Beiträge von Tiberia Albina

    Sie hatte seine Antwort befürchtet aber sie verstand sie. Doch alles was zählte war vorerst,dass sie ein wenig Zeit gewann.


    "Ja, ich verstehe dich. Gib mir ein paar Tage. Ich muss nachdenken und ich auch noch einmal in Ruhe mit Verres sprechen. Das wirst du sicher verstehen. Doch dafür die Gelegenheit zu finden wird dauern."


    Was sollte ihr das bringen, fragte sie sich. Doch vorerst brauchte sie die Zeit. Erst einmal um selbst nachzudenken.
    "Schweige ein paar Tage. Dafür bin ich dir dankbar. Ich regel das irgendwie."


    Sie blickte ihn noch einmal in Ruhe an und wandte sich dann ab. Sie hatte gesagt, was zu sagen war und alles andere würde sich in den nächsten Tagen zeigen. Also nickte sie Cato noch einmal zu und verließ so leise wie sie das Zimmer betreten hatte Catos Raum.

    Albina wusste nicht, was in Verres vorging. Doch ihr Cousin ließ ihr auch kau die Zeit drüber nachzudenken. Ihre Aufmerksamkeit gehörte Quintus.
    Dachte er etwa daran ein Tier zu kaufen? Und zu welchem Zweck, er richtete doch keine Spiele aus. Naja, sie würde es noch miterleben.
    Sie beobachtete, wie ihr Cousin die Bären mit einem Apfel fütterte. Noch einmal blickte sie ihn skeptisch an, doch dann fasste sie ihren Mut.
    Sie nahm einen weiteren Apfel und hielt ihn über die Grube. Sie blickte en Bären an, der auf seine Hinterläufe stieg und schaute in die schwarzen Augen des braunen Riesen.
    Nach einem kurzen Moment ließ sie den Apfel fallen und beobachtete wie er in dem großen Maul des Tieres verschwand.
    Dann schaute sie wieder zu ihrem Cousin. "Sie wirken wirklich sehr lieb. Am liebsten würde ich einen mit nach Hause nehmen."scherzte sie .


    Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Verres neben ihrem Cousin stand. Aber ohne irgend eine Regung schaute er einfach in die Grube. Sie musste bald möglichst mit ihm sprechen. Sie musste ihm von ihrem Gespräch mit Cato erzählen. Aber dazu war jetzt nicht die Zeit.
    "Warum halten wir in der Villa eigentlich keine Tiere? Ich meine, nicht mal ne Katze oder einen Hund... Das wäre doch sicher eine Bereicherung, oder meinst du nicht?" blickte sie Quintus mit großen bittenden Augen an. Von ihrem Vater hatte sie mit diesem Blick jeden Wunsch erfüllt bekommen. Doch ihr Cousin war so leicht eigentlich nicht zu beeindrucken.

    Als ihr Cousin die Größe der Elefanten bestätigte, so glaubte sie der Beschreibung zum ersten Mal. Sie vertraute ihm und dennoch war diese Vorstellung für sie gerade überwältigend. Solch riesige Tiere?


    Bei seinen nächsten Worten aber wurde sie bitter. Als würden nur Tiere die eingesperrt wären aggressiv werden. Taten sie mit ihren Sklaven etwa etwas anderes? Auch diese waren für die meisten nicht mehr als Tiere. Und desto länger das mit Verres ging und auch nach ihrem Gespräch mit Cato, desto mehr rührte sich in ihr Widerstand gegen das Sklaventum. Diese Mensche, die beiden im besonderen, waren nicht schlechter als irgendwer anderes. Aber das konnte sie hier kaum anbringen.
    "Es sind nicht nur Tiere, die aggressiv werden, wenn sie eingesperrt werden." sagte sie für ihre Verhältnisse sehr trocken.


    Während dessen betrachte sie die Käfige am Rand und die vielen Tiere die sich darin befanden. Die Wölfe mit ihren leuchtenden , ebenso wie die Rehe mit ihren großen braunen Kulleraugen. Waren sie und Verres mehr als diese Tiere? Waren sie nicht auch beide in ihren Welten gefangen. Der eine wie ein Wolf dagegen aufbegehrend und sie wie ein Reh einfach still ihr Schicksal akzeptierend?War ihre Liebe vielleicht ebenso unmöglich wie die zwischen Wolf und Reh? Catos Worte gestern hatten sie bewegt. Und immer öfter begann sie an all dem zu Zweifeln was sie tat. Während sie so an den Käfigen vorbeischlenderte konnte sie sich unbeachtet umdrehen und blickte Verres an. In ihren Augen standen kurz der Schmerz und die Zweifel die sie gerade empfand.Doch nur eine Sekunde später, als ihr Cousin weitersprach wurde ihr Gesicht wieder ausdruckslos und wandte sich zu Quintus um.


    "Wer hat was noch?" fragte sie und folgte ihm.
    Als auch sie die Grube erreicht hatte und hineinsah war sie völlig überrascht.
    "Ohh" sagte sie nur und musterte die Tiere. Wie sie dort so umherstreiften wirkten sie garnicht gefährlich und sie bewunderte die Tiere einfach.
    "Ja, du hast recht! Sie sind wirklich wundervoll!"
    Dann dachte sie einen Moment nach. Hatte sie ihren Cousin richtig verstanden?
    "Füttern? Wie Füttern...Ich glaube nicht, dass..." Aber da hatte er dem Händler schon seinen Befehl erteilt.
    "Quintus, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist." sagte sie schüchtern. Sie konnte doch nicht einfach einen Bären füttern. Doch als sie ihn anblickte sah sie in seinen Augen die Entschlossenheit und ihre Zweifel ließen nach. Und auf einmal freute sie sich. Schien ihr Cousin ihr doch eine Freude machen zu wollen.
    "Na gut.. vielleicht kann ich es ja doch mal versuchen." grinste sie ihn fröhlich an.

    Sie schien ihn nicht davon überzeugen zu können, dass es eher ihre als Verres Schuld war. Doch darüber wollte sie auch nicht nachdenken...Es führte ja eh zu nichts. Es war wie es war und für so etwas zu spät.


    Sie hörte mit Erschütterung seine Worte. Er schien noch immer zu leiden und er tat ihr Leid. Und wieder fragte sie sich, wieso manche Menschen in der Gesellschaft besser waren als andere, wenn sie doch alle dasselbe fühlten. Aber auch diese Gedanken hätten zu nichts geführt.


    Die Geschichte, die er ihr erzählt machte sie noch trauriger. Und als er auf sie zu kam und mit dem Finger auf ihr Herz zeigte bewegte sie sich nicht. Doch als sie seinen Finger dann spürte erschauerte sie. Etwas in ihr zerbrach in dem Moment. Vielleicht war es der winzige Funken Hoffnung den sie für sich und ihren Geliebten sah. Sie wusste nicht was sie sagen sollte und schwieg zunächst einige Momente.


    "Cato, " sagte sie dann leise", so heißt du doch, oder? Ich weiß, dass es keine Hoffnung für uns beide geben kann. Und ich weiß, dass all das ein Fehler ist. Und dennoch kann ich nicht anders." und das war die Wahrheit. Auch wenn sie sich vorgenommen hätte es zu beenden so hätte sie im nächsten Moment Verres doch nicht widerstehen können.
    "Ich weiß nicht , was ich tun soll und ich weiß auch nicht wohin das führen wird. Aber ich bitte dich. Vergiss was du gesehen hast. Schweig darüber. Mehr verlange ich nicht. Alles andere überlass mir. Ich werde schon eine Lösung finden, egal wie sie dann auch aussehen wird." Und damit meinte sie auch das womögliche Ende ihres kleinen Glücks was man an ihren traurigen Augen erkennen konnte.
    "Aber ich brauch dafür noch etwas Zeit."

    Sie hörte ihm aufmerksam zu und an der Art wie er sprach glaubte sie zu erkennen, dass er ihr schicksal verstand...ja, vielleicht selbst einmal so etwas erlebt hatte. Aber er verurteilte sie nicht. Das ließ sie hoffen.


    "Ich weiß, dass ich einen Sklaven nicht lieben darf. Das ist mir bewusst."sagte sie traurig." Doch ich kann es doch nicht ändern."


    Er schien allen ernstes Verres die Schuld zu geben. Das konnte und wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. "Aber," sagte sie dann." verurteile auch Verres nicht. Er kann doch auch nichts dafür. Er hat mich weder bedrängt, noch aufgefordert noch angestiftet dazu. Ich war es die meine Hand nach ihm ausgestreckt hat. Ich war es auch, die es ihm vorwarf, als er mich zurückwies." sagte sie leise und wurde rot.


    "Wie oft ich schon verliebt war? Bevor ich Verres getroffen hab, hatte ich nicht einmal eine Vorstellung davon , was Liebe wirklich ist." sagte sie wahrheitsgemäß.

    Alleine seine Haltung zeigte Albina wie viel Abneignung er schon jetzt für sie zu empfinden schien,doch sie konnte es ihm nicht verübeln.


    Doch die Worte die er dann sprach trafen sie wie eine Ohrfeige. Er sprach nur aus, was er gesehen hatte. Die Wahrheit. Die Wahrheit, die sie bis jetzt so sehr zu verdrängen schien.


    "Ich kann mir vorstellen, was du über mich denkst." sagte sie und senkte beschämt den Blick. "Doch bitte, verurteile mich nicht vorschnell."


    "Selbst wenn ich versuchen wollte das, was du gesehen hast, zu erklären so würde es mir kaum gelingen. Ich selbst verstehe es noch nicht. Ich verstehe nicht, wie es soweit kommen konnte. Ich verstehe nicht, warum das Schicksal so mit mir zu hadern scheint.", sagte sie traurig.


    "Ich weiß momentan nur eines, " sie hatte nie vorgehabt sich so offen zu rechtfertigen, aber sie konnte gerade nicht anders. "und zwar, dass ich diesen Sklaven liebe. Ich weiß, dass es falsch ist. Bei Jupiter, das ist mir mehr als bewusst. Aber ich kann es nicht ändern. Ich habe es mir nicht ausgesucht!" Sagte sie jetzt lauter. Doch nicht wütend auf Cato. Nein, sie war wütend auf sich selbst und die Götter.
    Einen Moment schwieg sie, weil sie nicht wusste was sie sagen sollte. Dann sprach sie wesentlicher leiser weiter.
    "Ich kann mir vorstellen, wie sehr du Quintus das erzählen möchtest. Du willst ihn schützen, dass verstehe ich. Ich bin selbst erst vor ein paar Tagen hier angekommen. Doch mein Cousin hat mich freundlich aufgenommen. In nur kurzer Zeit haben wir ein vertrautes Verhältnis miteinander aufgebaut und er bedeutet mir sehr viel. Das letzte was ich will ist ihm schaden oder ihn verletzen. Das musst du mir glauben." Wieder machte sie eine kurze Pause um ihre Gedanken zu ordnen. Ihr schlechtes Gewissen lastete schwer auf ihr.
    "Glaube mir, Quintus ist der Grund, der mir all das am schwersten macht. Die Beziehung zu Quintus und meine Liebe zu Verres" jetzt hatte sie unbewusst seinen Namen preisgegeben." zerreißen mich innerlich." All ihr Leid stand nun in ihren Augen und sie musste mit ihren Tränen kämpfen. Alles was sie sagte, schien sie mehr zu sich selbst zu sagen als zu dem Sklaven der ihr schweigend zu hörte.


    "Aber ich muss dich bitten, nein, ich flehe dich an meinem Cousin nichts davon zu erzählen. Nicht um meinetwillen, denn ich weiß ich hätte die Strafe verdient. Mir ist bewusst, dass manche Menschen kein Anrecht auf Liebe haben."Sie schluckte." Aber um Verres Willen bitte ich dich. Du weißt, was mit ihm geschehen würde. Und ich würde alles geben um ihn zu schützen. Egal, was du verlangst." schloss sie leise ihre Rede.


    Konnte sie von ihm Verständnis erwarten? Was kümmerten ihn all diese Dinge? Und dennoch betete sie, dass er vielleicht auch einmal geliebt hatte. Sie betete, dass er zumindest einen Funken Verständnis dafür hatte.

    Albina war gerührt. In diesem Moment hatte sie alles andere vergessen. Selbst das Verres hinter ihr herlief. Es war nichts ungewöhnliches mehr, dass sie Quintus Arm berührte. Doch er hatte seine Hand auf die ihre gelegt und das war etwas neues. Etwas, dass sie glücklich und traurig zugleich machte. Glücklich, dass er ihr zu trauen schien und traurig in dem Bewusstsein, dass sie ihn so hinterging. Ganz leise begannen Zweifel im Hinterkopf zu entstehen. Doch sie schenkte dem ganzen erstmal keine Beachtung.
    Sie war froh über die Berührung und die Worte ihres Cousins. So schien er den Tod seines Sohnes doch nicht zu verdrängen, sondern verarbeitete ihn nur auf seine Art und Weise. Und da ihr Cousin dann die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkte, wollte sie auch nicht weiter nachfragen. Sie hatte Veständnis für ihn.


    "Elefanten? Oh mein Gott. Ich habe bisher nur Beschreibungen von diesen Tieren gehört. Doch diese waren so unglaublich, dass ich sie nich ernst nehmen konnte. Sie meinten, ein Elefant könne doppelt so groß werden wie ein ausgewachsener Mann."


    Sie folgte dann dem Blick ihres Cousins und erblickte die Hunde. Ja, das waren wahrlich Wachhunde. Sie sahen groß und gefährlich aus und Albina erschauerte leicht bei ihrem Anblick.
    "Ich glaube sie werden ihrer Aufgabe sicher gerecht. Sie sehen fürchterlich abschreckend aus. Alleine schon die Zähne.Nein, das möchte ich mir garnicht vorstellen..." erneut schauderte sie leicht.


    Sie mochte Tiere eigentlich sehr. Doch solch große und gefährliche Tiere machten ihr ein wenig Angst. Vor allem, wenn sie auch noch ihrer Aufgabe entsprechend aggressiv waren.
    "Mir sind Tiere die freundlicher drein blicken für gewöhnlich sympathischer." lächelte sie Quintus an.


    Dann schritt sie weiter neben ihm her. Es war schon sehr verwirrend. Trotz dieser verrückten Konstellation, schaffte es ihr Cousin wie immer ihr ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln. Doch bereits als ihr das auffiel war das ganze schon wieder hinfällig. Erneut dachte sie an Verres. Was mochte wohl in ihm vorgehen?Worüber mochte er mit Titus sprechen?
    Die ganze Zeit musste sie sich krampfhaft daran hindern zurückzublicken. Doch das würde nicht mehr lange gut gehen.
    Also drehte sie sich langsam, so als schaue sie sich nur um, zurück und blickte kurz Verres an. Er schien gerade mit Titus zu sprechen. Dann wand sie sich wieder ihrem Cousin zu und lächelte ihn an. Doch die ganze Zeit Lächeln würde ihr auf Dauer auch nicht helfen, dachte sie dann.

    Er hatte "ja" gesagt, und so öffnete Albina schweren Herzens die Tür. Das war vor ihr lag würde schwierig werden.
    Die Tür ging auf und leicht zögernd trat Albina hindurch. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte blickte sie auf und sah Cato in die Augen.


    "Ich muss mit dir sprechen." ,sagte sie leise. "Es gibt da etwas, dass ich dir erklären muss." Dann schwieg sie und wartete auf die Reaktion des Sklaven.

    Direkt nachdem Albina das Tablinum und damit ihren Cousin verlassen hatte , war sie auf der Suche nach Cato durch die Villa gegangen. Sie sah ihn nirgends und so kam sie zu dem Schluss, dass er die Wahrheit gesprochen hatte und sich vorerst in seine Kammer begeben hatte.
    Auch wenn es ungewöhnlich war, so hatte sie den Teil des Hauses mit den Sklavenunterkünften betreten und stand nun vor der Kammer.
    Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wollte gerad überalls sonst lieber sein als hier, aber sie musste das nuneinmal vorher klären.
    Auch wenn die Sklavenzimmer nur von außen zu verschließen waren so ernschied sie sich ganz vorsichtig und leise zu klopfen nachdem sie sich sicher war, dass niemand sonst auf dem Gang war. Sie brauchte immerhin das Wohlwollen des Sklaven.


    "klopf,klopf!"

    Albina hatte sich auf diesen Besuch eigentlich sehr gefreut, so hatte sie doch gehofft es wäre ein gute Ablenkung von den Dingen, die sie innerlich so aufwühlten seit dem Tag mit Verres und der Angelegenheit mit Cato.
    Doch es war anders gekommen.
    Mit großer Bestürzung hatte sie heute morgen bei dem Familientreffen erfahren,dass Quintus Sohn gestorben sei. Sie kannte ihn nicht, aber dennoch war er einer ihrer Verwandten und vor allem das Kind ihres mittlerweile so von ihr geschätzten Cousins. Sie war traurig, doch zu allem Überfluss wusste sie so recht nicht, wie sie mit der Trauer umgehen sollte. Quintus hatte bis jetzt keinerlei Reaktion darauf gezeigt und trug noch immer seine stets gefasste Maske. Doch Albina war klar, dass ein Zeitpunkt kommen würde und musste, an dem dies nicht mehr der Fall war und Quintus ebenfalls , wenn auch nur kurz trauern würde.
    Als wäre das nicht schlimm genug, so hatte ihr Cousin sich erschreckender Weise entschieden Verres als zweite Begleitung mitzunehmen. Als sie dies mitbekommen hatte huschte nur kurz ein erschrockener Blick über ihr Gesicht. Doch dann hatte sie ihre Fassung nach Außen hin wiedererlangt, während sie innerlich immer noch zum zerreißen angespannt und verwirrt war.
    Was ging gerade wohl in Verres vor, der hinter ihr herlief? Würden sie diese Zerreißprobe überstehen? Und wie konnte sie ihrem Cousin helfen? Was konnte sie zu ihm sagen? Quintus hatte nämlich , wie es bei anderen, aber nicht bei Albina, vielleicht die Regel war, bisher kaum etwas gesagt.
    So schritt sie also neben ihrem Cousin her, die vielen Interessanten Dinge auf diesem Markt kaum beachtend.


    "Quintus, " wagte sie zum ersten Mal seit heute Morgen einen zarten und vorsichtigen Vorstoß," Ich weiß, ich habe es dir vorhin schon einmal gesagt. Aber vielleicht kann ich es hier unter uns besser ausdrücken. Der Tod deines Sohnes tut mir sehr Leid. Ich bin traurig, dass ich nicht die Ehre hatte ihn kennenzulernen. Wenn er nach dir kam, so war er sicher eine große Persönlichkeit."
    Dabei sah sie ihn an und alles Mitleid der Welt stand in ihren Augen. Sie wollte ihm helfen auch wenn sie nicht wusste, ob sie das tat.
    Sie legte, wie es mittlerweile schon nicht mehr unbedingt eine ungewöhnliche Geste bei ihnen war, liebevoll ihre Hand auf seinen Arm. Vielleicht würde es ihm etwas bedeuten. Sie wollte ihm damit ihre Anteilnahme zeigen, und vor allem auch, dass sie für ihn da war. Er bedeutete ihr viel und sie trauerte mit ihm. Sie hoffte er würde das erkennen.

    Die erste, die das Atrium betrat war Albina. Sie hatte sich im Peristyl befunden und über ihr Lage nachgedacht, als einer der Sklaven ihr die Nachricht ihres Cousins überbrachte. Alle Familienmitglieder ins Atrium? Wieso bloß, fragte sie sich. Es musste etwas vorgefallen sein und ein ungutes Gefühl machte sich in Albina breit. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Doch wider erwarten, fürchtete sie nicht, dass es um sie und Verres ging. Hätte Quintus das herausgefunden, wäre er anders vorgegangen.
    Nach dem der Sklave gegangen war hatte sie nach Aesara schicken lassen. Diese sollte ihr dabei helfen sich für ein solches Treffen zurecht zu machen. Albina entschied sich für eine blaue Tunika. Sie war unter der Brust durch ein breites goldenes Band gebunden, was ihre makellose Figur betonte. Ihre Schultern waren bis auf eine goldene Kordel auf jeder ihrer Schultern um die Tunika zu halten frei. Aesara hatte ihre Haare geschickt in kleinen geflochtenen Zöpfen hochgesteckt und mit goldenen und blauen Bändern verziert. Doch eigentlich war all das nur die Umrahmung dessen, was ihr am wichtigesten gewesen war. Um ihren aufgrund der Hochsteckfrisur frei liegenden Hals hing eine Kette. Eine aus kleinen ineinander verschlungenen goldenen Kettchen bestehende Halskette die durch einen zu einer Sonne geschliffenen blauen Edelstein vollendet wurde.
    Es war die Kette, die Quintus ihr am Tag zuvor geschenkt hatte.


    So hergerichtet entging es selbst dem neutralsten Auge nicht, wie schön Albina war. Doch mehr als schön sein, wollte sie ihrem Cousin zeigen, dass sie ihm wirklich verziehen hatte.


    Ebenso hergerichtet betrat Albina das Atrium und sah sich um. Es war noch niemand anwesend, doch hatte sie keinen Zweifel daran, dass sie die Nachricht richtig verstanden hatte. So winkte sie einen Sklaven herbei.
    "Bring mir einen Becher verdünnten Wein!"


    Der Sklave verschwand und kam wieder, sie blickte sich um und schritt durch das Atrium. Wer würde wohl der erste sein, der erscheinen würde, fragte sie sich. Und da ihr ungutes Gefühl noch stärker anstelle schwächer war, so war sie sich mittlerweile sicher, dass etwas Schlimmes geschehen war. Mit leicht besorgtem Blick stand sie da und schaute auf die Tür.

    Eigentlich hatte sie für so etwas gerade nicht den Kopf. Aber vielleicht würde sie das ganze ja ablenken. Etwas Abstand tat ihr sicher gut.
    "Oh, das ist eine wundervolle Idee. Morgen wäre sicher gut. Ich freue mich schon darauf." lächelte sie ihn an. Doch ihre wesentlichen Gedanken waren bei Cato. Sie musste auf dem schnellsten Weg zu ihm um mit ihm zu sprechen.


    "Nun denn, dann besuchen wir morgen die Tierhändler. Wird sicher schön."


    Ein weiteres liebevolles Lächeln, ein "Vale!" und schon drehte sie sich um und Verlies das Zimmer auf der Suche nach Cato.

    Er schien stolz auf sie zu sein und das freute sie. Allerdings lag auch ein wenig Bitterkeit darin. Sie hatte ihm versprochen ihm keine Sorgen zu machen, doch das hatte sie getan. Auch wenn er noch nichts davon wusste. Er freute sich über ihr Diploma und hatte keinen Schimmer welchen so viel schwerwiegenderen Fehler sie derzeit am beginnen war.


    "Danke." sagte sie kurz. Sie wollte das Thema nicht ausführen, hatte sie doch ein schlechtes Gewissen aufgrund des Lobes.


    "Ja, das werde ich sicher tun. Vielleicht wärst du so nett, mir bei Gelegenheit dabei zu helfen einen geeigneten auszuwählen."


    Sich für den Anfängerkurs anzumelden war einfach. Sich für eine andere Richtung zu entscheiden schon schwieriger. Aber das interessierte sie zurzeit nicht sonderlich, wie man sich vorstellen konnte.


    "Verzeih Quintus, " fügte sie dann noch hinzu,"aber wie ich vorhin bereits gesagt hatte, muss ich noch etwas erledigen. Wärst du so nett mich zu entschuldigen?" Bei diesen Worten wurde sie schmerzlich an den Vorfall beim Essen erinnert. Vielleicht wäre ihr das mit Verres sonst nie passiert, dachte sie bitter. Doch im gleichen Moment schalt sie sich dafür. Sie sollte ihn nicht bereuen und auch ihrem Cousin hatte sie eigentlich vergeben.

    Bei Epicharis Worten über den Papageien musst Albina lächeln. Welch eine schöne Vorstellung das doch war. Sie würde gerne ein paar Momente mit dem Vogel tauschen und über die Leute offen beleidigend über die Stadt fliegen.


    Die römische Gesellschaft? Ihr Gegenüber konnte nur die Männer meinen, wie sie so grinste.
    "Nunja, ich bin da ehrlich. Bisher bist du die erste außerhalb meiner Familie die ich kennengelernt habe. Aber mein Cousin plant ein eventuell ein Fest zu geben, damit ich noch mehr Leute kennenlerne." Und natürlich auch potentielle Ehegatten, dachte sie erneut leicht verärgert.


    "Aber du könntest mir ja ein wenig über die "römische Gesellschaft" berichten." lächelte sie. Immerhin musste Epicharis schon mehr Männer hier in Rom kennen und Albina interessierte sich durchaus dafür.

    Albina war es nicht möglich etwas in dem Gesicht ihres Cousins zu erkennen, worüber sie sich hätte sorgen müssen. Doch leider hieß das bei Quintus wenig, dachte sie. Er war nun einmal ein Mensch der sich zu fast jeder Zeit unter Kontrolle hatte. Sie hatte keinen Einfluss auf seine Gedanken und musste nun erst einmal mit der Hoffnung leben, dass er keinen Verdacht geschöpft hatte.


    "Ja, das Ergebnis hab ich gerade gestern bekommen." sagte sie und wurde leicht rot. Sie selbst war von dem Ergebnis noch überrascht. Ja, sie hatte sich Mühe gegeben aber damit hatte sie nicht gerechnet. Und angeben war auch nicht ihre Art. "Ich habe bestanden." sagte sie stolz. Dann aber leiser und unsicherer."Mit Auszeichnung. Ich habe ein Diploma erhalten."

    Als ihr Cousin sie bat einen Moment zu warten und zunächst also trotzdem Cato die Aufmerksamkeit schenkte, dachte sie , dass nun alles gelaufen war. Steh es einfach durch, sagte sie sich. Egal was jetzt kommt, du kannst es nicht mehr ändern und hast es vermutlich sogar verdient.
    Ihr Gesicht wurde ausdruckslos.


    Als Cato begann zu sprechen, realisierte sie zunächst garnicht was er sagte. Erst langsam dämmerte ihr, dass er sie gerade doch nicht verriet. Er zog sich zurück. Womit in aller Welt hatte sie das verdient? Doch sie hatte keine Zeit sich zu freuen. Sie musste Cato einfach schnellst möglich allein erwischen...
    Aber noch war sie mit ihrem Cousin im Tablinum. Und hatte sie nicht etwas von einem Problem erzählt, dass sie noch mit ihm bereden wollte. Nunja... was sollte sie ihm bloß sagen?? Etwas, was sie unbedingt mit ihm besprechen muss... was konnte das sein?
    Auf einmal hatte sie eine Idee. Als Cato nun fort war, atmete sie einmal kaum merklich erleichtert aus und wandte sich an Quintus.


    "Verzeih, dass ich dich so spontan unterbrach. Doch mir kam ein Gedanke und ich habe schneller geredet als ich gedacht habe. Das war unhöflich und es tut mir Leid." Kaufte er ihr das ab? Sie wusste es nicht, aber sie hoffte es.


    "Mir ist etwas eingefallen, was ich schon längst mit dir besprochen haben wollte, aber bis jetzt vergessen hatte." Nun lächelte sie um die Spannung ein wenig runterzudrosseln... Schließlich entsprach das was sie sagte an Bedeutung längst nich der Aufmerksamkeit die sie darauf gelenkt hatte.
    "Vor ein paar Tagen, als ich spazieren war, kam ich an der schola atheniensis vorbei. Ich weiß, ich hätte es mit dir besprechen sollen. Aber ich habe mich dort für einen Kurs eingeschrieben." Das alles entsprach wenigstens der Wahrheit.
    "Ich wollte es dir längst erzählen, aber es gab jeden Tag soviel neue Dinge hier, dass ich meist in Gedanken war. So hab ich leider vergessen. Auch die Prüfung hat schon stattgefunden, ich dachte einfach, du müsstest das wissen."


    Nun musterte sie vorsichtig ihren Cousin. Er würde sicher merken, dass etwas nicht stimmte. Albina konnte noch nie gut schwindeln. Außerdem war er, in diesem Fall leider, ein gute Beobachter. Hatte sie ihm das ganze glaubhaft machen können?

    Sie lauschte interessiert seinen Ausführungen während sie die Gebäude und Menschen die sie passierten in aller Ruhe beobachtete. Als er dann aber anbot, sie könnten die Straße mit den Tierhändlern besuchen trat ein freudiges Strahlen in ihre Augen. In manchen Dingen zeigten sich doch noch ihre leicht kindlichen Züge.


    "Ohh! Das wäre aber schön!" grinste sie. Doch dann fiel ihr noch etwas ein."Aber es kann sein, dass ich mich vor einigen dieser wilden Tiere fürchte..." grübelte sie,"...aber du bist ja an meiner Seite!" sagte sie dann entschlossen und schenkte ihrem Cousin ein wundervolles Lächeln.

    Nungut, ihre Hoffnung auf ein Zerwürniss oder weitergehende Streitigkeiten zwischen den beiden hatte Quintus mit seiner doch erstaunlich offenen und freundlichen Umarmung gerade zerstört.
    Sie kannten sich also von Kindheit an, dachte Albina, und haben sich nach dieser für sie nicht bekannten Geschichte nun wieder vertragen. Na herrlich, das sah nicht gut für sie aus.Was tun?


    Cato selbst schien von dem was ihr Cousin getan hatte irritiert und ging erst mal leicht verwirrt zum Tisch. Was dachte er jetzt bloß? Es blickte sie einen Moment musternd an.
    Nein, dachte sie. Sie flehte förmlich, dass er es nicht tun würde.
    Sollte sie etwas sagen, um ihn abzulenken. Oder einfach ignorieren, in der Hoffnung er würde es zumindest für noch kurze Zeit für sich behalten. Lange genug um mit ihm zu allein zu sprechen.
    Ihr Cousin hatte wieder Platz genommen und sie sah ihn gerade nach außen hin freundlich und gefasst an, als auf einmal...
    "Domine,..." hörte sie nur und während alles andere an ihr für einen Moment erstarrte weiteten sich ihre Pupillen vor Schreck. Jetzt war es soweit, dachte sie .


    "Quintus..." sprach sie auf einmal völlig abrupt dazwischen."Da fällt mir etwas ein...ähm...was ich unbedingt noch mit dir besprechen muss. Leider ...ähm...muss ich gleich noch etwas erledigen... hmm... und würde das gerne noch vorher mit dir besprechen, wenn das ginge."
    Sie blickte ihn nun entschieden und ruhiger an, als sie sich fühlte und hoffte, er würde ihr das irgendwie abkaufen. In der Zwischenzeit sollte sie sich überlegen, was genau sie mit ihm besprechen wollte...

    Als sie am Morgen erwachte, brauchte sie zunächst einen Moment um sich wieder zu ordnen. Sie sah neben sich auf das Kopfkissen, doch anstelle von Verres Kopf lag dort ein kleiner Strauß frischer Blumen. Zwar nur ein kleiner Trost, aber dennoch eine liebevolle Geste.
    Langsam stand sie auf um sich zu recht zu machen.Was würde der Tag wohl bringen? fragte sie sich selbst.
    Sie wusste noch nicht, dass dies der Tag sein Würde in dem Titus sie zu ihrem Cousin zitieren würde und an dem sie dem Sklaven vom Vortag unerwarteter Weise gegenüberstehen würde.