Beiträge von Duccia Flamma

    Eine eigene Wohnung und noch dazu ein Zimmer zuviel, dachte Eila glücklich. Nun konnten sie und ihr Bruder wirklich zusammen ein neues Leben anfangen, formten sich die Gedanken in ihrem hübschen Kopf. Sie strahlte ihn an und sie fragte sich, wie dieses Leben wohl nun aussehen würde.


    Dann hörte sie weiter dem Wortwechsel der beiden zu. Ja, dachte sie dann, auch sie hatte in der Zeit hier bei Glabrio irgendwie das Gefühl bekommen, dass die Arbeit die er hatte zwar wichtig war, aber ihn nie wirklich zu begeistern vermochte. Daher nickte sie bei seinen Worten.


    "Das ist mal wieder typisch!" lachte sie dann bei Lokis Worten. So etwas war nur allzu normal für ihren Bruder, seine eigene Adresse nicht zu kennen.

    "Nunja, ich habe durch Zufall hier angefangen zu suchen." erwiderte Eila die Worte ihres großen Bruders.
    "Die Stadtwache meinte ich könnte am ehesten im Praetorium Hilfe finden. Und um ehrlich zu sein habe ich geraten, als ich mich für eine der Türen entschieden habe. "
    Sie schüttelte leicht den Kopf, bedachte sie wieviel Glück ihr Widersehen wirklich bedeutete.
    "Wie ist Mogontiacum?" fragte Eila neugierig, war es ihr doch klar, dass sie Loki von nun an überall hin begleiten würde.

    "Glaubst du etwa, die letzten Tage waren nur für dich aufregend?" neckte Eila Loki für diese Bemerkung. "Aber ich freue mich, dass du anscheinend so schnell in ein neues Leben gefunden hast." Ein funken Schmerz regte sich bei diesen Worten in ihr. Bisher war ihr Ziel nur gewesen ihren Bruder zu finden. Und nun, wo sie das erreicht hatte, musste auch sie sich Gedanken darüber machen, wie es weiterginge. Und viel schlimmer noch, mit ihrem alten Leben wirklich abschließen.


    Sie beobachtete wie ihr Bruder mit vollem Mund sprach. Bauer bleibt Bauer, dachte sie schmunzelnd. Doch auch sie nahm sich nun etwas zu essen. Wenn auch vorerst nur ein paar Weintrauben und ließ diese in ihren Mund wandern.


    "Er hat es kurz angeschnitten." beantwortete Eila Lokis gemampfte Frage und schenkte Glabrio ein freundliches Lächeln.

    Bei dem Titel "verrücktes Huhn" hatte Eila ihrem Bruder wie sie es schon immer bei solchen Bemerkungen seinerseits getan hatte einen leichten Knuff in die Seite verpasst. Er war einfach unmöglich, und deshalb liebte sie ihn so.


    Bei der weiteren Unterhaltung zwischen ihm und ihrem großherzigen Helfer hatte sie zunächst geschwiegen. Zwar gab es auch hunderte Dinge, die sie von Loki wissen wollte.Aber zunächst sollte die Aufmerksamkeit auch Glabrion gelten. Wer weiß,ob sie ihren Bruder ohne seine Hilfe überhaupt jemalsgefunden hätte. Doch als Loki nun begann von seiner Arbeit und dem Ort an dem er nun zu leben schien zu erzählen begann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.


    "Du bist Teilhaber einer Pferdezucht? Das ist ja unglaublich."sagte sie verblüfft. Dann umspielte ihre Lippen das so typisch verschmitzte Lächeln wenn sie mit ihrem Bruder zusammen war.Und wäre nicht Glabrio da gewesen,hätte sie ihn jetzt lachend gefragt wen er dafür hatte flachlegen müssen. Aber unter diesen Umständen verkniff sie sich dies und grinste nur.


    "Du scheinst viel erreicht zu haben im letzten halben Jahr."

    Als ihr Bruder sie wieder an sich zog verließ Eila das Gefühl der Angst langsam wieder. Sie spürte seine großen starken Arme um sich und wusste, dass sie nirgends auf der Welt jetzt hätte sicherer sein können.
    Loki schien stolz auf sie zu sein und das rührte sie. Dennoch waren es bei ihr vor allem Gefühle des Glücks, die in ihr aufkeimten.


    "Und du? Wie konntest du entkommen? Was hast du denn in der all der Zeit gemacht?" Hunderte Fragen schossen ihr durch den Kopf.
    "Ich bin so unglaublich glücklich dich gefunden zu haben." strahlte sie ihn mit noch feuchten Augen an. Noch immer ungläublig schaute sie ihn von Kopf bis Fuß an, während sie seine beiden Hände hielt und einen Schritt zurückgegangen war um ihn komplett sehen zu können.


    Doch schnell trat sie wieder zu ihm heran um ihn erneut zu umarmen. Zu sehr hatte sie dies in der langen Zeit ihrer Trennung und in deren Einsamkeit vermisst.

    Langsam entließ sie ihn aus ihrer Umarmung und ließ sich von ihren Zehenspitzen herab wieder auf ihre Füße gleiten. Sie schaute ihn an und nahm sein Gesicht in ihre beiden Hände, noch immer ungläubig, dass sie ihrem großen Bruder endlich wieder Gegenüberstand. Noch immer waren ihre Augen von Tränen feucht, doch nun trat ein glückliches Strahlen in ihre blauen Augen.


    "Ich...ich bin nicht sehr tief gefallen." versuchte sie zu erklären."Als ich wieder aufstand war mein erster Instinkt fortzulaufen." Bei diesen Worten trat wieder ein leicht betrübter Ausdruck in ihr Gesicht.
    "Und als ich dann das Gefühl hatte in Sicherheit zu sein habe ich dich nicht mehr gefunden. Ich hatte ...hatte keine Ahnung mehr wo ich war." stotterte sie entschuldigend. Die Erinnerung an den Moment als ihr klar wurde, dass sie völlig allein und orientierungslos in diesem Wald stand, ihr Verfolger vielleicht noch im Rücken, lag noch immer schwer auf ihrem Herzen. Sie hatte noch nie in ihrem Leben solche Angst gehabt und auch jetzt bei der bloßen Erinnerung daran und das sogar in der Gegenwart ihres Bruders, spürte sie dieses alte Gefühl wieder aufkeimen.

    Loki schien ebenso überwältigt zu sein wie sie. Als er ihren Namen sprach liefen immer mehr und mehr Tränen über ihr Gesicht.
    Während er auf sie zukam schaute sie ihn noch immer sprachlos an. Bei seiner Berührung erschauerte sie leicht.
    Loki...ihr Bruder...ihr Ein und Alles, dachte sie nur. Als er die Tränen von ihrer Wange strich und erneut ihren Namen sprach erwachte sie auf einmal aus ihrer Starre.
    Sie schlang ihre Arme um seinen Hals wozu sie sich auf ihre Zehenspitzen stellen musste, barg ihren Kopf an seiner rechten Schulter und begann zu schluchzen.
    "Loki... ich...ich..." stotterte sie während dessen,"du lebst...du hast mir so... so sehr gefehlt."
    Bei ihren Worten zitterte sie am ganzen Körper.

    Eila war gerade dabei gewesen einiges für das heutige Abendessen vorzubereiten als es auf einmal an der Tür klopfte. Erschrocken ließ sie sogleich das Stück Gemüse mit dem sie beschäftigt war fallen. In den letzten Tagen war nie jemand vorbeigekommen, während Glabrio im Büro war und für dessen Rückkehr war es bei weitem noch zu früh. Leicht verwundert ging sie zur Tür als ihr auf einmal ein Gedanke kam. Konnte das vielleicht... Doch sie unterbrach sich selbst in diesem Gedanken, da sie sonst nur enttäuscht sein würde, wenn jemand anderes vor der Tür stand. So legte sie schnell die letzten Schritte zur Tür zurück und öffnete sie...


    Was sie sah verschlug ihr die Sprache. So sehr sie auch darauf hingearbeitet hatte und so sehr dieser Moment ihre größte Hoffnung gewesen war, war sie völlig perplex. Sie wollte ihren Augen nicht trauen.
    Mit offenem Mund und weit geöffneten Augen starrte sie einen Moment den Mann an, der neben Glabrio vor der Tür stand.


    "Loki!" wollte sie sagen, doch kein Ton kam über ihre Lippen. So sprach sie nichts und als ihr dann auf einmal bewusst wurde, dass es wirklich ihr geliebter Bruder war der ihr gegenüberstand, lief die erste Träne über ihre Wange...

    Eila wurde von Glabrio wirklich gut versorgt und war ihm dafür sehr dankbar. Sie hatte wirklich Glück gehabt einem solch freundlichen Menschen begegnet zu sein. Da sie Glabrio allerdings in seinem Officium arbeiten musste und Eila ihn dabei ohnehin nur gestört hätte blieb sie meist einfach in dessen Wohnung. Abends aßen sie meist zusammen und unterhielten sich. Davon abgesehen vertrieb sie sich einfach die Zeit, die ihrer Meinung nach viel zu langsam verstrich. Geduld mochte eine Tugend sein, aber nicht die ihre. Und so wartete sie Tag für Tag darauf, dass Glabrio nach Hause kam und eventuell Nachricht von seinem Boten mitbringen würde. Doch es waren schon einige Tage vergangen und nichts war geschehen. Langsam begann sie zu zweifeln, ob sie ihren Bruder wirklich wiederfinden würde.


    Ich habe schon ein halbes Jahr gewartet, die paar Tage überstehe ich auch noch, dachte sie dann allerdings ernst und schalt sich selbst. Sie würde nie die Hoffnung aufgeben ihren großen Bruder wieder in den Arm nehmen zu können.

    Nachdem Glabrio so freundlich gewesen war ihr eines der Gästezimmer zur Verfügung zu stellen, hatte sich Eila zunächst einen Moment auf die Bettstatt sinken lassen und alles noch einmal Revue passieren lassen. Sie war ihrem Bruder seit dieser schrecklichen Trennung vor einem halben Jahr nicht mehr so nah gewesen wie sie es gerade war. Und bei diesem Gedanken schlug ihr Herz erneut schneller. Ihr geliebter Bruder, was musste der Arme bloß denken oder gar fühlen wenn ihn die Nachricht von Glabrio erreichen würde. Sie wusste nicht, ob oder wann sie ihren Bruder nun wiedersehen würde, doch kein Gedanke beschäftigte sie mehr und keinen Moment ersehnte sie sich mehr als das...

    "Oh..." antwortete Eila zunächst ein wenig erstaunt. Damit hatte sie beim besten Willen nicht gerechnet. Und sie musste zunächst kurz überlegen, ob sie das Angebot würde annehmen können. Doch es erschien ihr als die beste Lösung.
    "Ich will deine Hilfbereitschaft wirklich nicht weiter strapazieren. Aber ich muss sagen, dass dies ein sehr freundliches und vor allem für mich sehr verlockendes Angebot ist." gab sie zu.
    Sie blickte ihren Gegenüber noch einmal an, doch erkannte sie nichts als Freundlichkeit in dessen Wesen. War "Nächstenliebe" nicht eines der Worte die Syrus im Zusammenhand mit dieser, seiner Religion erwähnt hatte?


    "Aber wenn es wirklich möglich wäre, dann wäre ich dir sehr dankbar."

    "Das braucht es nicht," sagte sie ehrlich,"es ist Vergangenheit und daher etwas, was nicht mehr zu ändern ist und dem ich nicht hinterhertrauere." Eila hatte da ihre ganz eigene Vorstellung und so sehr sie der Verlust manchmal noch schmerzte blickte sie für gewöhnlich nicht zurück.


    "Ja, ich bin auch froh nun hier zu sein." lächelte sie Glabrio dann an.
    "Ich frage nur ungern, weil ich deine Hilfsbereitschaft ohnehin schon über die Maßen strapaziert habe, aber kannst du mir sagen, wo ich hier in der Stadt am besten unterkommen kann, bis es Neuigkeiten von meinem Bruder gibt?"


    Dieses Problem bereitete ihr wirklich sorgen. Ihr Ziel war es hierher zu kommen, doch was ab jetzt passierte hatte sie sich noch nicht überlegt.

    Zunächst überlegte Eila in wieweit sie diesem Römer wirklich trauen konnte und wieviel sie ihm ohne Sorge berichten konnte. Doch sie entsann sich, dass auch er ihr seinen Glauben betreffend vertraut hatte und so entschied sie sich für die schlichte Wahrheit.
    "Nunja, ob es reizvoll ist maße ich mir noch nicht an zu beurteilen. Ich finde es nur fremd." Sehr fremd, fügte sie in Gedanken hinzu. Und irgendwie komisch. Die Leute hier sahen einfach meist merkwürdig aus. Von der Kleidung ganz zu schweigen.
    "Mein Bruder und ich sind in einem Dorf an der Amisia aufgewachsen. Dort lebten wir mit dem Rest unser Familie ein schönes Leben. Nach dem Bataveraufstand kam ein verletzter römischer Flüchtling in unser Dorf und meine Familie hat ihn aufgenommen.Das war Syrus. Allerdings wandte sich das Dorf gegen uns," Eila musste schlucken als sie an diese Erinnerungen dachte. Noch immer viel es ihr schwer. Zwar schien ih Bruder noch zu leben, doch der Rest ihrer Familie war dennoch vor einem halben Jahr gestorben.
    "Loki und ich sind die einzigen die die Flucht überlebt haben." sagte sie leise.
    "Allerdings wurden wir bei der Verfolgung getrennt und er muss mich für tot halten. Es ist ohnehin ein Wunder, dass ich entkommen konnte. Nach einigen Tagen Marsch allein durch die Wälder hatte ich ein kleines Dorf eines anderen germanischen Stammes erreicht.Bei den ersten Schritte in das Dorf bin zusammengesackt und habe gar nicht mitbekommen, wie die Dorfbewohner mich versorgten. Erst einige Tage später bin ich wieder aufgewacht.endete sie ein wenig erschöpft von der Recht langen Erzählung.
    "Und jetzt bin ich hier." lächelte sie matt.

    "Wenige Tage nur..." wiederholte sie noch einmal die Worte Glabrios. "Das klingt so unvorstellbar wenn ich überlege wie lange ich diesen Moment schon herbeisehne." Sie wusste garnicht wie sie reagieren würde, wenn ihr Bruder ihr Gegenüberstand. Aber sie würde es sehen, und wenn man Glabrios Worten traute schon bald...
    "Aber du wolltest etwas über mich und meinen Bruder wissen, wenn ich mich nicht täusche. Was genau interessiert dich denn, ich beantworte deine Fragen gerne."

    Zunächst betrübten Glabrios Worte Eila. Doch bei seinem Hinweis, dass sie ihn ja vielleicht schon bald selbst sehen würde, kehrte ihre Freude zurück.
    "Was schätzt du wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass wir ihn so aufspüren? Und wenn man ihn findet, wie lange wird es wohl dauern bis er hier ist?" fragte sie neugierig.
    Sie konnte es nicht erwarten sich endlich wieder in die Arme ihres Bruders zu werfen. Seit sie Kinder waren, waren sie wie Pech und Schwefel gewesen. Sie hatte zu jeder Zeit zu ihm aufgeschaut und ihn vergöttert und er sie immer beschützt. Natürlich hatten auch sie sich nicht weniger als andere Geschwister gestritten und geärgert. Aber sie und ihren Bruder verband ein tiefes Band.
    Auch deshalb hatte sie nie glauben können, dass er tot war. Ein Teil von ihr hatte wieder aller Vernunft immer gewusst, dass er noch lebte.
    Loki, dachte sie und wünschte er könnte ihre Gedanken spüren, bald sind wir endlich wieder vereint.

    Sie verstand die Tragweite dieses religiösen Streitpunktes im Römischen Reich zwar nicht, aber sie konnte sich Glabrios Vorsicht nun besser erklären ...
    "Dann verstehe ich deine Sorge. Wie gesagt, ich werde es für mich behalten." bestätigte sie erneut ihre Aussage von zuvor.
    "Worübert hast du denn an jenem Abend noch mit meinem Bruder gesprochen? Verzeih meine Neugierde, aber ich weiß nichts von ihm, seit sich unsere Wege trennten und habe mir große Sorgen gemacht."
    Und um ehrlich zu sein, war das noch eine Untertreibung.

    "Dankeschön." sagte sie als Antwort auf sein Kompliment zu ihrer Sprache. Auch wenn sie viel gelernt hatte, war sie mit deren Umgang noch nicht allzu vertraut und ein wenig unsicher.
    "Oh, natürlich." sprach sie dann. "Keine Sorge, ich werde es für mich behalten."
    Dann dachte sie weiter über die Worte ihres Gegenübers nach. Es war keine Frage , dass sie über etwas schwieg, wenn Glabrio darum bat. Aber so recht verstand sie es nicht.
    "Ich kenne mich wie gesagt, bei euch nicht aus...aber wieso ist es anscheinend eine Bedrohung an seinen eigenen Gott zu glauben?" fragte sie daher recht verwundert.

    Jetzt ergab das ganze für Eila wesentlich mehr Sinn. Glabrio war Christ und musste von Syrus sprechen.
    "Ja, ich weiß jetzt was du meinst. Ich hatte nicht geahnt das du Christ bist. Der Römer den du meinstest hieß Syrus und hat uns als er bei uns lebte ein paar Dinge über euren Gott berichtet." lächelte sie ihn an.
    "Es kann gut sein, dass mein Bruder mit dir darüber gesprochen hat. Er hat Syrus viel zugehört. Er war es auch, der uns das lateinische ein wenig nahegebracht hat. Obwohl ich in dieser Hinsicht mehr gelernt habe. Mein Bruder hatte auch nicht so viel Zeit wie ich , sich im lateinischen unterrichten zulassen. Daher konnte ich den Brief den du aufgesetzt hast auch relativ gut verstehen." Ihr Bruder war dazu noch nicht in der Lage gewesen, dachte sie. Aber wer weiß, wie weit er mittlerweile war. Immerhin hatte sie ihn ein halbes Jahr nicht gesehen. Aber bald würdes es soweit sein, dachte sie freudig.