Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Nikolaos hörte dem Agoranomos genau zu.


    "Was wir auf jeden Fall erreichen müssen ist, dass es zu keinen Zwischenfällen kommt, die die Römer als Aufstand oder Aufruhr deuten könnten. Leider ist unser Einfluss auf die Bevölkerung nur begrenzt. Und leider wird, wenn unsere schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheiten sollten, der Legionspräfekt, dieser Appius Terentius Cyprianus, kein Mittel auslassen, um solche Zwischenfälle zu provozieren.


    Genau das ist es, wo wir uns bemühen sollten, Einfluss auf die Dinge zu nehmen. Ich schlage vor, zum besagten Legionspräfekten zu gehen und ihn darum zu bitten, oder ihn auf anderem Wege dazu zu bringen, mittels seines Einflusses die Soldaten und Offiziere des römischen Heeres von gefährlichen Handlungen abzuhalten. Dies können wir allerdings nur erreichen, wenn es nicht sein Wille ist, einen Aufstand zu erregen. Ist es anders, so sollte einer von uns da draußen eine Rede halten, der Bevölkerung die Sache so erklären, dass niemand daran Anstoß nehmen kann, weder die römische Heerführung, noch Alexandriner, und versuchen, das Volk zu beruhigen.


    Zuvor könnte allerdings ein Gespräch mit dem Legionspräfekten, wenn es sonst keinen Erfolg mit sich bringt, uns wenigstens Klarheit über die Lage verschaffen. Ich würde mich anbieten für ein solches Gespräch."


    Eirene:


    Das Lächeln der Eirene wurde breiter. Fast zu einem Grinsen wurde es, als der Alte von seiner Fischzucht sprach. Doch von diesem Grinsen abgesehen schien sie von der Drohung vollkommen unbeeindruckt zu sein. Sie schürzte die Lippen und legte das Lächeln nicht ab. Fast warm war es nun, dieses eigenartige Lächeln; Eirenes Augen hingegen schienen genüßlich Funken, oder besser Gifttropfen zu versprühen. Ihr war nicht entgangen, welche Wirkung ihre Worte auf den Greis hatten. Dass dieser sich nun zu Grobheiten herabließ, erheiterte sie.


    "Deine Fischzucht ist sicher eine sehr prachtvolle.", sagte Eirene. "Jedoch glaube ich nicht, dass ich den Fischen schmecken würde."
    Ihr Lächeln war wieder eisig geworden.


    "Mir scheint, du hast wenig Lust, das zu hören, was ich dir zu sagen hätte, werter Herr. Wenn ich irren sollte, so darfst du mich selbstverständlich eines besseren belehren. Anderenfalls möchte ich dich nicht länger belästigen."


    Ihr Blick wanderte vom Alten weg in die Gesichter der Umstehenden. Das blonde Weib und die Wächter streifte ihr Blick nur kurz. Etwas länger - doch so kurz, dass es dem Alten nicht auffallen würde - sah sie den Mann an, der Seite des Raumes an, den der Alte Gorgis genannt hatte und der zwar jünger als der Greis war doch keineswegs jung. Ihr Blick sprach Bände, wie diese zu lesen wären, hätte der Mann selbst herauszufinden.


    Ihr Blick kehrte wieder zum Alten zurück.


    Eirene:


    Wieder schürzte die Frau die Lippen und wieder ließ sie die Zähne zwischen ihren schmalen Lippen hindurchschimmern. Ein Lächeln zeichnete sich im Gesicht der Frau ab. Es war ein eisiges Lächeln. Sie bewegte ihre Hand so, dass die Geschmeide, die sie schmückten, in den Schimmer der Öllampen kamen und ihn dann wieder gen Schatten verließen. Das spöttische Lächeln des Alten war ihr nicht verborgen geblieben. Und doch wusste sie, dass dies ein solches Lächeln war, wie eine grinsende Theatermaske, deren Träger noch gerötete Augen vom Weinen haben konnte, ohne dass es jemand sähe.


    "Genausowenig, wie du mir unbekannt bist, dürfte dir ein gewisser Nikolaos, Sohn eines Atheners namens Philon, unbekannt sein.", begann sie. Sie ließ sich Zeit. Sie hatte viel Zeit. Schließlich war sie noch nicht, wie der Greis es war. Sie hoffte innerlich, er würde mit jedem Augenblick, den sie ihn länger warten ließ, auf das, was sie ihm sagen würde, in Ungeduld verbringen. Leider, das meinte sie einschätzen zu können, schien der Alte ein durchaus bedächtiges und kühles Wesen zu haben. Was nicht weiter schlimm war, doch bereitete ihr der Anblick eines Gesichtes, von dem ein Ausdruck der Wut mit größter Mühe ferngehalten wurde, ein großes Vergnügen.


    Eirene sah den Greis durchdringend an.

    Nikolaos ließ mehrmals seinen Blick durch die Reihen wandern. Es schien jedem der Pyrtanen die Sprache verschlagen zu haben, oder aber niemand wagte, etwas zu sagen, da diese Sache durchaus heikel war.


    "Um es nicht spannender zu machen, als es ist, möchte ich einmal, und, da wir uns unter Ehrenmännern und einer ehrbaren Frau befinden, in ganzer Offenheit nun meine eigene Meinung äußern:


    Dieser Brief ist eine Beleidigung unserer Polis und eine unverhohlene Drohung, die an Dreistigkeit, wie ich glaube, nicht zu übertreffen ist. Der Gruß am Ende des Briefes, dieses höhnische >hochachtungsvoll<, ist, wie ich denke, die Krone des ganzen Spotts und der Häme, die der Mann da über uns ausgießt.


    Ich möchte euch jedoch bitten, diese Aussage meinerseits und alles was diesen Brief überhaupt betrifft, nicht nach außen dringen zu lassen.


    Ich würde vorschlagen, dass wir dem Statthalter im Anschluss an diese Sitzung unsere Aufwartung machen, um ihm uns als neugewähltes Pyrtaneion vorzustellen.


    Die Frage, die sich mir stellt, ist: Sollen wir etwas von diesem Brief bei der Gelegenheit verlautbaren oder nicht?


    Dabei gibt es folgende Gefahr: Der Statthalter könnte, gereizt durch alle Unstimmigkeiten der letzten Tage und Wochen, die Beschwerde über diesen Brief als Querulantentum und als Ärgernis auffassen und ungehalten reagieren.


    Die Chance, die sich böte, ist die: Wenn der Statthalter uns geneigt ist, könnte er diesen Brief zum Anlaß nehmen, sich deutlich auf die Seite des Friedens zu stellen und gegen alle die vorzugehen, die mit solchen Drohgebärden, Provokationen und ähnlichen Dingen ihr Bestes tun, um, wie sie hoffen, einen Aufstand zu provozieren oder gar selbst einzufädeln, ja vorzuspielen, um anschließend ihre Blutrünstigkeit an uns allen auszulassen und sich ihren Lüsten hinzugeben.


    Ich bitte euch alle im übrigen noch einmal, von dem, was ich soeben sagte, nichts außerhalb dieser heiligen Hallen zu sagen, ja nicht einmal anzudeuten. Tut es einer von euch, ob nun unbedarft und wie aus Versehen, oder aber, um daraus, wie er meinen könnte, einen politischen Vorteil zu ziehen, so ist die einzige Folge nicht nur die, dass ihr dann euren Gymnasiarchos irgendwo in den Dünen besuchen könnt, da er dort am Kreuz hängt, nein, nicht nur ich würde dafür büßen müssen, sondern es würde sich der Zorn der Römer auf euch alle ergießen. Zwar würden außer mir vielleicht niemand, vielleicht nur einer, vielleicht nur zwei, vielleicht nur drei, vielleicht nur vier, vielleicht nur fünf, vielleicht nur sechs, vielleicht nur sieben ehrbare Bürger der Polis mit ihrem Leben den Zorn der Römer gewissermaßen bezahlen, doch nicht nur einzelne, sondern die ganze Polis müsste bluten: Wenn das römische Heer meint, in diesen heiligen Hallen würden- in ihrem Sinne- aufrührerische Reden gehalten, so frage ich euch: Wird das römische Heer dieses Heiligtum verschonen? Wird es gar überhaupt irgendein Heiligtum oder Haus dieser Stadt verschonen, wenn schon jetzt deutlich wird, wie sehr es manchem Heerführer nach Blut dürstet? Jeder von euch hat also die Wahl, ob er die Polis preisgeben will um seines eigenen - wie er meint! und irrt!!! - Vorteil willen oder ob er sie bewahren will.


    Doch nur das dazu.


    Die Frage ist noch unbeantwortet, doch muss eine Antwort gefunden werden."


    Der Gymnasiarchos setzte sich wieder. Die Rede hatte an seinen Kräften gezerrt. Er wusste auch, dass er sich damit in große Gefahr begeben hatte. Aber er hoffte auf die Vernunft aller Pyrtanen. Außer diesen sieben obersten Beamten der Stadt war niemand zugegen. Auch konnte niemand von außerhalb die Sitzung belauschen, da die Türen des provisorischen Ratssaals verschlossen waren.

    "Verehrte Pyrtanen! Es ist mir eine Ehre, euch alle begrüßen zu dürfen zu der ersten Sitzung unseres Ausschusses in der beginnenden Pyrtanie. Es gibt einiges zu klären. So die Wahl des Leiters unserer Versammlungen und mögliche Auszeichnungen für ehemalige Amtsträger.
    Zuvor jedoch möchte ich ein Thema einbringen, das keineswegs erfreulich ist. Vor einigen Tagen wurde offenbar von einem Boten des römischen Heeres ein Brief gebracht, den ich erst heute gelesen habe. Ich werde ihn einmal, ohne jeglichen Kommentar, vorlesen und euch anschließend bitten, dass ihr euch dazu äußert:


    >An die Pyranten der Stadt Alexandria


    Mir ist zu Ohren gekommen, daß anscheinend einiger eurer Mitglieder nicht in der Lage sind mich persöhnlich anzusprechen, wenn es um Fragen über die Legion geht und man lieber zum Statthalter rennt wegen jedweder Kleinigkeit.
    Um also euch eure Angst vor mir ein wenig zu nehmen, schreibe ich euch persöhnlich:
    Die Soldaten die zu den Mauern gesandt wurden, sind dazu da diese zu verstärken und zu reparieren. Zum Schutz der Stadt und der Bürger denen ihr dient.
    Weiterhin ist dies Teil eines großen kommenden Manövers der 22. Legion, welches in den kommenden Wochen/Monaten anlaufen wird.
    Dieses wird im Bereich des Judenviertels stattfinden und einen Angriff auf die Stadt bzw. deren Verteidigung simulieren. Dies dient im übrigen eurem Schutz, falls einige von euch vergessen haben sollten wer Alexandrias Unabhängigkeit bewahrt.
    Desweiteren ist dieses Manöver vom Statthalter abgesegnet, ständige Aufmärsche zu ihm sind also absolut überflüssig.
    Auch möchte ich darum bitten, daß die Stadtwache jedwede Agitationen gegen Rom und seine Soldaten im Umfeld dieses Manövers mit voller Härte unterbindet, denn ich werde nicht zögern Ägypter, Griechen oder gar Römer die der Meinung sind Rom müsse aus der Stadt raus und dies mit Gewalt oder Sabotageakten zum Ausruck bringen festzunehmen und zu kreuzigen. Auch Provokationen der Bevölkerung oder anderer Gruppen werde ich mit voller Härte begegnen.
    Solange sich die Bürger Alexandrias ruhig verhalten, wird dieses Manöver über die Bühne gehen, wenn nicht wird Rom das tun was es tun muß um den Frieden in der Stadt zu bewahren.
    Bei Fragen bitte ich euch, bei mir vorstellig zu werden.


    Hochachtungsvoll
    Appius Terentius Cyprianus<"


    Nikolaos sah in die Runde. Sein Blick war sehr ernst. Er hätte vieles über diesen Brief sagen können, dass er ihn unverschämt fand, dass er, wenn es nicht die Gefahr barg, den Statthalter zu belästigen und somit zu verärgern, am liebsten zu Dekius Germanikus Korvus gelaufen wäre, dass dieser Appius Terentius Cyprianus in seinen Augen ein unverschämter Hund war, doch er hielt sich zurück, da er in dieser heiklen Sache seine Kollegen nicht beeinflussen wollte in ihrem Urteil.

    Etwas eigenartig kam es Nikolaos vor, dass der Iunier ihn so plötzlich verließ und auf seine Fragen zur Gesundheit der Familie nicht antwortete. Er hoffte, Iunius Silanus wäre kein Spitzel des Legionspräfekten, der nun aufbräche, um diesen zu unterrichten. Wobei er in einem solchen Fall sicher länger geblieben wäre, um Nikolaos noch weiter auszuhorchen. Der Gymnasiarchos prüfte den Blick seines Gegenübers und konnte keinen Funken Hinterhältigkeit darin erkennen. So nickte er freundlich und reichte seinem Gast die Hand.


    "Ich habe dir zu danken für das offene Ohr, das du meinen Sorgen zuwandtest.", sagte er höflich. "Du bist im übrigen herzlich eingeladen, mich in Zukunft auch von dir aus und zu Gesprächen über erfreulichere und heitere Dinge zu besuchen. Schließlich sind wir gewissermaßen Nachbarn. Ich wünsche dir einen guten Abend."

    Als Ansprechpartner der Bürger für das Pyrtaneion nimmt der Gymnasiarchos jederzeit Anträge für die nächste Volksversammlung, Beschwerden über Amtsträger und Ähnliches entgegen.


    Neben der Möglichkeit, den Gymnasiarchos in seinem Arbeitsraum aufzusuchen, können Bürger der Polis jederzeit in eine Ecke des Säulengangs um die Palästra kommen, wohin der Gymnasiarchos oft in unregelmäßigen Abständen kommt, um sich die Anliegen der Bürger anzuhören.


    Auch in schriftlicher Form können Anträge und Gesuche abgegeben werden. Selbstverständlich müssen alle Briefe vom Absender unterzeichnet sein, damit der Gymnasiarchos die Anträge im Koinon einbringen kann.



    Sim-Off:

    Das Ganze hat den Sinn, dass einerseits die Volksversammlungen nicht bloß Wahlen sind, andererseits im Voraus strukturiert werden können und die Tagesordnung veröffentlicht werden kann.
    Dieser Thread dient dazu, die Hemmschwelle herabzusetzen, da man sich hier nicht durch irgendwelche Vorzimmer quälen muss, wenn man bloß ein Anliegen loswerden möchte ohne viel Bureau-Rpg (wer das möchte, darf es natürlich weiterhin tun!). Postet einfach (bitte benutzt dabei die Baumstruktur!) in einer Form wie "XY sagt dieses / jenes zum Gymnasiarchen..." und ich werde darauf antworten, oder postet einfach Briefe.

    Nikolaos besah die Liste, doch das nur kurz.
    "Es wäre gut, wenn du davon einige Kopien anfertigen könntest. Ein Exemplar brauche ich selbst, ein anderes ist für das Archiv des Gymnasions bestimmt, eine weitere Abschrift kommt zu den städtischen Schriftensammlungen in das ehemalige Bouleuterion."
    Er gab der Schreiberin die Liste zurück.
    Beim römischen Fremdwort, das das Mädchen benutzte, schmerzten dem Athener die Ohren. Sein Mund verzog sich kurz, als habe er in eine saure Frucht gebissen. Bald jedoch lächelte er wieder.
    "Der Kosmetes hat keine eigene Amtsstube. Er sollte in der Palästra zu finden sein."

    Die Sonne war gerade aufgegangen und das Licht strömte in die noch kühlen Hallen, deren Säulen lange Schatten warfen, jedoch keine harten, wie es abends der Fall war. Der Gymnasiarchos kam auf dem Weg in seinen Arbeitsraum durch das Vorzimmer.


    "Guten Morgen, Axilla. Ich möchte gerne Cleonymus, den neugewählten Kosmetes treffen. Kannst du ihn bitte für mich auftreiben und zu mir schicken? Sage ihm, ich möchte mit ihm über die Lehrpläne sprechen. Wie steht es übrigens um die Schülerlisten?"

    Mit einem nämlichen Brief kam der wiedergewählte Gymnasiarchos in die Halle, in der das Koinon zu tagen pflegte. Außerdem hatte er eine Tafel dabei, auf die er sich, um nicht Gefahr zu laufen, von seinem Gedächtnis, das etwas kränkelte in letzter Zeit, im Stich gelassen zu werden, einige Punkte zur Tagesordnung notiert hatte.


    Alpha: Der Brief des Legionskommandantens.
    Beta: Auszeichnungen für Pyrtanen der letzten Amtszeit.
    Gamma: Wahl des Archipyrtanes.
    Delta: Sonstiges, Anträge.

    Die freie Bürgerschaft Alexandrias hat beschlossen, dass


    Thimótheos, Sohn des Kyriakos, das Amt des Strategos,


    Ánthimos, Sohn des Kyriakos, das Amt des Agoranomos,


    Iunia Urgulania das Amt des Exegetes,


    Cleonymus das Amt des Kosmetes,


    Nikolaos, Sohn des Philon aus dem Geschlecht der Kerykes das Amt des Gymnasiarchos


    in der kommenden Pyrtanie ausführen wird.



    Nikolaos berichtete dem alexandrinischen Volk, dass der hochverehrte Eparchos sein Bedauern über den nämlichen Vorfall des Aufmarsches einer Hundertschaft des römischen Heeres vor dem Tychaion und die damit verbundenen Zwischenfälle ausdrückte und zum friedlichen Miteinander aufrief.


    Ferner bat der Gymnasiarchos der letzten Pyrtanie, Nikolaos, das alexandrinische Volk, nachdem der Eparchos bereits über den Vorfall und die damit verbundenen Sorgen der Bürger von Alexandria unterrichtet worden war, diesen nicht durch eine Wiederholung des Ganzen zu bedrängen und zu belästigen.


    Der Antrag, dem hochverehrten Eparchos des göttlichen Basileus einen Brief im Namen der Polis zu schreiben, wurde zurückgezogen.


    "Dann erkläre ich hiermit die Versammlung für beendet. Lebt wohl, Bürger, kommt gut nach Hause, und kommt zur nächsten Ekklesia zahlreich wieder.", schloß der Gymnasiarchos die Versammlung.


    Dann ging er zur ersten Reihe des Theaters, um einigen Menschen die Hände zu schütteln.


    "Werter Cleonymus, ich gratuliere dir zu diesem guten Ergebnis und freue mich, bald mit dir im Gymnasion zusammenarbeiten zu können.", sagte er an der ersten Station dieser Runde und meinte es, ausnahmsweise, einmal ernst.


    "Iunia Urgulania, ich bin mir sicher, die Bürger von Alexandria werden ihre Entscheidung, dich in das Exegeten-Amt zu bringen, nicht bereuen. Alles Gute und auf eine gute Zusammenarbeit in der kommenden Pyrtanie."


    "Thimotheos, ich gratuliere dir herzlich zu diesem außerordentlichen Wahlergebnis. Wenn du in der nächsten Pyrtanie einen guten Rat brauchst von einem, der in die Vorgänge der Stadt eingeweiht ist, kannst du gerne zu mir kommen. Du wirst mir immer willkommen sein. Ich denke, auch Cleonymus wird dir mit Rat und Tat zuseite stehen. Ich freue mich darauf, mit dir zusammenarbeiten zu dürfen."


    Nun gelangte er zu Ánthimos, dem Beschäler der schönen Penelope und persönlichen Gegner des Nikolaos. Ohne zu zögern ging der wiedergewählte Gymnasiarchos auf Ánthimos zu, lächelte dabei freundlich und reichte ihm die Hand.


    "Auch dir möchte ich gratulieren. Zusammen mit deinem Bruder stellst du nun den jüngsten Pyrtanen in der nächsten Amtszeit. Ich bin mir sicher, dadurch wird durchaus eine Art frischer Wind in die Geschäfte der Polis kommen."


    Schließlich war da noch Mithridates, der im Begriff war, das Theater zu verlassen. Auch ihm reichte Nikolaos, ohne mit der Wimper zu zucken, die Hand.


    "Mithridates, mit dir verliert das Koinon einen zuverlässigen und ordentlichen Beamten. Dein - wie ich hoffe vorläufiger- Abschied aus den Geschäften der Polis ist in gewisser Weise schmerzlich für die Polis. Nun gut, ich wünsche dir für dein weiteres Leben alles Gute."


    Zuckersüß lächelte der Gymnasiarchos, bevor er den ehemaligen Agoranomos gehen ließ.

    Der Torwächter, übrigens einer der wenigen Sklaven, die im Haus lebten, nahm den Brief an sich und brachte ihn dem Herren, der in einem der für die Aufbewahrung von Büchern eingerichteten Räumen las. Nikolaos sah das Siegel, das ihm nicht bekannt vorkam, erbrach es und las den Brief. Er erbleichte. Obgleich er diesen Tag hatte kommen sehen und auch wusste, das er unausweichlich war. Dieser Ánthimos hatte offenbar in Mithridates Castor einen Gönner gefunden, und wer wusste in wem noch. Mithridates, das wusste Nikolaos, war keineswegs arm, auch wenn er etwas knauserig schien. Erster Tag des Gamelión... Sein Gesicht erhielt wieder Farbe. Nun aber verkrampften sich die Finger am Papyrus. Dieser Ánthimos war kein Hungerleider mehr... Er hatte offenbar reiche Gönner gefunden... Er war sogar mit einer überwältigenden Mehrheit in ein Amt gewählt worden... Bei der Götttin der Weggabelungen, der finsteren Zauberin! Bei Isis, die ihn nicht erhört hatte! Ein hässlicher Fluch kam nicht über des Nikolaos Lippen. Stattdessen rief er Peistratos.


    "Ja, Herr?"


    "Schicke nach Heraklitias, dem Bildhauer. Ich brauche bis zum ersten des Gamelión eine Statue. In Lebensgröße soll sie sein. Heraklitias soll zu mir kommen. Er soll zuvor dafür sorgen, dass er rechtzeitig an besten Stein kommt, an Farben und an unterschiedliche Frauen, die ihm dazu Modell stehen werden, oder eine von ihnen, kommt. Ich will sie gemeinsam mit ihm auswählen. Bis zum ersten des Gamelión! Er soll alle anderen Arbeiten unterbrechen. Ich werde ihm Geld geben, mit dem er seine anderen Auftraggeber entschädigen kann... Oder besser: Ich zahle für alle seine Aufträge! Koste es, was es wolle! Er soll noch heute hierher kommen, damit wir alles besprechen können. Er soll den anderen Auftraggebern - ach, das wird er selbst wissen. Los, geh! Verliere keine Zeit!"


    Peistratos war an die Marotten seines Besitzers gewöhnt, doch an diesem Tag schien der Herr besonders verwirrt zu sein. Schweigend nickte er und eilte sogleich aus dem Haus. Nikolaos konnte sehr unangenehm werden, das wusste Peistratos, wenn man ihm in einer solchen Lage widersprach.

    "Zeige mir zuerst den Tempel.", meinte Nikolaos, ehrlich interessiert an der Sache. "Das Streben nach Vollkommenheit kann gewiss viele gute Dinge bewirken. Zwar wird kein Mensch, wie du sagtest, die Vollkommenheit selbst erreichen, doch gewissermaßen am Wegesrand kann er gute Taten vollbringen. Alle Menschen sollten danach streben. Doch leider ist man, und ich bin es im übrigen manchmal auch, oft verblendet, sodass man keine Vorstellung von dem hat, was Vollkommenheit wäre; also nicht weiß, welchen Weg man nehmen sollte."

    "Gut.", sagte der frischwiedergewählte Gymnasiarchos. "Ist jemand nicht damit einverstanden, den Antrag bezüglich des Briefes als zurückgezogen anzusehen, oder möchte ihn jemand erneut oder einen anderen Antrag stellen? Falls dies nicht der Fall ist, können wir die Versammlung schließen."





    edit: Anführungsstriche.

    Nikolaos lächelte.
    "Zu den beiden Prinzipien komme ich sogleich. Für den alten Mann, der mir einen Teil dessen, was ich nun wiedergebe, erzählte, waren es Isis uns Sarapis, die die von dir erwähnten beiden Prinzipien verkörpern. Doch wie Isis sowohl die Schwester als auch die Geliebte als auch die, die den zerrissenen Leib näht, als auch unter einem anderem Namen die Zerreißende verkörpert, und noch vieles mehr und wie Sarapis Osiris ist und Horus, auf der anderen Seite letztendlich auch Seth ist, so ergänzen sich vielleicht auch Isis und Osiris zu einem Ganzen.
    Im Beischlaf sind Mann und Frau vereint. Vereint ist für einen Moment, was einst vielleicht Eins war, wie Aristophanes im Symposion des Platon sagt, oder eher Platon den Aristophanes sagen läßt. Anhand der achtgliedrigen und doppelgesichtigen Kugelmenschen kann man den Zwang des zweifachen Prinzips widerlegen: In diesem Mythos gibt es drei Geschlechter. Letztendlich aber sind alle drei unterschiedliche Formen des menschlichen Prinzips, das sie alle drei teilen. Ob man Blei zu einem Stab formt oder zu einer Lamelle auswalzt, Blei bleibt es.
    Doch zurück zu den Göttern. Wer es sagen mag? Ich sage es, und ich sage dazu, dass es eine Vermutung ist, wie alles, was wir Menschen sagen, da wir immer nur Teile des Ganzen schauen können und daraus versuchen, das Ganze uns vorzustellen.
    Wir müssen dabei beachten, dass es unzählige Ebenen des Denkens gibt, und dass nicht immer die höheren Ebenen nützlich sind. Um der kleinen Ordnung willen muss der Mörder gerichtet werden, auch wenn er in der größeren Ordnung vielleicht einen Platz hat. Aber vielleicht ist auch der Widerspruch selbst zwischen der kleinen Ordnung und der großen Ordnung Teil der Ordnung. Vielleicht ist der Widerspruch nur ein Scheinbarer.


    Wie hilft uns diese Erkenntnis, ob sie nun wahr ist oder nicht? Sie hilft, den Mörder nicht des Mordes wegen zu verabscheuen, sondern nüchtern für richtig zu befinden, dass er um der kleinen Ordnung willen gerichtet wird. Es hilft uns - vielleicht - weniger einseitig zu denken.


    Das sollte uns ein Denk-Prinzip sein, kein Handlungsprinzip jedoch, denn wenn man es folgerichtig auf alles Handeln anwendet, kann man nicht mehr handeln.


    Die Khristianer wenden dieses Nicht-Verabscheuen auf ihr Handeln an und nur die Stärksten verzweifeln nicht daran. Führten Khristianer ein Gemeinwesen, so müssten sie entweder ihre Überzeugung auf das Denken beschränken und nicht auf das Handeln, oder aber das Gemeinwesen müsste verderben und in kurzer Zeit untergehen.


    Was ich damit sagen will: Wer eine Entscheidung trifft, muss zumindest annehmen, dass sie richtig ist oder wenigstens richtig sein könnte, während er handelt. Doch dieser Annahme muss nicht das ganze Denken zu jeder Zeit verhaftet bleiben.


    Viele Menschen bleiben ihren Annahmen verhaftet. Auch sie können - im Sinne der kleinen Ordnung - >richtige< Entscheidungen treffen. Liebhaber der Weisheit jedoch müssen wissen, dass ihre Annahmen Annahmen sind.


    Gehen wir, in Bezug auf die Nützlichkeit, den umgekehrten Weg: Was nützt es, wenn man seine Seele mit Abscheu über einen Mörder vergiftet? Was nützt es, wenn man über die Waisen des hingerichteten Mörders seinen Hohn ausgießt und ihnen vorhält, sie würden sicher auch bald zu Mördern? Was nützt es, das Denken des >nützlichen< Handelns willen zu verderben? Was nützt es überhaupt, zu verabscheuen, zu hassen und zu lieben?


    Einen Nutzen vielleicht haben diese Regungen: Sie können Antrieb sein für das Handeln. Doch man darf sich nicht auf sie verlassen. Denn gleich einem ungeschickten Ruderer führen sie den Menschen zu weit, wenn nicht der Verstand in die entgegengesetzte Richtung rudert. Wer nur verabscheuend, hassend oder liebend handelt, wird ehe er sich versieht zum Mörder.


    Das ist es der Punkt, indem sich diese Theorien mit dem Leben scheiden. Epikur sagt dies mit den Gefühlsregungen, und ich stimme ihm zu. Man kann es nun dadurch ergänzen, indem man sagt: Jede Gefühlsregung ist nur ein Teil meiner selbst, nicht ich selbst. Gefühlsregungen haben in der großen Ordnung ihren Platz, doch wie der Mörder im Gemeinwesen gerichtet werden muss, müssen Gefühle um die kleine Ordnung der Beständigkeit der Seele bekämpft werden."

    Beinahe hätte der Gymnasiarchos laut gelacht.
    "Werte Axilla, ich bin wahrlich kein Herrscher oder Ähnliches."
    Das Wort König nahm er natürlich, in Gegenwart einer Römerin, nicht in den Mund. Da war er sehr vorsichtig. Zwar glaubte er nicht, dass der Eparchos wahnsinnig genug wäre, den Gymnasiarcho einer freien Polis öffentlich kreuzigen zu lassen, jedoch wollte er sichergehen. Er wusste schließlich auch nicht, wie dieses unbedarfte Mädchen seine Worte verdrehen würde in Gegenwart ihrer Verwandten.
    "Rede mich an, wie ich heiße. Nämlich Nikolaos. Der Gymnasiarchos ist kein Titel sondern ein Amt, das nicht fest mit meiner Person verbunden ist, sondern mir lediglich vom alexandrinischen Volk für eine gewisse Zeit anvertraut wurde."
    Er lächelte harmlos und freundlich. Natürlich nahm er es dieser Römerin nicht übel, dass sie vom Gemeinwesen der Polis wenig wusste. Es amüsierte ihn vielmehr.



    Sim-Off:

    Im Control-Panel dürfte jetzt ein Antrag auf Ernennung zum "Scriba Personalis" sein, den du annehmen darfst, wenn du das noch nicht getan haben solltest.