Beiträge von Flavia Epicharis

    Epicharis ließ die Musterung geduldig über sich ergehen. Ihres Vaters Blick blieb an Haar und Gesicht hängen; und als er sie schließlich mit Komplimenten überhäufte, sah sie verlegen zur Seite. Errötete sie sogar? Sie hörte wohl den Stolz in seiner Stimme, und genau jener war es auch, der sie aufblicken und lächeln ließ. Ja wirklich, Epicharis war zu einer ansehnlichen Frau heraungewachsen, auch wenn es sicherlich viele im Imperium gab, die hübscher waren als sie. Zumindest redete sie sich das ein, aber Schönheit war immerhin auch Geschmackssache.


    "Und du siehst noch genauso aus wie damals, als ich fortging. Ach, was habe ich euch alle so vermisst!"


    Sie löste sich mit einer Handbewegung von Vesuvianus und deutete auf eine Liege, während sie selbst in einem Korbsessel Platz nahm. Sie hielt nichts von der neuen Mode, bei der Frauen sich wie die Männer zum Essen auf einer Kline nieder ließen. Zwei Sklaven standen bereit und schenkten dem Hausherren sogleich den besten Falerner ein, den sie im Hause hatten, Epicharis selbst hielt schon einen Becher in der Hand und sah ihren Vater wissbegierig an.


    "Ich soll dich schön von Prisca grüßen. Und Imperiosus Iulianus habe ich auch kennen gelernt. Aber sag, was habe ich verpasst? Deine Briefe waren stets so knapp. Hattest du viel zu tun?"

    Epicharis öffnete die Tür und trat ein. Sie hatte ihre Großcousine vor Ewigkeiten das letzte Mal gesehen und zuletzt nur mehr flüchtig erfahren, dass sie seit kurzem in Mantua weilte.


    "Salve Dolabella! Endlich haben wir einmal die Muße, uns etwas zu unterhalten, wenn du schon in Mantua bist. Wie geht es dir und wie ange wirst du bleiben - oder gehst du schon wieder?" fragte Epicharis und deutete auf die geöffneten Kleidertruhen, vor der eine Sklavin stand und auf weitere Anweisungen ihrer Herrin zu warten schien.

    Deandra schritt ins Tablinum und Epicharis sah auf. Mit einem Blick erfasste sie die Gestalt der anderen jungen Frau, die auf den ersten Blick älter zu sein schien als sie selbst. Sie wusste, dass das Deandra sein musste, noch bevor diese ihre Annahme bestätigte. Epicharis lächelte und erhob sich, um auf Deandra zuzugehen und sie kurz zu umarmen, immerhin kannten sie sich noch nicht. Deandras Herz war nicht das einzige, das aufgeregt und schnell pochte.


    "Deandra, wie schön dich kennenzulernen", sagte Epicharis, als sie sich von Deandra gelöst hatte und nun auf die Sitzgelegenheiten deutete.
    "Setzen wir uns doch."


    Gesagt, getan.
    "Ich schätze, dann bist du also nun die 'große Schwester'?" neckte Epicharis Deandra.

    Was Vesuvianus allerdings erblicken sollte, war nicht jenes kindliche Mädchen, das ihm seine Erinnerung vor Augen führte, sondern eine erwachsene Frau, wie sie gerade mit dem Rücken zum Eingang in einem Korbstuhl saß und eine Schriftrolle studierte. Das lange, braune Haar fiel ihr in sanften Wellen über ihre Schultern und den Rücken hinab. Doch als sie die Schritte hinter sich laut werden hörte, wandte sie sich rasch um. Zwei fröhliche braune Augen blitzten Vesuvianus freudig an, ehe Epicharis aufsprang und zu ihm eilte, um ihren Vater überglücklich zur Begrüßung zu umarmen.


    "Vater!" nuschelte sie in seine stattliche Brust, und mehr musste sie auch gar nicht sagen, denn allein die Art, wie sie es sagte, drückte aus, dass sie ihn so sehr vermisst hatte, wie es nur eine Tochter vermochte.

    Gen spätem Nachmittag betrat Epicharis frisch gebadet, geschminkt und nach Zimt und Ölen duftend das Tablinum. Deandra war noch nicht da, sodass Epicharis die verbleibende Zeit nutzte, um eine Sklavin nach Deandra zu schicken und einen weiteren Sklaven anwies, etwas Fruchtsaft und Obst zu bringen. Sie war zwr müde, aber sie war mindestens genauso gespannt auf ihre neue Schwester. Epicharis ließ sich in einen Korbsessel sinken und wartete geduldig.

    "Ja, dann ist es eher unwahrscheinlich. Naja.."


    Epicharis legte den Finger an die Lippen, dachte einen Moment nach und sagte schließlich:
    "Ich werde mich etwas frisch machen und dann ins Tablinum kommen. Wenn sie Zeit hat, würde ich mich freuen, sie kennenzulernen, ich werde einen Sklaven zu ihr schicken."


    Sie nickte noch einmal und ließ die Sklavin dann stehen. In anderen Familien mochten Adoptionen üblich sein, Epicharis aber hatte davon gerade genug. Erst adoptierte man den iulischen Plebejer, dann eine Aurelia, die auch noch ihre Schwester war. Sie hatte weder etwas gegen den einen noch die andere, aber es waren einfach zu viele Informationen auf einmal, die sie nicht augenblicklich verbuchen konnte. Das brauchte Zeit, und die nahm sie sich - zusammen mit einem entspannenden Bad in der hauseignen Therme.

    "Wunderbar, dann werde ich dort guten Gewissens ein kleines Vermögen lassen können", entgegnete Epicharis und zwinkerte dem Mann zu. Er behielt sowohl die Umgebung im Auge als auch Epicharis selbst, was ihr keinesfalls entging. Vielmehr nahm sie es mit einem Gefühl der Zufriedenheit wahr und schlussfolgerte daraus, dass er entweder aufgrund seiner Art ein fähiger Soldat geworden war, oder aber die Umstände eines Soldatenlebens ihn zu jenem gemacht hatten, der er nun war. Die Worte über seine Arbeit kommentierte sie lediglich mit einem Nicken, denn da sie kaum etwas von Politik verstand, einfach weil es sie nicht interessierte, maßte sie sich nicht an, über die Arbeit des Tiberiers zu richten. Was sie allerdings wusste war, dass man inzwischen eine hohe Meinung von den vergangenen Aedilen hatte. Sie glaubte, dass sogar ihr Vater insgeheim Anerkennung zollte, auch wenn es der konservative Kandidat damals nicht geschafft hatte, die Frau aus dem Amt zu verdrängen.


    "Du hast also in Hispania und Germania gedient und lebst nun hier? Da bist du weit herumgekommen. Hispania ist erfrischend und anders, da hast du recht, aber ich hatte immer das Gefühl, dass die Zeit dort viel langsamer vergeht als in Rom. Es ist wie eine eigene kleine Welt, die nur an wenigen Stellen mit dem wirklichen Leben verknüpft ist", erzählte Epicharis und sann eine Weile über ihre Worte nach.


    "Vielleicht liegt es auch an der Wärme, die dort im Sommer vorherrscht. Ich habe beinahe ein ganzes Jahr in einem kleinen Dorf nahe Tarraco verbracht, von da her kann ich gut nachvollziehen, was du meinst. Es ist wirklich nicht wie in einer römischen Provinz."


    Täuschte sie sich oder suchte er etwas? Sie meinte zu erkennen, dass seine Agen einmal zu oft über die Menge huschten. Vielleicht eine Liebschaft? Doch sie hütete sich, nach dem Grund zu fragen, zumal sie sich nicht einmal sicher war, ob er nun wirklich jemanden suchte oder nur interessiert am Trubel war. Sein lachen klang ehrlich und maskulin, als er auf Epicharis' Worte hin lachte und ihr loses Mundwerk somit mit Humor ertrug. Sie fand den Tiberier nett und höflich, ganz anders als so manch andere Männer, die sie in ihrem bisherigen leben kennen gelernt hatte.


    "Ich glaube, es hat niemand darauf geachtet, dass die Sänfte einen Knacks hatte" sagte sie. Nicht nur den Sklaven, auch ihr selbst war es schließlich entgangen. Wo der Tiberier nun von sich als altem Soldaten sprach, musste sie schmunzeln und widersprach sogleich, einerseits wegen des Protokolls, andererseits, weil sie es wirklich nicht so empfand.


    "Aber du bist doch kein alter Soldat - oder doch? Verzeih meine direkte Frage, aber hast du Frau und Kinder oder erlaubt dir das dein militärischer Rang nicht, Tiberius Vitamalacus?"

    "Großcousine?"


    Epicharis stand vor der Tür zu Dolabellas Zimmer. In ihrer rechten Hand hielt sie einen versiegelten Brief, den ein Bote am Eingang hinterlassen hatte. Normalerweise war es ganz und gar nicht ihre Art, Post zu überbringen oder Botengänge zu erledigen, aber heute machte sie eine Ausnahme. Mit der Linken strich sie sich das haar in den Nacken und wartete sodann darauf, dass man ihr öffnete oder sie hereinbat.

    Epicharis war erstaunt, erneut einen Brief von einem Pompeius Antipater an Dolabella vorzufinden. Sie brach das Siegel nicht, doch war der Brief ja ohnehin deutlich genug adressiert. Mit einem Stirnrunzeln nahm sie das Dokument an sich und suchte Dolabella in ihrem Gemach auf, um der Sache auf den Grund zu gehen, wie es nun einmal ihre Art war.

    An Herius Claudius Vesuvianus
    - versiegelt -



    Geliebter Vater,


    nach einer ungemütlichen Seereise bin ich gut in Ostia angekommen. Ich habe mich kurze Zeit in Rom aufgehalten und dabei Prisca getroffen, doch davon später mehr. Nun ist folgendes wichtig: ich bin soeben in Mantua angekommen und würde dich sehr gern sehen. Ich würde mich freuen, wenn du es zeitlich einrichten könntest, heute Abend mit mir und den anderen zu speisen. Es gibt sicher einiges zu bereden.


    Epicharis

    Zitat

    Original von Samira
    So routiniert Samira auch in der Villa der Aurelier hantiert hatte, hier fiel sie von einem Problem in das nächste, weil sie bisher einfach nichts und niemanden kannte, sowie zusätzlich in ungewohnt heikle Situationen kam. Dass es nun an ihr war, die Tochter des Hausherrn von ihrer neuen Adoptivschwester zu unterrichten, fand sie durchaus unpassend, aber sie wurde gefragt, also würde sie auch antworten. Dennoch war ihre innere Einstellung von bangem Abwarten geprägt, denn sie konnte nicht voraussehen, wie die junge Herrin auf die Enthüllung reagieren würde.


    „Meine Herrin ist als Aurelia aufgewachsen. Sie wurde vor wenigen Wochen von dem Herrn Claudius Vesuvianus, deinem Vater, adoptiert und hat erst vor Tagen die Villa Claudia bezogen. „Wir“, das sind etliche Sklaven, die sie stets begleiten.“


    Zur Sicherheit hielt Samira erst einmal inne, bereits vorhin gingen die Erklärungen der Claudia zu schnell. Unsicher und abwartend blickte Samira zu Boden.


    Epicharis kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und lauschte den Ausführungen der Sklavin. Als das Wort der Adoption fiel, machte sie große Augen und ihr Mund formte ein stummes Oh. So stand sie einen kurzen Moment vor Samira, rätselnd, warum die Sklavin sie belügen sollte. Doch Epicharis kam schnell zu dem Schluss, dass es keine Lüge war. Abgesehen davon, dass sie der Sklavin einige Peitschenhiebe hätte einbringen können, nutzte sie ihr rein gar nichts. So schloss Epicharis ihren Mund wieder und sann darüber nach, was das nun für sie bedeuten würde. Mit dem Zeigefinger an den Lippen wirkte sie nachdenklich und grüblerisch, was angesichts des unverhofften Willkommens an der Tür wohl auch nicht weiter verwunderlich war - immerhin hatte sie nun eine neue Schwester.


    "Weiß Prisca schon davon?" fragte sie verwundert, denn ihre kleine Schwester hatte nichts dergleichen erwähnt oder sie hatte es einfach überhört. Epicharis nagte an ihrer Unterlippe und nickte dann sich selbst zu, als sie folgendes beschloss:


    "Dann möchte ich meine neue Schwester nun kennenlernen."

    Epicharis las aus den Worten des Iulianus heraus, dass er es entweder noch nicht ganz genau wusste, wie er dem Imperium fortan dienen wollte, oder er wollte es einfach nicht sagen. Sie nickte lächelnd und stellte sodann den Becher fort.


    "Nun, Iulianus, dann wünsche ich dir, dass der Pfad der Göttern dir das bringen mag, was du dir erhoffst."


    Sie griff nach einem Stück Brot und brach dabei sittlich kleinere Stückchen ab. Wieder ertappte sie sich dabei, wie sie an ihren Vater dachte, und so konnte sie nicht umhin, das Wort an Prisca zu richten.


    "Prisca, sag, ist Vater in Rom? Er schrieb mir, dass er gelegentlich geschäftlich in Rom zu tun hätte, in der Curia. Das ständige hin und her reisen ist sicher auch mühsälig für ihn... Ist er da?"

    Epicharis nickte wohlwollend, das war eine Antwort ganz nach ihrem Geschmack: aufrichtig, aber mit einem Hauch Humor. Sie begann, den Tiberier zu mögen, zumal er sogar ihre Gedanken zu erraten schien. Mit einem überraschten Lächeln nickte sie.
    "Ja, dieser Schneider ist genau der, den ich aufsuchen wollte. Auch ich hörte von den guten Kontakten, die er pflegt, und wollte mir nun ein eigenes Bild von der Qualität seiner Ware machen, ehe ich ihn um einige Tuniken erleichtere."


    Sie mochte eine Frau sein, aber sie verstand durchaus etwas vom Geschäft. So mancher Händler war unwissentlich mit weniger als zuvor in der Hand aus einem Handel herausgegangen. Epicharis hatte einiges an Verhandlungsgeschick und sie zögerte nicht, es einzusetzen. Wohl hätte sie auch eine Sklavin nach neuer Kleidung schicken können, doch abgesehen von der Freude des Einkaufes, die sie so nicht haben würde, würde sie zudem auch mehr Geld als nötig ausgeben, schickte sie eine Sklavin.
    Kaum erwähnte der Tiberier sein Aedilat, wusste Epicharis, woher sie den Namen kennengelernt hatte. Sie setzte sich nur den Bruchteil einer Sekunde später als er und ihre Palla zurechtzupfend in Bewegung.


    "Ah, daher kenne ich deinen Namen", entfuhr es ihr und sogleich sah sie ihn entschuldigend an.
    "Verzeih. Aber ich habe schon die ganze Zeit überlegt, woher ich deinen Namen kenne. Ich war während des letzten Jahres nicht in Rom, musst du wissen, sondern wegen...Familienangelegenheiten in Hispanien."


    Epicharis hob die Hand und drehte eine der losen Haarsträhnen Gedankenverloren zwischen den Fingern, während sie sprach und an die verstorbene Tante dachte, die sie während des letzten Jahres gepflegt hatte. Sie musste es schließlich nicht jedem auf die Nase binden.


    "Man hörte nur gutes von den letzten Aedilen. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass unser geschätzter Imperator dich für die weiteren Ämter des Cursus Honorum nicht als würdig erachtet. Schon gar nicht, wenn du einst Soldat warst. Sicherlich wird man dir bald eine Aufgabe zuweisen, in der du aufgehen wirst", sagte sie und lächelte den Tiberier an.
    "Junge Frauen aus kaputten Sänften retten ist sicher nicht das, was du tagtäglich tun möchtest."


    Sie schmunzelte und sah schnell fort. Wieder ihr Mundwerk, das ab und an erfrischend, manchmal aber auch hinderlich war. Hoffentlich nahm der Mann es mit Hunmor.

    Epicharis wollte eben fragen, ob Samira eine Neuanschaffung sei, als diese etwas von einer Deandra erzählte. Die Claudierin kannte nur eine Deandra, und das nicht einmal persönlich, sondern nur vom Hörensagen. Es war eine Aurelierin, ein Mitglied jener ehrbaren Familie, die Freunde und Weggenossen der Claudier waren. Überrascht runzelte sie die Stirn, als die Sklavin etwas von einem Einzug erzählte. Um ihr Einhalt zu gebieten, hob sie schnell die Hand.


    "Moment, nicht so hastig. Welche Deandra? Wer ist "wir"? Und warum eingezogen?"
    Verwirrt wartete sie darauf, dass man sie aufklärte. Es hatte doch nicht etwa jemand geheiratet und vergessen, sie einzuladen? Ein empörter Ausdruck schlich sich auf ihr Gesicht.

    Seine Wortwahl war ebenso beeindruckend wie sein Auftreten. Epicharis lächelte höflich und vermerkte die große Sympathie, die sie empfand, auf dem noch unbeschriebenen Blatt des Tiberiers. Sie neigte den Kopf und entgegnete:


    "Ich würde mich glücklich schätzen, dich als meinen vorübergehenden Beschützer zu betrachten. Wenn du mich also wirklich zu einem Schneider begleiten möchtest? Ich war nämlich auf dem Weg zu jenem, der sein Geschäft nicht unweit von hier hat."


    Sie musterte den Tiberier erneut und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.


    "Noch hast du die Möglichkeit, dich herauszureden", neckte sie ihn, denn der Kauf von Tuniken war wohl nicht gerade das, was sich ein Mann wie er als Nachmittagsbeschäftigung vorstellte. Wer wusste schon, ob er nicht vielleicht ganz andere Pläne hatte? Abgesehen von diesen Gedanken fragte sich Epicharis zudem, woher sie den Namen des Tiberiers kannte. Abwartend blickte sie ihn an, überlegte weiter und versuchte sich daran zu erinnern, wo sie den Namen schon einmal gelesen hatte. War es die Acta gewesen? Vermutlich. Dieser Mann hatte Schlagzeilen gemacht. Nur in Spanien war Rom eine halbe Weltreise entfernt und sie hatte sich nicht gemerkt, worum es in der Acta gegangen war.


    "Kommst du direkt aus Rom oder nutzt du den Tag nur, um dir die Stadt anzusehen?" fragte sie, um Aufschluss darüber zu erlangen, wer der Tiberier war und woher sie ihn kannte.

    "Ganz genau. Aber jetzt möchte ich mir zuerst einmal aufwärmen", entgegnete Epicharis und trat ein. Die Frage der Sklavin beantwortete sie mit einem erfreuten Nicken und drehte sich dann so, dass die Sklavin ihr die Palla abnehmenn konnte.


    "Wie heißt du?" wollte sie wissen. " Und ist mein Vater da? Vesuvianus?"
    Vermutlich war er wieder bei der Legion, dachte sie sich. Dann würde sie eine Nachricht ins Castellum schicken, beschloss sie. Nur für den Fall, dass ihr Vater erwägte, auch Das Abendmahl und die Nacht dort zu verbringen, in Unkenntnis, dass Epicharis heimgekehrt war.

    Sie sah zu ihm auf und war sogleich angetan von seinen aufrechten Worten, ließ es sich aber nicht anmerken, sondern rettete sich in ein verlegenes Lächeln, wobei sie die Sänfte seitlich einer Musterung unterzog und zu dem Schluss kam, dass der Patrizier vor ihr, der sich mit seinem Namen vorstellte, wohl wirklich die Rettung in letzter Sekunde gewesen war. Die Sänftenträger standen etwas verwirrt herum und schienen nicht ganz zu wissen, was sie nun tun sollten. Epicharis runzelte die Stirn und beschloss, vorerst noch keine Anweisungen zu geben. Dennoch, irgendwie musste die Sänfte wieder zurückgelangen in die Villa. Wenn sie darin saß, würde das vermutlich nicht gut klappen. Und das widerum bedeutete, dass sie würde laufen müssen. Diese Aussicht machte ihr nichts aus. Und da sie nun recht schnell zu dem Schluss gekommen war, erteilte sie zweien der vier Träger die Anweisung, die beschädigte Sänfte schon einmal nach Hause zu schaffen, die anderen beiden sollten als Begleitung bleiben. Schließlich wandte sie sich wieder Vitamalacus zu.


    "Es muss dir nicht leid tun, Tiberius Vitamalacus. Ich sehe es als eine glückliche Fügung der Götter, dass du mich vor einem Sturz bewahrt hast. Mein Name ist Claudia Epicharis und ich möchte dir aufrichtig dafür danken. Auch ein Mann von Ehre hätte nicht rechtzeitig an Ort und Stelle sein können", sagte sie und schmunzelte am Ende.

    "Und welche Möglichkeiten sind das?" frage Epicharis gerade noch, als schon die erste Sklavin mit einem beladenen tablett den Raum betrat und damit begann, den Tisch, der im Vergleich zu jenem im Triclinium kleiner war, mit ihren Siebensachen zu beladen. Es waren größtenteils leichte Dinge wie Oliven, Brot und Käse, aber auch lukanische Würste und eine prall gefüllte Obstschale befanden sich unter den Dingen. Eine andere Sklavin füllte den drei Herrschaften die kunstvoll verzierten Gläser auf und entfernte sich nach einer angedeuteten Bewegung wieder. Epicharis hob den verdünnten Wein, vergoss etwas für die Götter und sprach:


    "Auf die Claudier und die Zukunft, welche auch immer uns die Götter angedacht haben."


    Sie trank einen Schluck und brach sich etwas Brot, um es mit Käse zu verspeisen, ihre Schwester und Iulianus dabei betrachtend. Sie war beschweingt und froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Hispania war schön, aber zu Hause war es doch am schönsten. Das beinahe ganze Jahr in der Fremde hatte sie geprägt und reifen lassen.