Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Die Frage der jungen Iunierin brachte Nikolaos in Bedrängnis. Für gewöhnlich vermied er es, am Nachmittag Arbeit, gleich in welcher Form, nachzugehen. Nun aber schien ihm diese Frage fast vorwurfsvoll zu klingen.


    "Ich denke, ich werde am Nachmittag dort sein.", sagte er langsam, doch nicht zögerlich. "Sehr freundlich ist es von dir, dass du dich mit dem Austragen beeilen möchtest. Doch willst du nicht zunächst eine Kleinigkeit essen?"


    Nikolaos wollte schließlich nicht den Anschein erwecken, Axilla herumzuscheuchen. Er konnte auch freundlich sein... . Seine Mißstimmung vom Vormittag verflüchtigte sich langsam. Auch verzieh er der Schreiberin ihre Anzüglichkeiten. (Wobei es ihn noch immer sehr interessierte, was wohl Urgulania von Derartigem halten würde...)


    "Noch sind meine Lohndiener im Hause, könnten also sehr rasch eine kleine Mahlzeit zurechtmachen.", fügte er hinzu und lächelte.

    Dass der Gast auf die Hilfe von Dienern bei der Köperreinigung verzichten wollte, befremdete Nikolaos. Alleine erreichte man doch gar nicht alle Winkel des Körpers... . Vielleicht lag es daran, dass der junge Mann offenbar aus dem Norden kam. In Ägypten schienen die Hellenen, natürlich nach den Juden und den Römern, sogar noch am Schamhaftesten, was (öffentliche) Nacktheit anbetraf.


    "Das ist ganz dir überlassen.", sagte Nikolaos freundlich. "Erlaubst du jedoch, dass dir zuvor die Diener eine kleine Stärkung bringen? Oder möchtest du dich lieber zuerst waschen?"


    Einer der Diener wartete, im gebührenden Abstand, auf ein Zeichen des Nikolaos. Der Hausherr wollte sich nicht lumpen lassen. Schließlich hatte der junge Mann sicher eine lange Reise hinter sich, auf der er überwiegend fade Schiffskost gegessen hatte.


    Eirene:


    Eine zeitlang war es still in diesem Winkel des Gartens. Kein Knistern von Seidenstoffen, kein lautes Atmen. Nur die Zikaden zirpten und Vögel krächszten. Durch die Blätter fuhr der Abendwind. Weit weg schienen die Stimmen, das Lachen und das Lärmen der Festgesellschaft. Der Mann, der Gorgis genannt wurde, musste einige Zeit warten. Dann trat Eirene lautlos vor den Priester.


    "Mir scheint, du bist mehr an dem interessiert, was ich zu sagen hätte, als der ehrenwerte Hausherr es ist.", sagte sie gleichmütig. Ihre Gewänder raschelten. Es schien viel Seide darin verwoben zu sein. Womöglich hatten sie den Wert eines mittelgroßen Hauses in Alexandria.


    "Geórgios heißt du, oder etwa nicht?", fragte Eirene, ohne ihrem Gegenüber Gelegenheit zur Antwort auf die erste Frage zu geben. Ob sie vom Kosenamen, der in ihrer Gegenwart gefallen war auf den Namen des Mannes geschlossen hatte oder ob er ihr bereits bekannt war, würde Geórgios nicht erfahren. "Mein Name dürfte dir bereits bekannt sein."


    Sie ließ absichtlich eine längere Stille eintreten. Sie musterte den Mann, der etwa zehn oder fünfzehn Jahre älter war als sie selbst. Wieder raschelten ihre Gewänder.

    Ich bin halbkrank und werde ab Donnerstag bis Sonntagabend weg sein, wenn ich nicht bis dahin ganz krank werde. Vielleicht werde ich vereinzelt Beiträge in der nächsten Woche schreiben, doch momentan schlottern mir die Glieder und brummt mir der Schädel.

    Sie erreichten das Haus. Peistratos hatte den Herren und dessen Begleitung schon kommen sehen und ließ die drei jungen Menschen ein.


    "Chaire, Peistrate. Sind die Lohndiener noch hier?"


    "Chaire, Nikolae. Ja, sie sind noch hier."


    "Gut. Dann sage ihnen, sie sollen das Wasser in der Bleizisterne erhitzen, falls es nicht noch warm ist, und das Hypokaustum befeuern. Außerdem sollen sie frische Kleidung bereit legen und dem Gast-"
    Er nickte höflich in Richtung des blonden Römers.
    "beim Baden helfen und bewirten, falls er es wünscht. Und auf den Hund soll einer aufpassen.", sagte Nikolaos noch im Hof. Peistratos nickte und machte sich auf den Weg, die Lohndiener anzutreiben. Diese waren ungleich träger als die zum Haushalt gehörigen Sklaven, da sie Tagelöhner waren und in der Regel eine festgelegte Summe am Abend erhielten.


    Sie erreichten die Säulenhalle gegenüber des großen Tores.


    "Du kannst in den Raum am rechten Ende der Säulenhalle gehen, werter Duccius Rufus. Fühl dich wie zuhause."


    Dann wandte er sich an Iunia Axilla.


    "Warte hier. Ich hole die Tafeln."


    Er verschwand in seinem Schlafraum. Der schwere Türvorhang schien ihn zu verschlucken. Es dauerte eine Weile, ehe er wieder hinter dem Vorhang hervortrat. Schließlich hatte er die Briefe gerade eben erst geschrieben.


    Einen ganzen Stapel an Wachstafeln trug er und überreichte ihn der Iunierin.


    "Es wäre sehr gut, wenn die Briefe bis heute Abend abgeschrieben und verteilt wären. Das Abschreiben kannst du in der Schreibstube im Gymnasion erledigen."



    An Lyros, Altes Gasthaus, Alexandria



    Ich möchte dich daran erinnern, dass die Pacht des letzten Monats noch aussteht. Bitte begleiche sie so rasch wie möglich. Sollte dir dies nicht möglich sein, verschweige es nicht, sondern suche mich auf, damit wir darüber beratschlagen können.



    Nikolaos





    An Marcus Achilleos, Akademie des Marcus Achilleos, Alexandria



    Werter Marcus Achilleos,


    es wäre mir eine Freude, dich meinen Gast in meinem Haus in Alexandria nennen zu dürfen. Bitte gib mir diese Gelegenheit, das Versprechen, das ich dir gab, einzulösen.


    Nikolaos





    An den Verwalter des Landgutes des Nikolaos bei Alexandria



    Ich will dich darauf hinweisen, dass ich seit einiger Zeit gedenke, einige Tage auf dem Land zu verbringen, sobald es mir meine Geschäfte in der Stadt erlauben. Dies benötige ich sehr, um meine angegriffene Gesundheit wiederherzustellen oder wenigstens zu schonen. Daher bitte ich dich, das Haus und das Anwesen für meine baldige Ankunft bereitzuhalten.


    Nikolaos





    An Nikodemos, wohnhaft auf seinem Landgut bei Alexandria



    Werter Nikodemos,


    zulange schon hörte ich nichts von dir. Bitte lies darin keinen Vorwurf! Es ist lediglich die Sorge um dich. Daher lasse mich bitte wissen, wie es dir geht, ob deine Gesundheit wieder - zumindest - teilweise eingetreten ist. Gerne möchte ich dich besuchen, fürchte aber, durch ein plötzliches Eintreffen dich zu belästigen. Also bitte ich dich darum, mir mitzuteilen, ob du meinen Besuch wünschst und, falls ja, wann ich dich nicht störe, sondern du meinen Besuch genießen kannst. Ich hoffe, die Gebrechen deines Alters, von denen du oft berichtetest, entlassen dich zuweilen aus ihren Klauen.
    Ich weiß, dass dich die Geschäfte der Polis mehr anwidern als interessieren, aber ich möchte dir einen kurzen Bericht darüber geben:
    Ich bin wieder Gymnasiarchos für eine Pyrtanie. Die ehrenwerte Iunia Urgulania, eine Römerin deren Schutzherr ich bin, die dadurch, so hoffe ich sagen zu können, auch deinem Über-Schutz angehört, wählte das alexandrinische Volk zum Exegetes. Ich weiß, du schätzst es nicht, dass sich Frauen in Bereiche des Lebens drängen, die unsere Vorväter ihnen verwehrten, jedoch glaube ich, es ist durchaus gut für die Polis, diese Römerin als Fürsprecherin zu haben, zumal ihr Vetter ein hoher Offizier des römischen Stratos ist. Cleonymus ist Kosmetes. Desweiteren sind da zwei Brüder, der eine, Thimótheos, Sohn eines gewissen Kyriakos, ist nun Strategos, der andere, ein gewisser Ánthimos ist Agoranomos.


    Ich hoffe, bald wieder von dir zu hören.


    Nikolaos


    Nikolaos bemerkte den veränderten Tonfall seiner Schreiberin sehr wohl. Dies bestätigte ihn in seiner Annahme. Kaum, dass weder Urgulania noch Silanus auf das Mädchen aufpassten, da wurde es schon übermütig... .


    "Das Haus da vorne ist es auch schon.", sagte er und deutete auf das Haus, das sein eigenes war.







    edit:Link eingefügt.

    Dass der Junge ihn missachtete, gab Nikolaos einen weiteren Stich. Am liebsten hätte er die beiden nun alleine gelassen. Sein Interesse an diesem barbarisch aussehenden Römer nahm ab. Doch eine böse Ahnung stieg in ihm auf, als das Mädchen die Frage an den Jungen stellte. Er räusperte sich scharf.


    "Im Gymnasion gibt es öffentliche Thermen. Aber da ich nicht glaube, dass du die Prozedur an der Torwache noch einmal über dich ergehen lassen möchtest, so lade ich dich ein, mein eigenes Bad zu benutzen. Ich wohne nicht weit von hier.", sagte er, überaus höflich, als ginge es ihm wirklich darum, seine heilige Pflicht der Gastfreundschaft zu erfüllen.
    "Es wäre gut, wenn du mitkämst, damit ich dir sogleich jene Briefe geben kann...", wandte er sich an die junge Iunierin.

    "Alles Gute zu deiner Mündigkeit, werte Axilla.", meinte Nikolaos freundlich. "Jetzt, da du Auskommen hast, ist es auch höchste Zeit, dass du eigenen Rechtes bist."
    Er lächelte großzügig.
    "In Rom? Ist er von seinem Posten in der hiesigen Legion abgezogen worden? Nun, vielleicht hat der göttliche Basileus höhere Aufgaben für den ehrenwerten Iunius Silanus-"
    Er dachte gar nicht daran, den Schreiber in das Gespräch einzubeziehen.
    "Wenn du ihm schreibst, so richte ihm beste Grüße und vielen Dank von mir aus."

    Nikolaos lächelte.


    "Ich bin mir sicher, auch wenn er nun selbst Amtsträger ist, wird er dir Wahrsagen nicht verwehren, wenn du sie brauchst. Aber ich denke, so klug und erfahren wie du bist, reicht dir dein Verstand, um die Zukunft wenigstens einschätzen zu können.", sagte er freundlich und meinte es, was bei ihm, wenn er derartiges sagte, selten vorkam, durchaus ernst.


    "Thimótheos war bisher der einzige Wahrsager, der auch wirklich wahr gesprochen hat. Meine Mutter prophezeite mir einst, ich würde mein Leben in der Gosse fristen und den Namen meiner Familie mit Schmutz beflecken. Nun, ganz so schlimm ist es nun der Guten Tyche sei Dank nicht gekommen."


    Er schmunzelte. Zuweilen konnte selbst der Gymnasiarchos, der keinen unbeträchtlichen Stolz mit sich herumtrug, Witze über sich selbst machen. Nicht einmal aufgesetzt war diese Heiterkeit. Es schien ihm, als habe sich seine schlechte Laune verflüchtigt. Doch er wusste, sie würde wiederkehren, sobald das Brautpaar aufträte.


    "Wie geht es eigentlich deinem Vetter, werte Urgulania, beziehungsweise deinem Vormund, werte Axilla? Ihr hättet ihn, da bin ich mir sicher, getrost zur Hochzeit mitnehmen können. Oder haben ihn seine Pflichten als hoher Offizier auf einem verantwortungsvollen Posten nicht aus ihren Klauen entlassen?"

    Als die Wache Nikolaos durchsuchen wollte, wehrte er höflich aber bestimmt ab.


    "Ehrenwerter Optio, auch ich wohne in der Basileia. Es ist nicht, dass es mich stört, auf Waffen durchsucht zu werden, doch wenn ihr das jedes Mal macht, da ich nach Hause zurückkehre, so nehmt ihr doch viel unnötige Arbeit auf euch, die ihr euch ersparen könntet.", sagte er freundlich.


    Natürlich war seine Eitelkeit einmal mehr gekränkt dadurch, dass der Optio ihn für keinen Bewohner der Basileia hielt, seine Schreiberin dagegen schon. Doch da der Mann im Gegensatz zu den meisten Torwachen, die er in der letzten Zeit erlebt hatte, nicht unhöflich war, so verzieh ihm selbst der an diesem Tag vorbelastete Gymnasiarchos diesen Fehltritt schnell. So lächelte er wieder und wartete darauf, dass ihn der Optio durchwinkte.

    Am Hafen entlang war die Gruppe zum Eingang des Königsviertels gelangt. Nikolaos hatte auf dem Weg dem Fremden einige Sehenswürdigkeiten gezeigt. Ihm gesagt, dass die Bibliothek des Musen- und Apollonstempels die größte der bekannten Welt ist, dass hinter dem Kaisareion das große Theater der Stadt lag, in dem allenthalben Volksversammlungen stattfanden, dass die Obelisken vor dem Kaisareion von Augustus in die Stadt geschafft worden waren, dass auf der Insel im Hafenbecken ein großartiger Palast aus Zeiten der Ptolomäierherrschaft stand. Auch hatte er Cleonymus gebeten, dafür zu sorgen, dass des Kosmetes Leibwächter in einigem Abstand zum Tor außerhalb des Basileia-Viertels warteten. Gerade in letzter Zeit neigten die Torwachen und die Palastbediensteten des Eparchos dazu, Scherereien zu veranstalten und sich aufzuplustern. Da durfte man ihnen gar keine Gelegenheit geben, wichtig zu tun.

    Nikolaos war pikiert, als der blonde Römer von seinem Priestervetter sprach. Ich bin auch Priester..., dachte er. Der Kopfschmerz fing wieder an zu pochen. Einige Tage hatte er den Gymnasiarchos in Ruhe gelassen.


    "Wollen wir aufbrechen?", fragte er, als er sah, dass sich Iunia Axilla dem Hund zugewandt hatte. "Der Weg von hier bis zum Königsviertel ist recht interessant für Neuankömmlinge in der Stadt. Wir kommen, wenn wir weiter am Wasser entlanggehen, am Museion, an der Agora und am berühmten Kaisareion mit den >Nadeln der Kleopatra< vorbei."


    So gingen sie zum Tor des Königsviertels..




    Sim-Off:

    Da Duccius Rufus schon einmal zum Aufbruch gerufen hat, erlaube ich mir mal, uns losgehen zu lassen ;).


    Edit: Verlinkung.

    "Ganz meine Meinung, ehrenwerter Strategos.", sagte Nikolaos. "Jedoch muss es einen oder zwei geben, die das Wort in dieser Angelegenheit führen. Wir sollten nicht nur dieses Anliegen vortragen, sondern es in ein Lob auf den Anstand des Eparchos und in eine Beschwörung der Freundschaft zwischen Alexandria und Rom kleiden. Die Angelegenheit mit dem Brief des Soldatens würde ich in der Weise vortragen, dass wir uns weniger gekränkt fühlen als vielmehr Angst darum haben, bei dem besagten Manöver könnte sich die Volksmenge derart angestachelt fühlen, dass sie Aufruhr verursacht. So sehr uns der Frieden am Herzen liege, so fürchteten wir, dass uns vom einfachen Volk, wenn es erst einmal aufgehetzt ist, kein Gehör mehr geschenkt würde. Wir könnten den Eparchos anflehen, darauf achtzugeben, dass der Soldat nicht Dinge veranlaßt, die die Volksmenge derart aufbrächten, ihm gleichzeitig versichern, dass das Pyrtaneion geschlossen für den Erhalt des Verhältnisses zwischen Rom und Alexandria spricht."


    Er sah sich in den Reihen des Kollegiums um.


    "Bevor wir aber aufbrechen, schlage ich vor, dass wir uns noch zwei Dingen widmen:
    Erstens Auszeichnungen für die Pyrtanen der letzten Amtszeit und zweitens der Wahl des Archipyrtanes.


    Für den ersten Punkt schlage ich vor, dass wir es halten, wie es Sitte ist: Alle Pyrtanen erhalten eine Auszeichnung, es sei denn, es gab grobe Pflichtverstöße. Da jedoch in der Ekklesia darüber keine Beschwerden aufgetreten sind, denke ich, können wir davon ausgehen, dass keiner der Pyrtanen der letzten Amtszeit seine Pflichten verletzt hat.


    Nun ist es fast schon ein Brauch, dass ehemalige Agoranomen, Eutheniarchen und Strategen mit einer kleinen Inschrift geehrt werden, ehemalige Kosmeten und Exegeten mit einer großen, ehemalige Gymnasiarchen und Eponminatographen mit einer Statue.


    Sollte niemand etwas gegen dieses Vorgehen haben, so möchte ich die beiden jüngsten Pyrtanen, den ehrenwerten Agoranomos und den ehrenwerten Strategos, darum bitten, Texte für die Inschriften zu entwerfen. Nur ihr beide wart keine Pyrtanen in der letzten Amtszeit. Daher denke ich, werdet ihr einen Blick auf die Dinge haben, die mehr dem Blick des alexandrinischen Volkes als den - vielleicht in dieser Hinsicht verfälschten- Blick von uns gewesenen und nun wiedergewählten Pyrtanen."

    "Keineswegs", erwiderte der Gymnasiarchos, freundlich lächelnd. "Darf ich bekannt machen? Dies ist Cleonymus, der neugewählte Kosmetes der Stadt." Er nickte höflich. "Die ehrenwerte Dame ist Iunia Axilla, der ehrenwerte Herr Marcus Duccius Rufus."
    Wieder ein höfliches Nicken.

    "Gut.", sagte Nikolaos. Er lächelte. Doch sein Blick blieb streng.
    "Ich danke dir. Ich hoffe, du erlaubst, dass ich dich bitte, einige Briefe für mich auszutragen, nachdem du sie zuvor sauber abgeschrieben hast. Ich werde sie dir, wenn wir im Königsviertel sind, aushändigen. Natürlich musst du sie nicht in deiner Mittagspause wegbringen."
    Dass diese Briefe noch gar nicht geschrieben waren, erwähnte Nikolaos nicht. Nun wandte er sich wieder an den Fremden.
    "Wenn es dir recht ist, können wir sogleich aufbrechen.", sagte er. "Aber bitte halte den Hund von mir fern...", fügte er noch leise hinzu. Erst recht vor seiner Schreiberin war ihm diese Angst unangenehm.

    "Die Freude ist ganz meinerseits.", antwortete Nikolaos.


    "Auch ich hatte bereits das Vergnügen, Duccia Venusia kennenzulernen, wenngleich nur flüchtig, anläßlich eines Theaterfestes, soweit ich mich entsinne.", sagte er. Die Bemerkung Axillas hatte er nicht überhört. Da hätte er sich bei ihrem Einstellungsgespräch mit ehrrührigen Zoten gar nicht zurückhalten müssen... . Er wusste nicht, woher dieser rührte, doch in ihm rührte sich ein gewisser Groll gegen seine Schreiberin. Sie hatte vor ihm die Rolle eines züchtigen, schüchternen Mädchens gespielt und nun erzählte sie stolz davon, von einem gewissen Postboten zum Essen ausgeführt worden zu sein und bändelte schamlos mit irgendwelchen, vermutlich halbbarbarischen Fremden an. Zwar war dieser Fremde immerhin Cousin der Hausfreundin der Ehefrau des Eparchos, doch soviel tat dies nicht zur Sache. Vielleicht grollte Nikolaos nun deshalb, weil er zuvor bereits gereizt gewesen war.


    "Ähm... Iunia Axilla... sind die Schülerlisten fertig?", fragte er wie beiläufig und sah dabei seine Schreiberin streng an.

    Sichtlich erleichtert atmete Nikolaos auf, als der Blonde den knurrenden Hund zum Schweigen brachte.
    "Äh - gar kein Problem- äh vielen Dank trotzdem-", sagte Nikolaos auf Latein. Dabei zitterte er immer noch ein wenig. Nur langsam erholte er sich vom Schreck.
    Was Mogontiacum war und wo auch immer es lag, wusste Nikolaos nicht.Vermutlich eine römische Landstadt. Der junge Mann hatte dem Hund etwas auf einer seltsamen Sprache zugerufen. Also war er vermutlich ein Fremder, der das römische Bürgerrecht besaß.


    "Sei willkommen in Alexandria, werter Duccius Rufus. Ich bin Nikolaos, der Gymnasiarchos dieser Polis."


    Und du gehst besser jetzt an die Arbeit!, hätte er beinahe die Iunierin angefaucht, als diese sich dem fremden Mann anbot, ihn zu begleiten. Was Iunius Silanus von derartigem halten mochte... . Da sich Axilla jedoch korrigierte, unterließ Nikolaos es.


    "Wenn ihr beiden nichts dagegen habt, würde ich mich euch anschließen, da der Statthalterpalast auf meinem Heimweg liegt.", sagte er. Zwar war er mit der Sänfte im Broucheion gewesen, die nun in einem Hof seines Lagerhauses stand, doch er war neugierig auf den blonden, fremdländischen ausssehenden Römer, der eine germanische Bestie mit sich herumführte.

    Der Gymnasiarchos selbst unternahm an diesem Tag einen Spaziergang am Hafen entlang. Er war in nervöser Stimmung und hoffte, der frische Wind aus Richtung der See würde ihn zur Besinnung bringen und ihm zu klaren Gedanken verhelfen. Seit Tagen saß er ganze Tage entweder in seiner Amtsstube, in seinen Räumen im Museion, in seiner Schreibstube im Lagerhaus oder zuhause und ordnete Aufzeichnungen und Dokumente. Er wollte in jederlei Hinsicht Ordnung in sein Leben bringen. Zwar konnte er über seine neue Schreiberin nicht klagen, doch wollte er sie zunächst prüfen, ehe er sie in die Geschäfte seines Handelshauses einweihte. Nikolaos hasste Geschäfte. Am liebsten hätte er ein solches Landgut, dessen Pachterträge allein ihm seine teure Lebensart und das Führen verschiedener Ehrenämter erlaubte. So musste er jedoch mindestens einmal in der Woche das Lagerhaus aufsuchen und seinen Angestelllten auf die Finger schauen.


    Und noch etwas gab es, was ihn belastete und ihm das Gefühl gab, an einer seltsamen Krankheit zu leiden. Hätte er nicht wieder einmal die Bürde eines hohen Staatsamtes auf sich genommen, und klammerte er sich nicht, wie er es tat, an seinen Einfluss in der Polis Alexandria, den er um keinen Preis verlieren wollte, so wäre er wohl am liebsten nach Achaia, in die attische Landschaft gereist. Einige Jahre schon hatte er sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zwar wusste er genau, dass er sich, wenn er sich nach Athen wagte oder bloß in die Nähe, in große Gefahr begäbe. Dennoch war ein Verlangen in ihm, dies der Gefahr zum Trotz einmal zu tun.


    Mit diesen Gedanken ging er am Hafen entlang. Er war allein. Er trug einen dunkelblauen Chiton aus Baumwolle und ein meergrünes Himation aus Schafswolle, das schwer war und etwas zu warm für diesen Tag. Zwar war gerade die kälteste Jahreszeit in der Gegend von Alexandria, doch dieser Tag war warm genug, auch wenn er sich nicht ganz in die drückende Hitze des langen Sommers verirrt zu haben schien.


    Nikolaos ging durch die Straßen, mal mit dem Strom der Menschenmassen, mal dagegen an. Es wimmelte von Straßenhändlern, Bettlern und Huren. Daneben patroullierten oder lungerten römische Soldaten herum. Sklavenhändler boten ihre menschliche Ware feil. Hier und da wurden Schiffe entladen oder beladen. Die Hafenarbeiter schwitzten und fluchten. Hier und da knallte eine Peitsche auf das Straßenpflaster oder auf den Rücken eines Unglücklichen. Nikolaos wich Sänften und Fuhrkarren aus, wurde von in bunte Seidenkleider gehüllten und von zerlumpten Gestalten gestoßen oder stieß diese an. Er trat mit seinen hochsohligen Schuhen auf andere Schuhe, bloße Füße, auf die Hände von auf dem nackten, schmutzigen Boden sitzenden Bettlern, gegen Hühner und gegen Katzen, auf Münzen und knapp an Kot vorbei.


    Plötzlich stand ein riesiges Untier vor ihm. Nikolaos erstarrte vor Schreck. Ein Hund war es, doch mehr ein Raubtier als ein treuer Begleiter des Menschen. Er versuchte, auszuweichen, doch konnte er keinen großen Bogen um diesen Hund machen, da von beiden Seiten ihm Menschenmassen entgegen kamen. Um den Hund hatte sich ein Kreis gebildet, den niemand zu betreten wagte. Um weiterzugehen, müsste Nikolaos diesen durchschreiten und wäre in Reichweite der Bestie. Nun sah er erst, dass der Hund von einem großen, jungen, blonden Mann mit einem etwas barbarischen Aussehen mit sich geführt wurde. Flehenden Blickes sah Nikolaos den Jungen an und wich noch einen Schritt vor dem Untier zurück.


    Erst danach erkannte er seine Schreiberin, die neben dem jungen Mann stand.


    "Äh- sei gegrüßt Iunia Axilla-", stieß er hervor, ohne die Bestie aus den Augen zu lassen. Ihm schien es, als giere der Hund schon danach, ihn zu zerfleischen.





    edit:Da bist du mir zuvorgekommen. Ich habe dich mal eingebaut in meinen Beitrag.

    Der Gymnasiarchos nahm einen Griffel und eine Wachstafel in die Hände.


    Festspiele zu Ehren des Hermes und des Herakles


    Alpha: gymnisches Pentathlon

    Speerwurf
    Weitsprung
    Diskoswurf
    Stadionlauf
    Ringkampf


    Beta: (gewissermaßen und mit Einschränkungen und Ausnahmen) hippischer Wettkampf

    Hindernislauf
    Bogenschießen
    Hoplitenlauf
    Wettreiten
    Wagenrennen (?)


    Gamma: Faustkampf


    Delta: Pankration


    Epsilon: Musischer Wettstreit


    Hymne auf Hermes
    Ode auf Herakles
    Freie Dichtung

    Tanz?
    Chorwettstreit?


    Preise:


    Sieger des Pentathlons


    Sieger der hippischen Spiele


    Sieger der Faustkämpfe


    Sieger des Pankrations


    Sieger einzelner Disziplinen ?



    Bester Sänger


    Bester Kitharöde


    Urheber des besten Gedichts


    Meisterdichter

    Der Gymnasiarchos hatte allen Pyrtanen Gelegenheit gegeben, sich zu äußern (wobei davon nicht alle Gebrauch machten) bevor er nun selbst abstimmte.


    "Ich würde davon absehen, einen Brief an den göttlichen Basileus zu schicken, wenn nicht zuvor der Statthalter unterrichtet wird. Ich vertraue der Einschätzung der ehrenwerten Iunia Urgulania, dass mit dem Soldaten nicht zu reden ist.
    Daher stimme ich gegen das Gespräch mit dem Soldaten, gegen den Brief an den göttlichen Basileus und enthalte mich der Stimme in Bezug auf den ehrenwerten Eparchos, da ich einerseits glaube, dass, wenn ein Römer über diese Umstände in Kenntnis gesetzt werden sollte, er der erste ist, der eingeweiht werden sollte, andererseits fürchte, zu häufige Beschwerden und die Missachtung der Forderung seines Kollegen, auch wenn diese unverschämt und widerlich sind, könnten ihn in Mißstimmung bringen und uns gegenüber ungehalten werden lassen."


    Er legte eine Pause ein, um zu verdeutlichen, dass er, nachdem er als Pyrtan mit einer eigenen Meinung gesprochen hatte, nun wieder seine Funktion als möglichst neutraler Hüter der Tagesordnung einnahm.


    "Niemand ist dafür, den Soldaten und Absender diese Briefes selbst anzusprechen, gleich in welcher Form.


    Der Brief an den göttlichen Basileus fand eine Fürstimme bei drei Widerstimmen.


    Dafür, den ehrenwerten Eparchos ins Vertrauen zu ziehen, waren drei Pyrtanen. Einer enthielt sich in dieser Frage der Stimme.


    Damit hat diese Versammlung beschlossen, den Soldaten und den Basileus nicht anzusprechen, den Eparchos durchaus schon.


    Was jeder einzelne von euch tut, auch wenn es entgegen des Beschlusses über das Vorgehen der Pyrtanenschaft als Ganze ist, ist jedem von euch selbst überlassen, solange ihr ausdrücklich nicht als Mitglied der Pyrtanenschaft handelt, sprecht oder schreibt, sondern als Privatmensch.


    Nun ist die Frage zu klären, durch wen und auf welche Weise mit dem Eparchos gesprochen werden soll.


    Ich biete mich für diese Aufgabe an."