Beiträge von Aelia Paulina

    Diese Art von Klatsch interessierten Paulina sehr viel mehr, als irgendwelche Kriegsgeschichten und Soldatenschicksale.
    Darum zuckte sie bei Romanas Worten auch nur mit den Schultern und meinte, immerhin mit treuherzigem Augenaufschlag: “Es war doch nicht böse gemeint.“, um dann jedoch mit ganzer Aufmerksamkeit zuzuhören, als das Gespräch auf einen kranken Senator und seine Hochzeit gelenkt wurde.

    “Ich beziehe meine Stoffe bei Laurentius, dem Gallier!“, bemerkte Paulina spitz.
    “Ihr wisst schon, der, der immer die Initialen YSL in seine Kreationen stickt. Der war bestimmt niemals im Krieg! Unter uns gesagt, hat er glaube ich was mit dem kleinen Mann, der für ihn die Rechnungen schreibt. Solche mögen sie beim Militär doch nicht. Außerdem glaube ich kaum, dass ich nackt herumlaufen müsste, wenn man mal einen Krieg ausfallen lassen würde!“


    Über diesen Salinator hatte ihr Mann einmal, bei einem der seltenen gemeinsamen Abendessen, eine abfällige Bemerkung fallen lassen. Der hätte keine Manieren, hatte er gemeint und ausnahmsweise war Paulina mit ihrem Gatten einer Meinung gewesen, dass ein Mann ohne Umgangsformen nicht die rechte Hand des Kaisers sein sollte.

    “Ein Junge und ein Mädchen und sie sind fünf Monate alt.“, antwortete Paulina auf Serranas Frage.
    Sie bedankte sich auch noch bei Romana für die Glückwünsche, als das Gespräch plötzlich auf Krieg zu sprechen kam.


    “Ein Krieg? Ist nicht immer irgendwo Krieg? Und wenn mal überall Frieden herrscht, wird dann nicht einer vom Zaun gebrochen? Ich glaube manchmal, unsere Männer langweilen sich und fühlen sich überflüssig, wenn sie nicht irgendwo auf der Welt kämpfen, oder wenigsten den heldenhaften Beschützer spielen dürfen.“


    Was Paulina tunlichst verschwieg und mit ihren Worten überspielte: sie wusste überhaupt nicht, wo diese Leute wohnten, diese P-a-r-t-h-e-r.
    Weit weg, nahm sie an und eigentlich war es ihr auch egal. Sie sollten nur nicht irgendwann vor ihrer Haustür stehen!

    “Vielen Dank für die Glückwünsche.“, bedankte sich Paulina brav.
    “Die Zwillinge sind bei ihrer Amme und den Mädchen, die der Amme zur Hand gehen.“
    Paulina war der Meinung, dass ihre Kinder mindestens ein halbes Duzend Kindermädchen benötigten. Sie selbst hatte nicht die Absicht, sich mit Stillen und Wiegenliedern abzugeben, oder sich gar die Hände schmutzig zu machen.
    “Es geht ihnen gut. Ich bin so dankbar dafür. Aber kleine Kinder halten eine Mutter ständig in Bewegung.“, meinte sie lächelnd.
    “Man ahnt vorher gar nicht, wie sehr sie das Leben verändern. Manchmal muss ich einfach von zuhause fliehen, um auch einmal etwas Zeit für mich zu haben.“
    Eine erstaunliche Erkenntnis, angesichts der Tatsache, dass sie ihre Kinder bestenfalls am Morgen und am frühen Abend kurz auf den Arm nahm, und alles andere den Sklavinnen überließ und der Amme, die eine Freigeborene war.


    “Leider konnte ich wegen der Kinder auch nicht zum Fest in der Casa Germanica kommen. War es denn schön?“
    Ihr Mann hatte ihr nichts erzählt, was aber auch kein Wunder war, sah sie ihn doch noch seltener als ihre Kinder.

    Als sie angesprochen wurde blickte Paulina auf. Oder war die andere Frau gemeint? Die Blonde?
    Egal, Paulina ergriff die sich bietende Gelegenheit!


    “Oh ja, sehr gerne.“, antwortete sie schnell und tat überrascht.


    Sie rückte etwas näher, wobei sie einen kleinen Wellenkamm vor sich her schob.
    Paulina war ungefähr das Gegenteil von zerbrechlich.


    “Ich heiße Aelia Paulina.“, stellte sie sich freundlich lächelnd vor.
    “Mein Mann ist Marcus Vinicius Lucianus, der Senator.“


    Gerne hätte sie auch noch hinzugefügt, dass der Kaiser ihr Cousin war. Aber sie ließ es, weil sie wusste, dass es angeberisch klingen würde. Obwohl sie doch eigentlich so gerne mit ihrer, wie sie fand, äußerst vornehmen Herkunft angab. Das konnten nämlich nicht nur Patrizierinnen!


    Stattdessen sagte sie aber, noch immer ihr sonnigstes Lächeln zeigend: “Ich freue mich sehr euch kennen zu lernen.“

    Zitat

    Original von Iunia Serrana
    "Was heisst hier, ich wollte eure guten Seiten betonen, ich kenne gar keine anderen von euch." entgegnete Serrana grinsend und zwinkerte in die Runde. Und eigentlich war das nicht mal gelogen, bislang hatte sie wirklich noch mit keiner der anwesenden Frauen irgendwelche negativen Erfahrungen gemacht. Sie warf einen glücklichen Blick in die Runde und ließ ihn dann auch über den Rest des Beckens schweifen, wobei ihr eine dunkelhaarige junge Frau ins Auge fiel, die sich nicht allzuweit von ihrer Gruppe befand und gerade zu ihnen herüberschaute.
    Ob sie sie wohl auffordern sollte, sich zu ihr und ihren Freundinnen zu setzen? Da die zurückhaltende Serrana in Dingen dieser Art alles andere als begabt war, überlegte sie einen Moment und beschränkte sich dann darauf, die Unbekannte freundlich anzulächeln.


    Als Axilla begann von Alexandria zu berichten, wandte sich Serrana dieser zu und hatte irgendwie das Gefühl, dass sich ihre Cousine inmitten der allgemeinen Aufmerksamkeit ein wenig unwohl fühlte. Das Thema Wagenrennen schien da eine gelungene Ablenkungsmöglichkeit zu sein, und deshalb griff auch sie es jetzt dankbar auf.


    "Ich hab leider noch nie ein richtiges Wagenrennen gesehen." sagte sie mit echtem Bedauern in der Stimme. "Erzähl doch mal, Septima, wie war es denn dort?"


    Paulina lächelte zurück. Aber sie wollte nicht aufdringlich erscheinen und darum sagte sie ebenfalls nichts.

    Zwei weitere Frauen kamen hinzu. In der einen Ecke waren es jetzt vier, in der anderen zwei.
    Paulina richtete es unauffällig so ein, dass sie den Vieren etwas näher kam.
    Sie schloss die Augen, schien versonnen das warme Wasser zu genießen, aber spitzte dabei die Ohren und hörte ganz genau zu.


    Wagenrennen? Sie redeten über Wagenrennen? Paulina war im vergangenen Jahr bei einem gewesen. Ihr Cousin hatte sie sogar dazu genötigt als Glücksfee zu fungieren. Die Öffentlichkeit im Circus Maximus hatte sie zwar genossen, aber die Rennen selbst unerträglich langweilig gefunden.

    Seit der Geburt ihrer Zwillinge hatte Paulina sich rar gemacht. Wie ein schlecht gebackenes Brot war sie sich danach vorgekommen. Insgesamt aufgequollen und an den falschen Stellen wieder zusammengefallen, so hatte sie sich gefühlt. Aber die Niederkunft lag inzwischen über vier Monate zurück. Paulina hatte ihre selbstgewählte Isolation langsam satt. Immerhin waren die schlimmsten Verunstaltungen der Schwangerschaft inzwischen verschwunden. Zwar hatte sie noch mehr Pfunde am Leib als zuvor, sogar als jemals zuvor, aber üppig war sie andererseits schon immer gewesen und hatte sich dabei unwiderstehlich gefunden.


    Also ließ sie sich mutig per Sänfte zu den Agrippa-Thermen bringen. Es war Frauentag. Die Männer Roms glaubten vielleicht, das Zentrum der Welt wäre der Senat oder der Palast des Kaisers und die neuesten und wichtigsten Nachrichten würde man auf dem Forum Romanum hören oder in der Acta Diurna lesen. Paulina wusste es aber besser. Zumindest heute, am Frauentag, waren die Thermen des Agrippa das Weltzentrum und es gab keinen Ort an dem eine Frau sich besser informieren konnte. Zumindest wenn man den hier gehandelten Tratsch und Klatsch für die wichtigsten Neuigkeiten überhaupt hielt. Das tat Paulina.


    Zwei ihrer Mädchen geleiteten sie an das Becken und halfen ihr hinein. Es hatten sich bereits Grüppchen gefunden.


    Paulina zögerte. In welcher Ecke hatten sich wohl die vornehmsten der jungen Damen versammelt? Paulina hatte nicht vor, sich mit weniger als der gesellschaftlichen Spitze abzugeben. Keines der Gesichter kannte sie. Zu lange war sie in Germanien gewesen, stellte sie einmal mehr fest und verdammt innerlich diese vergeudete Zeit.

    Ein Sklave der Villa Vinicia gab einen Brief ab:



    An
    Faustus Octavius Macer
    - Decemvir litibus iudicandis -
    Casa Octavia
    Roma


    Salve Decemvir litibus iudicandis Octavius Macer,


    Deine Nachricht bestürzt mich.
    Ich bin in tiefer Trauer.
    Dennoch sehe ich mich in der Lage das Erbe meines
    Bruders Publius Aelius Hadrianus anzutreten.


    vale
    Aelia Paulina


    Paulina sah zu dem zweiten Kind an ihrer Seite. Es war ein trauriger, fast mitleidiger Blick.
    Sie wusste, dass Schicksal ihrer Tochter war besiegelt. Das Leben des Kindes war geweiht. Es war schon lange vor diesem Tag der Göttin versprochen worden. Paulina selbst hatte Iuno ihr zweites Kind versprochen, damals, bevor sie schwanger geworden war. Viele Kinder starben und ihre Tochter würde auch bald nach ihrer Geburt sterben, für das Leben ihres Bruders. Paulina hatte gewusst, dass sie Zwillinge bekommen würde. Anders als die Amme hatte sie es gewusst, war fest davon überzeugt gewesen, denn sie hatte einen Pakt mit der Göttin Iuno geschlossen.


    “Pietas.“, sagte sie mit belegter Stimme.
    “Sie soll Vinicia Pietas heißen.“

    Seltsam, Paulina erinnerte das cognomen im ersten Augenblick an einen lusitanischen Wagenlenker. Aber sie war noch zu schwach um Widerstand zu leisten und angesichts des Glücks war es ihr wohl auch nicht so wichtig.
    Also nickte sie und sagte: “Ja, so soll er heißen.“




    Missbilligend beobachtete die Amme die Szene.
    “Und das Mädchen?“, fragte sie barsch.

    Das er das tat, war auch Paulina sehr wichtig. Denn in dem er das Kind auf den Arm nahm, erkannte er es nach römischem Brauch als das seine an.


    “Bring ihm seinen Sohn!“, befahl sie einem der Dienstmädchen.


    Diese nahm das Neugeborene behutsam auf und brachte es zu Lucianus.


    “Nimm ihn in den Arm, Marcus.“, forderte ihn Paulina auf. “Und gib ihm einen Namen.“

    Da lag sie; erschöpft und verschwitzt, aber lächelnd.
    Im Arm hielt sie ein Neugeborenes. Es war sehr klein, rothäutig und verschrumpelt, mit einem dunklen Haarflaum auf dem Köpfchen. Mit seiner winzigen Hand umklammerte es Paulinas kleinen Finger.
    Neben ihr und doch irgendwie ein bisschen Abseits, lag noch ein zweite Kind, ebenso klein, rot und schrumpelig, aber mit weniger Haar.




    Statt Paulina sprach aber wieder die alte Amme: “Es sind Zwillinge!“, stellte sie fest und wirkte dabei ein wenig erbost.
    “Ich habe es erst gemerkt, als nach dem ersten noch ein zweites kam.“
    Und das schien die Frau in ihrer Berufsehre zu kränken. Sie sah Paulina an, als wäre die dafür verantwortlich.


    “Ein Mädchen und ein Junge. Sie sind sehr klein.“




    Paulina lächelte noch immer. Schwach sagte sie: “Dein Sohn, Marcus!“
    Dabei strich sie dem Kind in ihrem Arm über den kleinen, erstaunlich eiförmigen Kopf.

    Paulinas Wimmern und Jammern riss nun nicht mehr ab und war auch durch die geschlossene Tür deutlich zu hören.
    Sie stöhnte, klagte, fluchte und flehte.
    War das schon der Höhepunkt?
    Nein.
    Wer es noch nicht weiß, dem sei gesagt: das gebärende Vieh schweigt zwar, aber der Mensch schreit wie ein Tier. Mit Tränen, Schweiß, Blut und Schmerz kommen wir zur Welt.
    Paulina heulte und brüllte, gellend und verzweifelt.


    Dann wurde es still. War da ein Wimmern, dass eines Neugeborenen?


    Die Ruhe war nur von kurzer Dauer.
    Jäh setzte Paulinas Geschrei wieder ein.
    Aber es dauerte nicht lange an.
    Dann wurde es wieder still und die Stille blieb.


    War es das? War es vorüber?
    Zäh wie eingetrockneter mulsum zerrann die Zeit.


    Dann wurde die Tür geöffnet. Die Amme kam heraus.


    “Komm!“, sagte sie zu Lucianus, mehr nicht.

    “Das ist gut.“, sagte sie leise keuchend.


    Aber nach einer Pause kamen die Wehen wieder und von da an in immer kürzeren Abständen.
    Inzwischen war die obstetrix – die Hebamme – eingetroffen. Es war eine alte Vettel mit grauem Haar, rotwangigem Gesicht und fleischigen Händen. Bei unzähligen Geburten war sie schon dabei gewesen und sie scheute sich nicht, sofort das Kommando zu übernehmen. Paulina war ganz mit sich selbst beschäftigt und ließ sie gewähren.


    Als die Pausen zwischen den Wehen kaum noch zum Durchatmen reichten und Paulina anfing, die Schmerzen in die Welt hinaus zu schreien, schickte die Amme den werdenen Vater Lucianus vor die Tür. Das sei nun Frauensache, sagte sie ihm, und das er hier nichts tun könne.

    “Marcus? Bist du da?“


    Inzwischen hatten die Sklavinnen Paulina auf ihr Nachlager gebettet. Dort lag sie nun auf der Seite. Zuerst hatte sie es auf dem Rücken liegend versucht, doch das fühlte sich falsch an. Noch immer war sie atemlos, jetzt aber schmerzfrei. Doch die Schmerzen würden wiederkommen, dass wusste sie und sie fürchtete sich davor, obwohl man ihr gesagt hatte, dass wäre alles vollkommen normal.

    Da hatten Paulina und ihre Sklavinnen wohl etwas überhört. Das hatte seinen Grund, denn soeben trat etwas ein, was bereits lange erwartet wurde, aber dennoch für helle Aufregung sorgte.
    Dann wurde die Tür für ihren Ehemann doch noch geöffnet.


    “Ja, ich bin hier.“, antwortete sie durch die offene Tür.


    Schweiß stand ihr auf der Stirn.


    “Aber ich... AU!“


    Erschrocken fasste sie sich an den von der Schwangerschaft geschwollenen Bauch.


    “Ich glaube...“
    Sie atmete gepresst aus.
    “Ich glaube es wird Zeit das du die Amme kommen lässt. Es geht los!“

    Oh ja, die Idee kommt meinem zickigen Charakter sehr entgegen. :evil:
    Die Männer haben es sich in ihrem patriarchalischen System schon viel zu lange viel zu gemütlich gemacht, jawoll! :schwert:

    Ein einziges Zimmer genügte Paulina natürlich nicht. Nein, sie beanspruchte drei für sich! Zwischen ihnen musste es weite Durchgänge geben, damit sie von einem Raum in den nächsten gehen konnte, ohne ihr 'Reich' dafür verlassen zu müssen. Denn sich immer zurecht machen lassen, nur um vom Schlafzimmer zum Ankleidezimmer zu gelangen, dass wäre eine unerträgliche Zumutung gewesen. Aber darauf zu verzichten? Was, wenn sie ungeschminkt und mit offenem Haar einem Klienten ihres Mannes Lucianus begegnen würde? Nein, dass ging nicht.
    Und deshalb hatte sie nun drei Zimmer, mit eigenen Durchgängen.
    Im ersten konnte sie Gäste und Lieferanten empfangen, kleine Gesellschaften halten oder im Kreise ihrer Sklavinnen den Tag verbringen, wenn ihr nicht nach Gesellschaft war. Rostrot war der Grundton, mit denen die Wände des Zimmers bemalt waren.
    Das blaue Zimmer war ihr Schlafgemach und es schloss an das erste an.
    Das dritte Zimmer war das besagte Umkleidezimmer und der größte der drei Räume. Es hatte ockerfarbene Wände, weil Paulina von einem schmeichlerischen Syrer gehört hatte, dass ihr Typ bei dieser Farbe am besten zur Geltung käme. Der Syrer hatte ihr auch ein Horoskop erstellt, dass ihr Reichtum, Einfluss und gesellschaftliche Bedeutung voraussagte. Paulina zweifelte keinen Augenblick daran, dass dieser Mann sich auf seine Sache verstand. Er war Gold wert! Also ließ sie das Zimmer in Ocker streichen.
    Drei hohe Bronzespiegel gab es hier, die so aufgestellt waren, dass sich Paulina bei jeder Tageszeit im besten Licht bewundern konnte. Außer am frühen Morgen, denn da schlief sie ohnehin noch. Schönheit braucht ihren Schlaf – dass war ihr Motto.