Wie erwartet, dauerte es einen Moment, ehe die ersten Fragen eintrudelten, doch dann überhäuften mich die zwei Damen damit. Ich sah von Fiona zu Minna und wieder zurück. Auf Germanisch fragte ich: "Öhm...habt ihr euch noch nicht kennengelernt? Oder - ach wart mal, is klar." Latein und Germanisch waren schließlich inkompatibel. Ich deutete zuerst mit der Linken auf Fiona und sah Minna dabei an - "Fiona." - dann deutete ich mit der Rechten auf Minna und sah Fiona dabei an - "Minna." - und zu guter letzt deutete ich mit beiden Händen auf meine Brust - "Nordwin." Ich grinste breit. Gut, hätten wir das geklärt. Jetzt die Fragen, und die von Fiona übersetzte ich Minna ebenfalls, ehe ich antwortete. Eu eu, da bekam man unsägliche Lust auf nen Becher Wasser, wenn man so viel quatschte.
"Hm, ihr seid also beides Neulinge. Naja, macht nichts, irgendwann ist immer das erste Mal für unsereins. Äh, ja. Ofella ist...hm. Um ehrlich zu sein, ist sie vor kurzem erst hier angekommen und hat vorher weit weg gewohnt. Der Hausherr pflegt ein 'zum Glück' an diese Beschreibung anzuhängen, ich persönlich hatte noch nicht näher mit ihr zu tun. Aber Zarah, ihre Sklavin, klagt manches Mal. Sie muss streng und launisch sein, aber wie gesagt, am besten erzählt dir das Zarah selbst. Ich werd ihr nachher mal Bescheid geben, wenn ihr euch frisch macht und neue Sachen anzieht, denn so bleiben könnt ihr ja nicht." Ich maß die staubige und dreckige Kleidung mit einem kritischen Blick und wandte mich anschließend Minnas Fragen zu, nachdem ich ihr übersetzt hatte, was ich Minna gerade gesagt hatte. "Minna, du musst dringend Latein lernen. Mal sehen, man wird Kassandra wohl dafür abstellen, dir zu helfen dabei. Die kann sich besser ausdrücken als ich, und außerdem kann sie schreiben." Das konnte ich selbst nämlich nicht. Nuja, als Custos Corporis musste man das auch nicht können.
"Dein Herr heißt Herius Claudius Vesuvianus. Er behandelt Sklaven eigentlich...naja, wenn man gehorsam ist, hat man nichts zu befürchten, dann ignoriert er uns, zumindest so gut wie. Der ist mit Vorsicht zu genießen und lässt kaum nen Patzer durchgehen...kuscht vor niemandem, außer vielleicht vor Ofella. Ich hab übrigens die Erfahrung gemacht, dass man die meisten Freiheiten hier hat, wenn man sorgfältig arbeitet, höflich ist und Gehorsam zeigt." Auch dies übersetzte ich wieder, diesmal für Fiona auf Latein. Während ich sprach, knurrte Fiona. Oder eher gesagt ihr Bauch. Ich grinste. "Na, da hat wohl jemand Hunger, was? Na ihr zwei, kommt mal mit, beim Essen redet es sich leichter", meinte ich und trottete in Richtung Küche.
Bereits als wir näher kamen, konnte man es schnattern hören. Pustula, die dicke und gemütliche schwarze Köchin mit dem seltsamen lila Turban auf dem Kopf, versuchte eine Gans einzufangen, die immer im Kreis um den rustikalen Tisch vor Pustula flüchtete, die ein Hackebeil schwang und in fremdländischer Manier fluchte. Als ich eintrat, hielt sie inne und die Gans huschte unter einen Stuhl. "Ah Nordwin, wen du bringst mit? Sind dürre Mäderchens, brauchen auf die Knochen was!" grüßte sie aufs Herzlichste in gebrochenem Latein, legte das Beil weg und testete mit der Rechten den Fettgehalt von Fionas Oberarm. "Wart, ich da hab Rester von die Tag gestern in Kammer", sagte sie zu den beiden Damen und wackelte mit ihrem dicken Hintern fort zu einer kleinen Vorratskammer. "Zwei hungrige Liebchen zum Bemuttern", entgegnete ich nur. Pustula schnitt mir eine Grimasse, öffnete die Tür und kramte dann im Raum umher. Von der Decke baumelte ein köstlich duftender, serranischer Schinken. Ich hob die Augenbrauen, in Richtung der zwei blickend, und ging dann zum Tresen neben dem Herd, auf dem ein Topf Wasser brodelte. Dort schob ich zwei unterarmgroße, bereits ausgenommene Fische zur Seite, zog mich hoch und setzte mich. Aus einer Schale nahm ich die letzte Olive und steckte sie mir grinsend in den Mund, während die dicke Pustula schon wieder zurückkam, und zwar schwer beladen mit kaltem Braten zweiter Güte in den Händen, einem halben Laib Brot von gestern unter dem rechten und einem Krug Milch unter dem linken Arm. Sie lud alles auf dem Tisch in der Mitte ab, streifte mich mit tadelndem Blick und begann mit in die Hüften gestützten Händen zu meckern. "Nordwin, tu dein dicker Hintern von die Fische und mache dir besser nützelig. Der garstig Vogel da muss gerichtet werden für die Essen!" Lachend rutschte ich von der Anrichte, täuschte einen linken Ausfall an und packte das nach rechts flüchtende Tier. Einen Ruck am Hals später war die Gans bereit zum rupfen, und ich legte sie zum Fisch. Während ich mit dem Vieh beschäftigt war, hatte Pustula zwei Holzbrettchen hervorgeholt und auf zwei der drei Schemel in der Küche gedeutet. "Ihr setzt euch da." Sie schaufelte den Mädchen Essen auf die Platten und sang dabei so schief wie amüsant ein Lied aus dem südlichen Africa. Ich verschränkte die Arme und wartete geduldig, an die Anrichte gelehnt.
Pustula schob den beiden ihre Brettchen zu und schnappte sich dann die Gans, um sie auf dem dritten Schemel sitzend routiniert zu rupfen. "Ist gut?" erkundigte sie sich lächelnd bei Fiona und Minna.