Beiträge von Flavia Epicharis

    Locker die Hand auf Aristides' Unterarm gebettet, betrat Epicharis an der Seite ihres Ehemannes die Stufen, die zum Tempel empor führten. Seite an Seite schritten sie nur kurz nach Celerina gemeinsam die Treppe hinauf, so wie sie von nun an Seite an Seite durchs Leben schritten. Epicharis war durchaus glücklich, eine sanfte Ruhe strahlte dieser Tage von ihr aus, und sie fühlte sich schlichtweg wunderbar in diesem neuen Leben, das ihr die Ehe bescherte.


    Nicht im Traum hätte sie es sich nehmen lassen, heute mit den anderen - ihrer neuen Familie - der Göttin zu danken, dass der kleine Manius gesund und munter war. Sie hatte den Kleinen sofort in ihr Herz geschlossen, als sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, und sie schwörte steif und fest, dass Klein-Gracchus bisweilen den gleichen ernsten Gesichtsausdruck an den Tag legte wie sein Vater. "Salvete", sagte Epicharis leise, als sie bei den anderen angelangt waren, die sich für das Voropfer bereits drinnen eingefunden hatten. Das Haar fiel ihr bereits seidig über die Schultern, sie hatte für diese Opferung gänzlich auf Haarschmuck und auch auf sonstigen Zierrat verzichtet, sah man von den hellen Stickereien auf ihrer lindgrünen Tunika und den Elfenbeinfibeln, die sie hielten, einmal ab.

    Epicharis kicherte und sah Antonia dann gespielt verzagend an. "Ach herrje, dann werde ich in zwei Jahren genauso durcheinander sein wie du?" fragte sie Antonia und knuffte sie leicht in die Seite mit dem Ellbogen. Das postwendend folgende Oh Iuno bezog Epicharis direkt auf ihren Kommentar, weswegen sie nun gleich weniger albern war und darauf achtete, keine solchen Späße mehr zu machen in diesem Moment. Überhaupt war auch etwas ganz anderes wieder viel wichtiger gerade. Antonia wirkte ein wenig nachdenklich vor der Beantwortung von Epicharis' Frage, doch dann erklärte sie ihr, was sie von der Sache während der Schwangerschaft hielt. Epicharis machte große Augen. "Du meinst, man sollte dann...weiterhin...? Ja aber...." Die Claudia blinzelte irritiert und stellte sich vor, wie sie mit einem ebenso großen Bauch wie dem von Antonia unter Aristides lag. So lange Arme hatte er nicht, dass er sich immer noch würde abstützen können, wenn Epicharis erst einmal so dick war wie Antonia. Nicht, dass Antonia dick war, das nicht, aber... Das Kind brauchte nun einmal seinen Platz, und außerdem würde ihm doch bei dem ständigem Geschaukel sicher irgendwann schlecht werden.... Epicharis' Augenbrauen hatten sich weit zusammen gezogen, während sie so darüber nachdachte. Doch diesmal stellte sie ihre Fragen nicht, denn es war auch gar nicht nötig, da Antonia ihr gerade beipflichtete. Wieder einmal stellte Epicharis fest, wie schrecklich es doch war, wenn man sich so unbeholfen fühlte, einfach weil man etwas nicht wusste, dass doch ganz normal war. So nickte sie nur. "Gut. Das werd ich mir merken. Und sonst... Hm. Ich glaube, bei allem anderen werde ich mich einfach überraschen lassen und hoffen, dass es angenehme Überraschungen sind", sagte sie zu Antonia gewandt und lächelte ein wenig zaghaft. "Vielen, vielen Dank, Antonia, dass du dir die Zeit genommen hast..." Und wer Epicharis kannte, der wusste, was nun folgte. Richtig, eine Umarmung. :]

    Epicharis konnte nicht verhindern, dass sie eine Grimasse des Ekels schnitt, als Siv versuchte, sich die Nase zu schneuzen. Es hörte sich gar grausig an. Automatisch zogen sich ihre Brauen dann mitfühlend zusammen, als es der Germanin nicht gelang. "Mach nur langsam", sagte sie zu ihr und nickte ihr aufmunternd zu. "Corvinus? Von den Aurelierin? Oh. Was sollst du mir denn ausrichten?" fragte sie und schüttelte im nächsten Moment auch schon wieder den Kopf. "Ach, komm, wir setzen uns. Dort drüben steht eine Bank. Dann lässt es sich besser reden", fügte sie hinzu und deutete auf die andere Straßenseite ein paar Schritt weiter geradeaus. Epicharis steuerte diese Bank auch gleich an, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Leibwächter an ihrer Seite sich um Siv kümmern würde, wenn sie doch nicht so in Ordnung war, wie sie ihr hatte Glauben machen wollen.


    Bei der Bank angekommen, ließ sich Epicharis grazil nieder und strich in einer beiläufigen Bewegung ihre Tunika glatte. "Es geht um die Hochzeit, nicht?" fragte sie nun nach und blinzelte Siv von der Seite her an.

    Es war Epicharis nicht viel Zeit geblieben, dem Kribbeln in ihrem Innersten Ausdruck zu verleihen, als Aristides gestand, keine Rede in petto zu haben. Dennoch gelang es ihr, einen winzig kurzen Moment panisch zu schauen, dann überspielte sie alles mit einem unsicheren Lächeln. Es wäre gewiss nicht schlimm, wenn keine Rede gehalten werden würde... Dass würde dem Glück an diesem Tage doch keinen Abbruch tun? Doch Aristides schien sich ein wenig zu straffen und Worte zu sammeln, und so blieb Epicharis noch ein wenig Zeit, um Antonia dankbar zuzulächeln, da sie ihr prompt beigepflichtet hatte. Aristides hielt kurz darauf seine kleine holprige Rede, wenn man die paar Worte denn so nennen mochte, und als er einmal kurz zu ihr sah, nickte sie ihm aufmunternd zu.


    "Ich bin ja so aufgeregt!" wisperte Epicharis Antonia zu, als sie dann gemeinsam hinüber gingen zu der Terrasse, auf der das Opfer abgehalten werden sollte. Und gewiss konnte Antonia Epicharis' Aufregung auch allzu deutlich spüren, war ihre Hand doch kalt wie die einer Toten. Aristides strebte davon, hielt sich in der Nähe seiner Kameraden, und Epicharis ließ sich von Antonia begleiten, ihrer Pronuba. Nach der Leberschau und dem Opfer würde es dann soweit sein und ihrer beider Part an die Reihe kommen. Epicharis war aufgeregt wie nie zuvor. Ständig hatte sie das Gefühl, sie müsse einen Abort aufsuchen, ihr war kalt und heiß zugleich, doch Antonias Ruhe half ihr ein wenig, sich zusammenzureißen.


    Den Haruspex kannte Epicharis nicht, war es ihr doch nicht möglich gewesen, auf Antonias Hochzeit anwesend zu sein, da sie die Tante in Spanien gepflegt hatte. Doch er schien ruhig und gewissenhaft bei seiner Arbeit zu sein, und gelegentliche Blicke in Gracchus' Miene beruhgten Epicharis auch in Hinsicht der Korrektheit all dessen, was der Mann dort vorn tat. Epicharis sah ab und an zu Aristides hin, doch vermochte sie nicht so recht aus seinem Gesicht abzulesen, was er wohl dachte. Und schließlich verkündete der Haruspex, dass die Götter keinen Einwand gegen die Eheschließung erhoben. Epicharis schloss einen Moment die Augen und dankte ihnen im Stillen dafür. Sie wagte nicht, etwas zu sagen, weder etwas, das für der Götter Ohren noch für die von Antonia bestimmt gewesen wäre, um nur ja nicht den Ritus zu stören, der nun folgte: Das Opfer.


    Gracchus' Bewegungen waren so flüssig, als wäre er niemals krank gewesen, auch wenn man bei dem Gebet, das seine Handlungen begleitete und das von jemand anderem gesprochen wurde, durchaus ahnte, warum er nicht selbst das Wort an die Göttlichen richtete. Während Gracchus den Ritus vollzog, gedachte Epicharis im Stillen dem jeweils Genannten. Es war perfekt. Es war einfach alles perfekt. Wie Gracchus das Opfer leitete, die melodische Stimme des Betenden, das weiße Schwein... Epicharis sah zu Aristides hinüber. War das eine Falte auf seiner Stirn? Hatte er es sich gar in letzter Minute anders überlegt? Epicharis' Hand drückte die von Antonia ein wenig fester, während sie versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen. Sie hielt den Atem an, als Gracchus sich schließlich über die Eingeweide beugte und sie mit spitzen Fingern behutsam untersuchte.


    Da! Das ersehnte Wort fiel, er verkündete es selbst, und Epicharis, die ihn die ganze Zeit über bang angesehen hatte, fiel ein Stein vom Herzen, ja ein ganzer Felsen purzelte hinab. Sie hatte das Gefühl, sehr viel leichter zu sein, und als Antonia sich nun in Bewegung setzte, zitterte die kalte Hand vor lauter Aufregung ein wenig, und Epicharis fühlte sich, als würde sie nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit schweben. Viel zu plötzlich waren sie bei Aristides angekommen, Epicharis' Griff verstärkte sich noch einmal um Antonias Hand, dann sah sie ihre Verwandte atemlos an - Schmunzelte sie da etwa? Antonia legte Epicharis' Hand in die von Aristides, und jetzt hob auch Epicharis den Blick und sah zu Aristides auf. Sie glaubte, in jedem Augenblick vor Nervosität zu vergehen. Er musste ihr Zittern doch spüren! Epicharis gab sich wirklich die größte Mühe, konnte es jedoch nicht kontrollieren. Eine warme, willkommene Bö bauschte kurz den Schleier der Braut auf. Es war Epicharis, als seien die Götter selbst anwesend, als sei die Welt stehen geblieben und alle Augen nur auf sie und Aristides gerichtet. Sie selbst war von einem einzigen Gedanken beseelt. Wenn er nur nicht los ließ. Wenn er nur ihre Hand nicht fallen ließ, und sie selbst damit ebenso. Lass nicht los...

    Ein wenig entfernt konnte Epicharis Gracchus erspähen, wie er scheinbar den Haruspex gefunden hatte und nun mit ihm sprach. Dann wandte sie sich wieder Celerina zu und nickte erfreut. "Ich danke dir von ganzem Herzen, Celerina", erwiderte sie. Fiona und Minna schienen inzwischen Siv gefunden zu haben, wie Epicharis nun bemerkte. Und dann fiel ihr siedendheiß ein, dass sie vollkommen und ganz und gar vergessen hatte, Antonia zu gratulieren! Mit einem Mal schoss die Röte ihr ins Gesicht. "Antonia, ach!" klagte sie. "Es tut mir so leid, ich habe ganz vergessen... Ich meine... Ich gratuliere dir ganz, ganz herzlich zu deinem kleinen Manius!" Und wie schon damals auf dem Forum Romanum musste Antonia sich in einer überschwänglichen Umarmung wiederfinden. "Tucca, du musst wissen, dass Antonia einen gesunden Jungen zur Welt gebracht hat", erklärte sie ihrem Verwandten nach der Loslösung von Antonia und strahlte danach wieder Antonia an. "Gracchus hat mir schon gesagt, dass du ihn nicht dabei hast. Das ist sicher auch besser so, ich glaube, sonst würde ich meine eigene Hochzeit verpassen, weil ich den Kleinen ständig halten wollen würde", plapperte Epicharis drauflos, bis ihr erneut etwas einzufallen schien. "Achje. Ob Aelia und Lucilla noch rechtzeitig kommen?" fragte sie unbestimmt in die Runde, es schien gar, als rede sie mit sich selbst. Kurz erschien eine Falte auf der Stirn der Braut. Dann ließ sie den Blick erneut schweifen und schmiegte ihre Hand wieder in die von Aristides.


    Mehr und mehr Gäste waren anwesend. Fast schien es, als wären mehr als die Hälfte von ihnen Soldaten. Nicht einen Moment lang hätte Epicharis daran gezweifelt, dass ihr Zukünftiger die halbe Legion eingeladen hatte, doch ahnte sie, dass Gracchus seinen Verwandten letztendlich etwas zur Vernunft gebracht hatte. Ein wenig zaghaft drückte sie schließlich Aristides' Hand und neigte sich ihm leicht zu, auf die Zehenspitzen erhoben. "Mein Liebster, du hast doch sicher eine kleine Rede vorbereitet, hm? Ich glaube, die meisten sind nun da. Das wäre sicher ein guter Moment. Ehe das Opfer beginnt." raunte sie ihm zu. Ganz sicher hatte er sich ein kleine Begrüßungsrede ausgedacht. Da war sie ganz zuversichtlich, so etwas vergaß man schließlich nicht als Gastgeber. Sie lächelte einem der ihr unbekannten Soldaten ins Gesicht, als dieser gerade her sah, und wartete dann darauf, dass Aristides offiziell die Gäste begrüßte.

    Selbst der seidige Schleier konnte nicht verbergen, wie verblüfft die Claudia plötzlich dreinsah. „Du...ihr habt einen Sohn? Ich meine, Antonia hat...sie ist...ist er hier?“ stammelte sie fassungslos, doch das Glitzern, welches zunächst nur in ihre Augen getreten war, breitete sich nun schnurstracks auf ihrem ganzen Gesicht aus. Ohne dass sie es vermeiden konnte, jauchzte sie himmelhoch und drückte Gracchus – vor der gesamten versammelten Hochzeitsgesellschaft. Sie dachte gar nicht nach. „Oh wie wundervoll! Wie schön! Ach nein, und ich habe gar nichts gewusst davon... Oh Gracchus, meinen aller-, allerherzlichsten Glückwunsch!“ zirpte sie in sein Ohr, ehe sie ihn wieder losließ, um ihn nun weiter anzustrahlen. Man hätte fast meinen können, er sei der Bräutigam an diesem Tage. Und Antonia! Von weitem wirkte sie wie eh und je... Und Epicharis hatte gar nichts gewusst! Ein wenig enttäuscht war sie dann schon, dass Gracchus sie auf den nächsten Morgen vertröstete. „Ich kann es kaum erwarten!“ versicherte sie ihm. Fieberhaft überlegte sie, wie sie so schnell an ein kleines Geschenkchen herankommen könnte. Ach, das war aber auch ärgerlich, dass kein Bote geschickt worden war, oder war gar einer geschickt worden und sie hatte lediglich es nicht mitbekommen? Nicht auszudenken!


    Gracchus geleitete sie schließlich auf ihren Zukünftigen zu, bei seinem kleinen Sprachmalheur zogen sich kurz ihre Augenbrauen in mitfühlender Manier zusammen. Der Ärmste. Wenn sie erst einmal in der Villa Flavia wohnte, nahm sie sich vor, dann würde sie so oft mit Gracchus sprechen, wie es ging, damit ihm irgendwann die Bewegungen seiner Zunge und der Lippen wieder flüssiger möglich waren. Natürlich hatten Aristides und sie Gracchus für den Opferritus haben wollen. Epicharis hätte auch darauf bestanden, dass er eine Rolle erhielt, wenn er nur einfacher Priester gewesen wäre. Sie merkte, wie bei der Erwähnung des Haruspex ihr Herz wieder schneller zu klopfen begann und die Aufregung zunahm. Sie war daher froh darüber, dass Fiona ihr etwas zu trinken brachte, und bedankte sich mit einem lieben Nicken in ihre Richtung. Kurz darauf drehten sie und Minna auch schon ab und mischten sich unter die Gäste oder eher die Sklavenschaft. Ein wenig weiter rechts entdeckte Epicharis auch Siv, wie sie bei ihrem Herrn stand, gerade aber wo anders hinsah. Epicharis trank etwas und drückte den Becher dann einem vorübergehenden Sklaven in die Hand.


    Sie und der derzeitige Brautführer hatten gute zwei Drittel des kurzen Weges zurückgelegt, als Aristides sich von seinen Kameraden löste und ihr entgegen schritt. Er wirkte glücklich, was sicherlich zu einem nicht geringen Teil am Wiedersehen mit seinen Soldatenfreunden lag, von denen Epicharis bisher nicht einen näher kannte, einige wohl aber vom Sehen, denn damals auf Medeias Hochzeit war auch Epicharis nach Mantua eingeladen worden. Plötzlich blieb Aristides stehen, sah kurz aus, als ob er etwas sagen wollte, doch schloss er den Mund sogleich wieder. Auch Gracchus und sie hatten innegehalten. Als Aristides die Hand seiner Braut ergriff, hatte sie Gracchus kurzzeitig vergessen. Ihr Blick ruhte nun ganz auf dem stattlichen Bräutigam in der Toga, die ihm so gut stand. Seine Worte klangen ergriffen, ganz sicher, und was er sagte, ließ Epicharis’ Herz einfach höher schlagen. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht tief zu seufzen – aber am Abend, ganz gewiss, da würde sie ihm sagen, was er ihr bedeutete und wie diese Worte nun auf sie gewirkt hatten. Für den Moment aber riss sie sich ganz strikt zusammen, drängte das verräterische Glitzern in ihren Augen noch einmal zurück und schöpfte nur zitternd Atem. Ihre andere Hand löste sie von Gracchus und legte sie auf die von Aristides. „Keinen anderen Ort wird es jemals geben, an dem ich lieber sein werde als bei dir“, hauchte sie in Ermangelung anderer Worte und lächelte ihn an.


    Als sei diese erste Begegnung von Bräutigam und Braut nun ein Startzeichen für die Gäste gewesen, fanden sich Epicharis und Aristides nun plötzlich zwischen ihren Familien, Freunden und Bekannten wieder. Die erste, die gratulierte, war Epicharis zugleich auch unbekannt. Flavia Celerina hieß sie wohl. Das bedeutete, dass Epicharis zukünftig mehr mit ihr zu tun haben würde, wenn sie denn erst umgezogen war. „Salve, schön dich kennenzulernen“, erwiderte sie freundlich und sah bereits Antonia nahen, ihre Pronuba. Schnell wandte sie sich noch einmal an Celerina. „Wir müssen uns unbedingt unterhalten, später“, versicherte sie der baldigen angeheirateten Verwandten. Dann waren Antonia und ihr Begleiter auch schon heran, Claudia und Claudia umarmten sich kurz, aber herzlich, und Epicharis strahlte erneut. „Liebe Antonia…danke, vielen Dank“, brachte sie nur zustande, dafür aber von Herzen. Nicht schlecht staunte sie dann, als Antonia Tucca vorstellte. Es war Ewigkeiten her, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. Und nun war er in Rom, lebte womöglich sogar in der Villa Claudia, und sie war ihm nicht begegnet – was allerdings auch kein Wunder war, verbrachte sie doch so viel Zeit wie nur irgend möglich außerhalb dieses Hauses, das für sie nicht mehr das Heim war, das es einmal gewesen war. Sie erinnerte sich daran, dass der arme Tucca nicht sehen konnte. Wie lange war es her, ihr letztes Treffen? Jahre mussten vergangen sein! Und damals, beim Auslaufen der Kriegsschiffe aus dem Hafen von Ravenna, hatte sie nicht daran gedacht, ihn zu besuchen. Das schlechte Gewissen regte sich etwas in ihr. „Tucca, das ist aber schön, dass du hier bist!“ Ob er eigens wegen der Hochzeit angereist war? Dann hatte er mehr Schneid als die restliche claudische Meschpoke. „Vielen Dank. Aber noch ist es ja nicht soweit, eigentlich“, fuhr sie dann fort und sah zu Aristides hin, in dessen Hand sie die ihre nach Antonias Umarmung erneut gelegt hatte. „Marcus, Tucca ist ein Großcousin meines Vaters, sozusagen“, erklärte sie ihm, damit er den mit Sicherheit für ihn fremden Besucher etwas besser einordnen konnte. Die Verwandtschaftsverhältnisse in großen Familien waren bisweilen etwas kompliziert, aber Aristides hätte wohl auch ohne die Erklärung der sehr entfernten Beziehung zu Tucca einzig an Epicharis’ förmlichen Verhalten erraten, dass seine Braut und er sich nicht sehr nahestanden. Die Claudia, die nun bald eine Flavia sein würde, bekam nun allmählich kalte Hände. Sie sah sich nach Gracchus um, musterte dann Arisitdes’ Profil. Ganz gewiss würde es nun bald losgehen. Der Gedanke daran ließ sie sich nur noch aufgeregter fühlen.

    Antonia wirkte, als fände sie das witzig. Epicharis fühlte sich ein wenig verloren und nagte weiterhin stumm auf ihrer Unterlippe. Sie schämte sich, dass sie gefragt hatte! Aber statt sich nun über die dumme Frage lustig zu machen, erklärte Antonia ihr, warum sie sich keine Sorgen machen musste. Das war für Epicharis dann doch erleichternd, und sie lächelte ein wenig mit, auch wenn das eher halbherzig war. "Entschuldige bitte, das war dann wohl...dumm von mir", brachte sie zerknirscht hervor. Vielleicht sollte sie das alles einfach auf sich zukommen lassen, und zwar, ohne groß zu denken. Wie konnten Männer das nur schaffen? Die mussten doch auch irgendwann damit anfangen. Epicharis seufzte. "Ich versuchs ja, aber... Es ist einfach schwierig, wenn man es noch nie selbst gemacht hat. Pass auf, bestimmt sitzen wir nach der Hochzeit irgendwann zusammen und lachen über meine blöden Fragen. Weil ich dann selbst weiß, wie naiv sie auf dich gewirkt haben." Das war ihrerseits ein schwächlicher Versuch, die Situation aufzulockern, aber der ging wohl nach hinten los. Zum Glück wusste sie nichts von Antonias Überlegungen bezüglich der Puppen. Epicharis hätte sonst vermutlich entsetzt abgelehnt. Sich vorzustellen, dass sie und Aristides...nunja, das war schon schwierig genug, aber wenn Antonia Puppen kommen lassen würde, so würde Epicharis wohl während des Aktes ständig an diese Puppen denken müssen....


    Schließlich musste Epicharis doch grinsen. Antonia schien aufzutauen, und was sie sagte, machte Epicharis nur wieder nachdenklich. Oben war anstrengender... Das würde sie sich merken, auch wenn sie sich ganz sicher nicht nehmen lassen würde, auch mal oben zu sein! Frauen mochten in Rom ja das schwache Geschlecht sein, aber Epicharis sah sich selbst als mindestens gleichberechtigt an, was ihre Ehe mit Aristides anging. Nur...gesagt hatte sie ihm das natürlich nicht. Das würde er wohl beir der ersten Schale Gemüse merken, in der sich kein Fleisch befand... Epicharis kicherte albern und stupste Antonia an. "Ich kann zwar noch nichts dazu sagen, aber dass du dir Mühe gibst, glaube ich dir. Aber sag mal... Wenn es den Göttern dann, hmm....gefällt undich schwanger bin... Dann muss man doch gewiss nicht weiterhin...äh, es tun? Also, bis das Kind dann da ist. Und dann wieder von vorn anfangen." Puh, das konnte womöglich ganz schon in Stress ausarten.

    Viele Flavier also, das wusste Epicharis allerdings bereits. Die meisten der Flavier kannte sie schließlich schon. Interessanter wäre es gewesen, zu erfahren, wer die Soldaten waren, aus welchen Familien sie stammten und wer der Mann bei Antonia war. Doch sie wollte die fleißige Fiona an diesem Tage nicht tadeln, und so bedankte sie sich artig und rätselte weiter im Stillen, wen ihr Zukünftiger wohl noch so alles eingeladen hatte. Sie selbst hoffte ja, dass Aelia und ihr Mann noch erscheinen würden, denn eine Absage hatten sie nicht geschickt, eine Zusage indes ebensowenig. So hoffte sie wie eh und je stets auf das Gute.


    Und postwendend kam es, das Gute, in Gestalt von Gracchus. Von dessen frischem Vaterglück hatte sie bisher nichts gehört, und Antonia stand im falschen Winkel zu ihr, und so hegte sie keinerlei Vermutung in diese Richtung. Während Gracchus immer näher kam, ward Epicharis' Lächeln stets noch fröhlicher. In keinster Weise war sie auf die blumigen Worte des Flaviers gefasst, obwohl sie doch erwartet hatte, dass er sich wie immer gewählt und höflich ausdrückte. Seine Worte jedoch, die reinste Übertreibung waren, ließen sie augenblicklich erröten, und zum ersten Mal an diesem Morgen war Epicharis dankbar, dass der rote Schleier ihre Wangen verdeckte. Ihr blieben die netten Begrüßungsworte im Halse stecken, so sprachlos sah sie sich ihm gegenüber. Und auch wenn sie das niemals zugegeben hätte, so hätte sie Gracchus noch stundenlang weiter so sprechen hören können. Sie mochte diese poetische Ader an ihm, die Kreativität, die aus ihm sprühte, und sie nahm es den Göttern krumm, dass sie ihm seine Eloquenz vergällt hatten. "Oh, ich.... Gracchus", stammelte sie ein wenig matt und legte ergriffen ihre zarte Hand auf das schmucke Dekollettée, die Geste gepaart mit einem Wimpernschlag. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, so viele der Komplimente..." Und das war die Wahrheit. Epicharis war hellauf begeistert von Gracchus' Wortwahl, wiedereinmal, zumal sie selbst der Grund dieser Poesie gewesen war. Ihr Herz tat einen Hüpfer und sie seufzte in Sympathie. Was Gracchus sicher nicht ahnte war, dass er nur ganz knapp an einer Umarmung vor allen Anwesenden vorbeischipperte. Epicharis befand sich gerade im entsprechenden Gemüt, doch allein ihre Erziehung hatte sie zurückgehalten und den Wunsch nach einer Umarmung in eine vertraute Berührung seines Unterarmes abgemildert. "Vielen Dank, lieber Gracchus! Ach, es freut mich so, endlich ist der Tag gekommen. Und wie schön, dass du dabei sein kannst. Es geht dir doch gut?"


    Nur mühsam konnte sie kurz den Blick von dem Flavier reißen, um sich nach einem anderen Flavier umzusehen. Aristides war stets leicht auszumachen, und so fiel es Epicharis leicht, ihren Bräutigam zu erspähen. Seine Erscheinung wirkte erhaben, er selbst schien zu blühen wie das Leben selbst. Und doch stand er bei seinen Soldatenbrüdern und wollte nicht recht in ihre Mitte passen, das fiel Epicharis sofort auf. Er sah sie an, und sie lächelte zurück, gar nicht daran denkend, dass er vielleicht nicht sehen konnte, wie sie lächelte, des Schleiers wegen. Aber sie sollte sich nun wohl zu ihm begeben. "Möchtest du mich zu Marcus geleiten?" fragte sie Gracchus strahlend und machte bereits Anstalten, ihre Hand entsprechend so zu positionieren, dass er sie mit Leichtigkeit würde führen können. "Fiona? Minna? Ich würde gern etwas trinken, aber keinen Wein. Ihr dürft euch auch ruhig etwas umsehen." Viele der Gäste hatten Sklaven mitgebracht, da würden sie sicher die ein oder andere Bekanntschaft machen können.

    Die kleine Sklavin musste schreckliche Schmerzen haben, zumindest sah es so aus, das dunkelrote Blut. Epicharis mochte gar nicht richtig hinsehen. Mit einem gewissen Ausdruck von Ekel sah sie der Sklavin dabe zu, wie sie ihre Nase ertastete und dabei das Blut noch weiter verschmierte. Im Nu war ihr Taschentuch rotgefleckt, aber die Blutung schien allmählich aufzuhören. Der klobige Kerl stand derweil wieder unbeweglich griesgrämig an Epicharis' Seite und sah auf Siv herunter, die nun du sie stand immer noch kleiner war als er.


    Epicharis musste beinahe kichern, als Siv sie so ansprach. Aber die Ärmste konnte ja nichts dafür. "Ja, die bin ich. Wolltest du etwa zu mir, da eben an der Tür?" fragte sie. Warum hatte die Sklavin denn nicht gleich etwas gesagt? Der Leibwächter verdrehte kurz die Augen und stand dann wieder still. "Und wer bist du?

    Sim-Off:

    Ich mich auch, du :D


    Dass Antonia so gar nicht nachvollziehen konnte, warum Epicharis der Hochzeitsnacht nun äußerst skeptisch entgegensah, verwunderte sie. Antonia wusste doch genauso gut wie sie selbst, dass Aristides inzwischen ein paar Pfund mehr auf den Hüften hatte? Vielleicht, so dachte sich die Claudia, rief sich Antonia aber auch stets nur Gracchus ins Gedächtnis, und der wirkte ja nun wirklich nicht zu schwer...


    Bedauernd zuckte Epicharis mit den Schultern. "Naja, ich meine... Marcus ist nicht gerade ein Gracchus. Er wiegt schon etwas mehr, und wenn ich unten....also, naja..." Epicharis verstummte. Es wollte ihr einfach nicht so mir nichts, dir nichts über die Lippen, dass Aristides besser etwas abspeckte. Doch dafür war es nun zu spät. Selbst, wenn er die nächsten zwei Wochen nichts aß - was definitiv illusorisch war - würde er es nicht bis zur Hochzeitsnacht schaffen, sich auf einen angenehmeren Umfang herunterzuhungern. Epicharis nagte an ihrer Unterlippe und sah Antonia unglücklich an. "Er sieht so...schwer aus." Jetzt war es raus, und Epicharis plagte sofort ein schlechtes Gewissen. Mit Antonia über andere hinter deren Rücken zu tuscheln war nichts, dessen Epicharis sich schämte, aber bei ihrem Zukünftigen war es dann doch etwas anderes. Augenblicklich seufzte Epicharis und fasste einen Entschluss. "Ich muss einfach nur oben liegen. Mich hält er gewiss aus", sagte sie sich halbherzig und hoffte natürlich auf die postwendende Bestätigung dieser Annahme von Antonia.


    Erneut seufzte sie, und dann nahm sie Antonias Hand und drückte sie sanft. "Vielleicht. Aber es hilft mir schon sehr, wenn wir darüber reden", sagte sie ehrlich, meinte es aber kaum so. Schließlich war sie nun verwirrter als vorher, auch wenn sie ansatzweise ahnte, um was es in dieser Nacht gehen musste... Und auch, wenn sie nun deutlich weniger sicher war, diese Nacht der Nächte heil zu überstehen.

    Epicharis strahlte nicht minder zu Fiona zurück, war sogar ein wenig verlegen, denn das Kompliment der Sklavin war wirklich ernst gemeint, das konnte man sehen, hören und spüren. Der Sklave war zwar augenblicklich aufgebrochen, um Aristides zu benachrichtigen, doch war weit und breit nichts von ihm zu sehen. Das mochte daran liegen, dass seitdem nicht mehr als ein paar wenige Minuten verstrichen und der Garten doch recht weitläufig war, doch Epicharis schien es in diesem Moment eine Ewigkeit zu sein, die sie bereits wartete. So beschloss sie kurzerhand, ihm einfach schon entgegen zu gehen, nicht ahnend, dass der Sklave bisher nicht einmal bei ihrem Ehemann in spe angekommen war und sich dieser somit auch noch nicht auf dem Weg zu ihr befand. "Komm, wir gehen hinein", sagte sie zu Fiona und ging auch schon los.


    Rechts und links des Weges leuchteten die herrlichsten Farben. Ein geschäftiges Schwirren und Summen lag in der warmen, wohlriechenden Luft, und Epicharis dachte, dass es hier wie in Griechenland oder Ägypten sein musste. Dort gewesen war sie noch nie, und selbst die schönsten Ecken in Hispania reichte nicht an die üppige Vielfalt dieses Gartens heran, in dem für sie damals alles begonnen hatte. Die ntferntee Geräusche der Raubtiere harmornierten mehr alsdass sie das Gesamtbild störten, hier in diesem Garten fühlte man sich lebendig, fühlte sie sich lebendig, auch wenn sie bereits jetzt am Morgen etwas ängstlich an die folgende Nacht dachte.


    Immer weiter ging es den geschlängelten Weg entlang, niemand begegnete ihr, sah man von Sklaven ab, die kleine Fässer trugen oder rollten, die letzten Stühle schleppten, Tabletts mit buntem Allerlei trugen und sie fast ausnahmslos aus den Augenwinkeln heraus beobachteten. Dann war die Terrasse in Sicht, längst hatte Epicharis ob all dieser Schönheit vergessen, dass sie Aristides nur hatte entgegen gehen wollen. Es war ihr nicht bewusst, aber von einem beliebigen Platz unter dem großen Sonnensegel aus musste es wirken, als spazierte dort, wo sie ging, ein orangeroter, auf und ab hüpfender Farbtupfer durch das Grün und Bunt des Gartens.


    Die Braut nahte. Und sie war die Braut. Epicharis' Herz klopfte plötzlich bis in den Hals hinauf, als sie die Gestalt ihres Zukünftigen dort stehen sah, inmitten von - natürlich - seinen Soldatenfreunden. Auch eine Handvoll Gäste waren bereits anwesend, größtenteils Aristides' Familie, und auch der Auctor war dort. "Fiona? Tust du mir einen Gefallen, finde heraus, wer schon alles anwesend ist", trug sie der Sklavin an ihrer Seite auf. Von Aristides' Familie kannte sie zwar beinahe jeden, aber in der Nähe von Antonia beispielsweise hatte sie jemanden entdeckt, der ihr zwar irgendwie bekannt vorkam, den sie jedoch nicht näher einordnen konnte. Es musste ein Gast sein, den Aristides geladen hatte, auch wenn er nicht aussah wie ein Soldat. Von denen sie im Übrigen bisher niemanden kannte.


    Dann war es soweit, und Epicharis setzte einen Fuß vom Kies auf die Terrasse. Unschlüssig, wohin sie sich zuerst wenden sollte und was sie überhaupt zuerst tun sollte, Verharrte sie am Rande der Terrasse. Sie zog nicht gern die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich, und die meisten befanden sich gerade im Gespräch. So stand sie also erst einmal dort, der laue Wind spielte sachte mit dem Flammeum, und das claudische Gesicht, dass er gerade einmal hinreichend verschleierte - schließlich war der Stoff beinahe transparent - strahlte den Gästen vor Freude entgegen.

    Zitat

    Original von Caius Flavius Aquilius
    Übers Wochenende mal wieder im Wald mit netten Leuten ;) (sprich: Con ^^)


    Ich bin auch weg...wieder mit Aqui.
    Noch darf ich ja, so gesehen, bin ja noch nicht unter der Haube, hihihi. :D

    Epicharis schien mit ihrer Frage wieder eine komplizierte Sache angeschnitten zu haben. Sie machte ein bekümmertes Gesicht und gab sich große Mühe, zerknirscht zu wirken. Antonias Antwort, die eigentlich keine war, warf nur viel mehr Fragen auf. Welche Faktoren da wohl gemeint waren? Vielleicht die Raumtemperatur. Wenn man sich körperlich betätigte, wurde einem ja schnell warm. Ob sie Antonia darum bitten sollte, die Fenster vor der Nacht der Nächte zuzulassen, damit Es nicht die ganze Nacht dauerte? Vielleicht sollte sie auch darauf achten, dass Aristides dem Wein ordentlich zusprach... Ein tiefes Runzeln zeigte sich auf Epicharis' Stirn, während sie so nachdachte. Antonia lieferte derweil weitere wertvolle Informationen. Gracchus war demnach wohl recht fit in dieser Sache. Ob das daran lag, dass Antonia und er so oft übten? Eigentlich sah Gracchus gar nicht aus, als könne er lange Sport treiben.


    "Je länger es dauert, desto besser ist es?" fragte Epicharis noch einmal nach. Das konnte sie sich nicht so recht vorstellen, aber Antonia musste es eben wissen. Epicharis zuckte mit den Schultern und verengte aufmerksam die Augen, als die Schwangere von nicht so ausdauernden Männern sprach. Ob Aristides dazugehörte? Vermutlich nicht, immerhin war er Soldat und er war im Krieg gewesen. Ohne Ausdauer war da wohl nichts zu holen. Epicharis seufzte resigniert und nahm sich vor, sich einfach in ihr Schicksal zu ergeben. "Naja, er sieht vielleicht nicht so aus, aber ich glaube schon, dass Marcus, äh... Naja, als Soldat hat er doch sicher eine gewisse Ausdauer." Epicharis hob einen Mundwinkel an und war sich nicht sicher, ob sie sich darüber freuen sollte oder nicht. Sie dachte abwechselnd an Aristides' Gewicht und an den Umstand, dass länger = besser bedeutete. Epicharis seufzte tief. "Ich weiß nicht, das klingt alles so schwierig... Wenn ich darauf achte, dass er nicht so viel Wein trinkt, muss ich später oben sein, denn sonst dauert das alles so lange und ich...bekomme vielleicht keine Luft mehr. Und wenn er viel Wein trinkt, also, vorher meine ich, dann...ist es doch egal, wer wo ist. Äh. Oder?" Epicharis schüttelte verwirrt den Kopf und sah Antonia hilfesuchend an. Sie war einfach nur noch durcheinander, und inzwischen bereute sie sogar etwas, dass sie Antonia überhaupt gefragt hatte.

    Es war wohl unnötig zu erwähnen, dass Epicharis Antonias Unbehagen nicht gänzlich nachvollziehen konnte. Zu ihrer Verteidigung musste man allerdings sagen, dass allein das gemarterte Seufzen der Schwangeren ein schlechtes Gewissen bei Epicharis verursachte. Aus irgendeinem Grund schien es Antonia so ganz und gar schwer zu fallen, über das zu reden, was Gracchus und sie selbst damals doch getan hatten, in der Hochzeitsnacht. Epicharis fragte sich flüchtig, ob es immer so lange dauerte, bis man ein Kind in sich trug, verwarf diesen wirklich dummen Gedanken jedoch gleich wieder, als sie an Lucilla dachte. Da war es schließlich deutlich schneller gegangen... Vermutlich musste man die Prozedur so lange wiederholen, bis Juno es gefiel und sie dem Paar ihre Gunst schenkte. Epicharis nahm sich vor, so hingebungsvoll wie möglich zu sein, damit Aristides und sie nicht so lange warten mussten, bis auch Epicharis schwanger war.


    Mit gerunzelter Stirn und äußerst aufmerksam folgte sie nun Antonias jetzt sehr deutlichen Worten. Bisweilen hob sie eine Braue, runzelte die Stirn, blinzelte irritiert oder zog die Nase kraus - wie beispielsweise an dem Punkt, an dem Antonia ihr offenbarte, dass sich Aristides vermutlich auf sie legen würde. Unwillkürlich musste sie dabei an sein Gewicht denken. Es würde sicher alles andere als angenehm sein, wenn sie sich das so vorstellte. Sie hätte mit Sicherheit keine Schwierigkeiten damit, Aristides zu streicheln oder zu küssen, ganz im Gegenteil, da freute sie sich schon drauf, aber ihr war noch nicht so klar, in welcher Reihenfolge dies alles am besten ablaufen sollte, damit Juno Gefallen daran fand. Ebenso überraschend wie Aristides in Antonias Erzählung kam Antonia selbst zum Ende, hielt kurz inne und sah sie mit erhobenem Finger an. Epicharis musterte kurz den Finger, hinter ihrer Stirn arbeitete es auf Hochtouren und sie nagte wieder an der Lippe. Es gab so vieles, dass sie Antonia noch hätte fragen können, doch sie erinnerte sich an den gepeinigten Seufzer und schluckte den Großteil der peinlicheren Fragen einfach hinunter. In ein paar Tagen wäre sie ohnehin schlauer. Eines aber beschäftigte sie im Hinblick auf Aristides' Gewicht doch sehr. "Äh. Ja. Ähm", machte sie zerstreut und wedelte kurz mit einer Hand vor sich herum. "Wie lange dauert das denn? Doch nicht...die ganze Nacht?" Wenn doch, so würde sie alles geben, um Aristides mit dem Rücken aufs Bett genagelt zu sehen. Sonst wäre sie am nächsten Morgen wohl platt wie eine Flunder.

    "Ah..." machte Epicharis und nickte erleuchtet. "...sooo...." Auf welche Bereiche des Lebens sich das auch immer bezog. Vielleicht auf Wein und Essen? Zumindest hatte sie noch keinen Mann getroffen, der dies nicht mochte. Epicharis nagte weiter an ihrer Unterlippe und wartete darauf, dass Antonia endlich mit der niederschmetternden Wahrheit herausrückte. Bei ihrem Also lehnte sie sich noch ein wenig weiter vor, nun auch mit ihrem Blick an Antonias Lippen hängend, doch als sie nur wieder das Offensichtliche erwähnte, ließ Epicharis die Schultern sinken. Allerdings nur kurz, denn sofort sprach Antonia weiter, und Epicharis war nun wieder Feuer und Flamme. Dann gehts los. Epicharis blinzelte und Antonia kicherte. Machte sie sich etwa einen Spaß darum, dass Epicharis so gar nichts wusste? Enttäuscht sackten wieder die Schultern hinunter, und diesmal zog Epicharis einen kleinen Schmollmund. Doch ehe sie etwas sagen konnte, fuhr Antonia fort.


    Epicharis traute ihren Ohren nicht. Die Geschichte mit den Bienen und den Blumen? Langsam hoben sich ihre Augenbrauen und sie lehnte sich zurück. Meinte Antonia das etwa ernst? Sie fragte sich das nur kurz, zu überrascht war sie über den Vergleich mit der Blume. "Ich bin eine Blume", wiederholte sie trocken und betrachtete entsetzt, wie Antonia mit sichtbaren Schwierigkeiten eine Rose abbrach. Die waren doch heilig! Aristides hatte so oft davon gesprochen, wieviel Senator Felix diese Blumen bedeuteten! Und er hatte nie gesagt, was er mit denen anstellte, die sie kaputt machten...also schloss Epicharis daraus, dass die Strafe furchtbar schrecklich sein musste. Antonia lutschte inzwischen an ihrem Finger herum und war schon bei Aristides angekommen. "Äh, ich dachte, Marcus wäre die...Biene?" Und kein Finger. Epicharis musste nun auch kurz albern kichern. Dann nahm sie Antonias lädierten Finger und schüttelte den Kopf. "Antonia, ach, können wir nicht ganz normal darüber reden? Ich meine... Ich bin keine Blume und ich sehe auch nicht wie eine aus. Also, dort...äh. Ja." Da befiel sie das Entsetzten: War Aristides etwa pelzig und gelb-braun gestreift? 8o

    Es schien Epicharis, als sei Antonias verwundert darüber, dass Epicharis, nun ja, genau genommen nichts wusste. Aber gerade deswegen wollte sie ja alles erfahren! das musste Antonia doch verstehen...oder nicht? Verwirrt blinzelte Epicharis und hörte kurz darauf die weisen Worte der Matrone. Alles sei zuviel. Sie biss sich auf die Unterlippe und kaute halbherzig darauf herum. Ja aber...wo sie doch nichts wusste, wie sollte sie da ein Gebiet bestimmen, das sie näher beleuchten konnten? Epicharis' Brauen zogen sich hilflos zusammen, die Schultern sackten ein wenig herab, und sie sah Antonia an wie ein kleiner nasser Hund, der soeben vor dem Ertrinken aus dem Tiber gerettet worden war. "Ja aber... Ich dachte, alle Männer wären gleich?" fragte sie verdutzt. Das zumindest hatte die Tante in Spanien immer und immer wieder gepredigt, wer immer ihr auch vor die Nase gekommen war und was immer dieser Jemand auch angestellt hatte. Selbst, wenn es nichts war, denn das war dann auch nicht recht gewesen.


    Epicharis hing weiterhin begierig an Antonias Lippen. Aristides würde ihr schon helfen. Ja, doch, dessen war sie sich sicher. Aber sie wollte sich nicht ganz und gar wie eine dumme Gans anstellen, deswegen waren sie ja nun hier! Und ausziehen konnte sie sich auch allein, oder ein Sklave würde ihr helfen. Was sie zu der Frage antrieb, ob Sklaven dann dabei sein würden oder nicht. Und...ob man sich dafür ganz ausziehen musste oder nicht. Eine tiefe Falte hatte sich auf der claudischen Stirn ausgebreitet. Von dem Schmerz hatte Epicharis allerdings schon gehört, wobei da auch wieder jeder etwas anderes gesagt hatte. Sie nickte also und lächelte ein wenig scheu, was Antonia aber wohl nur halb mitbekam, da sie sich ständig umsah. Ob sie Spione im Garten vermutete?


    "Ja, der Ablauf. Genau. Also, was...genau passiert denn überhaupt? Den...den Knoten muss ja er aufknüpfen. Und dann..." Epicharis verstummte und hielt den Atem an. Jetzt würde es kommen. Die knallharte Wahrheit, und nichts als die Wahrheit! Sie fühlte sich ein wenig naiv. Wenn sie doch nur ihre Mutter gehabt hätte... Sie hätte ihr doch gewiss alles erzählt? Schon viel früher. Aber Epicharis hoffte, dass Antonia sie nicht für klein und einfältig hielt. Schamvoll knirschte sie abwechselnd mit den Zähnen oder kaute auf ihrer Lippe herum.

    Beunruhigt ob des aufziehenden Unwetters wirkte Epicharis nun unruhig. Und sie wusste immer noch nicht, ob sie besser sofort ging oder doch noch bleiben sollte, bis das Gewitter vorüber war. Gracchus blickte der Wolkenfront entgegen, die sich schier unaufhaltsam ihnen entgegen schob, und er begann einen Satz, den Epicharis nicht sofort verstand. Gleich, vermutlich wollte er ankündigen, dass es gleich regnete? Rätselnd runzelte sie die Stirn, betrachtete Gracchus eingehend, so als ob die Antwort, die er zu geben gedachte, in leuchtenden Lettern auf seiner Stirn erscheinen würde, wenn sie ihn nur eindringlich genug ansah. Doch statt auftauchenden Buchstaben nahm er ihr die Entscheidung kurzerhand ab, ob sie bleiben oder gehen sollte. Epicharis ließ noch einen Herzschlag verstreichen, dann lächelte sie ein wenig, zauderhaft ob des Unwetters, da sie Regen und Blitze und Donner nicht mochte und niemals gemocht hatte. Dennoch hatte sie den Hinweis verstanden, Gracchus mochte jetzt wieder allein sein, und sie würde seinem Wunsch natürlich nachkommen.


    "Ja. Du hast Recht, ich sollte mich besser eilen", erwiderte sie und nickte abschließend. Sie schob den Stuhl ein wenig zurück und stand auf. Dabei überlegte sie, wie sie sich verabschieden sollte. Gracchus bedankte sich noch einmal für das Spiel, und augenblicklich musste Epicharis verschmitzt lächeln. "Oh, bedanke dich besser nicht, beim nächsten Mal werde ich dich vernichtend schlagen", scherzte sie, und als wollten die Götter diese Worte unterstreichen, krachte es in diesem Moment laut und vernehmlich, und Epicharis zuckte wieder einmal zusammen. Jetzt, wo sie nun schon einmal stand, kostete es sie große Überwindung, nicht ein wenig näher an Gracchus heranzutreten. Sie hasste Gewitter wirklich! Und damit ihr nicht doch noch ein Malheur passierte, für das sie sich später würde schämen müssen, verabschiedete sie sich nun hastig. "Gut, also... Ich werde dann jetzt gehen. Werde bald wieder richtig gesund, Gracchus", wünschte sie ihm und griff nun doch noch einmal nach seiner Hand, um sie herzlich zu drücken. Kurz darauf wandte sie sich um und verließ in Begleitung eines Sklaven, der sie zur Tür geleitete, den Garten.


    Epicharis war nur noch wenige Schritte von ihrer Sänfte entfernt, als bereits die ersten, schweren Tropfen auf das Pflaster tropften. Nur wenig später hatten sich die vereinzelten Regentropfen in ein prasselndes Crescendo verwandelt, durch die die claudischen Sänftenträger mit ihrer schweren Last schnellstens heimwärts flohen.

    Die Wegzeit bis hierher hatten wie schnatternd verbracht, mit Gesprächen über Mode und die angesagtesten Damen derzeit. Seitdem Lucilla nicht mehr in Rom weilte - da fiel ihr ein, die musste doch schon längst ihr Kind bekommen haben! - genau. Seit Lucilla fort war, hörte man ihren Namen auch nicht mehr in der Szene. Das Letzte, was sie von ihr gehört hatte, war die Sache mit den Hippopotamusledersandalen gewesen, und ob das wahr war oder geflunkert, wusste Epicharis auch nicht zu sagen.


    Aber im Grunde hatte das alles auch seinen Reiz verloren in dem Moment, in dem die Villa der Flavier in Sicht gekommen war. Bald schon würde das auch ihr Zuhause sein. Aber zuvor würde sie erst einmal ein ganz hartes Stück Arbeit zu erfüllen haben, und um ihr zu helfen, würde Antonia sie nun in die geheimsten Geheimnisse des Frauseins einweihen. Epicharis war ja so gespannt! Atemlos folgte sie ihrer Verwandten durch das Haus in den Garten - und fühlte sich dabei fast ein wenig verstohlen, weil sie beide darauf achteten, dass keiner ihnen folgte und niemand sie stören würde. Tiefer und tiefer ging es in den Garten hinein, und Epicharis verließ sich ganz auf Antonia, dass sie hinterher auch wieder hinaus fanden. Dann endlich kam eine Bank in Sicht, und kurz nach Antonia setzte sich auch Epicharis hin und sperrte aufmerksam die Lauscher auf. "Alles!" hauchte Epicharis wissbegierig und mit begeistert glänzenden Augen. Antonia musste nach all dieser Zeit schließlich eine wahre Koryphäe auf diesem Gebiet sein.

    Etwas knirschte ganz schrecklich, und Epicharis schlug sich hastig beide Hände vor den Mund. Der Leibwächter schüttelte nur kurz seine Hand aus und baute sich dann direkt wieder neben Epicharis auf, verschränkte die Arme und sah ohne den Kopf zu neigen auf Siv hinab, die inzwischen am Boden lag und ziemlichs Nasenbluten hatte. Epicharis sah den Sklaven an, dann Siv, und schließlich stieß sie den Hünen neben sich zur Seite. "Bona Dea, nun hilf ihr doch, du..." Das Unflätiger Torfkopf konnte sie gerade noch rechtzeitig unterdrücken. Das schickte sich nicht, schon gar nicht für eine Patrizierin und erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Die blonde Sklavin wirkte, als hätte sie soeben ein Hammerschlag getroffen. Epicharis machte ein bekümmertes Gesicht, während sich der Muskelprotz nun äußerst galant darum bemühte, Siv wieder auf die Beine zu bekommen, ohne sie unsittlich zu berühren. Das war gar nicht so einfach bei einer zotig schimpfenden Germanin, doch letztendlich stand Siv wieder, und Epicharis reichte ihr ein spitzenverziertes Taschentuch, damit sie ihr Nasenbluten unter Kontrolle bringen konnte.


    "Das tut mir wirklich leid", sagte Epicharis in Annahme der Tatsache, dass der Leibwächter schuld gewesen war. Sie war wirklich untröstlich, was man durchaus an ihren zusammengezogenen Brauen erkennen konnte. "Dir fehlt doch sonst nichts?" fragte sie.