Aurelius sich selbst nieder gesetzt hatte und die vielen langen Listen durchgegangen war. Für so etwas hatte man Schreiber und Gehilfen, und ein Magistrat hatte sicher anderes zu tun.

    Er konnte nur vom Militär sein, überlegte Epicharis der Kurzangebundenheit wegen und ärgerte sich ein wenig, dass sie ihre Hilfe angeboten und nicht Ion einfach hatte machen lassen. So knapp und kurz abgespeist zu werden, mochte sie nicht. Dennoch nahm sie die beiden Papyrusblätter und zählte rasch nach. Normalgroße Wörter ein Sesterz, große Wörter zwei Sesterzen. "Das wären zweiundachtzig Sesterzen für die erste und fünfundzwanzig für die zweite Anzeige", erwiderte sie kurz darauf und hielt dem Petronier die Anzeigen wieder hin.

    Genaugenommen war die hübsche Frau von außen neben den Fremden getreten, was der scheinbar übersehen hatte. Deswegen war es auch der Türhüter gewesen, der geöffnet hatte, da Epicharis ja gemeinsam mit dem Mann auf Einlass gewartet hatte. Nun, manche Menschen waren bisweilen etwas verwirrt, und so wunderte es Epicharis auch nicht sehr, dass der Fremde sehr kurz angebunden war. "Ich bin Flavia Epicharis. Setzen wir uns doch", sagte sie, da sie fand, dass man solche Dinge nicht im Stehen direkt hinter dem Eingang besprach. Sie wies auf die obligatorische Sitzgruppe im Atrium und steuerte diese auch gleich an, um Platz zu nehmen.


    "Für die kommende Ausgabe können wir leider nichts mehr annehmen, der Redaktionsschluss war gestern. Sie geht heut zu den Steinmetzen. Aber in der Ausgabe danach können wir deine Anzeigen veröffentlichen. Was sie kosten, hängt von der Buchstabengröße und der Anzahl der Worte ab. Hast du deine Texte dabei? Dann schau ich sie mir einmal an", klärte die Lectrix den Besucher über das auf, was in jeder Ausgabe im Kleingedruckten stand.

    So kurz vor Erscheinen der nächsten Ausgabe befand sich Epicharis für gewöhnlich im Hause der Acta, um die Artikel korrekturzulesen. So ergab es sich, dass sie den Eingang erreichte, kurz nachdem ein Bittsteller klopfte, und als die Tür eben geöffnet wurde von Ion, dem Türhüter, langte sie neben dem Fremden an. "Salve! Kann ich dir helfen? Ich bin die Lectrix der Acta Diurna", sagte sie und Ion, der Sklave, grüßte sowohl sie als auch den Besucher höflich, ehe er beide einließ und dann wieder seinen Posten bezog.

    Die leise Unterhaltung neben ihr nahm allmählich Züge an, die Epicharis persönlich missbilligte. In ihren Augen biederte sich Celerina irgendwie an, und obwohl leise gesprochen wurde, hörte sie doch jedes Wort. Und das, obgleich sie versuchte, nicht hinzuhören. Es war ihr unangenehm, dass dieser Haarpuschel Celerinas vorübergehende Schwäche so ausnutzte, und der Sklave hatte Glück, dass Saturnalien waren, sonst hätte sie ihm gewiss ihre Meinung gesagt. Vielleicht würde sie das auch noch machen, Anstand und gute Sitten sollten schließlich durch einen Festtag nicht aufgehoben werden. Vorerst aber begnügte sie sich damit, auf Celerinas Frage einzugehen. "Er und Manius sind in der Küche und bereiten den ersten Gang vor", sagte sie und musterte die blauen Schemen auf Celerinas Haut, die selbst die gute Schminke nicht abzudecken vermochten.


    Als sich das Gespräch wieder um den Falken drehte, wandte Epicharis ihre ganze Aufmerksamkeit wieder Cassim zu, der, wie sein Falke, selbst auch irgendwie für Wildheit stand. Ein krasser Gegensatz dazu waren die Komplimente, die er mit geschmeidiger Zunge und in fast dialektfreiem Latein austeilte. Sie machte große Augen, als er mit Leichtigkeit vom Fliegenlassen sprach. "So einfach ist das? Aber der Vogel könnte sich einen Hasen schnappen und bräuchte deine Belohnung gar nicht", wunderte sie sich. Es war eben wohl doch so, dass Vögel keinen Verstand besaßen. Epicharis hing regelrecht an Cassims Lippen, während er erzählte. Sprach er noch von dem Raubvogel oder schon von sich selbst? Es war ihr stets unangenehm, wenn ihretwegen im Gespräch mit einem Sklaven das Thema auf Freiheit und Freilassung gelenkt wurden. Sie fühlte sich nun so, als müsse sie ein Zugeständnis machen. "Ich hoffe, du fühlst dich nicht einsam. Ich könnte sonst einmal mit Marcus reden..." Ein vager Versuch, aber immerhin der Einstieg in ein Angebot war das. Eines, das weibliche Runden beinhaltete, doch nicht die Freiheit. Das war Aristides' Sache. Epicharis lächelte ihm undeutbar zu. Wo die beiden aus der Küche nur blieben? Und wo war eigentlich Bridhe?

    Das kleine Mädchen mit dem seltsamen Namen war die nächste Person, die in Erscheinung trat. Sie wirkte auf Epicharis wie ein über und über mit Schmuck behangenes Opfertier, das man in einen Schminktopf geworfen hatte und nun zum Altar führte. Zumindest sah sie so aus, vom Erscheinungsbild bis hin zu ihrem Gesichtsausdruck. Da sie nichts sagte, sagte auch Epicharis nichts - immerhin sollten auch zu den Saturnalien zumindest Respekt und Höflichkeit gewahrt bleiben - und nickte ihr nur zu.


    Der seltsame Wuschelkopf - Epicharis fand ihn nach wie vor ausgesprochen hässlich anzuschauen mit seinen vielen Haaren und diesem scheußlichen Schneuzer - war da schon höflicher, was eine Erwiderung ihrerseits hervorrief. "Bona Saturnalia, Chimerion." Beim Gedanken daran, was sie für ihn organisiert hatte, musste Epicharis zunächst schmunzeln, doch das Schmunzeln verging ihr, als sie hörte, was er zu Celerina sagte, die ja nun direkt und unmittelbar neben ihr saß. Er sprach mit ihr, als sei er ein Geliebter und nicht ein Sklave. Misstrauisch runzelte sie die Stirn und sah die beiden kurz an, bis Cassim auf den Falken zu sprechen kam. Da erhellte sich Epicharis' Gesicht wieder. "Vorführen? Kann er denn etwas Besonderes? Das würde ich wirklich gern einmal sehen! Ich muss ja gestehen, dass ich gar keine Ahnung von Vögeln habe. Wie schaffst du es, dass er immer wiederkommt, wenn du ihn fliegen lässt? Oder lässt du ihn nicht fliegen? Solche Raubvögel sind bewundernswert. Sie sind wild und unbändig, nicht wahr, und doch eigentlich schwer zu zähmen, habe ich gehört." Doch, dafür konnte sich Epicharis durchaus begeistern. Wer Flügel hatte, war schwer zu halten. Und der konnte alle von oben sehen und hinter sich lassen, wenn er denn wollte. Ob Cassim dem Vogel eine Leine anlegte, wenn er ihn fliegen ließ?

    Sie schmunzelte. Epicharis konnte sich noch gut daran erinnern, wie still es in ihrem alten Heim gewesen war, insbesondere zuletzt. Wie schade, dass Tucca erst kurz vor ihrer Hochzeit hergezogen war. So nickte Epicharis also zur Bestätigung, bis ihr auffiel, dass Tucca das ja gar nicht sehen konnte. "Ja, ich erinnere mich. Es muss für dich nicht anders sein als in Ravenna." Denn wenn sie sich recht erinnerte, lebte Tucca allein, immer noch oder schon wieder. Das Schicksal hatte es nie wirklich gut mit ihm gemeint.


    Epicharis lachte als Reaktion auf seine Erwiderung bezüglich des Glücksbaumes. Besonders ein Flavier hatte es ganz besonders nötig gehabt, einen göttlichen Schubs in die richtige Richtung zu erhalten, aber natürlich präsentierte sie das nicht einem fast Fremden auf dem Silbertablett. "Vielleicht. Vielleicht gefällt es ihnen aber auch, dass ich nun eine Flavia bin", erwiderte sie verschmitzt und nicht einmal halb so ernst, wie sie versuchte, es Tucca glauben zu machen. Tucca ließ sich von seinem Sklaven zu den Sitzgelegenheiten begleiten, und Epicharis folgte ihnen. Hier standen stets frisches Wasser und ein Krug Wein. Epicharis legte selbst Hand an, der Einfachheit halber - und weil augenscheinlich gerade kein Sklave zugegen war, den sie darum hätte bitten können. Sie goss Wein in einen Becher und vermengte ihn mit Wasser, sich selbst schenkte sie nur Wasser ein, dann nahm sie Tuccas Hand und gab ihm seinen Becher hinein. "Hier, bitte. Du hältst mich nicht auf, keine Sorge. Ich habe eben ein verspätetes Saturnaliengeschenk eingepackt, für meinen Stiefsohn", erzählte sie und setzte sich ebenfalls. "Ach, zu Antonia und dem kleinen Minor willst du? Du wirst sehen, ähm.. merken, was er für ein kluger Junge ist. Ganz wie sein Vater." Epicharis errötete ein wenig, seufzte dann. "Entschuldige bitte... Ich bin nicht gewöhnt, mit jemandem zu reden, der nicht sehen kann", gab sie zerknirscht zu.

    Schweigen zog sich dahin wie zäher Honig, tropfte träge ins Meer der Zeit. Epicharis wusste nicht, was in Gracchus vorgehen mochte, doch sie ließ ihm die Zeit, die er brauchte. Starrend und starr saß er neben ihr, die Laken längst zerwühlt, so dass böse Zungen sonst etwas behaupten mochten, wenn Epicharis später Gracchus' Zimmer verlassen würde. Ihr war es in diesem Moment gleich, sie wollte nur für Gracchus da sein und vielleicht konnte sie ihm helfen, ein wenig mehr zu lächeln in seinem Leben. So, wie er glücklich schien, wenn er seinem Sohn zusehen konnte.


    Die Worte, welche die träge Stille schließlich durchdrangen, ergaben für Epicharis zunächst keinen Sinn. Es klang auch eher, als redete Gracchus mit sich selbst und nicht mit ihr. Unweigerlich stellte sie sich eine brennende Öllampe vor, die ein Windstoß heimsuchte. Sie flackerte, dann stieg ein dünner Rauchfaden in die Dunkelheit auf. Er musste das Lebenslicht seines Vaters meinen, alles andere ergab keinen Sinn. Epicharis wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, und so betrachtete sie nur aufmerksam das Profil Gracchus', der seine Gesicht nun langsam wieder ihr zuwandte und sie aufmerksam ansah.


    Was er ihr offenbarte... Epicharis war sich beinahe sicher, dass er sich zum ersten Mal jemandem anvertraute, vielleicht sogar zum ersten Mal so offen darüber sprach, was ihm passiert war. Sie erinnerte sich an sein ungläubiges Gesicht, das trotz all die Anstrengungen, es zu verbergen, deutlich gewesen war, als sie ihn besucht hatte. Und wie er sie nun ansah... Es war nicht das gleiche Gesicht, definitiv nicht. Es wirkte mehr wie das eines kleinen Jungens, der vergeblich hoffte, jemand würde ihm bestätigen, dass seine Eltern nicht wegen einer begangenen Dummheit gestorben waren. Zweifel überlamen Epicharis. Wie konnte sie ihm guten Gewissens sagen, dass es nicht seine Schuld war? Immerhin bestand doch eine Möglichkeit, dass er irgendwie... Nein. Sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen, oder aber Gracchus würde zerbrechen. Wie er sie ansah... In Epicharis wütete ein Für und Wider. Natürlich wusste sie, dass Gracchus nicht Schuld war am Tod seines Vaters. Aber wer konnte schon wirklich sicher behaupten, dass die Götter nicht irgendeinen grund gefunden hatten in seinem Handeln, das Schicksal seines Vater zu besiegeln? Aber er war krank gewesen...wie Gracchus! Nur dass Gracchus stärker gewesen war. Die Götter hatten ihn geprüft. Und er hatte die Prüfung bestanden. Epicharis wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Zu viel wirbelte in ihrem Kopf umher.


    Noch immer hing Gracchus an ihren Lippen, wie ein Ertrinkender sich an ein Stück Treibgut klammerte. Er erwartete eine Antwort auf die Frage. Epicharis hatte sie sehr wohl verstanden. Aufrichtig sah sie Gracchus an, ergriff dann seine Hand und drückte sie. "Ja", sagte sie fest. "Früher oder später werden wir alle geprüft, Manius. Du lebst. Du teilst nicht das Schicksal deines Vaters. Du wirst deinen Sohn aufwachsen sehen und hast die Möglichkeit, es besser zu machen als dein Vater. Vielleicht ist das dein zweiter Versuch, deinem Sohn ein besserer Vater zu sein als deiner es für dich war." Was redete sie da nur? Natürlich hätte Gracchus niemals so über seinen Sohn geherrscht wie sein Vater! Oder doch? "Vielleicht hängt es damit zusammen. Das wissen wir nicht. Wir können nicht ergründen, was die Götter sich von uns erhoffen, wir können es nur vermuten. Aber wenn es etwas gibt, dessen ich mir sicher bin, dann ist es das: Dich trifft keine Schuld am Tod deines Vaters. Und auch nicht am Schicksal anderer." Jetzt, wo sie so darüber nachdachte, erschien es ihr schlüssig, dass die Götter Gracchus' Vater bestrafen hatten dafür, wie er mit seinen Söhnen umgesprungen war. Und dass sie Gracchus daran erinnern wollten, dass er es nicht ihm gleich tat, wollte er nicht die gleichen Konsequenzen tragen.

    Epicharis hatte ebenfalls wenig Probleme, dem Sprachenwechsel zu folgen. Viel eher verwunderte sie , dass Cassim ihr mit einem Kompliment für den Wein dankte. Sie sah ihn ein wenig überrascht an, überdeckte dann aber ihre Überraschung mit einem Lächeln. Sie hatte schon davon gehört, dass viele der Parther eine flinke Zunge hatten und ausgesprochen gut waren, was das Verteilen von Komplimenten anbelangte. "Ja, ich bin Epicharis", erwiderte sie allerdings lediglich, auch wenn das erfreute Lächeln deutlich zeigte, dass es ihr - wie wohl jeder Frau - gefiel, wenn man ihr Komplimente machte. Sofern sie nicht der Art wie die Serenus' waren. "Du zähmst einen Falken, habe ich gehört? Salve, Hannibal", wandte sie sich zunächst an Cassim, dann an Hannibal. Sie musterte ihn ein wenig genauer als sie es sonst getan hätte. Nach dem Gespräch mit Aristides war ihr ein wenig anders zumute, wenn er in ihrer Nähe war, und unterbewusst achtete sie darauf, nie allein mit ihm zu sein. Niemals hätte sie sich vorstellen können, dass er jemanden getötet hatte! Und doch überlegte sie hin und her, ob sie ihn nicht zur Rede stellen sollte. Sicherlich war Aristides viel zu weich gewesen mit ihm...


    Hannibal entlarvte auch sogleich Aristides als Übeltäter, doch wider Erwarten hackte Serenus nicht auf seinem Vater herum, sondern nahm die Angelegenheit eher gelassen hin. Epicharis hätte etwas anderes erwartet, doch wer wusste schon, was in dem kindlichen Kopf vorging? In jenem Moment trat Gracchus' Bruder ein. Epicharis hatte es als äußerst unhöflich empfunden, dass er nicht zur Hochzeit erschienen war, Siechentum hin oder her. Nicht einmal einen Gruß oder eine Absage hatte er geschickt, und das, wo sein Vetter doch geheiratet hatte! So grüßte sie ihn lediglich mit einem für ihre Verhältnisse recht kühlen "Salve, Lucullus", wobei sie bewusst seinen Cognomen wählte und nicht die familiäre Anrede.


    Lange musste sie sich nicht überlegen, wie sie sich weiter verhalten sollte, und auch Serenus' Stichelei - denn die hörte sie sehr wohl aus seinem Angebot heraus, neben der Mutter Platz zu nehmen - schenkte sie keine Aufmerksamkeit, denn Celerina trat ein, bahnte sich mühsam einen Weg zu Epicharis' Liege und setzte sich neben sie. Epicharis' Brauen wanderten nach oben, und sie rückte ein wenig näher und legte Celerina eine Hand auf die Schulter. "Io Saturnalia, Celerina! Schön, dass du schon da bist."